Das fünfundzwanzigjährige Jubiläum von Klara Ziegler

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Titel: Das fünfundzwanzigjährige Jubiläum von Klara Ziegler
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aus: Die Gartenlaube, Heft 8, S. 131–132
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1887
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Bild:Clara Ziegler als Brunhilde. Nach einer Photographie der Frau Bertha Beckmann-Wehnert in Leipzig. In: Die Gartenlaube (1868), Heft 32, S. 509.
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[131] Das fünfundzwanzigjährige Jubiläum von Klara Ziegler. Am 22. Februar sind es fünfundzwanzig Jahre, seit Klara Ziegler in Bamberg zum ersten Male als Adrienne Lecouvreur die Bühne betrat. Der hervorragenden Darstellerin wird das ihr gebührende Recht zu Theil, wenn ihr Jubiläum vom deutschen Theater festlich begangen wird, für die Dichtung der Neuzeit hat sie das nicht gering zu schätzende Verdienst, das Stiefkind der Mode, die Tragödie, zu voller Geltung gebracht zu haben. Wo sie auf den Brettern erschien, da zogen die Heroinen im großen Stil mit ein, und manchem Musentempel, in welchem der Alltagskultus der leichtgeschürzten Lustspielmuse oder des zügellosen Schwanks vorzugsweise herrschte, hat sie mit ihrem Gastspiel eine höhere Weihe ertheilt. Klara Ziegler war die geborene Tragödin, man hat sie oft mit Charlotte Wolter, der Zierde des Wiener Burgtheaters, verglichen. Was dieser an Majestät und Macht der äußern Erscheinung fehlt, ersetzt sie durch die hinreißende Leidenschaftlichkeit, die elektrisirende Gewalt ihres Spiels.

Klara Ziegler ist am 27. April 1844 in München geboren; sie wandte sich im Jahre 1862 der Bühne zu, trat zuerst in Bamberg auf unter dem Namen Herzberg, gastirte als „Jungfrau von Orleans“ an dem Münchener Hoftheater und in Regensburg und nahm dann ein Engagement in Ulm an, wo sie bis 1865 blieb. Damals wurde die neue Volksbühne der Isarstadt, das Aktientheater, eröffnet: ihr Lehrer Christen hatte die Leitung des Instituts und gewann sie für dasselbe; schon am ersten Abend trat sie in dem Festspiel, durch welches das Theater eingeweiht wurde, als Isarnixe auf, eine Rolle, die sie durch ihre Erscheinung vollständig deckte. Eine geeignetere Vertreterin konnte sich der Stolz der Münchener nicht wünschen, ihre Isarnixe erinnerte in majestätischer Erscheinung an die Bavaria. Am Volkstheater fand sie indeß nicht die großen Aufgaben für ihr Talent; sie ging im Jahre 1869 nach Leipzig, wo sie ebenfalls das Neue Theater in dem Gottschall’schen Festspiel einweihen half, durch ihre Erscheinung, durch ihr prachtvolles Organ blendend und fesselnd. War sie schon vorher im Alten Theater als „Deborah“ aufgetreten, so fand sie doch erst in den Räumen des Neuen Theaters, auf dieser stattlichen Bühne den geeigneten Hintergrund für ihre künstlerischen Leistungen. Für ihre imposante Erscheinung war das Alte Theater nicht recht geschaffen und Theaterfreunde erinnern sich noch, daß in der Kirchhofscene der „Deborah“ die kleine dort angebrachte Kirche vor der Wucht ihres Spiels in ein bedenkliches Wackeln gerieth.

Hier in Leipzig spielte sie nach dem Festspiel am Abend der Einweihung des Neuen Theaters die „Iphigenie“, welche zu ihren Glanzrollen gehört: dies erste Theaterjahr im neuerrichteten Schauspielhause, die Glanzepoche der Leipziger Bühne, die nicht, wie man irrthümlich meint, unter die Direktion Laube, sondern unter die Direktion Witte fällt, schuf der jungen Künstlerin das Repertoire, welches sie später ihren Gastrollencyklen zu Grunde legte.

Damals füllten die Schöpfungen der großen Dichter, die Tragödien das Haus, und darstellende Kräfte wie Herr Barnay, Herr Herzfeld, Frl. Link und andere brachten sie in Gemeinschaft mit Klara Ziegler zu durchgreifender Geltung. Wie großartig war damals die Aufführung der Hebbel’schen „Nibelungen“! Die Nordlandsjungfrau Brunbild mit ihrer geheimnißvollen Runensprache war eine Prachtleistung der Darstellerin. Später bevorzugte Klara Ziegler bei ihren Gastspielen die „Brunhild“ von Emanuel Geibel, welche das ganze Trauerspiel bis zum Schluß beherrscht, während die Hebbel’sche Brunhild zu früh aus dem Drama verschwindet, um nicht den unentbehrlichen Triumph einer Gastspielerin am Schlusse der Vorstellung zu beeinträchtigen. Doch wenn sie mit dem melodisch-kräftigen Vollklang ihrer Stimme dem Wohllaut der Geibel’schen Verse besonders in der großen Hauptscene mit Kriemhild vollständig gerecht zu werden wußte, so hatte sie doch auch für den großen Wurf und die Leidenschaftlichkeit der Hebbel’schen Dichtungen die äußeren und inneren Mittel der Darstellung, wie ihre in vieler Hinsicht grandiose [132] Judith bewies. Außer der „Iphigenie“ glänzte sie als „Jungfrau von Orleans“, allerdings eine geharnischte Heldin von Kopf zu Fuß, nicht eine zarte Magd, die sich so kriegerischer Thaten unterfängt, wie später als Medea, Lady Macbeth, Gräfin Orsina, Elisabeth in „Graf Essex“, Isabella in „Braut von Messina“ und in anderen hochtragischen Rollen. Der Beifall der Leipziger, die sie zu ihrem Liebling erkoren hatten, ermuthigte sie allerdings zu gewagten Experimenten, wie zur Darstellung des Shakespeare’schen Romeo, die ihr ein volles Haus und größten Beifall des Publikums eintrug, die aber doch bei den wahren Kunstfreunden nur Kopfschütteln erregen konnte.

Von Leipzig ging der große Ruf der Künstlerin aus; sie erhielt alsbald Anträge an die ersten Hofbühnen und entschied sich für diejenige ihrer Vaterstadt München, wo sie am 1. Oktober 1868 ein lebenslängliches Engagement annahm. Von hier aus begann sie ihre Gastreisen nach Wien, Dresden, Berlin, Hamburg, überall vom Publikum hochgefeiert, während zum Theil die Kritik, besonders die Wiener, gegen die sie deßhalb von der Bühne herab protestirte, ihr zu eintönige Deklamation zum Vorwurf machte. Im Jahre 1874 schied sie aus dem Verband der Hofbühne, der sie indeß als Ehrenmitglied mit der Verpflichtung zu regelmäßig wiederkehrenden Gastspielen noch jetzt angehört. Im Jahre 1876 heirathete sie ihren Lehrer, Herrn Christen. Bei ihren künstlerischen Rundreisen suchte sie ihr Repertoire auch mit den großen Rollen neuerer Dichtungen zu bereichern, wie sie denn „Die Patricierin“ von Richard Voß in dasselbe aufnahm.

Klara Ziegler, deren Bild als „Brunhild“ wir in der „Gartenlaube“ (Jahrg. 1868, Nr. 32)[WS 1] brachten, ist eine Darstellerin großen Stils, die bisher nur wenig Nachfolgerinnen gefunden hat; denn sie vereinigt seltene Mittel, eine imposante Erscheinung und ein Organ an Kraft und Wohlklang mit der Plastik des Geberdenspiels, welche für große Aufgaben unerläßlich ist; sie steht in einsamer Größe unter den jetzigen renommirten Darstellerinnen, welche den Schwerpunkt ihrer künstlerischen Leistungen in der französischen Rührkomödie suchen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 1878; siehe Berichtigung in Kleiner Briefkasten, Heft 11