Der Entdecker des Cholerapilzes
Der Entdecker des Cholerapilzes.
Von einem Manne, dessen Name gegenwärtig in aller Munde ist, dessen Verdienst die einmüthigste, großartigste Anerkennung gefunden, dessen wissenschaftliche Leistung nur von Kennern voll verstanden, aber von vielen Nichtärzten in ihrer Bedeutung gewürdigt ist, von Robert Koch, dem gefeierten Bakteriologen, eine trockene, actenmäßige Lebensbeschreibung zu geben, kann nicht die Aufgabe unserer Zeitschrift sein. Auch eine sachkundige Darlegung seiner Leistungen würde, wenn sie genau sein sollte, nur einem sehr kleinen Kreise unter den Hunderttausenden der Leser dieses Blattes wirklich verständlich sein. Beides kann und soll ein Volksblatt von solchem Umfang nicht.
Wenn aber jetzt, nachdem der Lärm der Ovationen verrauscht ist, die „Gartenlaube“ die festen, energischen Züge Koch’s vorführt, so kann sie diesem ausdrucksvollen Kopfe, dem das consequente, zielbewußte Streben von den Göttern „auf die Stirne gedrückt“ zu sein scheint, keine andere literarische Umrahmung geben, als indem sie das Charakteristische dieses deutschen Gelehrten möglichst klar und scharf hinzustellen versucht.
Der Mann, welcher jetzt, in seinem 41. Lebensjahre, schon seinen Ruf in der gelehrten Welt fest begründet hat, ist ein schlichter Sohn des Harzes. Im Jahre des Sechsundsechsziger Krieges war er Doctor geworden. Dann mußte er sich als Assistent und Arzt mannigfach an Krankenhäusern, in kleinen, entlegenen Orten mühsam emporringen. Das Geschick hat ihm die Wege nicht geebnet. Er mußte es sich recht sauer werden lassen, und als er im Jahre 1872 als Physikus nach Wollstein kam, war ihm dort in siebenjähriger Stellung nichts von dem Ringen um die Existenz erspart.
Aber hier, in diesen doch für wissenschaftliche, bahnbrechende Untersuchungen wenig geeigneten Verhältnissen, mit Scharfblick das Rechte erkannt, mit Zähigkeit und erstaunlichem Fleiß es ausgebaut zu haben, das kennzeichnet ihn nicht nur als self made man, sondern ist auch der Beweis, daß er in seinem Specialfache ein Genie ist. Mit einem Schlage war er durch seine in stiller Arbeit gewonnenen Ergebnisse über die künstlichen Färbemethoden mikroskopischer Objecte, besonders der Bakterien, ein vielgenannter und vielbewunderter Mann geworden. Wer die Bedeutung dieser Forschungen für die Grundlage aller Bakterienkunde verstand, der erkannte es auch, daß damit eine neue Epoche für diese Wissenschaft anbrechen mußte.
Und dies haben die letzten fünf Jahre, von 1879 bis jetzt, in so glänzender Weise bestätigt, daß seine Forschungen über die Entwickelung der Milzbrand-Bakterien und seine Entdeckungen der Krankheitserreger von Tuberkulose und Cholera nicht etwa zufällige Errungenschaften und Glücksfunde sind, sondern die Früchte einer von ihm bis ins Kleinste erfundenen und festgestellten Methode der Untersuchung.
Welche Bedeutung und Tragweite diese Ergebnisse haben, das fühlt selbst Derjenige, welcher keine Kenntnisse von der Heilkunde besitzt. Dem Gelehrten liegt zunächst mehr an den Aufschlüssen über Wesen, Form, Lebensbedingungen jener Infectionskeime, die sich als den erwähnten Krankheiten eigenthümlich erwiesen haben und zur Zeit als die specifischen Ursachen ihrer Entstehung und Uebertragung gelten müssen. Der Laie allerdings fragt gewöhnlich in erster Linie nach dem Nutzen, der aus solchen bakteriologischen Forschungen für seine persönliche, sowie für die allgemeine Gesundheitspflege zu erwarten ist. Beides, die wissenschaftliche und praktische Anforderung, gleichzeitig zu erfüllen, ist nicht möglich; die letztere ist eine später reifende Frucht weiterer Versuche, gezeitigt an dem Baume der neuen Hygiene. Daß diese in erster Linie die Ursachen bisher unheilbarer Krankheiten feststellen mußte, ehe sie an die Frage ihrer Beseitigung gehen konnte, liegt auf der Hand. Diese wird gelöst werden; es ist dies nunmehr viel sicherer als früher zu hoffen. Drei der schwersten Seuchen, welche in ihrer räthselhaft schnellen Verbreitung, in ihrer verheerenden Wirkung, in ihrer Ueberwindung aller Vorbeugungs- und Heilversuche einen Schrecken der Menschheit bildeten, sind durch unser deutsches Reichsgesundheilsamt, speciell durch Koch, in ihrem Wesen erkannt, und dadurch ist man ihrer Einschränkung, ihrer Bekämpfung um einen bedeutenden Schritt näher getreten. Man kennt nunmehr bereits die Bedingungen, welche die Existenz und Vermehrung der Mikro-Organismen begünstigen; und die, welche ihr Fortleben erschweren, ja ihr Leben tödten. Impfversuche mit dem Krankheitsgifte, Desinfectionsversuche im Laboratorium, Versuche im Großen bei auftauchenden Epidemien, das sind nur Glieder einer Kette, die in einander greifen. Das Endglied, die Vernichtung der Krankheitskeime, ist nunmehr erreichbarer, greifbarer.
Und wodurch? Koch’s Arbeiten geben die beste Antwort. Neben der offenbar genialen Begabung eine feste, jahrelange Concentrirung in dem Streben nach der Lösung bestimmter Fragen, eiserner Fleiß, streng gewissenhaftes, logisches Vorgehen, größte Strenge gegen sich selbst, das waren die Waffen, die so Bedeutendes erfochten. Koch ging in seinen Forschungen und Schlüssen nie einen Schritt weiter, ehe er nicht festen Boden unter den Füßen fühlte. Diese gewissenhafte Art, zu arbeiten, gab ihm eine Sicherheit, welche alles einmal Erreichte als feststehende, unzweifelhafte Thatsache erkennen ließ und alle weiter gehenden „Vermuthungen“ ausschloß. Er war zu rechter Zeit der rechte Mann und, fügen wir dies gleich hinzu, am rechten Platze. Die Reichsregierung hat dem Reichsgesundheits-Amt nicht nur mit vollen Händen, sondern auch mit verständnißreichem Erfassen der Situation, die vollkommensten Hülfsmittel dargeboten, alle Arbeitskräfte richtig gewählt und die exacte Methode sicheren Händen anvertraut. Durch dies Musterinstitut hat sich Deutschland ein hohes Verdienst erworben.
Ehren auf Ehren sind dem Bakterienforscher Koch und seinen Gefährten, als sie aus der Brutstätte der Cholera, Ostindien, wieder heimkehrten und auch von dieser Expedition mit dem Siegesruf: „Heureka! Gefunden!“ die Trophäe in Gestalt des bisher unbekannten Cholerakeims mitbringen konnten, zu Theil geworden. Titel und Orden, denen der Kaiser noch – in Würdigung der persönlichen Gefahr der Entdeckungsreise – besondere sonst für das Schlachtfeld bestimmte Auszeichnungen beifügte, wurden den Betreffenden verliehen. In Adressen, auf Banketten haben die Fachgenossen sie gefeiert; wie es heißt, wird die neue Professur und Lehrkanzel der Hygiene in Berlin Koch übertragen werden – kurz, an äußeren Anerkennungen hat es dem bescheidenen, ernsten Forscher nicht gefehlt.
Eine Huldigung von Seiten dieses Blattes kann dem Nichts
hinzufügen, als daß sie den weitesten, auch nichtärztlichen Kreisen die Züge
und die Bedeutung dieses Mannes vorführt. Wenn wir Deutsche ihn mit
Stolz den Unseren nennen, so ist doch, was er geleistet, universell – er
verdient im vollen Sinne des Wortes den schönen Ehrentitel: „Wohlthäter
der Menschheit“. Dr. F.