Das Brigittenschloß (Zetter)
Im Walde steht verborgen
Das kleine Siedlerhaus;
Der Greis tritt früh am Morgen
In Gottes Welt hinaus;
Verhallt im blüh’nden Bann,
Da schwingt sich über’n Hagen
Ein kecker Jägersmann.
„Sey mir willkommen, Alter!“
„Leg’ heute Kreuz und Psalter
Und Gürtel auf den Tisch,
Und zeig’ mir, frommer Degen,
Was du vor Zeiten warst,
Manch stolzer Scheitel barst!
Da ließest du die Mette,
Das Kreuz, des Teufels seyn,
Griffst in manch Ehebette,
Warst tapfer auf der Meute,
Frugst nichts nach Recht und Pflicht; –
Zum Ritter sprech’ ich heute,
Des Mönchleins acht’ ich nicht.
Frag’, Alter, ohne Noth!
Man wird mit Schall dir nennen
Den Herrn von Hohinrot,
Den mehr, als Kreuz und Klause,
Doch dem sein Weib zu Hause
Die Hölle gut geheizt.
Die Hölle, ja die Hölle,
Die Eh’ ist mir verhaßt!
Die nichts als Jammer faßt.
Ein Weib ist unerträglich
Das kalt für Minnescherz,
Nur von Gebeten kläglich
Drum höre meine Bitte:
Wenn heut am Abend spat
Mein eisig Weib Brigitte
Sich deiner Zelle naht:
Wirf ab den Schafpelz gleich,
Und öffn’ ihr ohne Zagen
Das Thor zum Himmelreich.
Du hast mein Wort begriffen?
Das ist ein scharf geschliffen
Blank Himmelsschlüsselein;
Das stoß’ ihr in das kalte
Lieblose Herz hinein“ –
„Herr! Herr! das kann nicht seyn!“
„Ha, keine Gegenrede,
Fürcht’ Alter, meinen Zorn!
An meinem Grimm geht jede
Mit diesen Worten wieder
Davonsprengt der Barbar;
Der Greis sinkt betend nieder
Vor seinem Felsaltar.
Ziehn heut von Nah’ und Fern
Mit schmuckem Dienertrosse
Die Grafen und die Herrn.
Der Zwerg späht in die Runde
Und sagt zu jeder Stunde
Viel neue Gäste an.
Der Mönch, der ist verschwiegen,
Und stumm die Todten sind,
Sich wortlos in dem Wind;
Der Wald im lust’gen Maien
Spricht nichts von Mord und Tod,
Drum keck die Dirne freien
Die Geiger aus den Brettern
Die fiedeln frohe Weis’,
Die Hörner lustig schmettern,
Die Becher gehn im Kreis;
Fast kaum die wilden Reih’n,
Und tausend Lichter glänzen
Tief in die Nacht hinein.
Der Herr geht durch die Hallen
Sein Blick ruht mit Gefallen
Auf seiner Buhlerin.
Er grüßet Jung und Alte;
Wo blieb des Festes Preis,
Der fromme Siedlergreis?
Und horch! da dröhnt die Pforte
In ihren Angeln jach,
Ein Greis tritt ohne Worte
Er führt an seiner Rechten
Ein Weib, so stumm und bleich,
In milden Sommernächten
Dem stillen Monde gleich.
Dem Pilgerpaar voran,
Und alle Blicke schauen
Zum hohen Greis hinan.
Doch sieh, man kennt ihn balde!
„Das ist der Mann vom Walde,
Der fromme Siedlergreis!“
Der reckt sich hoch und höher
Und droht mit finstern Brau’n,
Der Urwelt anzuschau’n
Sein Blick in tiefster Feier
Durchblitzt die Reihen dicht,
Drauf lichtet er vom Schleier
Da dröhnt aus Saales Mitte
Ein Schrei, entsetzlich fast:
„Brigitte! weh, Brigitte! –
Wer lud den Tod zu Gast?“
Ins Herz dem Grafen bohrt,
Da bricht sein Mund das Schweigen,
Da schallt sein Donnerwort:
„Heraus, du Mann von Eisen!
Nun wird sich’s keck erweisen,
Wem Unrecht wiederfubr.
Laß deine Zornglut lodern!
Die Todten kommen nicht,
Dich, Sünder, vor Gericht.
Die du aus deinem Hause
Verbannt, verstoßen hast,
Sie fand in meiner Klause
Der Herr, der Hort der Armen,
Gab ihr ein gut Geleit,
Der Wald hielt voll Erbarmen
Ihr Speis’ und Trank bereit.
Wenns dich entsünd’gen kann!
Es steht vor deinen Blicken
Ein waffenloser Mann;
Reiß’ ab ihm die Kaputze,
Sein Haupt ist, dir zum Trutze
Von Mord und Blutschuld rein!“ –
Schwer traf die Donnermahnung
Des frechen Räubers Ohr,
Und rafft sich jach empor;
Er stürzet aus dem Saale,
Er eilet ohne Rast
Und birgt in tiefem Thale
Er kann nicht Ruh’ mehr finden,
Kein Stern hellt seine Bahn,
Es klammern alle Sünden
Sich seinen Fersen an.
Durch Kluft und Haideland,
Bis er in fernem Kloster
Ein friedlich Obdach fand.
Auf Hohinrot, dem Schlosse
Da wiehern keine Rosse,
Da blinkt kein Jägerspeer.
Ein Kirchlein von der Halde
Begrüßt die Gau’n im Kreis,
Der fromme Siedlergreis.
Es wehet von der Zinne
Kein stolz Panier fortan,
Es schallt kein Lied der Minne
Ein Kreuz strahlt ob den Thoren
Vergoldet in die Fern,
Das Herz, das viel verloren,
Sucht seinen Schöpfer gern.
Dient Ihm, der Welt entrafft,
Die Büßerin Brigitte
In tiefer Klosterhaft.
Des Gatten Schuld zu wenden
Das Gold mit vollen Händen
Den Armen zum Ersatz.
Den Wittwen und den Waisen,
Den Kranken in der Rund,
Thut sich ihr Segen kund;
Die Dörfer kommen alle
Zu knie’n an ihrem Herd,
So ward sie bald mit Schalle
Wohl ist das Schloß zerfallen,
Wohl steht der Thurm verwaist,
Doch ob den öden Hallen
Schwebt noch Brigittens Geist.
Ihr Segen schmückt das Land,
Drum wird die Burg im Gaue
Brigittenschloß genannt.