Der Berliner Tattersall

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Titel: Der Berliner Tattersall
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aus: Die Gartenlaube, Heft 23, S. 37, 383–384
Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1885
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[373]

Aus dem Tattersall in Berlin.
Originalzeichnung von A. Zimmermann.

[383] Der Berliner Tattersall. (Mit Illustration S. 373.) Im Jahre 1795 gründete Richard Tattersall in der Hauptstadt des sportfreudigen England ein Etablissement mit Versammlungszimmern für Pferdeliebhaber und einem Hofraume zur Ausstellung von Pferden. Das Unternehmen fand allgemeinen Anklang, bot bald den Mittelpunkt für Kauf und Verkauf von Pferden und Wagen und bildete eine Art Pferdebörse, auf welcher auch allerlei Wetten abgeschlossen und liquidirt wurden. Durch die Nachkommen Richard Tattersall’s wurde das Etablissement bedeutend erweitert und trug für alle Zeiten den Namen seines Gründers. Auch für ein ähnliches deutsches Institut, das in Berlin besteht, wurde diese englische Benennung beibehalten. Viele Leute, denen die Entstehungsgeschichte des Tattersalls unbekannt ist, sprechen und schreiben trotzdem konsequent von einem „Tattersaal“, ohne sich über die Bedeutung des eigenthümlich klingenden Wortes Rechenschaft ablegen zu können.

Aus dem oben Gesagten dürfte Jedermann klar sein, daß in diesem Etablissement der „Saal“ wohl das Nebensächliche ist und Stall und [384] Reitbahn die Hauptsache bilden. Diese finden wir auch auf dem lebendigen Gruppenbilde von Aurel Zimmermann wieder, das unseren Lesern ein interessantes Stück Berliner Lebens vor Augen führt.

Der Berliner Tattersall, der zwei Etablissements, in der Straße Schiffbauerdamm und in der Georgenstraße, besitzt, könnte seiner Bedeutung nach auch „deutscher Tattersall“ genannt werden, denn er ist der Centralpunkt für Pferdeliebhaber aus dem ganzen Deutschen Reiche.

Während nun Paris und London in ihren Tattersall-Stallungen fast ausschließlich Pferde beherbergen, welche in öffentlicher Auktion versteigert werden sollen, ist der Betrieb hier ein bedeutend vielseitigerer. In den beiden Berliner Etablissements findet man meist über 200 Pferde, welche zum Theil Privatleuten gehören, die ihre Thiere gut unterbringen und auch die Reitbahnen benutzen wollen, zum Theil des Verkaufes halber eingestellt worden sind.

Aber der Tattersall hält auch eigene Pferde, auf denen die Stallmeister Unterricht ertheilen und die zum Ausreiten im Freien vermiethet werden. Namentlich im Winter erhält man einen Begriff von der Großartigkeit des Tattersalls und lernt seine Vielseitigkeit kennen. Bei Gaslicht, in frühester Morgenstunde, werden die Verkaufspferde geritten, später erscheinen die Herren auf ihren eigenen Pferden, dazwischen wird Unterricht ertheilt, oder es werden Pferde von Käufern probirt. An mehreren Tagen der Woche spielt, von zwei Uhr ab, eine vortreffliche Kapelle und dann scheint es, als ob Alles, was Sportliebhaber ist, sich hier ein Stelldichein gegeben hätte. Auch das schöne Geschlecht ist stets zahlreich vertreten, und man glaubt in einen Cirkus mit seinem bunten Leben versetzt zu sein, wenn man von den Tribünen herab in das lebhafte Treiben hinabschaut. Hier bäumt sich ein schneeweißer Renner und macht, von den Sporen unsanft berührt, einen Seitensprung, dort jagen zwei Füchse, Kopf an Kopf, in gleichmäßigem Tempo vorüber. Das Geräusch des Lederzeuges und der sich fest auf den weichen Erdboden eingrabenden Hufe, ein „he! he!“ oder ein Lachen dringen in eigenartiger Zusammensetzung an unser Ohr. Wir sehen die Schleier biegen und die graziösen Frauenkörper sich wiegen, beobachten das Temperament jedes einzelnen Thieres, wie es sich in Gangart und kleinen Eigenheiten bemerkbar macht. Wie genau hält jedes Pferd mit seinem musikalischen Sinn die Takte inne und fügt sich doch der leitenden Hand zugleich!

Zum Schluß setzen die Thiere auch zum Galopp an und das Hürden-Ueberspringen beginnt. Es ist meist in der Rennbahn so voll, daß es wie ein Wunder erscheint, wenn fast nie ein Unglück passirt, und doch zeigt unser Bild, daß eine weniger geschickte Hand auch einmal ein Thier zum Straucheln bringt.

Dem Publikum wird in der bereitwilligsten Weise der Zutritt zu den Tribünen gestattet, um dem Vergnügen zuzusehen und sich ein Urtheil über die Leistungen der einzelnen Reiter zu bilden. Später, bis 11 Uhr Abends, reiten dann noch geschlossene Gesellschaften unter der Leitung eines Stallmeisters. Diese Gesellschaften bestehen fast ausschließlich aus Kaufleuten, denen bei Tage die Zeit mangelt, sich diesem anziehenden und gesunden Sport hinzugeben.