Der Jungfernsprung
Der Jungfernsprung.
Peschek’s Oybin bei Zittau. Leipz. 1804. S. 33. 34. |
In der Lausitz unfern der böhmischen Grenze ragt ein steiler Felsen, Oybin genannt, hervor, auf dem [419] man den Jungfernsprung zu zeigen und davon zu erzählen pflegt: vorzeiten sey eine Jungfrau in das jetzt zertrümmerte Bergkloster zum Besuch gekommen. Ein Bruder sollte sie herumführen und ihr die Gänge und Wunder der Felsengegend zeigen; da weckte ihre Schönheit sündhafte Lust in ihm und sträflich streckte er seine Arme nach ihr aus. Sie aber floh und flüchtete von dem Mönche verfolgt den verschlungenen Pfad entlang; plötzlich stand sie vor einer tiefen Kluft des Berges und sprang keusch und muthig in den Abgrund. Engel des Herrn faßten und trugen sie sanft ohne einigen Schaden hinab.
Andere behaupten: ein Jäger habe auf dem Oybin ein schönes Bauernmädchen wandeln sehen und sey auf sie losgeeilt. Wie ein gejagtes Reh stürzte sie durch die Felsengänge, die Schlucht öffnete sich vor ihren Augen und sie sprang unversehrt nieder bis auf den Boden.
Noch andere berichten: es habe ein rasches Mädchen mit ihren Gespielinnen gewettet, über die Kluft wegzuspringen. Im Sprung aber glischte ihr Fuß aus dem glatten Pantoffel und sie wäre zerschmettert worden, wo sie nicht glücklicherweise ihr Reifrock allenthalben geschützt und ganz sanft bis in die Tiefe hinunter gebracht hätte.