Das Ritterfräulein zu Heilingen

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Textdaten
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Autor: Johann Georg Theodor Grässe
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Titel: Das Ritterfräulein zu Heilingen
Untertitel:
aus: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 2. Anhang: Die Sagen des Herzogthums Sachsen-Altenburg, S. 407–408
Herausgeber:
Auflage: Zweite verbesserte und vermehrte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Schönfeld
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Erscheinungsort: Dresden
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Google-USA* und Commons
Kurzbeschreibung:
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102) Das Ritterfräulein zu Heilingen.
S. Bechstein. Thüringer Sagenbuch. Wien u. Leipzig 1858. Bd. II. S. 236 fg. Greß S. 122 fg.

Auf der jetzt verfallenen Burg zu Heilingen hauste weiland ein alter Ritter mit seiner einzigen Tochter. Nun freite ein benachbarter Ritter um das Fräulein, allein er stand dem Alten nicht als Eidam an. Das hinderte jedoch den jungen Herrn nicht, immer wiederzukommen, weil er bei dem Fräulein um desto mehr in Gunst stand. Zornig sprach der Alte einst: „läßt mir der Fant das Gereite nicht, so schießt ihn meine Armbrust das nächste Mal, wo er wiederkommt, vom Pferde.“ Die Tochter versetzte darauf: „Vater, thut Ihr das, so stürze ich mich vom Söller herunter; seht wohl zu, was Ihr thut!“ Was geschah? Der fremde Ritter kam wieder, der Heilinger Herr schoß nach ihm, und Mann und Roß stürzten zusammen. Da stürzte sich auch das Fräulein mit einem Weheruf hinab. Der junge Ritter, dessen Pferd aber nur getroffen war, stand wieder auf, todt aber blieb das Fräulein und geht seitdem in dem noch übrigen Thurme des Schlosses um, das bald darauf in Trümmern fiel.

Dort hütet sie nun die Weinschätze des Burgkellers, in welchem noch viele gute alte Jahresläufte lagern, und wandelt mit einem Schlüsselbunde umher und begabt, gleich andern solchen wandelnden Jungfrauen, Musicanten, oder junge Mädchen, die sich in ihrer Einfalt nach Wein hinauf in die öden Trümmer schicken lassen, wie sie einst einer etwas blöden Bauerntochter that, die ihr Vater dorthin sandte, weil sie in ihrer Einfalt gesagt hatte, sie wisse den Keller. Diese ging auch und kam zurück und brachte richtig Wein, der schmeckte trefflich und schmeckte nach mehr, und des Bauers Zechgäste [408] hellerten zusammen, daß sie noch einmal gehe. Das Burgfräulein gab nun zwar der unklugen Maid noch einmal Wein, aber es sagte ihr auch, sie solle nie wagen, wiederzukommen, der Kuh nütze nicht Muskate und den Bauergurgeln gehöre nicht solcher Wein. Gleichwohl hat sich aber das Mädchen von den durstigen Bauern bereden lassen, gegen ein Trinkgeld noch einmal nach der Ruine hinaufzusteigen, anfangs wollte sich das weiße Fräulein auch trotz allen Rufens nicht zeigen, endlich aber erschien sie traurig und mit verhülltem Angesichte und sprach: „zum letzten Male hast Du von mir Wein erhalten und nie wieder soll ein Menschenkind davon trinken, denn wer der Geister Gaben um Geld verkauft, der ist ihrer nicht werth!“ Damit verschwand das weiße Fräulein. In jener Nacht aber sind Keller und Fässer viele hundert Klaftern tief in die Erde gesunken und werden niemals wieder ans Tageslicht kommen.