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Der Spiegel (Cotta)

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Textdaten
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Autor: Johannes Cotta
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Titel: Der Spiegel
Untertitel:
aus: Die zehnte Muse. Dichtungen vom Brettl und fürs Brettl. S. 166–168
Herausgeber: Maximilian Bern
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1904
Verlag: Otto Eisner
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Erscheinungsort: Berlin
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Quelle: Commons = Google-USA*
Kurzbeschreibung:
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[166]

Der Spiegel.

Dort im Entree bei Excellenz
Häng’ ich an einer Wand,
Und niemand ahnt wohl, was ich dort
Für Unterhaltung fand.

5
An beide Seiten hat man mir

Zwei Wandleuchter gehängt,
Damit auch jeder Gegenstand
Sich strahlend in mir fängt.

Des Freitags ist – wer weiss warum?

10
Bei Excellenz jour fix;

Da kommen Damen und viel Herr’n
Im allerhöchsten Wichs.

Der Diener nimmt die Mäntel ab,
Die Zofe hilft dabei;

15
Dann zupft sich jeder erst zurecht

Und treibt noch mancherlei.

Ist dieses Mancherlel besorgt,
Tret’ ich erst in Aktion –
Man dreht die Leuchter vorteilhaft

20
Und geht zur Revision.


Herr Leutnant Kurt von Tittchentei
Sich stets vor mir erst schnäuzt;
Zwei kleine Bürstchen holt er ’raus,
Die Beine stehn gespreizt.

25
Der Schnurrbart und das Kopfhaar wird

Nach rechts und links gepflügt.
Genug! Monocle fest! Ein Blick!
Er geht und lacht vergnügt. –

Herr Egon Versler, Litterat

30
Und Dichter von Beruf,

Der jedes Jahr ein Trauerspiel
Und zehn Pfund Lyrik schuf,

[167]

Herr Versler braucht geraume Zeit,
Sich gründlich zu beschau’n.

35
Er spuckt sich immer in die Hand

Und streicht die Augenbrau’n. –

Frau Wanda Gans von Schnattersheim,
Die macht es auch nicht schnell,
Drückt das Gebiss fest, reckt sich stolz

40
Und pudert lang ihr Fell.


Der Herr Assessor Biegdichrecht,
Der hat von weissem Rips
Seit Jahren einen einzigen
Salongerechten Shlips.

45
Mit einem schwarzen kommt er an

Und bindet sich, nicht dumm,
Vor mir mit vieler Präzision
Erst stets den weissen um. –

Comtesse Julie von Passé,

50
Gewachsen wie ein Schlot,

Macht sich geschwind mit einem Stift
Vor mir die Lippen rot.

Und Fräulein Aenni Wendehals,
Kokett und kalt wie Eis,

55
Reibt sich mit ihrem Taschentuch

Rasch noch die Zähne weiss. –

Der grosse Tenorist Hochzeh,
Der eben jetzt en vogue
Und der die ganze Damenwelt

60
Begeistert an sich zog,


Der bringt chines’sche Tusche mit
Und malt mit sichrer Hand
Ganz unbemerkt um jedes Aug’
Sich einen dunkeln Rand.

65
Herr Hauptmann Druff, ein schneid’ger Herr

Und riesig selbstbewusst,
Der zupft und zerrt ins beste Licht
Die Orden auf der Brust. –

So sehe ich von meiner Wand

70
Mehr als mir manchmal lieb –

Und wenn jour fix gewesen ist,
Ist mir mein Glas ganz trüb;

[168]

Getrübt von Puderstaub und Fett,
Durch Hauch von jedem Wicht –

75
Besonders aber durch den Blick

Von manchem – Schafsgesicht. –

Doch still – ich weiss ein holdes Kind – –
Auch sie kommt zum jour fix!
So oft sie naht, sie würdigt mich

80
Gar niemals eines Blicks.


Und wenn auch – ich, ich sehe sie:
So lieb, so schön, so rein! –
Und wär’ ich nicht bei Excellenz,
Möcht’ ich ihr Spiegel sein! –

Johannes Cotta.