Der Tag von Hemmingstedt

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Autor: Theodor Fontane
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Titel: Der Tag von Hemmingstedt
Untertitel:
aus: Gedichte, Seite 222–229
Herausgeber:
Auflage: 10. Auflage
Entstehungsdatum: 1847
Erscheinungsdatum: 1905
Verlag: J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger
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Erscheinungsort: Stuttgart und Berlin
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Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[222]
Der Tag von Hemmingstedt.


 Denk an den Tag von Hemmingstedt,
 Wo siebentausend abgemäht!
 Schläft Ditmars Vater unterm Sand.
 Ist Ditmars Sohn noch bei der Hand.

Und über Johann von Dänemark kam seine finstre Stunde; –
Er murmelt: „es brennt im Herzen mir die alte Dithmarsen-Wunde!
Beim Himmel, es soll nicht Messer, nicht Scheer’ mir Bart noch Haupthaar stutzen,
Bis daß ich wieder in’s Joch gebeugt dies bauernstolze Trutzen.“

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Und Boten sendet er in die Marsch, die künden allerwegen:

„Drei Schlösser will unser König und Herr in eure Lande legen,
Nach Meldorf eins, an den Elbstrom eins und das dritt’ an die Lundener Fähre;“ –
Es brachte da Zornes viel in’s Land die königliche Mähre.

Und von den Bauern Wolf Isebrand, der sprach: „er mag nur kommen!

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Wir haben aus keines Königs Hand dies Land zu Lehn genommen,

Wir sind zudem vom Aufrechtgehn versteift in unsern Hälsen,
Und wer seine Schlösser auf Marschgrund baut, der baut sie nicht auf Felsen.
 

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Dies Land ist unser, wir haben’s im Kampf der Sturmfluth abgerungen,

Wir bangen vor keines Königs Zorn, wir, die wir das Meer bezwungen,

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Unser altes Recht, unser alter Muth, – so werden wir nicht zu Schanden;

Noch lebt der Gott, der bei Bornhövd auf unsrer Seite gestanden.“

Da gingen die Boten. Bei Rendsburg war’s, wo sie den König trafen,
Der lagerte da, drei Nächte schon, sammt seinen Fürsten und Grafen,
Es stieß dazu viel kriegerisch Volk von Jütland und von Fühnen,

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All’ wollten sie brechen den Bauernstolz und die Schmach des Königs sühnen.


Von Deutschland auch viel edele Herrn hernieder in’s Lager kamen!
Zwei junge Grafen von Oldenburg, Adolf und Otto mit Namen,
Mit ihnen zugleich manch Holsten-Geschlecht um den Danebrog sich scharte:
Fünf Rantzau’s, sieben von Ahlefeld und vierzehn Wackerbarte.

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Und Söldner auch; – Gesindel war’s aus Rheinland, Franken und Sachsen,

All’ hatten sich längst, durch Mord und Brand, in die Schlinge hineingewachsen.

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Die „sächsische Garde“ hieß man sie, wohl auch die „schwarze Bande,“

Verheerend, wie der schwarze Tod, zogen sie durch die Lande.

Ihr Führer aber war der Junker Slenz, der maß sechs rheinische Schuhe,

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Heut brach er am Wege die Schlösser ab, und morgen an der Truhe,

In Flechten hing sein flachsenes Haar, wie Stricke herab, zum Würgen,
Er hatte zwei Feuerräder im Kopf und hieß – der lange Jürgen. –

Und Jürgen Slenz, an der Seite Johanns, vorauf die gepanzerten Glieder,
So führt er heut, unter schmetterndem Klang, das Heer in die Marsch hernieder,

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Zwölftausend sind’s, schon dringen sie vor auf der Marschen getrocknetem Schlamme; –

Um Rache schreit in die Nacht hinein brennender Dörfer Flamme.

Die Bauern aber, kaum tausend Mann, zogen sich rasch zurücke,
Bis daß sie kamen, um Mitternacht, an die Hemmingstedter Brücke,
Sie fanden da Wall und Graben noch aus der Zeit der alten Sassen,

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Und es sprach Wolf Isebrand: „hier sei’s, hier wollen wir auf sie passen!“


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Man hielt. Nur Einer murmelte bang: „das mög’ unser Heiland nicht wollen,

Wir sind hier am Tausend-Teufels-Wall, wo die Moor-Elfen tanzen und tollen,
Mit den Flammenbüscheln, das Irrlichtvolk, es haust hier unterm Rasen,
Und bei Vollmond kommt das Feuerpferd, um die Büschel abzugrasen.“

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Da stutzten die Andern; Wolf aber rief: „was Irrlicht und was Elfen,

Wenn droben der Himmel mit uns ist, muß auch die Hölle helfen.
Die Nacht ist schwarz, wir brauchen Licht, laßt’s nur da unten flimmern,
Wir wollen ein christlich Bollwerk hier trotzdem zusammenzimmern.“

Da griffen sie freudig nach Spaten und Axt, vorbei war Murren und Stutzen,

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Sie schleppten das Brückengebälk herbei, als Pfahlwerk es zu nutzen,

Sie füllten und stopften, mit Moor und Schlamm, des alten Erdwalls Lücken,
Und warfen zuletzt ihm Rasen und Sand, drei Fuß hoch, auf den Rücken. –

So kam der Tag, und mit ihm kam, goldblinkend, die sächsische Garde,
Hell spiegelte sich der Morgenstrahl auf Harnisch und Hellebarde,

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55
Die trotzige Schaar, rasch rückte sie vor, gegliedert und dicht geschlossen,

Nicht kümmerte sie der Hagelgruß von Steinen und Wurfgeschossen.

Jetzt war sie heran, zwischen ihr und dem Wall war nur noch des Grabens Quere,
Da schnürten die Vordersten schnell in eins je zwölf ihrer kantigen Speere,
Sie warfen wie Balken querüber dann die Bündel aus Speer und Lanze,

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Und über die fliegende Brücke hinweg wollten sie gegen die Schanze.


Umsonst; man stieß sie rücklings hinab, – es fehlte das Brückengelände, –
Da nahmen die Folgenden, springstockgleich, ihren Speerschaft in die Hände,
Sie setzten ihn auf, und war es mißglückt im Sturmschritt vorzudringen,
So sollte nun Sprung- und Hebelkraft im Flug sie hinüberschwingen.

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Umsonst auch das; sie sprangen zu kurz; wer dennoch das Ufer erklettert,

Der ward, unter wildem Freudengeschrei, von den Bauern zu Boden geschmettert,
Dumpf dröhnte die Axt – bis plötzlich jetzt die Freudenrufe verklangen,
Wolf Isebrand murmelte vor sich hin: „Hilf, Himmel, wir sind umgangen!“

[227]
So war’s. Zu schwanken begann der Kampf, immer mächtiger wurden die Dränger,
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Da trat Gott selbst für die Schwachen ein, und rief: „ich will es nicht länger;“

Und er schickte die Fluth, die stieg am Strand bis hoch an die Schleusenpforte,
Und rüttelte dran und rief: „macht auf! da drinnen bin ich am Orte.“

Die Wächter am Strande zögerten noch, da sieh, unter Schäumen und Kochen,
– Die Hülfe Gottes kam mit Gewalt! – wurde die Schleuse zerbrochen,

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Schon über die Felder von Hemmingstedt hinbrausten Wogen und Wetter, –

Das Meer, der Marsen alter Feind, heut kommt es als Retter.

Sie nahmen jetzt wieder festen Stand hinterm Tausend-Teufels-Walle,
Da waren sie sicher vor der Fluth und behielten den Feind in der Falle,
Der wandte sich rechts und wandte sich links, doch der Tod war immer zur Stelle,

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Wer floh, den faßte die Marsenfaust, wer stand, den faßte die Welle.


Nur Jürgen Slenz, der ritt an den Wall, als wäre noch nichts verloren,
Einstieß er tief, zum Sprunge bergan, seinem friesischen Hengste die Sporen,

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Jetzt war er hinauf, – er schaute sich um, wie wohl in besseren Tagen,

Und rief: „wer ein Herz im Leibe hat, der mag es mit mir wagen!“

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Das hörte der Reimer von Wimerstedt, der hatte Lust zum Streite,

Er sprang heran und schlug mit der Axt den Speer des Junkers zur Seite,
Er holte dann aus, einen vollen Hieb auf die stählerne Brust zu führen,
Und – fest im Panzer stak die Axt, thät sich nicht rücken, nicht rühren.

Der Hieb war gut; doch unversehrt waren des Jürgen Glieder,

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Da riß der Reimer und wuchtete traun am Axtstiel ihn hernieder,

Er trat ihm dann, fünf Finger breit, das Eisen zwischen die Rippen,
Es kam kein Laut, kein Seufzer mehr über des Junkers Lippen.

Das war das Ende von Jürgen Slenz; mit ihm zu Tode kamen
– Die Knechte die Söldner ungezählt – viel hundert tapfere Namen,

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Zumal auch was von Holstein her um den Danebrog sich schaarte:

Fünf Rantzau’s, sieben von Ahlefeld und vierzehn Wackerbarte.

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Der König aber floh zu Schiff bis in seine Stadt am Sunde,

Er trug zu der alten Narbe heim eine neue brennende Wunde,
Die neue Wunde, – bis in den Tod woll’t ihm die nie verharschen, –

100
Das war der Tag von Hemmingstedt, der Brauttag der Dithmarschen.