Das Mikroskop in der Familie
Aus der stillen Arbeitskammer der Naturforscher ist schon so mancher Apparat hinausgewandert in die weite Welt, hat sich eingebürgert in der großen Masse des Volkes und wurde hier zu einer Quelle reichhaltiger Unterhaltung und Belehrung. Um die Laterna Magica sammelt sich an langen Winterabenden der gemischte Kreis jugendlicher und bejahter Zuschauer, um den bunten Wechsel der auf einander folgenden Bilder zu bewundern. Das Stereoskop ist in Millionen von Exemplaren verbreitet und mit stets frischem Interesse betrachten wir die fernen Landschaften, die berühmten Bauwerke und reizenden Figurengruppen, die hinter seinen Gläsern in greifbarer Gestalt auftauchen.
Man hat auch oft versucht, das Mikroskop, jene gewaltige Waffe, mit deren Hülfe der menschliche Geist in das Reich des Unsichtbaren [778 b] siegreich einzubringen vermochte, in der Familie einzubürgern. Aber die meisten dieser Versuche schlugen leider fehl, denn was man im allgemeinen dem Publicum für billigen Preis anbot, das war eine recht schlechte Waare, und außerdem knüpfte man an die Anpreisung derselben überschwängliche Versprechungen, die niemals in Erfüllung gehen konnten, Es wurde den Laien vorgeredet, daß sie mit Hülfe der kleinen, billigen Mikroskope ihr Fleisch auf Trichinen, ihre Nahrungsmittel auf Verfälschungen etc. untersuchen können. Das war nun grundfalsch, und Jeder, der anfangs diesen Vorspiegelungen Glauben geschenkt hatte, mußte nur allzubald erkennen, daß ihm zu solchen Untersuchungen die nöthigen Vorkenntnisse fehlten.
So müssen auch wir von vornherein erklären, daß es eine Illusion ist, daß das Mikroskop in der Familie jemals praktischen Nutzen bringen wird. Und trotzdem ist der Werth seiner Verbreitung in gebildeten Kreisen ein nicht zu unterschätzender. Selbst das einfachste Mikroskop gewährt dem Laien einen überraschenden Einblick in die wunderbarsten Schöpfungen der Natur, erweitert den Gesichtskreis seiner Bildung und gestaltet sich namentlich in den Händen der Jugend zu einer unerschöpflichen Quelle geistiger Anregung. Man schüttele nur nicht ungläubig den Kopf. Ehe wir uns in Folge vielfacher Anregung entschlossen haben, diese Ansicht in der weitverbreiteten „Gartenlaube“ zu vertreten, haben wir uns zunächst praktisch von ihrer Wahrheit überzeugt und gelegentlich Leute verschiedenen Standes und verschiedenen Alters an unser Mikroskop geladen. Der Erfolg war wirklich überraschend, das Mikroskop erwies sich als ein vorzügliches Mittel zur Unterhaltung, die den Meisten um so mehr Befriedigung gewährte, als sie stets mit Belehrung verbunden war.
Wir können darum diejenigen von unsern Lesern, die an den Werken der Natur Freude haben, zu einem derartigen Versuche ermuntern. Die Ausführung desselben wird durch den Umstand ganz besonders erleichtert, daß in letzter Zeit wirklich gute Mikroskope für einen billigen Preis zu beschaffen sind. Namentlich möchten wir die Aufmerksamkeit der Kauflustigen auf das „Universal-Taschenmikroskop“ lenken, welches das optische Institut von Paul Wächter (Berlin SO, Köpnickerstraße 115) auf den Markt gebracht. Selbst Fachleute haben dasselbe mehrfach für weniger wichtige wissenschaftliche Untersuchungen empfohlen, und dies beweist zur Genüge, daß wir in diesem Falle mit keinem jener werthlosen Schwindelartikel zu thun haben. Das Wächter’sche Taschenmikroskop giebt bei fünfzigfacher Linearvergrößerung schöne und klare Bilder, es ist laut der beigegebenen Gebrauchsanweisung außerst leicht zu handhaben, und kostet in hübschem Etui nebst drei Präparaten, drei Objectgläsern, unter denen eins mit Hohlschliff zur Aufnahme von Flüssigkeiten sich befindet, und einer vorzüglichen Loupe nur 6 Mark. Wer Lust hat, sich mit einem größeren Vorrath interessanter Präparate zu versehen, der kann von demselben Institut eine recht hübsche Auswahl beziehen (12 Stück kosten 2 Mark) und auf Verlangen das Präparatenverzeichniß desselben gratis und franco erhalten.
Allen aber, welchen es auf einige Mark mehr nicht ankommt, möchten wir dringend empfehlen, sich eines der beliebt gewordenen Salonmikroskope anzuschaffen, die stärker vergrößern und selbstverständlich klarere und schönere Bilder zeigen. Auch in dieser Hinsicht können wir die Firma Paul Wächter mit gutem Gewissen empfehlen, da sie gerade in der Herstellung von Mikroskopen mit schwächerer und mittlerer Vergrößerung sich eines besonderen Rufes erfreut. Wenn jedoch das Instrument nicht zu einem werthlosen Spielzeug in der Hand Unkundiger herabsinken soll, so ist es nöthig, dem Laien gleichzeitig ein belehrendes Buch in die Hand zu geben, und wir möchten für diesen Fall unsere Leser namentlich auf das Werkchen „Das Mikroskop und seine Anwendung“ von Dr. Friedrich Merkel. Mit 132 Holzschnitten (München, Verlag von R. Oldenburg), aufmerksam machen, welches durch jede Buchhandlung zu beziehen ist.
Auf dem Weihnachtstisch dürfte ein solches Geschenk, namentlich für Knaben im reiferen Alter, die für die Naturgeschichte lebhafteres Interesse zeigen, eine freudige Ueberraschung bilden.