David und Salomo/27. Vortrag

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David und Salomo
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XXVII.
2. Chron. 9, 1–4; 5–8; 9–12.


1.
 Von der Weisheit und Erkenntniß Salomos braucht die Schrift selber gewaltige Worte: er war, heißt es, größer an Reichthum und Weisheit als alle Könige auf Erden (1. Kön. 10, 23). In ebenso hohen Worten redet sie von der Anerkennung, die Salomo in der Welt gefunden hat. „Alle Könige auf Erden, wohin nur sein Gerücht kam – begehrten das Angesicht Salomos zu sehen, um seine Weisheit zu hören.“ Wie wahr ist’s, daß auf Salomo ein Gottesglanz gelegt worden war, und daß ihm der HErr die Herzen und die Verehrung aller Menschen schenkte. So kam sein Gerücht auch in den Süden und sein Name wurde in eine uns allerdings nicht ganz deutliche Verbindung mit dem Namen Jehovahs gebracht (1. Kön. 10, 1), die uns aber zeigt, warum die Völker seine Weisheit so hoch schätzten, weil sie dieselbe nämlich in Verbindung mit seinem Gott brachten. Auf dem Weg nach Ophir mußten Salomos Schiffe an dem Land vorbei fahren, wo die Königin von Saba wohnte. Zwei Länder streiten sich um die Königin: Aethiopien und das südliche Arabien. Die Aethiopier behaupten: ihre Königin sei Salomos Weib geworden und habe ihm einen Sohn geboren; aber Saba, von dem hier die Rede ist, liegt in Arabien, in einer berühmten und glücklichen Gegend, die mit den Griechen und Römern handelte und ihnen ihre köstlichen Erzeugnisse: Gold, Balsam, Spezereien etc. lieferte. Dorthin drang also auch das Gerücht von Salomo, und dort saß eine weise Königin auf dem Thron, weise nämlich im Sinn des Morgenlandes. Das Morgenland setzt die Weisheit nicht in| Abstractionen; alle seine Gedanken sind körperhaft, greifbar; alle Weisheit vereinigt sich bei dem Morgenländer mit Poesie. Man findet dort jetzt noch Weise, die in Sprüchen reden, ähnlich denen in der heiligen Schrift. Solche Sprüche sind auch die Räthsel, mit denen die Königin von Saba Salomo versuchte. Es sind (epigrammatisch) zugespitzte Gedanken, in denen die Wahrheit oft mehr angedeutet als ausgesprochen ist. Josephus erzählt älteren Geschichtsschreibern nach, daß auch Hiram in dieser morgenländischen Weisheit ausgezeichnet gewesen sei und sich mit Salomo in einen Wettstreit eingelassen habe, von diesem aber besiegt worden sei. In gleicher Absicht kam auch die Königin von Saba nach Jerusalem, sie wollte den Salomo prüfen, ob er wirklich so gesegnet sei mit Weisheit, wie es das Gerücht ihr zugetragen. Sie kam nicht, um ihn zu fragen, welches der Weg zum Himmel sei; nicht um den rechten Gott zu finden, sondern die Weisheit der Witzigen, die Poesie des Morgenlands suchte sie, Salomos Sprüche wollte sie hören. Salomo aber sagte ihr alles, was in ihrem Herzen war; er blieb ihr keine Antwort schuldig; im Gegenteil: er sagte ihr mehr, als sie beantworten konnte. Dazu führte er sie in seinen Königsbau, ließ sie an seiner Tafel speisen, in seinen Haushalt sehen, die Wohnungen seiner Knechte, den Aufgang zum Tempel, die Brandopfer, die er brachte etc. Und was sie da sah, das ergriff sie so, daß sie außer sich kam und gestand, daß das Gerücht weit hinter der Wirklichkeit, die sie gefunden, zurückgeblieben sei. Da zeigt sich, wie groß Salomo war, daß auch die Weisen ihm gegenüber nicht mit Neid, sondern mit Bewunderung erfüllt wurden. Sie pries seine Knechte selig, daß sie allewege vor ihm stehen und seine Weisheit hören durften. Selig, ja selig aber sind die Augen und Ohren, die Den sehen und hören durften, der mehr ist denn Salomo Luc. 10, 23.


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2.
 Unter dem Haus (V. 3), das die Königin besucht hat, wird wol nicht der Tempel, sondern der Palast des Königs zu verstehen sein. Hätte sie den Tempel d. h. den Vorhof des Tempels betreten, so würde sie wol auch Opfer gebracht haben; es war ja in dem Weihegebet Salomos ausdrücklich auch der Fall vorgesehen, daß Heiden Jehovah Opfer darbringen würden. Davon ist aber in der Erzählung keine Rede. Was sie anzieht ist etwas anderes als Gott, es ist nur sein Schatten: Salomo. Seine Gaben suchte sie, nicht Ihn. Es würde ganz anders befriedigen, wenn sie, die hochbegabte Frau, zu Salomo gekommen wäre, wie dort (2. Mos. 18, 10–12) Jethro zu seinem Schwäher Moses, um den wahren Gott zu suchen und zu finden. Einen Eindruck empfieng sie ja wohl, sie lobt ja Gott den HErrn, daß ER den Salomo zum König über Israel gesetzt hat, sie weiß auch von einem ewigen Reich Israel etc. und wenn man dies liest und dazu die Stellen des neuen Testaments (Matth. 12, 42), so wird man versucht, den Eindruck des Besuchs der Königin auf sie selber hoch anzuschlagen. Aber das ist der Fluch des Polytheismus, daß man der Fußangel nicht ledig wird, die der Dienst der falschen Götter anlegt. Die Frau erkannte wol, daß Jehovah der Gott Israels sei, aber daß sie deswegen Ihm angehören müße, fiel ihr nicht ein; sie ist eine Sabäerin, sie betet die Sterne an; sie bewundert wol den Salomo, aber sie geht wieder wie sie gekommen ist. Was hätte die Königin von Salomo lernen können! Salomo hat doch ohne Zweifel mit ihr von seinem Gott gesprochen, so gut wie er in seinem offenen Schreiben an seinen Freund Hiram ihm die Wahrheit vor Augen legte, daß der Gott Israels der Einzige sei, der Himmel und Erde geschaffen habe (2. Chron. 2, 5 ff.). Gott will eben, daß wir keine| anderen Götter haben neben Ihm, ER ist der Einzige und will es sein. Wenn Jemand das nicht anerkennt, sondern Ihn allenfalls für den höchsten Gott unter den andern gelten lassen will, der ist nicht auf der Bahn zum ewigen Leben. Merke sich das ein Jeder und trage es auf seine Götzen über. Trägst du einen Götzen in dir – und wärest du es selber, denn sich selbst ist man oft der ärgste Götze – so wird dein Lob Gottes nicht taugen und dein Auge wird geschlossen sein für den Weg, der zum Himmel führt. Alles in dir, was dich selber will, hindert deine Erkenntniß; dem HErrn mußt du allein dienen. Die finden großes Glück, die nichts mehr haben als Ihn, die alles verlieren, um es in Ihm wieder zu finden.


3.
 Die Schrift fließt über von dem Reichthum Salomos. Sie erzählt, daß auch die Königin von Saba ihm 120 Centner Goldes gebracht hat und erinnert bei dieser Gelegenheit noch einmal an die reichen Schiffsladungen Goldes, die nebst andern wunderbaren Dingen von Ophir kamen wie z. B. das rothe Sandelholz, aus welchem Salomo Treppen bauen ließ, die aus seinem Palast in den Tempel führten. Was sind aber für Salomo 120 Centner Gold! Der läßt sich doch nichts schenken, sondern macht alles wieder gleich und trachtet selbst darnach, aller Menschen Wohlthäter zu werden. Er gibt der Königin wieder was sie ihm gebracht hat und noch viel mehr dazu, er deckt ihre Wohlthaten mit vielfacher Vergeltung zu. Er läßt sie gehen reicher als sie kam, nicht blos reicher an Schätzen, sondern auch an Weisheit. Sie wollte ihre Räthsel an Salomo probieren und nimmt mit weg seine Räthsel, seine Weisheit, ja den Namen seines Gottes und kann daheim den Ihrigen erzählen von seinem Tempel| und seinen Opfern, seiner Andacht und seiner Frömmigkeit. Das alles wird doch dem Namen des HErrn auch im fernen Arabien Ehre gebracht haben, und wenn auch die Königin selbst sich nicht bekehrte, so wird doch mancher Fuß sich in Bewegung gesetzt haben vom Saume des Meeres zu dem stillen Jerusalem und mehr innere Befriedigung bei den Altären des HErrn gefunden haben als sie, die, weil sie der Räthsel so voll war, den Weg des Lebens nicht suchte. So dient manchmal im Reich Gottes auch einer, der dem HErrn nicht ganz beifällt, nicht im Grund der Seelen sein Eigenthum geworden ist. Manchmal nimmt ein Mensch mit seinem Fuß ein Samenkorn mit fort und trägt es unbewußt in ein Land, wo es aufgeht. Wenn das der Fall ist, verdient der HErr Lob und Preis. Wie viel mehr Dank aber gebührt Ihm, wenn Seine Boten hinausgehen und nicht in Räthseln und Sprüchwort, sondern in deutlicher heller Rede den Ruhm des ewig wahren Gottes predigen und den Weg lehren, der zum ewigen Reichthum führt, den man nicht verlieren kann. Wo ist Salomos Reichthum geblieben? Der HErr hat ihn zusammengebracht, der HErr hat ihn auch wieder zerstreut; aber die ewigen Schätze stehen allen offen, und die welche den Boten Gottes glauben, werden sie finden und ewiglich besitzen.
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