Das Grab von Meulan (Die Gartenlaube 1871/28)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Ludmilla Assing
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Das Grab von Meulan
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 28, S. 480
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1871
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[480] Das Grab von Meulan. Der zu Meulan begrabene August von Crayen, dessen die „Gartenlaube“ in Nr. 25 erwähnte, kann Niemand anders sein als der Sohn jener schönen und witzigen Frau von Crayen, welche eine Freundin des Herzogs Karl August von Weimar, des Fürsten von Ligne und des Grafen von Tilly war und die oft in Varnhagen’s Schriften und Rahel’s Briefen erwähnt wurde.

Varnhagen von Ense schreibt in hinterlassenen Aufzeichnungen wie folgt über sie:

„Frau von Crayen, geb. Levaux, war geboren zu Berlin im November 1755, lebte längere Zeit in Leipzig, kehrte aber dann wieder nach Berlin zurück, wo sie 1832 starb. Der Prinz von Preußen, nachheriger König Friedrich Wilhelm der Zweite, war heftig in Fräulein Levaux verliebt, und als diese den Kammerrath Crayen aus Leipzig heirathen sollte, konnte er sich gar nicht zufrieden geben. Die Hochzeit wurde in dem Hause am Lustgarten, welches früher Corsica’s Kaffeehaus, dann Parlament d’Angleterre hieß, sehr glänzend gefeiert; der Prinz aber hatte sich vorher ein Nebenzimmer gemiethet, und bei dem Gastmahle erschien er verkleidet als Aufwärter und wechselte der Neuvermählten ein paarmal die Teller, ohne daß sie es merkte. Bald aber wurde er von dem Bruder, dem Banquier Levaux erkannt, worauf er sich zurückzog. Levaux sagte spöttisch zu Crayen: ‚Mon cher beau-frère, vous jouez lá un beau rôle, vous avez un diable de laquai auprès de votre femme.‘ (Mein lieber Schwager, Sie spielen da eine schöne Rolle, Sie haben einen verteufelten Lakaien bei Ihrer Frau.) Man zog die Sache nun in’s Zufällige und suchte Alles mit Höflichkeiten zu bedecken. Crayen lud den Prinzen ein, einige Erfrischungen zu nehmen, und als das Strumpfband vertheilt wurde, bot man auch ihm ein Stück desselben. Die wirkliche Geliebte des Prinzen, Mademoiselle Encke, spätere Gräfin von Lichtenau, nahm die Verehrung für ihre Nebenbuhlerin so übel, daß sie dieser, als sie mit ihrem Gatten unter den Fenstern des Englischen Hauses – in der Mohrenstraße, wo Mademoiselle Encke damals wohnte – vorüberging, eine schwere Brieftasche nachwarf, in der Absicht, sie zu treffen. – Dies Alles war im Jahre 1777.“

Der Sohn der Frau von Crayen, August, fiel im Felde; ihre Tochter, Victoire, die auch ihrerseits einen originellen Witz besaß, starb erst vor wenigen Jahren in hohem Alter in Berlin.

Auch die folgenden beiden Züge hat Varnhagen über Frau von Crayen aufgeschrieben:

„Der Capellmeister Reichardt führte einst in Leipzig die schöne Frau von Crayen aus einer Gesellschaft nach Hause, und sie sprach mit dem alten Bekannten sehr vertraulich. Sie stellte ihm vor, was ihr in der Jugend für glänzende Aussichten eröffnet waren, welche vornehme Heirathen, und schloß dann: ‚Was ist aus allen meinen Schwärmereien geworden, lieber Reichardt, aus so glänzenden Hoffnungen? Nichts – als Crayen und Compagnie!‘ So hieß die Handelsfirma ihres Mannes.“

„Frau von Crayen fuhr im Jahre 1820 mit einem Thorwagen nach Charlottenburg. ‚Hör’ Er mal,‘ redete sie den Kutscher an – dieser dreht sich rasch um, sieht sie eine lange Weile starr an, so daß sie verwundert schweigt, und dann sagt er frisch: ‚Er ist lange todt, Sie lebt noch!‘“
Ludmilla Assing.