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Das Amalgamirwerk Halsbrücke bei Freiberg

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Textdaten
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Autor: Diverse
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Titel: Das Amalgamirwerk Halsbrücke bei Freiberg
Untertitel:
aus: Album der Sächsischen Industrie Band 1, in: Album der Sächsischen Industrie. Band 1, Seite 49–51
Herausgeber: Louis Oeser
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Louis Oeser
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Erscheinungsort: Neusalza
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Quelle: Commons und SLUB Dresden
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Das Amalgamirwerk und die Schmelzhütte, Halsbrücke bei Freiberg.

[49]
Das Amalgamirwerk Halsbrücke bei Freiberg.
(Mit Abbildung.)


In der Nähe von Freiberg liegt der Flecken Halsbrücke, mit dem Rittergut Hals, und hochaufwirbelnde, gewaltige Dampfwolken kündigen schon aus weiterer Entfernung an, daß sich hier ein Hauptsitz bergmännischer Industrie befindet, welcher auch bald als ein großartiger Complex von Gebäuden, eine Welt im Kleinen, sichtbar wird. Das regste Leben herrscht hier, ununterbrochen gehen Wagen ab und zu, bewegen sich geschäftige Berg- und Hüttenleute in ihrer einfachen, dunklen Tracht hin und her, den Fremden mit ihrem traulichen „Glückauf“ begrüßend.

Hier ist das königliche Amalgamirwerk Halsbrücke, das einzige derartige Etablissement in Sachsen, das größte, nicht nur Europas, sondern der ganzen Erde.

Die Kunst des kalten Amalgamirens, durch welche viel Brennmaterial erspart wird, war schon seit Jahrhunderten bekannt, sie wurde von den Spaniern in Mexiko um das Jahr 1571 erfunden und in ihren dortigen reichen Bergwerken angewendet, wobei sie bis zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts fortwährend Vervollkommnungen erhielt. Die Spanier betrachteten das Amalgamiren, wenigstens die erste Zeit, als ein Geheimniß und dieses war Ursache, daß diese Kunst erst in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts in Europa bekannt wurde und Anwendung fand. Das erste Verfahren war allerdings mangelhaft und deshalb weniger beachtet, bis es 1784 durch den österreichischen Bergrath Ignatius von Born und den chursächsischen Bergrath Christian Ehregott Gellert seine weitere Ausbildung erhielt.

Dieser Bergrath Gellert, geboren den 14. August 1713 in Hainichen, war der Bruder des berühmten, allgemein verehrten Professor Gellert in Leipzig, und in seinem Fach ein ausgezeichneter Mann, die Bergakademie in Freiberg, an der er lange Zeit lehrte, nennt ihn ehrend als Einen ihrer Begründer, und als metallurgisch-chemischer Schriftsteller war er auch in den weitesten Kreisen bekannt. Gellert starb zu Freiberg den 18. Mai 1795.

Die Vortheile, welche dieses nun ausgebildete Verfahren bot, veranlaßten den König Friedrich August I. – damals noch Kurfürst – durch den Oberberghauptmann von Charpentier das Amalgamirwerk zu Halsbrücke erbauen zu lassen, welches die Zeit von 1787–1790 in Anspruch nahm. Aber noch kein Jahr war das Werk im Betrieb, als es (1790) schon gänzlich abbrannte, worauf es 1792 weit besser und kunstreicher wieder hergestellt wurde, und sich fortwährend vergrößerte, wobei es auch stets Verbesserungen erhielt, da jede neue Erfindung in diesem Fach des Bergwesens sogleich benutzt wurde. Im Lauf der Zeit erhielt das Werk ein von Mende erbautes großartiges Spritzendruckwerk und im Jahre 1827 eine eigene Gasbereitungsanstalt, die erste in Sachsen, sowie auch hier die Gasbeleuchtung zuerst in Sachsen in Gebrauch kam.

Die für die Amalgamation bestimmten Erze müssen möglichst blei- und kupferfrei sein, aber Schwefelkies bei sich führen und einen solchen Silbergehalt haben, daß der Centner Erz wenigstens 6–7 Loth Silber enthält. Diese Erze werden klein gepocht in das Amalgamirwerk abgeliefert, wo nun der mühevolle Prozeß des Silberausscheidens beginnt.

Die erste Behandlung der Erze wird in der bergmännischen Sprache die Beschickung genannt. Unter die gepochten Erze wird lagenweis Kochsalz gebracht, das Ganze mit Schaufeln durch einander geworfen, gehörig durchgesiebt, und dann in Haufen von 4½ Centner eingetheilt, die sogenannten Röstposten. Hierzu sind täglich 300 Centner Erz und 30 Centner Kochsalz nöthig.

[50] Nun beginnt die zweite und wichtigste Operation der ganzen Amalgamation. In den drei großen Beschickungs- oder Röstungssälen, wo oft Beschickungen von 800 bis 1000 Centner aufgeschichtet liegen, fallen die Röstposten durch Lutten oder Schläuche unmittelbar auf die Röstöfen. Seit einiger Zeit ist auch ein Gasröstofen angelegt, welcher zum Vorrösten dient, d. h. zum vorläufigen Entschwefeln sehr blendiger oder zu kiesreicher Erze. Jede 4½ Centner schwere Post bleibt fünf Stunden in dem Ofen, und wird dann durch eine andere ersetzt. Die Erze werden erst trocken gerührt und die durch die Feuchtigkeit entstandenen Klümpchen mit dem Hammer zerpocht, worauf man das Feuer so verstärkt, daß das Erz über und über zu glühen beginnt und so im Stand gesetzt wird, in Folge seines Schwefelgehalts von selbst fortzuglühen, wobei es beständig mit dem Röstkrahl, einem eisernen Rechen, durchgerührt wird. Dieses nennt man das Abschwefeln. – So wie das Selbstglühen aufhört, wird mit schwächerem Feuer zum Gutrösten vorgeschritten, wo das Erz aufschwillt und sich das in demselben enthaltene Silber durch seine Verbindung mit dem Kochsalz zu Horn- oder Chlorsilber bildet, wobei es einen deutlichen Chlorgeruch entwickelt.

Die dritte Operation ist das Durchwerfen, Sieben und Mahlen, um das Erz so fein als möglich zu erhalten. Die geröstete Beschickung wird in einem eisernen Wagen, Hund genannt, auf den Kühlplatz gefahren, sodann auf den Boden des Gebäudes gehoben, dort durchgeworfen und gesiebt, wobei man siebgrobes, siebmittles und siebfeines Erz erhält, und endlich auf den zehn Mühlen mit Läufern und Bodensteinen von Granit vollends fein gemahlen und dann durch die Beutelmaschine getrieben. Nur ganz fein gemahlenes Erz ist zur Amalgamation tauglich. Alles was bei dem Durchwerfen, Sieben und Mahlen zurückbleibt, muß mehrmals geschroten (grob gemahlen), dann nochmals mit 2½ Theil Kochsalz gemengt und geröstet werden, worauf es wieder in die Mühle gebracht wird.

Ist alles Erz in Staubform verwandelt, so erfolgt der Hauptprozeß, das Anquicken oder die eigentliche Amalgamation. Ueber dem Anquicksaal befinden sich zwanzig zinnerne, in Holz gefaßte Kästen, in welche das Erzmehl geschüttet und dann durch Lutten in die Anquickfässer hinabgelassen wird. Diese Fässer werden durch ein vierzehn Ellen hohes Wasserrad in Bewegung gesetzt, und sind aus Holz. Eine runde Oeffnung im Bauch des Fasses dient zum Ein- und Ablassen der Faßfüllung und sie wird durch einen hölzernen Spund geschlossen, in welchem sich ein anderes, kleineres Spundloch mit einem besonderen Spunde befindet. Die ganze Vorrichtung wird gut verschraubt. Die kleine Oeffnung dient zum Ablassen des silberhaltigen Quecksilbers, die große dagegen zum Füllen der Fässer und zum Ablassen der Rückstände und der Lauge. – In jedes Faß kommen nach Verhältniß von dessen Größe 10–15 Centner Erzmehl, 3–5 Centner Wasser, 5–6 Centner Quecksilber und 80–100 Pfund Schmiedeeisen in Würfelgestalt mit verbrochenen Ecken und Kanten. – Das Quecksilber dient als Silberextractionsmittel, indem es die Fähigkeit besitzt, den Zusammenhang der meisten übrigen Metalle aufzuheben und schon in der Kälte auf das Erz wirkt. – Die Entsilberung des Gemenges wird durch die nach und nach erfolgte Selbsterwärmung, durch die Auflösung des bei dem Rösten nicht vollständig in Glaubersalz verwandelten Kochsalzes und durch den zwischen dem Eisen und Quecksilber vermittelten galvanischen Strom bewirkt, das Chlor- oder Hornsilber wird zerlegt, das Chlor geht in das Eisen über und das Silber verbindet sich mit dem Quecksilber. Zuletzt gießt man in das zu drei Viertheilen angefüllte Faß noch so viel Wasser, daß es völlig voll ist und läßt es noch einige Stunden langsam umgehen, damit das in die feinsten Perlen zerschlagene Quecksilber Zeit und Gelegenheit hat, durch den immer mehr sich verdünnenden Erzschlamm zu seicken und sich anzusammeln. – Nun wird erst das Quecksilber durch die kleine Spundöffnung abgelassen, worauf man den übrigen Rückstand, die Lauge, in die unmittelbar unter dem Anquicksaal sich befindenden drei Waschbottiche fließen läßt. Auf diese Weise wird die fünf- bis siebenlöthige Beschickung so weit entsilbert, daß nur noch ungefähr fünf Achtelloth Silber per Centner in der Rückstandmasse der Lauge enthalten sind.

Jetzt beginnt das Filtriren des silberhaltigen Quecksilbers, welches auf Gerinnen in die Amalgamkammer und dort zur Abkühlung und Reinigung in mit Wasser angefüllte Bottiche geleitet wird. Aus den Bottichen läßt man das Quecksilber in aufgehäufte Zwillichbeutel, durch die es zum Theil von [51] selbst läuft, zum Theil durch Pressen mit den Händen getrieben wird. Dieses filtrirte Quecksilber kommt in die Anquickfässer zurück. – Der Rückstand in den Beuteln ist das sogenannte Amalgam, eine Verbindung von sechs Theilen Quecksilber mit einem Theil Silber und etwas Kupfer; es ist eine körnig, krystallinische, etwas schmierige Masse, von mattweißem Ansehn.

Um das Quecksilber von dem Silber zu scheiden, erfolgt das Ausglühen des Amalgams und dieses geschieht theils in eisernen, vier bis fünf Centner fassenden Retorten, aus deren langen eisernen Hälsen man das Quecksilber dann tropfen sieht; das Silber kommt hier gewöhnlich geschmolzen hervor. Auch wird das Ausglühen noch unter einer gußeisernen Glocke bewirkt, welche mit Coackfeuern umgeben und unten durch Wasser abgesperrt ist. Unter diese Glocke kommen auf übereinander gesetzten eisernen Tellern vier bis fünf Centner Amalgam und hier verwandelt sich das Quecksilber bei dem Durchglühen in Dämpfe, senkt dann innerhalb der Glocke nieder und wird durch die Berührung mit dem Wasser wieder metallisch niedergeschlagen; auf den Tellern bleibt eine metallische Substanz zurück, welche Tellersilber genannt wird, theils auch ein schönes, moosartiges Aussehen hat und in der Hauptsache aus Silber mit etwas Kupfer und anderen Unreinigkeiten besteht.

Das Raffiniren des Tellersilbers endet die ganze Behandlung. Das Silber wird in großen, gußeisernen Tiegeln, welche 2 bis 300 Centner Metall aufzunehmen vermögen, zusammengeschmolzen und so von seinen Unreinigkeiten befreit. Dieses Schmelzen geschieht bei Flammenfeuer und unter Zuschlag von Holzkohlenstaub auf die flüssige Masse. Ein Theil der schädlichen Bestandtheile verraucht, der andere Theil scheidet sich als Schlacke und schwimmt auf der Metallfläche, von wo er möglichst rein abgeschöpft werden muß. – Ist die Reinigung vollendet, so gießt man das Silber in halbkugelförmige Pfannen, in welchen es 20 bis 30 Pfund schwere Stücke bildet, Planchen genannt, welche dann an die Münze abgeliefert werden.

Dieses Werk verarbeitet jährlich 90,000 Centner Erz und scheidet daraus 16,000 Centner kupferhaltiges, sogenanntes Raffinalsilber, unter dem sich gegen 12,000 Centner Feinsilber befinden. Der Staat zahlt dafür 500,000 Thaler.

Die bei der Amalgamation fallenden Rückstände unterliegen noch einer weiteren Behandlung. Die Rückstände, welche noch etwas Amalgam und Quecksilber enthalten, werden sammt der Lauge in große Bottiche geleitet und mit vielem Wasser verdünnt, in dem sich das schwerere, amalgamhaltige Quecksilber niederschlägt und dann nochmals filtrirt wird. Es bleibt nun in den Beuteln ein kupferhaltiges Amalgam, welches ein sehr kupferreiches Metall giebt. – Die Lauge wird zur Herstellung des Quick- oder Düngesalzes benutzt.

Das von Mende erbaute kunstreiche Spritzendruckwerk befindet sich in einem Thurm. Es wird durch ein Wasserrad in Bewegung gesetzt und sichert sämmtliche Gebäude gegen Feuersgefahr, denn es kann alle Gebäude bestreichen, ja, nöthigenfalls förmlich mit Wasser überschütten, da in alle Gemächer und Behältnisse Schläuche und Röhren geleitet sind. Der Hauptstrahl des Druckwerks steigt über 120 Fuß hoch.

Noch befindet sich hier eine Steinbohrmaschine und ein hydraulischer Widder.

Beschäftigt sind bei diesem Werk mit Einschluß der Beamten 160 Mann.