Der Gesang der Parze
Der Gesang der Parze.
In der Wiege schlummert ein schönes Römerkind,
Die graue Parze sitzt daneben und spinnt.
Sonst schweigt sie streng. Ist die lauschende Mutter fort
So singt die Parze murmelnd ein dunkles Wort:
Bald, kleine Claudia, spinnest am Rocken du –
Du wachsest rasch und entwächst den Kleidlein bald!
Du wachsest schlank! Du wirst eine Wohlgestalt!
Die Fackel lodert und wirft einen grellen Schein,
Die Knaben hüpfen empor am Festgelag
Und scherzen ausgelassen zum ernsten Tag.
Eine Herrin wandelt in ihrem eignen Raum,
Und ihre Mägd’ und die Sklaven athmen kaum.
Ihr ziemt daß all die Lippen gezügelt sind.
Die blühenden Horen schwingen im Reigen sich:
Dir ward ein Knabe, Julier, freue dich!
Doch wann die Freude schwebt und die Flöte schallt,
Das bleiche Fieber steigt empor ans Land,
Der Rufer ruft’s und kündet’s von Haus zu Haus:
„Vernehmt! Den Julier tragen sie heut hinaus!“
In strenge Falten legst du dein Wittwenkleid –
Dein Römerknabe springt dir behend vom Schooß
Und grüßt dich helmumflattert herab vom Roß …
Die Tuben rufen Schlacht und sie rufen Sieg …
Vier Männer und die Bahre, Claudia, sind’s
Mit der bekränzten Leiche deines Kinds!
Jetzt, kleine Claudia, bist du zu Tode wund“ –
Das Kindlein lächelt. Es klirrt ein Schlüsselbund.
Und die Parze bleicht im goldenen Morgenschein.