Der Bote aus dem Himmel

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Textdaten
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Autor: Fr. Richter
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Titel: Der Zigeuner und der Teufel
Untertitel:
aus: Lithauische Märchen II, in: Zeitschrift für Volkskunde, 1. Jahrgang, S. 191–192
Herausgeber: Edmund Veckenstedt
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1888
Verlag: Alfred Dörffel
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Google-USA*, Commons
Kurzbeschreibung:
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2. Der Bote aus dem Himmel.

Auf einem Gute lebte einst ein Ehepaar, welches man für ebenso reich als geizig hielt. Kein Fremder durfte das Gehöft betreten, denn die Leute waren stets in Sorge, es könnte ihnen etwas gestohlen werden. Ihr einziger Sohn war gestorben, soviel sie auch versucht hatten, ihn am Leben zu erhalten.

Eines Tages geschah es, dass die Frau des Gutsbesitzers auf dem Hofe einen Fremden erblickte. Ihr Mann war gerade ausgefahren und so schickte sie denn einen von ihren Leuten ab, den Fremden vom Hofe zu jagen. Kaum hatte der Fremde gehört, dass er den Hof verlassen sollte, so sagte er zornig: „Was, Ihr wollt mich vertreiben? Ich bin im Himmel gewesen, habe auf Erden eine Kirche erbaut und sehe mich nach einer Stelle um, von welcher ich wieder in den Himmel emporsteigen kann. Ihr habt kein Recht, mir zu nahe zu treten.“ Sobald die Frau gehört hatte, was der Fremde gesagt hatte, liess sie diesen zu sich kommen. „Wenn Ihr im Himmel gewesen seid“, sagte sie zu ihm, „habt Ihr auch wohl dort meinen Sohn gesehen?“ „Gewiss“, antwortete der Fremde, „er befindet sich sonst wohl, nur fehlt es ihm an Geld, auch sind seine Kleider sehr abgetragen.“ „Da seid Ihr wohl so gut“, bat die Frau, „und nehmt ihm Geld und Kleidungsstücke mit, wenn Ihr in den Himmel steigt?“

Der Fremde erklärte sich dazu bereit. Er wurde von der Frau gut bewirtet, erhielt Geld und Kleidungsstücke, dann machte er sich damit auf den Weg.

Sobald der Gutsbesitzer nach Hause gekommen war, erzählte ihm die Frau voll Freude das Vorgefallene. Allein ihr Mann merkte sogleich, dass seine Frau es mit einem Schwindler zu thun gehabt habe. Er schalt sie wegen ihrer Leichtgläubigkeit tüchtig aus. Um dem Schwindler seine Beute wieder abzunehmen, liess er sich ein Pferd satteln und machte sich auf, ihn zu verfolgen. Er war auch noch nicht weit geritten, so sah er neben dem Wege einen Mann, welcher über einen Heuhaufen gebückt dastand. Der Gutsbesitzer rief ihm zu: „Habt Ihr nicht einen Mann gesehen, welcher mit einem Bündel Kleidungsstücke hier vorbeigekommen ist?“ „Gewiss“, gab der Angeredete zurück, „er schien es sehr eilig zu haben“. „Wohin ist er gegangen”“ fragte der Reiter. „Das liesse sich wohl beschreiben“, entgegnete der Angeredete, „aber wenn Euch so viel daran liegt, den Landstreicher zu haben, so gebt mir Euer Pferd und achtet in der Zeit auf meine Bienen, die hier unter dem Heu sind, ich will den Gesuchten bald herbeibringen.“

Dem Gutsbesitzer gefiel das, er stieg vom Pferde, auf welches sich der Fremde schwang, nachdem er den Besitzer desselben noch alles Mögliche vorgesprochen hatte, wie er auf die Bienen achten müsse. Darauf ritt der Fremde davon. Es wäre ihm nun wohl ein Leichtes gewesen, den Gesuchten zu finden, denn niemand anders als er selbst war es, aber er mochte wohl seine Gründe haben, mit dem erhaltenen Geld und den Kleidungsstücken, welche er bereits trug, eilig auf Nimmerwiedersehen davon zu reiten. Der Gutsbesitzer stand und wartete in seiner gebückten [192] Stellung lange, aber vergeblich. Endlich kam ihm der Argwohn an, auch er möchte getäuscht sein. Er schob das Heu beiseite, da waren aber keine Bienen darunter, sondern die alten abgetragenen Kleidungsstücke, welche der Fremde mit den erhaltenen ausgetauscht und hier versteckt hatte.

Dem Gutsbesitzer blieb schliesslich nichts übrig, als wieder nach Hause zu gehen. Er hatte nun zu dem Schaden noch den Spott, dass er gleichfalls von dem Gauner angeführt war, und dass er den Heimweg zu Fuss hatte machen müssen, während er doch zu Pferd ausgezogen war, den Schwindler zu fangen.