Der Kriegs-Weihnachtsbaum der deutschen Kinder

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Titel: Der Kriegs-Weihnachtsbaum der deutschen Kinder
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aus: Die Gartenlaube, Heft 20, S. 331–333
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1871
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Der Kriegs-Weihnachtsbaum der deutschen Kinder.

Wir haben in mehreren der letzten Nummern des vorigen Jahrgangs der „Gartenlaube“ unseren Lesern Vorläufiges über die erhebenden Erfolge der „großen Bitte“ mitgetheilt, welche Dr. Friedrich Hofmann Mitte November „an alle deutschen Kinder“ gerichtet hatte. Von allen deutschen Orten gilt, was damals aus Wismar geschrieben wurde: „Bei den hiesigen Sammlungen sind wahrhaft rührende Scenen vorgekommen: ganz arme Kinder brachten ihr Scherflein, wenn es auch nur wenige Pfennige waren. So ein deutsches Kinderherz ist doch schön; möge dasselbe den Kindern und uns Allen recht lange erhalten bleiben!“ – Und wie köstlich haben die Kinderchen selbst in ihren Briefchen theils an den „lieben Onkel Keil“, theils an den „guten Herrn Doctor“ diese braven Kindesherzchen sprechen lassen! Der deutsche Patriotismus tritt uns in seiner schönsten Erscheinung bei Frauen und Kindern entgegen, und so sind es auch hier die patriotischen Beziehungen, die Sorge, den armen deutschen Kindern, welche um ihren Vater zittern oder gar schon weinen müssen, ihre liebevolle Hülfe, und den Altersgenossen im Elsaß und in Lothringen zu ihrer Wiederkehr in’s alte Vaterland die deutschen Bruder- und Schwesternhändchen zu reichen, welche die herzigsten Aeußerungen hervorgelockt haben.

Vier Geschwisterchen in Weimar sparten ihre Frühstücksdreier, um ihrem Gruß aus Thüringen nach Straßburg auch einen „heiligen Christ“ beilegen zu können. Wie viele Kinder wohlhabender Eltern haben ihre Sparbüchsen ganz und gar geleert oder, wie die Brüder Karl und Otto in Ohrdruf, O. T. aus Z. u. v. A. ihre Weihnachtsthaler hergegeben, um der Aufforderung der Gartenlaube nachzukommen; denn alle fühlten sich geehrt als deutsche Kinder, und in dieser Ehre wollte keines dem Andern nachstehen. „Für die armen Kinder jenseits des Rheins drei kleine Anhaltiner.“ Auch von Kindeshand, kurz und gut. Die erste Gabe kam von vier Geschwistern in Bockenem, die Kinderchen schreiben an die kleinen deutschen Schwestern und Brüder in Elsaß und Lothringen ihren Gruß selbst, die Absendung besorgt aber „eine deutsche Mutter“, und man sieht dieser Unterschrift den Stolz von 1870 an. Das kleine Mariechen R. in Hamburg schreibt aber selbst zu ihrem Thaler: „Lieber Onkel Keil! Kaufe hierfür einem armen Soldatenkinde etwas.“ Eine Troppauerin, die in Wologda wohnt, schickt zwanzig Rubel aus der Sparcasse ihres kurz vorher im sechszehnten Jahre verstorbenen Töchterchens Leona und schreibt dazu: „Die Siege unserer tapfern Deutschen sind meine erste Freude seit dem Tode unseres geliebten Kindes.“ Aus Neapel kam eine „Sammlung der Schoch’schen Kinder zu einem Weihnachtsbaum für die Waisen des Kriegs“ mit einem prächtigen Briefchen vom kleinen Arnold Schoch „an meine liebe Gartenlaube“ – und eine reiche Sammlung vom Director der deutschen Schule in Neapel, dem Dichter W. Kaden. Sogar in Bukarest sorgt die kleine Hermine mit ihren Geschwistern und ihrer deutschen Köchin für die wieder deutsch gewordenen Kinder in Elsaß-Lothringen.

Viele Einsendungen geschehen durch die Lehrer, und da wiederholt sich’s oft: „Es ist wenig, aber von der Armuth gegeben und zwar mit Freuden!“ – ebensoviele durch die Classen-Ersten in Knaben- und Mädchenschulen, und das sind dann meist sehr sauber und lieb geschriebene Briefchen – und welche Unterschriften! „Seien Sie, freundlicher Herr, herzlich gegrüßt von den Schülerinnen der dritten (und auch von der ersten) Mädchenclasse der evangelischen Stadtschule zu Hirschbera in Schlesien. – Ihre Sie liebende Mathilde.“ – Auch das Alter wird angegeben: „Johannes Unger, neun Jahr alt.“ – Auch traurige Unterschriften kamen, wie „ein kinderloser Kinderfreund“. Mann, jetzt giebt’s „elternlose Waisen“ genug, kann Dir da nicht geholfen werden? – Und welch prächtige Kinderbriefe – und wie viele! – kommen aus Oesterreich her. Da steht’s mit den großen Buchstaben: „Zum heiligen Christfeste den armen Waisenkindern aus unsern Sparbüchsen! Hermann und Gertrud aus Prag.“ Und da: „Sind es auch nur kleine Gaben, ist’s doch Alles, was wir haben! Gustav und Matzi“, auch aus Prag. – Die Mecklenburger sind hier so tüchtig dabei, wie ihre Großväter im deutschen Kampf 1813 bis 1815! – „Mehrere junge Mädchen in Ostpreußen“ bringen sogar siebenzig Thaler auf einmal. Der Humor spielt ebenfalls mit: „Nehmen Sie gefälligst auch das Scherflein eines siebenundsechszigjährigen Kindes.“ – Zwei Thaler von fünf Kindern in Bregenz, Vorarlberg! –

Hie und da, zum Beispiel zu Oberhof in Thüringen, haben die Schulkinder das Bescheerungsgeld durch Gesangaufführungen erworben. Ebenso in Bunzlau. Aus Gotha schicken zehn Enkel ihr großmütterliches Weihnachtsgeschenk. Eine Trauernde sendet die bis dahin treulich aufbewahrte Sparbüchse ihrer kleinen seligen Elly, gewiß die schönste Verwendung, welche eine deutsche Mutter mit dem Erbe ihres todten Lieblings machen kann. Die Schulkinder von Hellingen (bei Hildburghausen) schreiben: „Manches arme Kind, dem vielleicht selbst zu Weihnachten kein Lichtlein am Baume brennt, hat gern und willig sein Scherflein beigetragen.“ Lehrer Bolte schreibt aus Seifertshausen beim hessischen Rothenburg: „Die schöne echt deutsche Sitte des Weihnachtsbaums ist den meisten Kindern unseres entlegenen Walddorfs nur von Weitem, aus dem Pfarr- und Schulhause, bekannt, und Sparbüchsen hat auch kein einziges Kind meiner Schule, denn das Dorf ist sehr arm, aber doch sind wir an’s Sammeln gegangen für den Christbaum unserer Wehrleute.“ „Eine deutsche Mutter“ sendet drei Thaler „zum ersten Christbaum für unsere Kinder in Elsaß und Lothringen.“ – Eine Andre möchte sich durch ihre Gabe „ein Kindesherzchen des Elsaß gewinnen.“ – Kasseler Bürger haben aus den Überschüssen ihrer Sammlung für ein Christfest der Kinder ihrer ausmarschirten Krieger noch hundert Thaler für die Straßburger Kinder bestimmen können. – Auch „eine alte Großmutter“ hat noch so ein junges Herz, daß sie drei Thaler schickt. Die kleine Cäcilie in Dresden hat ihr liebstes Spielzeug verkauft und schickt den Erlös für die Straßburger armen Kinder. – Die kleine Anna zu Berne in Oldenburg giebt einen Theil ihrer Weihnachtsgeschenke für sie her. – Max H. brachte selbst, die helle Freude im lieben Gesicht, seinen Weihnachtsthaler in die Redaction der Gartenlaube und zwar als eine Gabe „aus eigener Kraft!“ –

P. V. in Halle schickt seinen eigenen Christbaum für einen [332] armen Knaben im Elsaß: „Ich werde den Weihnachtsabend dafür, auch ohne Christbaum, doppelt vergnügt sein.“ Die Mädchen der Selectaclasse in Oelsnitz schrieben selbst ein liebevolles Briefchen an ihre „lieben Brüder und Schwestern in Straßburg“. Toni, Therese und Marie Gerhard schicken aus ihren Sparbüchsen zehn Gulden für die armen Kinder, weil sie selbst sich so sehr auf das Christfest freuen. Und die Mutter schreibt unter das Briefchen: „Möge Gott meinen Kindern auch im Auslande ein warmes deutsches Herz erhalten!“ – Aus Südrußland schickt ein deutscher Knabe zehn Rubel und schreibt dazu: „Ich möchte auch so gern in Deutschland sein, wo die meisten Leute denken und sprechen wie Sie, werther Herr Doctor, und wo es so schön, schön sein soll! Aber meine Mutter will mich noch nicht fort lassen, weil ich erst zehn Jahre alt bin, und doch möchte ich lieber in einer deutschen Schule lernen, als im hiesigen Gymnasium, wo meine Mitschüler mich auslachen, wenn ich von den deutschen großen Siegen spreche. Aber mögen sie lachen, ich lerne das schöne Lied von Emil Rittershaus und sage auch: Glückselig, glückselig, ein Deutscher zu sein!“ – Mit Bleistift, wie sich das Händchen in der Elementarclasse übt, von Hans und Grete aus Dorneichenberg: „Fir die armen Kinder zu Weinachten aus unserer Sparbikse.“ Der kleine Hugo Lenck in Passau schickt von „ihrer acht“ Geschwistern acht Thaler und schreibt: „Sie können sich denken, daß, wo drei Buben und fünf Dirndl, die alle Gottlob kerngesund sind und die viel Hunger und Durst haben und obendrein eine Masse Kleider herunterreißen, das sehr viel sein will.“ Die Kinder haben sich ihre Geburtstagsthaler auf ein Jahr voraus geben lassen, daher die Summe. „War das nicht schlau?“ Freilich, liebster braver Hugo!

Wir müssen, um Wiederholungen zu vermeiden, auf unsere oben angegebenen früheren Bescheerungsnotizen hinweisen, namentlich hinsichtlich der wahrhaft großartigen Gaben einzelner bedeutender Spiel-, Porcellan- und Glaswaarenfabriken und Handelsgeschäfte in Nürnberg, Memmingen, Sonneberg, Görlitz, Scheibe bei Alsbach in Thüringen, Olbernhau, Neustadt bei Koburg, Pösneck, Köthen etc. etc. Leider ist der Gedanke der eifrigsten werkthätigen Teilnehmerin an dem Unternehmen, der Frau Louise Schünemann in Magdeburg, daß „ein großer, großer Extrazug voll Bescheerungsgaben“ nach den neuen Reichsprovinzen abgehen sollte, diesmal nicht ausführbar gewesen; ihre zweihundertsechszig herrlichen Puppen sind aber unter die kleinen Mädel von Straßburg und Kehl brüderlich getheilt worden. Die Schulmänner haben größtentheils die patriotische Bedeutung der Kinderthat, zu welcher Hofmann’s „große Bitte“ anregte, besonders hoch gehalten; ein deutscher Pfarrer – und zwar ein Siebenbürger – nennt sie „den herrlichsten Commentar zu Marc. 9, 37“, und Lehrer Lesensky in Schwerin sagt: „Deutsches Vaterlandsgefühl in den Herzen auch der deutschen Mädchen zu beleben und zu pflegen, nicht blos durch das belehrende Wort und die Erzählung der vaterländischen Geschichte, einer Geschichte ohne Gleichen, sondern auch durch Gelegenheitsuchen und -Geben, sich – ob auch nur in kindlicher Weise und Kraft – thätig in des Vaterlandes Dienst freiwillig zu stellen: das war und ist mein Hochziel, wie ich den Beruf eines deutschen Lehrers verstehe.“ – Viele Kinder hatten bei dem Vorlesen der „Bitte“ geweint, schreibt der Siebenbürger, und Pfarrer Eckstein in Tiefenort schreibt: „Kaum hatten die kleinen Mädchen Hofmann’s Aufruf gelesen, als sie mir auch schon alle ihre Sparbüchsen brachten, damit ich den Inhalt für die deutschen Waisen und die armen Kinder in Elsaß und Lothringen verwenden solle.“ Ein vierjähriges deutsches Mädchen zu Charkow in Rußland sandte auch sein Ersparniß. Und obwohl ausdrücklich nur die Schulkinder dieses Fest im alten und wieder neugewonnenen Deutschland bereiten sollten, so kam doch auch ein „Hemdeläuterchen“, das güte Jörgel aus Breslau, herbei und brachte seinen Thaler, den es gerade in den Händchen halten konnte. Aus Labiau rufen die Kinder den kleinen Elsaß-Lothringern zu:

„Und wenn es wieder Weihnacht ist,
– O wär’ es doch kein Traum! –
Dann ist vorbei der Väter Zwist,
Wir tanzen um den Baum –

Um einen Christbaum, hell und groß,
Für Jedes gleich geschmückt,
Aus einer großen Mutter Schooß
Beschenkt, und gleich beglückt!“

Wie leid thut es Einem, daß man nicht alle diese lieben, kleinen herzigen Briefchen abdrucken lassen kann! Und ob sie sich in dem Ausdruck ihrer Theilnahme namentlich für die neuen deutschen Spielgenossen in Elsaß und Lothringen auch natürlich alle wiederholen, so ist’s doch eine Lust, jedem einzelnen Kinde dabei in die schön erregte Seele zu blicken. Solche Kinder versprechen unserem Vaterlande eine herrliche Zukunft!

Was wird jetzt, wo die erste bitterste Erregung über das Schicksal Straßburgs durch die Belagerung doch wohl im Hinblick auf die so grauenvoll zu Tage getretenen französischen Zustände sich besänftigen konnte, was wird jetzt jene „Straßburgerin“ zu den Liebesäußerungen unserer Kinder sagen? Damals, am vierten December, schrieb sie „Herrn Dr. Hofmann“ als elsässische Antwort auf seine „große Bitte an die deutschen Kinder“ u. A.:

„Ich bitte, verschonen Sie unsere armen Kleinen mit Ihren Liebesgaben, bleiben Sie ihnen ferne mit dieser Brüderschaft; sie glauben Ihnen auf Ihr Wort, daß die deutschen Kinder gut und glücklich sind, und sehen vielleicht einst, wenn sie das Mannesalter erreichen, ob diese deutschen Kinder ihren Vätern in instruirter Barbarei gleichkommen. Unterdessen haben Sie kein Recht, die friedliche Weihnachtstanne bei uns aufzupflanzen; sie wäre zu sehr mit Blut getränkt; aber eine Saat haben Sie ausgestreut, die Wurzel faßt und täglich mehr verspricht. Wir wissen nun, was es heißt ‚Hassen‘, und wir können unsern Kindern nicht verwehren, es von uns zu lernen. …“

Das Gefühl, das den ganzen Brief dictirte, gewinnt uns trotz alledem Achtung ab: es ist die deutsche Treue, die durch Deutschlands Schuld sich nach Frankreich verirrt hat und nun dort ihr Vaterland vertheidigt und beweint. Ebendeshalb haben wir den Handschuh aufgehoben, den diese Straßburgerin uns hinwarf, und unbeirrt von Grollen und Schmollen, auf das wir gefaßt sein mußten, das einmal Begonnene durchgeführt.

Nach Straßburg schickten wir zweitausend Franken und drei große Kisten Bescheerungswaaren, darunter die eine der Frau Louise Schünemann in Magdeburg und die andere aus Memmingen; die dritte war mit den von deutschen Kindern ganz besonders für ihre lieben neuen Straßburger Cameraden bestimmten Gaben angefüllt. Zuschriften von dort hatten uns zwar belehrt, daß unsere feindselige „Straßburgerin“ mit ihrem „Haß“ gegen alles Deutsche nicht allein stand: man schrieb uns sogar: „Von ‚deutschem Weihnachtsbaum‘ oder ähnlichen Anspielungen auf künftige Volksgemeinschaft darf jedoch dabei leider noch nicht die Rede sein.“ Das war zu Anfang December. Paris hielt sich damals noch und hinter Belfort sammelte sich ein mächtiges Heer, auf das alle Französischgesinnten im Elsaß ihre Hoffnung setzten. Diejenigen, welche ihre deutschen Sympathien zu offen gezeigt, geriethen zeitweise in mißliche Lage. Dies Alles darf Man nicht vergessen, wenn man nicht ungerecht über obige Bedenklichkeiten urtheilen will.

Trotz alledem wird der deutsche Geist, der in dem Kinderfest der Weihnacht selbst liegt, schließlich über alle politische Rücksichten und Aengstlichkeiten siegen. Die Freude der Kinder hat jetzt schon vermocht, was wir ihr zu getraut, sie hat Versöhnung gepredigt – und das war für diesmal genug. In Straßburg konnten dreitausend Kinder sich der deutschen Liebesgaben erfreuen und Kinder und Eltern werden gewiß gern an diesen ersten deutschen Friedensgruß zurückdenken. – Nach dem vom Kriege ebenfalls hart mitgenommenen Fröschweiler schickten wir hundert Thaler und eine große Kiste Christgeschenke, und eine Bescheerungskiste mit einer Beilage von zweihundert Franken baar kam nach Schlettstadt. – Für eine Anzahl elsässischer und lothringischer Orte hatte der wackere Pfälzer Buchhändler und opferfreudige Vaterlandsfreund Ed. Witter in Neustadt an der Haardt die Besorgung unserer Gaben übernommen, und die uns zugegangenen Berichte von dort bezeugten, daß dies meist mit Glück geschehen war. In Lützelstein besorgte der protestantische Pfarrer für einundzwanzig Kinder seiner Gemeinde eine Anzahl Blousen, Hemden, Schürzen, Hosen etc., und bei der Bescheerung betonte er namentlich das Zusammengehören der Elsässer mit den Deutschen und die Liebe und das zarte Gefühl der deutschen Kinder, deren Liebeswerk in der That viel dazu beigetragen habe, die Wunden des Krieges, im Lande zu heilen. – In Weißenburg verbanden die deutschen Beamten ihre Sammlung mit unserer Kindergabe und veranstalteten eine Christbescheerung für die hundertvierzig ärmsten [333] Kinder der ersten Siegesstadt dieses Kriegs. – In Pfalzburg besorgte Forstmeister Schirmer von Zabern ein Neujahrsfest für die armen Kinder, bei welchem Kleidungsstücke und baar Geld zur Vertheilung kamen. Auf den Wunsch des Maires hatte man es auch da vermieden „eine Festlichkeit zu veranstalten, welche ohne Zweifel das Gefühl der Bevölkerung verletzt haben würde.“ Aus demselben Grunde zog man auch in Zabern eine Geschenkvertheilung in der Kinderschule dem noch zu ostensiblen deutschen Christfest vor. – Dagegen strahlte die deutsche Weihnachtstanne in voller Pracht in der Festung Marsal. Dort hatte der Commandant, Artilleriehauptmann Metz, im Verein mit dem Maire und der Oberin der barmherzigen Schwestern vom Orden St. Charles, die Sache in die Hand genommen und schreibt uns darüber: „Mit Freuden unterzog ich mich dem Auftrage, den armen Kindern Marsals einen freudigen Abend zu bereiten, welcher Auftrag so recht von dem gutherzigen deutschen Sinne zeugt, der in unseren Kleinen genährt wird und so zum herzlichen Ausdrucke kam … Am Abend des ersten Januar wurden die Kleinen im Saale des ‚Kinderasyls‘ versammelt; ich hatte einen prächtigen Christbaum in den Festungsanlagen fällen lassen, und es war derselbe getreu unserer heimathlichen Sitte behängt und geziert worden, – wohl der erste, der seinen Glanz hier auf französischem, nun bald deutschem Boden ausstrahlte. Viele der Eltern und wir Officiere der Garnison wohnten dieser für uns so wohlthätigen nachträglichen Weihnachtsfeier bei; wir sahen nur glückliche, freudige Kindergesichter und aufrichtigen Dank in den Mienen der Eltern. Wohl manches Jahr werden die Kleinen Marsals sich dieses Abends gern erinnern.“

Ebenso erfreulich lauten die Nachrichten aus Diedenhofen. Wenn auch der dort fungirende Vicar, ein Deutscher, Das, was er über die Sitte und Bedeutung des Christbaums in Deutschland erzählte, den Kindern in französischer Sprache vortragen mußte, weil diese, seit Jahren als Unterrichtssprache eingeführt, ihnen allein verständlich ist – so schließt der Unterpräfect seinen deutschen Bericht doch mit den Worten: „Der deutsche Weihnachtsbaum und die schöne Sitte der Christbescheerung an arme Kinder wird sich in diesem, Deutschland zwar entfremdeten, aber fortan angehörigen Lande nach diesem Vorgänge hoffentlich wieder einbürgern. Auch übernahm ich es gern, den Dank der beschenkten Kinder an die kleinen Cameraden in Deutschland zu vermitteln, mit denen sie, so Gott will, auch ferner gute Cameradschaft halten werden.“

Endlich waren auch für die kleinen armen Deutschen und Franzosen in Metz hundert Thaler von uns abgeschickt, die, nach den schriftlichen Versicherungen des Herrn General-Gouverneurs von Lothringen (General der Infanterie, Herrn von Bonin) und des Herrn Präfecten von Deutsch-Lothringen (Grafen Henckel-Donnersmarck), im Sinne der Geschenkgeber verwendet worden sind.

Mit diesem Erfolge ihrer Liebessorge für Elsaß-Lothringen müssen unsere Kinder sich zufrieden stellen, und sie können es: für die Kürze der Zeit ist das Mögliche gethan worden. –

Dasselbe gilt für, die Bescheerungen der Wehrmannskinder in Deutschland. Größere Sendungen von Geld und Bescheerungskisten kamen nach Kehl, Oberwiesenthal im Erzgebirge, dem preußischen Schmiedefeld auf dem Thüringerwald, Marienwerder in Preußen und an die sächsischen Dörfer, welche die Mannschaften zu den 106., 107. und 108. Regimentern lieferten, die vor Paris in den Decembergefechten so furchtbar gelitten hatten. Nicht weniger bedeutend waren die Gaben an Geld und Bescheerungsgegenständen, welche vereinzelt mehreren hundert besonders bedürftigen Frauen oder Waisen von Landwehrmännern zugetheilt wurden. Der Gartensalon des Gartenlaube-Hauses war bis zum Weihnachtsfest ein kleiner Bazar, in welchem tagtäglich Kistchen und Päckchen gepackt, und nach allen Himmelsrichtungen versendet wurden.

Im Ganzen waren eingegangen einundsiebenzig Sendungen von Kisten, Säcken und Packeten an Bescheerungsgaben und dreihunderteinundvierzig Geldsendungen im Gesammtbetrag von 2044 Thlr. 8 Ngr. 3 Pf. – und dies Alles der Erfolg der „großen Bitte“ in wenigen Wochen.[1] Freut Euch, Ihr Kinder, Ihr habt Eure Sache brav gemacht! –

In Deutschland dürfen wir die Sorge für den Christbaum der Armen in diesem Sieges- und Friedensjahre den Erwachsenen allein überlassen; dagegen sollten die deutschen Kinder ihre Versöhnungsarbeit im neuen Reichslande jenseits des alten deutschen Rheines nicht nach dem ersten Versuche schon aufgeben. Denkt an den Fehdehandschuh, Ihr deutschen Kinder, den Euch jene erzürnte „Straßburgerin“ hingeworfen. Wir heben ihn auf und halten fest zusammen, denn es muß sich ja endlich doch einmal entscheiden, was stärker ist und was in Elsaß-Lothringen siegen wird, die deutsche Liebe oder der französische Haß.

  1. Weil es bei dem jetzt schon von mehrerlei unumgänglichen Quittirungen in Anspruch genommenen Raum der „Gartenlaube“ wirklich nicht möglich war, über alle Gaben vollständige Quittung in derselben abdrucken zu lassen, eine Empfangsbescheinigung aber für sehr viele der Geber und Gabenbesorger ein geschäftliches Erforderniß ist, so haben wir eine solche vollständige Quittung besonders drucken lassen und senden dieselbe den uns bekannten Adressen unter Kreuzband zu. Die nicht wenigen anonymen Einsender, welche sich dennoch von dem richtigen Empfang ihrer Gaben überzeugen wollen, bitten wir, in frankirten Briefen ihre Adresse uns anzugeben.