Das Banngehölz zu Diehsa
Westlich von dem Dorfe Diehsa in der Oberlausitz breitet sich ein nicht unbedeutendes Gehölz aus, durch welches verschiedene breitere und schmälere Fußwege führen, jedoch vermeiden noch heute die meisten Bewohner der dasigen Gegend den Theil der Waldung, der nahe an der Straße gelegen ist, weil die Sage geht, daß an diese Stelle des Busches ein vornehmer Herr hingebannt sei, und an manchen Wegen zu gewissen Stunden die festhalte, welche dorthin geriethen, wer aber einmal da festgehalten werde, könne nimmermehr, er möge thun, was er wolle, früher aus dem Gebüsche heraus, als bis die Bannstunden vorüber seien. Man erzählt sich hierüber Folgendes. Es soll einst in der Nähe dieses Dorfes ein reicher Edelmann ein Schloß bewohnt haben, der durch seine wilde und unleidliche Gemüthsart sich in der ganzen Umgegend verhaßt gemacht hatte. Derselbe hatte eine Gemahlin, die aber eben so sanft und gut war, als er finster und hart. Indeß lebten Beide anfänglich doch ziemlich gut mit einander, bis die Liebe, welche der Ritter zu seiner Gattin trug, sich nach und nach in immer größere Abneigung verwandelte, weil dieselbe seinen Wunsch, ihm einen Erben seines Names und Stammes zu schenken nicht zu erfüllen vermochte. [195] So entfremdete er täglich mehr seinem Hause, er trieb sich in der Umgegend herum, und wenn er ja einmal zurückkehrte, hatte er kein Wort der Liebe für die arme Dulderin. So war er auch einst bei einem Freunde gewesen, der das Glück genoß, Vater eines muntern, blühenden Knabens zu sein. Neidisch blickte der Unglückliche auf seinen Freund, doppelt fühlte er sein Unglück und entbrannte vor Wuth gegen sein unfruchtbares Weib, der er allein sein trauriges Loos beimaß. Voll banger Sehnsucht hatte letztere auf seine Rückkehr gelauert, sie eilte ihm mit offenen Armen entgegen, er aber stieß sie mit starker Hand von sich, sie brach rücklings zusammen, verwundete tödtlich ihr Haupt am eisernen Thorflügel und nach wenigen Stunden war sie nicht mehr. Eine lange Reihe von Jahren schwand dahin, allein der Stachel des bösen Gewissens blieb tief in des Mörders Brust, weder Seelenmessen, noch Schenkungen an Kirchen und Klöster, noch der Bau eines kostbaren Grabmals für die unglückliche Dahingeschiedene waren im Stande dem Mörder Ruhe zu verschaffen, endlich vermochte er die Qual nicht mehr zu ertragen, er nahm Gift und bald ruhte er an der Seite der unschuldigen Dulderin, seine Güter aber fielen an entfernte Seitenverwandte. Allein auch jetzt fand er noch keine Ruhe, zur Abendzeit sah man murmelnd einen Geist am Schlosse und am Gitterthore umherirren, der erst um die Mitternachtsstunde unter dumpfem Gewimmer in der Todtengruft verschwand. Einem frommen Priester in der Gegend, der schon manchen Zauber gelöst hatte, gelang es, den Unglücklichen in das obenerwähnte Gebüsch zu bannen,[1] um welches er in der Tracht [196] des 17ten Jahrhunderts, aber mit erdfahlem Gesicht die Runde macht, den Gruß des Vorübergehenden nicht erwiedert und dann im Gehölze verschwindet, wer ihn aber erblickt, den fesselt er auf einige Zeit so, daß derselbe, er mag wollen oder nicht, jene Stelle nicht wieder verlassen kann.
- ↑ Das Bannen eines Entseelten an einen gewissen Ort ist noch jetzt in der Lausitz sehr gewöhnlich, und geschieht meistens durch den Scharfrichter. Bei Zittau sollen der Pfeffergraben und der Schülerbusch dergleichen Orte sein, wo solche gebannte Seelen ihr Wesen treiben. S. Willkomm, Sagen und Mährchen a. d. Oberlausitz. Bd. I. S. 21. sq. – Man kann aber auch Lebende bannen, so erzählte mir mein seliger Schwiegervater, Hr. Einnehmer Rost zu Grimma, er habe als Knabe zu Jüterbogk selbst einen Dieb auf einem hohen Aepfelbaum noch am hellen Tage [196] sitzen sehen, auf welchem denselben ein solcher Hexenmeister durch seinen Hocuspocus, nachdem man sich lange vergeblich bemüht, ihn zu fangen, eines Nachts fest gemacht hatte, so daß er erst, nachdem jener den Zauber wieder aufgehoben, den Baum wieder verlassen konnte. Thiere, besonders Hunde, an sich bannen, können viele Jäger, ich auch.