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Das Oktoberfest in München

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Textdaten
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Autor:
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Titel: Das Oktoberfest in München
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 39, S. 632–633, 647
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1887
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[632]

Das Oktoberfest in München.
Originalzeichnung von F. Messerschmitt.

[647] Das Oktoberfest in München. (Mit Illustration S. 632 und 633.) Wer ein echtes, unverfälschtes Volksfest sehen und mitgenießen will, der muß am 1. Oktobersonntag nach München kommen. Schon am Vorabend strömen, von keuchenden Extrazügen gebracht, Tausende von ländlichen Gästen vom Bahnhof her und am Festsonntag selbst wandern sie, verstärkt durch die ganze mobile Bevölkerung der Großstadt, der Festwiese vor der Bavaria zu. Alle dahin führenden Straßen sind dicht gefüllt; nur im Schritt geht es vorwärts, mühsam kämpfen sich die Wagen durch. Und das Ziel dieser Völkerwanderung? Eine Viehausstellung, auf die der Ehrgeiz des ganzen Landes gerichtet ist, Vertheilung der Preise durch den König, jetzt Prinzregenten und dann das Pferderennen entlang der durch Mastbäume mit blau-weißen Flaggen bezeichneten Bahn. Den Kranz über das Ganze hält Frau Bavaria von der hochgelegenen Ruhmeshalle her; der Steilrand zu ihren Füßen bietet herrliche Sitzterrassen, die am Morgen schon von geduldig Harrenden eingenommen werden; außerdem sind Tribünen um das Königszelt her errichtet. Was aber, wenn um 2 Uhr der sehnlich erwartete Kanonenschuß fällt und das Rennen beginnt, die Tausende auf der Wiese hinter Kopf und Rücken ihrer Vordermänner zu sehen bekommen, das sind höchstens ein paar vorüberfliegende Jockeymützen und Pferdeköpfe. Aber das schadet nicht, man schreit aus Leibeskräften mit und wunderschön ist’s eben doch! Wenn dann das Rennen vorüber ist und die Sieger, durch gnädige Ansprachen der höchsten Herrschaften beglückt, abziehen, dann löst sich langsam die dichte Menschenmasse und ergießt sich über die weite Wiesenfläche hin in die zahllosen Bierwirthschaften und Schaubuden aller Art, welche dem zweiten, nicht officiellen Theil des Festes eine so große Anziehung verleihen. Hier locken dann die ganze Festwoche über die schauerlichen Mysterien von „Schichtl’s Geistertheater“; dort winden sich gemalte Neger im Todeskampfe gegen Riesenschlangen und Tiger; ein fliegender Seehund producirt sich neben dem fliegenden Photographen, der eine Gruppe argloser Landleute um die andere hinter seinen Vorhang schleppt; es schreit, klingelt, brüllt und klappert überall; dazwischen locken die schönsten Walzerklänge von dem tannengeschmückten Podium, wo die Soldaten und Bauernburschen ehrbar und fröhlich ihre Mädel unter den Kranzgewinden drehen. Höchst selten ist ein Exceß, ein rohes Wort – die Atmosphäre harmloser Gemüthlichkeit, welche München überhaupt eigen ist, lagert auch über dem Oktoberfest mit seinem vielen guten Bier, seinen Wurstküchen, Schmalzkuchelbuden und Fischbratereien, wo alle Stände friedlich verkehren, die elegante Equipage neben dem Bauernfuhrwerk, der Officier, Student und Künstler neben dem Handwerksgesellen und Packträger. Wenn noch vollends der Himmel ein Einsehen hat und gleichfalls blau-weiß dekorirt, dann kann es keinen vergnüglicheren Sitz in der milden Oktobersonne geben, als diese menschenerfüllte, bunte Wiese mit dem Ausblick auf die ferne Alpenkette und rückwärts nach den alten Frauenthürmen.