Dem bewußten „Einsiedler“
(1890.)
Wär’ ich im Bann von Friedrichsruhe,
Wär’ ich Besitzer von Varzin,
Ich setzte mich auf meine Truhe
Und hustete auf ganz Berlin.
Was ihn zu solchem Thun nur treibt? –
Zur Zeit ein – Journalist geworden,
Der flott – Korrespondenzen schreibt.
Bedenklich war’s zu allen Zeiten,
Um Dinge sich herumzustreiten,
Die einfach Sache des Geschmacks.
Doch ich bedächte sicher heute,
Daß einst ich selbst der Welt erzählt,
Die sämmtlich „den Beruf verfehlt.“
Daß ich, wie immer schroff und scharf,
Von meines Kanzlerthumes Zinnen
Daß zu der Rechten Hohngekicher,
Vor Zeiten mir das Wort entfuhr
Von „Existenzen,“ die da sicher
„Catilinarischer Natur.“
Daß leicht, wie jetzt die Sache steht,
Man in der „schlechten Presse“ Spalten
Den Spieß herum behende dreht,
Und daß dawider nichts zu machen,
Zugleich mit andern schönen Sachen
Ein Stoß von Formularen kam.
Ich würde endlich auch bedenken,
Daß lang dein Arm, moderner Staat,
Ein abgesetzter Diplomat,
Daß, wenn er schreibt, im Handumdrehen
Das Strafgesetz sein Aermel streift,
Daß, wie an Arnim wir gesehen,
Nun denk’ ich mir’s entschieden ledern
In ländlich-stillem Aufenthalt
Bei Nacht und Nebel aus den Federn
Geholt zu werden mit Gewalt,
Zu balgen mich, die ungerührt
Schon manchen hochgestellten Braven
Den Hals bedächtig zugeschnürt.
Sie möchten zehnmal von mir munkeln,
Ich ließe ruhig das im Dunkeln
Und ginge ruhig meine Bahn.
Ob höhern Orts man in die Suppe
Mir spie und mich herunterriß –
Und klüger wäre das gewiß.
O wäre mein der Wald der Sachsen,
Ich fragte nichts nach Gunst und Haß
Und ließe klüglich Schimmel wachsen
Und hätt’ ich selber Langeweile
In meinem lieben Friedrichsruh –
Ich schriebe dennoch keine Zeile!
Warum, Freund Otto, nicht auch Du?
Anmerkungen (Wikisource)
Otto von Bismarck, Reichsgründer und jahrzehntelang deutscher Kanzler, wurde 1890 vom neuen Kaiser Wilhelm II. abgesetzt. Er zog sich auf das Gut Friedrichruh bei Hamburg zurück, wo er 1898 starb.
Ebenfalls abgedruckt in:
- Der Wahre Jacob, Nr. 102 (1890), S. 809.
- Lavant, Rudolf (d. i. Richard Cramer): Gedichte. Hrsg. v. Hans Uhlig. Berlin, Akademie Verlag 1965, S. 49.