Der Tag von Hemmingstedt
Denk an den Tag von Hemmingstedt,
Wo siebentausend abgemäht!
Schläft Ditmars Vater unterm Sand.
Ist Ditmars Sohn noch bei der Hand.
Und über Johann von Dänemark kam seine finstre Stunde; –
Er murmelt: „es brennt im Herzen mir die alte Dithmarsen-Wunde!
Beim Himmel, es soll nicht Messer, nicht Scheer’ mir Bart noch Haupthaar stutzen,
Bis daß ich wieder in’s Joch gebeugt dies bauernstolze Trutzen.“
„Drei Schlösser will unser König und Herr in eure Lande legen,
Nach Meldorf eins, an den Elbstrom eins und das dritt’ an die Lundener Fähre;“ –
Es brachte da Zornes viel in’s Land die königliche Mähre.
Und von den Bauern Wolf Isebrand, der sprach: „er mag nur kommen!
Wir sind zudem vom Aufrechtgehn versteift in unsern Hälsen,
Und wer seine Schlösser auf Marschgrund baut, der baut sie nicht auf Felsen.
Wir bangen vor keines Königs Zorn, wir, die wir das Meer bezwungen,
Noch lebt der Gott, der bei Bornhövd auf unsrer Seite gestanden.“
Da gingen die Boten. Bei Rendsburg war’s, wo sie den König trafen,
Der lagerte da, drei Nächte schon, sammt seinen Fürsten und Grafen,
Es stieß dazu viel kriegerisch Volk von Jütland und von Fühnen,
Von Deutschland auch viel edele Herrn hernieder in’s Lager kamen!
Zwei junge Grafen von Oldenburg, Adolf und Otto mit Namen,
Mit ihnen zugleich manch Holsten-Geschlecht um den Danebrog sich scharte:
Fünf Rantzau’s, sieben von Ahlefeld und vierzehn Wackerbarte.
All’ hatten sich längst, durch Mord und Brand, in die Schlinge hineingewachsen.
Verheerend, wie der schwarze Tod, zogen sie durch die Lande.
Ihr Führer aber war der Junker Slenz, der maß sechs rheinische Schuhe,
In Flechten hing sein flachsenes Haar, wie Stricke herab, zum Würgen,
Er hatte zwei Feuerräder im Kopf und hieß – der lange Jürgen. –
Und Jürgen Slenz, an der Seite Johanns, vorauf die gepanzerten Glieder,
So führt er heut, unter schmetterndem Klang, das Heer in die Marsch hernieder,
Um Rache schreit in die Nacht hinein brennender Dörfer Flamme.
Die Bauern aber, kaum tausend Mann, zogen sich rasch zurücke,
Bis daß sie kamen, um Mitternacht, an die Hemmingstedter Brücke,
Sie fanden da Wall und Graben noch aus der Zeit der alten Sassen,
Wir sind hier am Tausend-Teufels-Wall, wo die Moor-Elfen tanzen und tollen,
Mit den Flammenbüscheln, das Irrlichtvolk, es haust hier unterm Rasen,
Und bei Vollmond kommt das Feuerpferd, um die Büschel abzugrasen.“
Wenn droben der Himmel mit uns ist, muß auch die Hölle helfen.
Die Nacht ist schwarz, wir brauchen Licht, laßt’s nur da unten flimmern,
Wir wollen ein christlich Bollwerk hier trotzdem zusammenzimmern.“
Da griffen sie freudig nach Spaten und Axt, vorbei war Murren und Stutzen,
Sie füllten und stopften, mit Moor und Schlamm, des alten Erdwalls Lücken,
Und warfen zuletzt ihm Rasen und Sand, drei Fuß hoch, auf den Rücken. –
So kam der Tag, und mit ihm kam, goldblinkend, die sächsische Garde,
Hell spiegelte sich der Morgenstrahl auf Harnisch und Hellebarde,
Nicht kümmerte sie der Hagelgruß von Steinen und Wurfgeschossen.
Jetzt war sie heran, zwischen ihr und dem Wall war nur noch des Grabens Quere,
Da schnürten die Vordersten schnell in eins je zwölf ihrer kantigen Speere,
Sie warfen wie Balken querüber dann die Bündel aus Speer und Lanze,
Umsonst; man stieß sie rücklings hinab, – es fehlte das Brückengelände, –
Da nahmen die Folgenden, springstockgleich, ihren Speerschaft in die Hände,
Sie setzten ihn auf, und war es mißglückt im Sturmschritt vorzudringen,
So sollte nun Sprung- und Hebelkraft im Flug sie hinüberschwingen.
Der ward, unter wildem Freudengeschrei, von den Bauern zu Boden geschmettert,
Dumpf dröhnte die Axt – bis plötzlich jetzt die Freudenrufe verklangen,
Wolf Isebrand murmelte vor sich hin: „Hilf, Himmel, wir sind umgangen!“
Und er schickte die Fluth, die stieg am Strand bis hoch an die Schleusenpforte,
Und rüttelte dran und rief: „macht auf! da drinnen bin ich am Orte.“
Die Wächter am Strande zögerten noch, da sieh, unter Schäumen und Kochen,
– Die Hülfe Gottes kam mit Gewalt! – wurde die Schleuse zerbrochen,
Das Meer, der Marsen alter Feind, heut kommt es als Retter.
Sie nahmen jetzt wieder festen Stand hinterm Tausend-Teufels-Walle,
Da waren sie sicher vor der Fluth und behielten den Feind in der Falle,
Der wandte sich rechts und wandte sich links, doch der Tod war immer zur Stelle,
Nur Jürgen Slenz, der ritt an den Wall, als wäre noch nichts verloren,
Einstieß er tief, zum Sprunge bergan, seinem friesischen Hengste die Sporen,
Und rief: „wer ein Herz im Leibe hat, der mag es mit mir wagen!“
Er sprang heran und schlug mit der Axt den Speer des Junkers zur Seite,
Er holte dann aus, einen vollen Hieb auf die stählerne Brust zu führen,
Und – fest im Panzer stak die Axt, thät sich nicht rücken, nicht rühren.
Der Hieb war gut; doch unversehrt waren des Jürgen Glieder,
Er trat ihm dann, fünf Finger breit, das Eisen zwischen die Rippen,
Es kam kein Laut, kein Seufzer mehr über des Junkers Lippen.
Das war das Ende von Jürgen Slenz; mit ihm zu Tode kamen
– Die Knechte die Söldner ungezählt – viel hundert tapfere Namen,
Fünf Rantzau’s, sieben von Ahlefeld und vierzehn Wackerbarte.
Er trug zu der alten Narbe heim eine neue brennende Wunde,
Die neue Wunde, – bis in den Tod woll’t ihm die nie verharschen, –