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Der Stättelberger von Sernatingen

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Textdaten
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Autor: Theodor Lachmann
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Titel: Der Stättelberger von Sernatingen
Untertitel:
aus: Überlinger Sagen, in: Alemannia, Band XVIII, S. 181–183
Herausgeber: Anton Birlinger
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1890
Verlag: Peter Hanstein
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Erscheinungsort: Bonn
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Quelle: Google-USA*, Commons
Kurzbeschreibung:
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[181] 17 DER STÄTTELBERGER VON SERNATINGEN[1]

Am Westende des Überlingersees ligt das große Pfarrdorf Sernatingen, welches einst zum Gebiete der Freien Reichsstadt Überlingen gehörte; ein Amt des Spitals Überlingen befand [182] sich hier, die Einwoner waren Untertanen von Überlingen. Im Jare 1802 fiel mit Überlingen auch Sernatingen an das Haus Baden, und 1826 ließ Großherzog Ludwig von Baden hier einen Freihafen errichten, machte dadurch den Ort zu einem Hauptstapelplaz des See’s, und nannte in „Ludwigshafen“. Infolge der durch die Eisenbanbauten veränderten Verkersrichtung verlor jedoch Ludwigshafen wider seine Bedeutung für den Transithandel zwischen Italien und Westdeutschland und ward in seinem weitern Emporblühen gehemmt.

Noch jezt ist mer als ein Dritteil der Gemarkung von Ludwigshafen, Waldungen, Äcker und Wisen, verschidene Bauernhöfe etc. Eigentum des Überlinger Spitals und wird von disem verpachtet. Im Orte selbst befindet sich ein Anwesen, das sog. „Schlößle“, ein ansehnliches Haus mit angebauten Ökonomiegebäuden, welches früher von einem Weier umgeben war, über den eine Fallbrücke fürte. Dises „Schlößle“ war ein Filialspital von Überlingen, wo die Sernatinger armen Kranken, Waisen etc. Aufname und Verpflegung erhielten. Hier wonte auch ein Waldhüter Namens Ziriak Kessinger, welcher die auf Sernatinger Gemarkung gelegenen Forsten des Überlinger Spitals zu beaufsichtigen hatte. In einem Rechtsstreit zwischen der Freien Reichsstadt Überlingen und dem Dorf Sernatingen schwur derselbe als Zeuge einen falschen Eid zu Gunsten Überlingens. Es handelte sich nemlich um den Besiz des Sernatinger Walddistrikts „Stättelberg“, den beide Teile als ir Eigentum beanspruchten. Eine Eidesleistung auf dem streitigen Grund und Boden sollte die Sache entscheiden. Nun gieng Kessinger auf wirkliches Spitalgut, nam Erde vom Boden und schüttete sie in die Stiefel, biß die innern Solen völlig damit bedeckt waren; zugleich verbarg er seinen Eßlöffel, mit dem er täglich die Suppe schepfte, in seinem Hut. So vorbereitet erschin er auf dem streitigen Walddistrikt und leistete mit erhobener Hand folgenden Eid: „So war der Schepfer über mir[2] ist, stehe ich auf spitälischem Grund und Boden.“ Infolge dises Schwurs verlor Sernatingen den Wald. Den Frevler aber traf die Strafe des Himmels, denn bald darauf fiel der meineidige Waldhüter, vom Volke „Stättelberger“ genannt, auf dem Gang zur Kirche an der obern Stige plözlich tot um, und muste nun als Geist umgehen. Hierin erkannte das Volk, daß der Schwur ein Meineid gewesen, und für die Seele des Unglückseligen ward alljärlich eine hl. Messe gelesen. Manchmal wurde nun der „Stättelberger“ im Walde gesehen im grünen Rocke mit einer Axt unter dem Arm. Besonders im Advent und in der Fastenzeit war er den Leuten aufsäzig, welche nachts zwischen dem Abend- und Morgengebetläuten den Weg vom Gewann Männertal biß zum Schlößle passierten. Wenn solch ein einsamer Wandrer fluchte, husch [183] saß der Stättelberger auf dessen Rücken und wich erst in der Nähe des Schlößles oder wenn das Gebetläuten anhub. Auch im „Schlößle“ trib der „Stättelberger“, der bekanntlich dort gewont, sein Unwesen und rumorte oft gewaltig. Namentlich aber machte er, wenn je einmal die Lesung der für seine Erlösung gestifteten hl. Messe unterbliben, ein solches Spektakel im Haus, daß die Bewoner die ganze Nacht keine Ruhe hatten.

Mündlich


  1. Schedler teilte früher in der Alem. die Sage kurz mit.
  2. Allgemeiner uralter Zug.