Der Taubenthurm

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Ernst Fritze
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Der Taubenthurm
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 50–52, S. 677–680, 693–696,706–708
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[677]
Der Taubenthurm.
Eine Novelle aus der Criminalpraxis.

In einem Dorfe, nahe bei einer Provinzialhauptstadt, liegt ein Landhaus von auffallend hübschem und behaglichem Aussehen.

Es wurde zur Zeit, wo unsere Erzählung spielt, von einem alten, würdigen Ehepaare, dem invaliden Hauptmann von Moorhagen und seiner Gattin bewohnt. Eine Pflegetochter, Theodore Stillke genannt, theilte diese Einsamkeit, und die Gemüthsart dieser drei Menschen war von der Beschaffenheit, daß sie mit einander eine Art Himmelsruhe zu genießen im Stande schienen.

Die Erde mit ihren Leiden und Plagen duldet nur dergleichen Himmelsfreuden nicht immer. Besonders Theodore, ein äußerlich ruhiges, aber innerlich leicht bewegtes und tief fühlendes Mädchen, wurde mannigfach vom Schicksale heimgesucht, um die Geisteskraft zu bethätigen, die nothwendig zum Kampfe mit irdischen Heimsuchungen ist. Ihre Pflegeeltern waren schon in das Stadium des Alters getreten, wo des Lebens Harm die Menschenbrust nur oberflächlich berührt, und sie saßen Beide an einem Juniabende, im Glanze der untergehenden Sonne, mit so behäbigem, zufriedenem Wesen unter den schützenden Marquisen eines Gartenzeltes, daß sie ein richtiges Bild des glückseligsten Alters abgaben.

Vor ihnen stand ein Tischchen mit einem feinen Abendbrote servirt, seitwärts sah man ein zweites Tischchen mit dem vollständigen Comfort eines Theetisches, woran Theodore beschäftigt war den Thee zu bereiten.

Aber noch eine vierte Gestalt müssen wir in’s Auge fassen, die nur von Zeit zu Zeit sichtbar wurde, wenn sie aus einem der schönen Bosquetwege nach dem andern hinüber wandelte. Es war Leopoldine von Moorhagen, die Gattin eines Neffen, die seit zwei Tagen, zum Erstaunen der Landhausbewohner, zum Besuche hier weilte. Jetzt hatte sie die friedliche Gesellschaft nach der ersten Tasse Thee verlassen, und ging mit einem Buche in der Hand in dem duftigen Abendgolde des sinkenden Tages spazieren. Dem alten Hauptmann schien die lesend spazierende Dame wenig Sympathie einzuflößen. Jedesmal, wenn sie sichtbar wurde, streifte ein spöttischer Blick ihre Gestalt und das Lächeln, womit er dann der Gattin Augen suchte, verrieth das Einverständniß mit dieser.

„Was lieset sie denn?“ fragte die alte Dame ihre Pflegetochter, die ihr eben die letzte Tasse reichte und die Zuckerdose näher rückte.

„Gallerie berühmter Frauen,“ entgegnete Theodore lachend.

„A–h! Sie rechnet sich sicherlich zu dieser Sorte!“ spottete der alte Herr.

In diesem Momente erschien Frau Poldine, wie man sie zu nennen pflegte, am Eingange des Bosquets, schauete einige Minuten auf die Gruppe und rief, als das Theegeschäft beendet zu sein schien, mit ziemlich heftigem Tone den Namen des jungen Mädchens. Theodore wandte sich zu ihr, blieb aber stehen. Frau Poldine winkte.

„Kommen Sie her, Dora!“ sprach sie im Herrschertone.

Als Dora dessen ungeachtet zögerte, und die Bedienung ihrer Pflegeeltern für wichtiger zu halten schien, da sagte die alte Dame beschwichtigend: „Geh’ nur, mein Kind – wir sind fertig. Geh’, damit wir keine Scene erleben.“

„Wie kann man sich so lange mit dem elenden Geschäft des Theetrinkens aufhalten!“ rief Frau Poldine entschieden verächtlich dem sich schnell nähernden Mädchen zu. „Ich habe mit Ihnen zu sprechen, Dora!“

Dora’s Schweigen, denn sie hatte jedenfalls eine neugierige und theilnehmende Frage erwartet, verstimmte und reizte die junge Dame. Ihre Mißlaune klang herbe wieder in dem Tone, womit sie fortfuhr: „Euch hier, in dem Paradiese des Eises und des Schnees, scheint nichts in Verwunderung und Erstaunen bringen zu können. Es ist Euch wohl kaum eingefallen, darüber nachzudenken, was mich zu einer Zeit, wo sich unsere verwandtschaftlichen Bande zu lösen und zu zerreißen schienen, hierher geführt hat?“

Diese Frage verdiente eine Antwort. Dora maß die junge Frau, welche so übermüthig ihr Urtheil herausforderte, mit lächelnden Blicken, ehe sie antwortete: „Sie irren, Frau Poldine! Wir haben uns schon den Kopf darüber zerbrochen, und haben täglich irgend einer Explosion Ihrer extravaganten Laune entgegengesehen.“ Das lebhafte Mienenspiel Dora’s zeigte momentan eine große Neigung zu einem Spottlächeln, allein sie verbarg es schnell.

„Aber Sie haben nichts errathen?“ fragte Frau Poldine.

„Ich habe mir keine Mühe gegeben – die Lösungen Ihrer Launen kommen von selbst und früh genug.“

„Viel Geduld und wenig Neugier!“ warf Frau Poldine ein. „Die Lösung wird Sie diesmal nicht erfreuen.“ – Das Mädchen dachte daran, daß zu einer solchen Voraussetzung gar kein Anlaß vorläge. – „Sie haben meiner Verbindung mit Richard von Moorhagen niemals das Wort geredet –“

„Nein, Gnädige! Nein!“ unterbrach Dora sie mit tiefem Ernste. „Niemals, gottlob niemals, habe ich zu dieser Ehe gerathen!“

„Weil Sie selbst Richard liebten. Ich weiß –“

[678] „Sie wissen gar nichts, Frau Poldine!“ warf Dora barsch und trocken hin. „Was wollen Sie jetzt von mir?“

Die Kälte und Entschlossenheit Theodorens, welche in solchen Momenten an Grobheit grenzten, hatten für die Weltdame Poldine immer etwas Imponirendes. Das war leider von dem Mädchen oft genug erprobt.

„Was ich von Ihnen will?“ wiederholte sie, ebenfalls wieder etwas eingeschüchtert. „Ich will Ihnen gestehen, daß ich Hoffnung, ganz fest begründete Hoffnung auf eine Versöhnung mit Richard habe,“ – Theodore zuckte heftig zusammen und ihre Wangen rötheten sich – „daß ich deshalb meinen Aufenthalt hier genommen habe, um hier, wo ich vor vier Jahren das erste Geständniß seiner Liebe empfing, von Neuem glücklich zu werden,“ schloß Frau Poldine triumphirend.

Theodore war sichtlich überrascht, ja unzweifelhaft erschrocken über diese Berichterstattung. Ihre Fassung hatte einen argen Stoß erlitten, und sie stammelte verwirrt: „Ich verstehe das nicht! Ich weiß nicht, wie ich Ihre Erzählung deuten soll! So viel mir bekannt ist, kann Ihre Ehe mit Richard so gut als getrennt betrachtet werden – die gerichtlichen Erkenntnisse –“

„Sind nicht mehr nöthig,“ fiel Frau Poldine hastig ein, und fügte mit Pathos hinzu: „Richard wird kommen – wir werden die trüben Tage versenken in das Meer der Vergessenheit, mein Gatte wird an keine Trennung mehr denken, wenn er wieder in meinen Armen ruhet – Richard wird hierher kommen, um mich zurück in sein Haus zu führen.“

„Richard – hierher kommen?“ fragte Dora, nun aus ihrer Betäubung erwachend. „Ihretwegen hierher kommen – Sie abholen? Es ist nicht wahr!“

„Sehen Sie dort hin!“ rief triumphirend Frau Poldine. „Erkennen Sie, wer dort auf den Flügeln der Eile, von heißer Liebe getrieben, daherjagt?“

Dora sah hin. Sie standen nahe der Gatterthür, die seitwärts auf die Landstraße führte. Ein Reiter kam wirklich angesprengt; ihr scharfes Auge erkannte Richard von Moorhagen. Kalt und entschlossen hob sie stolz den Nacken.

„Es ist mir unbegreiflich, allein ich muß zugestehen, daß Sie Recht haben,“ sagte sie fest, ihr innerliches Beben bemeisternd. „O, Männerschwäche, Männereitelkeit, Männerwankelmuth und Männereigennutz!“ dachte sie.

Ihrem Geiste rauschten alle die gräulichen Scenen vorüber, welche abgespielt wurden, bevor Richard von Moorhagen sich zur Trennung seiner Ehe entschloß; ihrem Gedächtnisse fielen alle die Worte ein, womit der unglückliche junge Mann seine Ehe mit Leopoldine verflucht und sie eine Hölle genannt hatte. Jetzt war diese Ehe gerichtlich gelöst, täglich mußte die gerichtliche Einwilligung zur Scheidung erwartet werden und jetzt, jetzt kam er zu dieser Gattin, um eine Versöhnung zu feiern?

„Es ist mir unbegreiflich!“ sagte sie nochmals.

„Mag sein,“ erwiederte Frau Poldine, mit schmachtenden Blicken dem schnell näherkommenden Reiter entgegensehend, „aber Sie sehen, es ist wahr! Ich verlange nun weiter nichts von Ihnen, als daß Sie jedes Lauscherohr von meinem Zimmer fern halten, und daß Sie sich selbst auf keine Weise, wie sonst, in unsere Zusammenkunft eindrängen.“

Theodore maß die Dame mit einem stolzen, zornigen Blicke und ging, ohne ein Wort zu erwiedern, dem Zelte zu, wo neugierig ihre Pflegeeltern ihrer harrten. Frau Poldine winkte graziös einen Gruß zu denen herüber, und verschwand im Portale des Hauses. Gleich darauf hielt der Reiter vor dem Landhause an, übergab sein Pferd dem kleinen Hausburschen, der herbeisprang, mit der Weisung, es langsam herumzuführen und schritt eilfertig, mit bewölkter Stirn und zusammengekniffenen Lippen die Treppe hinauf, der Frau Poldine nach, die ihm schweigend winkte.

Theodore mußte den alten Pflegeeltern währenddeß erklären, was die Ankunft Richard’s zu bedeuten habe. Dann neigte sie tief ihr Haupt auf eine Arbeit und grübelte.

Was sollte sie von diesem Schritte des jungen Mannes denken, wie ihn deuten, wie ihn entschuldigen? Schon ein Mal im Leben hatte das Betragen Richard’s Zweifel an Menschenwerth in dieser jungen Brust entzündet, schon ein Mal war ihr Herz in Zwiespalt mit der Vernunft gerathen seinetwegen, und nur das weibliche Erbarmen hatte die Kluft wieder ausgefüllt, die von ihrer innerlichen Verachtung aufgerissen worden war, als dieser Mann, elend und unglücklich durch seine übereilte Wahl, zu der ihn Eitelkeit und Eigennutz getrieben hatte, Trost bei ihr suchte.

Sie selbst hatte ihm, zwar nicht durch Ring und öffentliches Verlöbniß, aber durch jahrelanges stilles Lieben angehört, bevor er Gnade vor den Augen der reichen Goldschmiedstochter, Leopoldine Probst, fand, und von ihr in ihren Goldnetzen gefangen wurde; aber sie hatte sich mit weiblicher Würde so fein und schnell in die Schranken der Schwesterlichkeit zurückgezogen, daß Richard sie schon fern von seinem Lebenswege fand, als er erst mit Schrecken daran dachte, seinen Bund mit ihr lösen zu müssen. Seine Ehe war eine Hölle! Er selbst nannte sie schon nach Jahresfrist so, und er ertrug diese Qual der Verdammniß drei volle Jahre, ehe er sich zu dem widerwärtigen Schritte der Scheidung entschließen konnte. Wund an Geist, Herz und Seele, suchte er das Landhaus auf, und er fand nachsichtige Richter in seinen Verwandten und in Theodoren. Noch vor drei Wochen hatte Richard mit blitzenden, brennenden Blicken dem Mädchen gestanden: seine Sünde gegen sie sei von dem Feuer dieser Höllenqualen gesühnt – und nun? Und nun? Theodore hob den Blick nicht anklagend auf gegen den Himmel, aber die große, krystallhelle Thräne, die auf ihre Näherei tropfte, enthielt eine herbe Klage.

„Freilich,“ kalkulirte sie weiter im trübselig stummen Grübeln, „freilich, Leopoldinens Geld ging ihm verloren, wenn er sie aufgab, freilich, sein luxuriöses Leben, seine Reisen, seine Pferde, seine Hunde, seine Gesellschaften – Alles schwand wie durch einen Zauberschlag – daran mochte er nicht gedacht haben, und deshalb mochte ihm die dargebotene Aussöhnung erwünscht gewesen sein.“

Eine unsäglich bittere Empfindung durchwogte Theodorens Brust. „Mag er sein Unglück tragen,“ flüsterte sie hörbar, als jetzt die Stimmen der beiden Gatten deutlicher vom Hause herüberdrangen.

Doch als endlich Worte der Verwünschung und der Drohung erschallten, als den Lippen der Frau Poldine jene kreischenden Töne des kindischen Wahnsinns, womit sie ihr Recht zu vertreten suchte, entflohen, als wild und wirr der schauderhafte Zank ausbrach, der immer solche Scenen beschloß, die vom Widerspruch der dummen Anmaßung angefacht und von der Ungeduld des spröden Männergemüthes bis zur äußersten Grenze der Heftigkeit getragen wurden, da kehrte doch wieder Mitleiden in Theodorens Brust zurück.

Ihre Pflegeeltern hörten mit steigendem Unbehagen auf den Lärm der streitenden Stimmen. Der alte Herr wies ärgerlich nach der Landstraße, wo zwei Bauerweiber horchend stehen blieben, und die alte Dame sagte bittend: „Geh’ hinauf, Dora, bitte – gehe hinauf, und ermahne sie zur Ruhe!“

Theodore lehnte zuerst entschieden diesen Auftrag ab, und berief sich auf Leopoldinens speciellen Befehl, sich nicht einzudrängen. Nach und nach überwältigte aber die Furcht vor dem Ausgange des immer heftiger entflammten Streites ihre Scrupel und sie ging, nicht mit leichtem Herzen, dem Hause zu. Wie oft, wie unendlich oft hatte sie schon zwischen diese beiden Menschen treten müssen, um durch ihre imponirende Ruhe ein Gleichgewicht herzustellen! So schwer, wie an diesem Tage war es ihr aber noch nie geworden. „Es ist zum letzten Male,“ sagte sie leise, als sie in den Hausflur trat.

In diesem Momente wurde oben eine Thür gewaltsam aufgerissen, Männerschritte schallten und ein gellender, gräßlich durchdringender Schrei durchzitterte das ganze Haus. Richard stürzte wild die Treppe hinab.

„Was ist geschehen? Um Gotteswillen!“ schrie Theodore ihm entgegen. Er blieb nicht stehen, rief aber im Vorbeeilen laut: „Es ist ein entsetzliches Weib – ich gehe, mir einen Winkel zu suchen, wo ich mich verbergen kann; mag sie zur Hölle fahren, woher sie entstammt ist!“

Mit Blitzesschnelligkeit war er draußen, schwang sich auf’s Pferd, und flog den Weg zur Stadt hinab. So hatte ihn Theodore noch nicht gesehen! Eine fürchterliche Angst schnürte ihr die Brust zu und raubte ihr jede Willenskraft. Sie trat hinaus in’s Freie und schauete ihm nach. Eine schmerzliche Trauer, aber auch eine unendliche Liebe lag in dem Blicke, womit sie seine Spur verfolgte – da schallte ein eben so greller, als herzzerschneidender Schrei, wie vorher, durch des Hauses Räume [679] und weckte das arme Mädchen aus ihrem unthätigen Nachsinnen. Tief aufseufzend machte sie Anstalt hinaufzugehen, wo die traurige Nothwendigkeit ihrer wartete, ein krampfhaft aufgeregtes, halb wahnsinniges Weib zu beruhigen.

Wer kann es ihr verargen, daß sie langsam und widerwillig jeden Schritt zählte und sich nicht beeilte, hinaufzukommen, daß sie mit gleichen Empfindungen die Thür aufstieß, die nur angelehnt war. Aber, welch’ ein Anblick wartete ihrer! Leopoldine, ausgestreckt auf der Erde liegend, überschwemmt von Blut, das ihr vom Halse herniederrieselte, mit dem Tode ringend, schon starr und kalt und ohne Bewußtsein –.

Ohne einen Laut des Schreckens und rasch übersehend, was noth that, stürzte Theodore zu der Unglücklichen nieder und preßte ein Taschentuch auf die Wunde am Halse, der noch immer unaufhaltsam das klare rothe Blut entrieselte. Dann erst rief sie nach Hülfe und blieb in derselben Stellung eine volle Stunde, bis der herbeigeholte Arzt sie erlöste und die Ader kunstgerecht verband, welche sie durch ihre rasch ergriffene Maßregel wenigstens verstopft hatte. Aber das Leben Leopoldinens schwebte dennoch in der höchsten Gefahr, sie hatte sich verblutet, bevor Theodore zu ihrer Hülfe herangekommen war.

Was war vorgefallen? Wer war der Thäter dieses Mordes? Der Doktor war der Erste, der diese Fragen aufwarf und mit Späherblicken nach dem Instrumente forschte, mit welchem der Schnitt am Halse, unbestreitbar in der nicht ganz gelungenen Absicht denselben zu durchschneiden, vollführt war.

Es mußte nach seiner Ansicht ein sehr scharfes und spitziges Messer oder ein Dolch gewesen sein. Zuerst suchte man vergeblich, dann aber entdeckte man mit Erstaunen in einem sehr zierlichen kleinen Messerchen, das blutgetränkt in der Spitzengarnirung von Leopoldinens Kleide hing, die Waffe, die man sich groß und gefährlich gedacht hatte. „Richard v. Moorhagen“ stand in dem silbernen Griffe eingravirt. Der Arzt wickelte es behutsam ein und steckte es zu sich. Sein Gesicht verrieth, was er dachte und Theodore zitterte wie vom Fieber geschüttelt, bei der Erinnerung an die Abschiedsworte des unseligen Mannes.

Sie richtete einige bittende Worte um Schonung an den Doktor, allein dieser begegnete ihr kurz und unfreundlich.

„Es ist hier ein Mord beabsichtigt, das unterliegt gar keinem Zweifel, und ich kenne meine Pflicht,“ sagte er Abschied nehmend. „Die verwundete Dame bedarf der sorgsamsten Pflege; ich mache Sie, Fräulein Dora, dafür verantwortlich; morgen früh bin ich wieder hier.“

Theodore setzte sich geduldig an das Lager Leopoldinens, um sie zu bewachen, der Arzt stieg in den Wagen und fuhr durch die dunkle Nacht heim. In der Finsterniß pflegen alle Gespenster aufzustehen und alle ungewöhnlichen Ereignisse eine grausige Färbung anzunehmen.

Der Doktor Bendewitz war Kreisphysikus und gehörte als solcher in die Kategorie derjenigen Aerzte, die in jedem Zufalle ein Verbrechen wittern. Hier, in dem Vorfalle auf dem Landhause des Hauptmann von Moorhagen hatte er freilich Veranlassung, nach einem Mörder umzuschauen, da gar keine andere Möglichkeit bei der vorgefundenen Wunde der jungen Dame vorlag, allein er begnügte sich nicht mit dem Thatbestande, sondern meditirte und kombinirte so lange, bis er eine ganz haltbare Geschichte zusammenkalkulirt hatte und ein brennendes Verlangen fühlte, diese interessanten Forschungen sogleich an die rechte Thür zu bringen. Er befahl seinem Kutscher vor dem Hause des Criminalrath Müller zu halten, stieg dort aus und verfügte sich in das Arbeitszimmer desselben, wo er Licht bemerkt hatte.

Verwundert blickte der würdige Vertreter der Criminaljustiz von seinem Aktenstoße auf und rief ihm entgegen:

„Was führt Sie denn so spät Abends noch zu mir, Doktor? Doch gewiß irgend ein Erhängter oder ein Ueberfahrener –?“

Quod non – hochwohlgeborener Herr, diesmal eine Erstochene –“

„Die aber noch lebt und hoffentlich noch lange leben wird?“ examinirte der Criminalrath humoristisch weiter, denn er kannte die Sucht des Doktors, Alles, was in dieses Fach schlug, zu übertreiben.

„Das gebe Gott, sonst möchten Sie, mein Hochwohlgeborner, in die Verlegenheit kommen, ihrem guten Freunde, dem Herrn Richard von Moorhagen Zeter zu schreien und den Stab zu brechen,“ berichtete der Doktor gleichmüthig.

Der Rath fuhr etwas frappirt vom Stuhle auf. „Machen Sie keinen Scherz – was gibt es denn?“

Der Doktor setzte sich zurecht, nahm eine Dose hervor, bot dem Rathe eine Prise, nahm selbst eine und begann in langsam schnarrendem Tone großer Wichtigthuerei ein Referat des eben Erlebten im Hause des Hauptmann von Moorhagen und schloß dann: „Der Grund dieses Attentates ist leicht zu begreifen. Die Leutchen liegen im Scheidungsprozesse, Frau Poldchen zeigt sich sehr capriziös im Punkte ihres Eingebrachten, sie verlangt Eigenthumsrechte an alle den Sachen, die durch ihr Vermögen restaurirt sind. Nun ist’s klar, Herr Richard ist hinausgeritten, um bessere Bedingungen zu erzwingen und hat dann in der Wuth den Mund stumm zu machen gesucht, der ihm widerwillig war.“

Der Rath schüttelte zweifelnd den Kopf. „Was hätte ihm das geholfen?“ warf er ein. „Ist es denn unumstößlich gewiß, daß von Moorhagen der Thäter gewesen ist?“

Der Doktor zog das Messer hervor, welches noch vom Blute klebrig war. „Dies Dokument wird wohl hinreichen,“ sprach er. „Der Mörder hat seine Karte zurückgelassen im Busentuche der Gemordeten –“

„Sie ist also wirklich erheblich verwundet?“ forschte der Rath bedenklich das Messer betrachtend.

„Ganz erheblich, ihr Leben hängt an einem seidenen Faden, eine halbe Stunde mit geöffneten Halsadern liegen, reicht schon aus, um das Leben in Gefahr zu bringen. Das Bewußtsein ist der Dame zwar auf einen Moment wiedergekehrt, allein, als ich wegfuhr, lag sie wieder unbeweglich, wie eine Todte.“ Er erhob sich, um zu gehen. „Morgen früh mit dem Tagesgrauen will ich hinaus, um zu sehen, ob sie noch lebt.“

Der Rath fuhr aus seinem Nachdenken auf. „Kann ich mit Ihnen fahren, Doktor?“ fragte er hastig.

„Wird consentirt unter der Bedingung, daß meine Patientin, im Falle sie noch Athem in sich hat, von hochdero Besuch und Inquisition verschont bleibe,“ entgegnete der Doktor und fügte parodirend hinzu, indem er dem Rathe Abschied nehmend die Hand schüttelte: „Großinquisitor, ich habe das Meinige gethan; thun Sie das Ihre!“ Er ging stolz im Bewußtsein, wieder einem Verbrechen auf die Spur gekommen zu sein.

Der Criminalrath versank nach seiner Entfernung in ein unbehagliches Sinnen. Die Möglichkeit eines Verbrechens lag vor, aber Richard von Moorhagen sollte bis zum Mörder hinabgesunken sein pekuniärer Verhältnisse wegen? „Nein, tausend Mal Nein!“ sagte der Beamte ganz laut. Was sollte er thun? Seine Pflicht drängte ihn zu schnellen Maßregeln. „Auf was für Irrwege verfällt das menschliche Gemüth, wenn es sich bis zur äußersten Grenze gequält fühlt! Es könnte doch sein! Wir sind in unserer moralischen und physischen Natur unergründliche Räthsel,“ murmelte er. „Es könnte sein und die Verantwortung fiele dann schwer auf den lässigen Beamten.“ Er sprang auf, warf seinen Schlafrock ab, fuhr in einen andern Rock, ergriff Hut und Stock und befand sich auf der Straße, bevor er nur den Gedanken ganz ausgedacht hatte. Er schlug den Weg nach dem Hause von Moorhagen’s ein. Es war schon spät. Die meisten Bürger ruhten schon friedlich im Arme des Schlafes, nur einzelne Liebespärchen standen noch kosend in den Hausthüren und freuten sich der lauen Sommernacht. Auch der Diener von Moorhagen’s stand in der Thür, sein Liebchen, die hübsche Tochter seiner Wirthin, im Arme, als der Criminalrath hastig auf diese Thür zuschritt und das Mädchen damit verjagte. Friedrich wendete sich, ob dieser Störung sehr böse, um, machte jedoch eine respektvolle Verbeugung, als er den gefürchteten Criminalbeamten, der ihn auch schon in den Händen gehabt hatte, erblickte. Er begleitete den Herrn höflich hinauf und bat oben um die Erlaubniß, nachsehen zu dürfen, ob sein Herr auch noch nicht zu Bett liege.

Richard lag auf dem Sopha und schlief: Seine Träume schienen nicht freudig zu sein. Schwer hob sich seine Brust, die Lippen zuckten, die Fäuste ballten sich –. Friedrich berührte ihn sacht.

Wild fuhr der junge Mann in die Höhe und warf dir Blicke suchend umher. „Was ist’s? Was willst Du?“ fuhr er den Diener an.

„Gnädiger Herr, draußen ist –“ [680] „Doch nicht meine Frau? Friedrich, Friedrich, um Gotteswillen, laß sie nicht zu mir, ich habe genug für heute, ich habe genug –“

„Nein, nein, gnädigrr Herr, der Criminalrath Müller,“ beschwichtigte ihn Friedrich. Richard sank ermattet in das Sopha zurück.

„Laß ihn hereinkommen. Lieber die ganze heilige Justiz, als – sie!“

Der Rath trat ein, Richard bemerkte es nicht. Er war in dem träumerischen Zustande, der oft einer furchtbaren Aufregung folgt, gleichgültig gegen Ort, Zeit und Personen. Der Rath betrachtete ihn mit durchdringenden Blicken; eine tiefe Trauer legte sich nach und nach auf sein wohlwollend freundliches Gesicht, denn der Mann, welcher hier vor ihm saß, apathisch, wie zum Tode gehetzt und in einer Geistesabwesenheit, die einen furchtbar tiefen Grund haben mußte, der Mann war nicht unschuldig!

„Guten Abend, von Moorhagen,“ sprach er ernst. Verwirrt sprang Richard auf und reichte ihm mit gewaltsam erzwungenen Lachen die Hand.

„Guten Abend, Criminalrath. Ihr habt wohl im Kasino auf mich gewartet?“ entgegnete er.

Der Rath sah ihn kopfschüttelnd an. Der junge Mann verwechselte die Tage merkwürdig. Sie waren am Tage zuvor zur gewöhnlichen Whistparthie im Kasino gewesen und trafen sich nur alle acht Tage dort.

„Ich dächte wir hätten uns gestern Abend im Kasino versammelt!“ sagte er bedeutungsvoll.

Richard sah ihn an und strich mit der Hand über die Stirn.

„Ja, gestern, richtig! Ich habe so viel gedacht seit gestern, daß mir Zeit und Stunde verflogen ist,“ flüsterte er, noch immer zerstreut und halb abwesend. „Setzen wir uns –“

Der Rath griff nach der Uhr. „Es ist spät, gleich zehn Uhr, aber setzen wir uns.“

Jetzt wurde Richard aufmerksam.

„Zehn Uhr? Was veranlaßt Sie denn zu einem so späten Besuche, etwas Wichtiges, Criminalrath?“ fragte er gefaßter.

„Vielleicht!“ entgegnete der Beamte lakonisch. „Eigentlich will ich Sie nur fragen, wo Sie gegen Abend gewesen sind?“ Richard zuckte sichtlich zusammen. „Fragen Sie nicht, fragen Sie nicht! Sie erinnern mich an die unglücklichste Stunde meines Lebens!“ rief er heftig.

„Sie haben Unglück gehabt?“ examinirte der Rath ganz gelassen.

„Unglück? Nein! Aber Aerger! Ich habe Demüthigungen erfahren; o, o, lassen Sie Alles ruhen! Es ist nun vorbei; ich gehe nach Amerika, um Ruhe zu finden. Vielleicht gehe ich nicht allein, doch davon später.“

[693] Der Criminalrath fixirte ihn scharf. „Und das sagen Sie mir, von Moorhagen?“

„Warum sollt’ ich das nicht? In wenig Tagen weiß es gewiß die ganze Stadt.“

„Glauben Sie, daß man Sie ungestraft ziehen lassen wird?“

„Gewiß nicht, doch sind das Geldstrafen; ich gebe mein Lehn ab und verkaufe das Wenige, was an Ländereien mein ist; freilich ohne Verluste wird es nicht abgehen, allein das sei meine letzte Strafe für den unseligen Streich –.“

„Er ist wahnsinnig geworden,“ dachte der Rath und lehnte sich bekümmert zurück. „Er ist jedenfalls wahnsinnig oder er muß glauben, seine Frau nach Belieben todtstechen zu dürfen.“ – Einen Augenblick sann er unschlüssig nach, dann beschloß er, haarscharf auf den Delinquenten einzugehen, um die Wirkung auf seinen umdüsterten Geist zu erproben.

„Sie wissen also, daß Ihre Frau noch lebt?“ fragte er drohend.

Richard sprang auf. „Criminalrath, Sie peinigen mich!“ rief er aufgeregt. „Leider, leider lebt sie und wird auch so leicht nicht sterben. Solche Geschöpfe sind wie die Schlangen, sie sterben nicht am eigenen Gifte, das sie für ihre Zwecke zu sammeln pflegen.“

„Aber Ihre Frau wird wieder gesund werden, von Moorhagen, sie wird als Anklägerin wider Sie auftreten, sie wird Sie des Mordes zeihen,“ sprach der Beamte mit starker kraftvoller Stimme.

Der junge Edelmann blieb vor ihm stehen und starrte ihm in’s Gesicht.

„Meine Frau,“ stammelte er, „mich? Des Mordes? O, wäre es möglich, daß sie ihre Verrücktheit so weit triebe? Das müßte sie aber doch beweisen, Criminalrath?“

Der Beamte nahm das Messerchen hervor, schlug es langsam aus seiner blutigen Hülle und hielt es mit den Worten: „Hier ein corpus delicti, das den Thäter verräth, das Sie als den Thäter gravirt!“

Richard sah auf das Messerchen nieder, welches der Rath festhielt; er las den fein eingegrabenen Namen „Richard v. Moorhagen,“ schüttelte ganz verwirrt mit dem Kopfe und fuhr mit der Hand in seine Westentasche.

„Wie kommen Sie denn in aller Welt zu meinem Messer?“ fragte er, als er sich überzeugt hatte, daß wirklich sein Messer aus der Tasche verschwunden und in einem ominösen Zustande vor seine Augen zurückgebracht war.

„Dieses Messer fand man bei der blutigen Leiche Ihrer Frau?“

„Blutige Leiche?“ stotterte der junge Mann. „Ich verstehe und begreife nichts, bester Herr –“

„So will ich es Ihnen verständlich machen,“ sprach der Rath nun hart und trocken, denn er hatte die vollständige Ueberzeugung gewonnen, einen leichtfertigen Mörder vor sich zu sehen, der seine That durch den Charakter seiner Gattin zu beschönigen suchte.

„Sie sind um sieben Uhr in dem Landhause ihres Onkels eingetroffen.“ Richard nickte und horchte athemlos gespannt auf diese Auseinandersetzung. „Sie haben eine Unterredung mit Ihrer Frau gehabt,“ fuhr der Rath fort. Richard stieß einen tiefen, tiefen Seufzer aus. „Die Unterredung verlor sich in einen furchtbaren Zank. Sie verließen Ihre Frau im höchsten Zorne und als Fräulein Dora unmittelbar nach Ihrem stürmischen Abgange das Zimmer Ihrer Frau betrat, da fand sie diese als blutige Leiche am Boden. Sie werden einsehen, daß Ihnen alles Leugnen der That nichts hilft, da Sie dieses Messer, womit ersichtlich die Schnitte im Halse vollführt sind, zurückgelassen haben; was Sie zur Milderung Ihres Vergehens sich selbst vorzusprechen belieben, das hält gegen die Gesetze nicht Stich!“

Von Moorhagen hatte den letzten Theil der Auseinandersetzung mit ganz wiedergewonnener Fassung angehört und seine hohe schlanke Gestalt, die vorher wie geknickt erschien, würdig in Haltung gebracht. Ein Lächeln sonderbarer Art zuckte über sein männlich hübsches Antlitz als er erwiederte: „Und ich scheine Ihnen wirklich der Mann, zu dem man sich solcher That versehen kann?“

„Nein, von Moorhagen,“ entgegnete der Beamte fest. „Ich zweifelte, ich würde noch zweifeln, wenn Ihr Betragen, Ihre Verstörtheit mir nicht Gründe zum Verdacht an die Hand gegeben hätten.“

Richard sah ihn freundlich an. „Zweifeln Sie immerhin, bester Herr, zweifeln Sie so lange, bis es klar und unumstößlich gewiß vor Ihren Augen steht: Richard von Moorhagen ist ein elender Mensch, der seine Hand gegen seine schwache Frau ausstreckte, um sie zu morden! Aber, so lange Sie dies nicht bewiesen vor sich sehen, mein Herr, so lange bitte ich, mich als einen Ehrenmann zu betrachten, der Ihnen sein Ehrenwort gibt, daß er nichts von der Verwundung der Frau Leopoldine von Moorhagen weiß, daß er nicht begreift, wie sein Messer bei der Leiche gefunden werden konnte und daß er nicht mit einem Gedanken das Leben dieser Dame gefährdet hat! Diese Erklärung gebe ich dem Beamten, Herr Criminalrath, und ich verlange, daß sie den Eingang zu dem Untersuchungsprozesse bildet, der wahrscheinlich über mich verhängt werden wird. Uebrigens ersuche ich Sie, wenn Ihre Beamtenpflicht es erlaubt, jeden Schritt dazu zu vertagen bis Frau Leopoldine im Stande ist, selbst Auskunft über den Vorfall zu geben. Nicht wahr, Sie sagten vorhin, Leopoldine würde wieder gesund werden?“

[694] Der Rath bejahete es, aber stellte eine mögliche Gefahr nicht in Abrede. Er schien sichtlich umgestimmt zu von Moorhagen’s Gunsten, seitdem der junge Mann wieder zu seiner gewöhnlichen ruhigen Entschlossenheit zurückgekehrt war. Nachdem er noch einige Worte mit demselben gewechselt und ihm auch gesagt hatte, daß er mit dem Arzte hinausfahren und wo möglich sofort eine Aufklärung suchen werde, schied er mit neuerwachtem Vertrauen von seinem jungen Freunde.

„Erschweren Sie mir mein Amt nicht, von Moorhagen,“ sprach er, nochmals in der Thür umwendend, „lassen Sie mich nicht bereuen, daß ich der Stimme der Freundschaft gehorcht und nicht die ganze Schwere meiner Amtspflicht, die Sicherung Ihrer Person heischte, entwickelt habe. Verlassen Sie die Stadt nicht.“

„Besorgen Sie nichts,“ entgegnete Richard gelassen, „ich werde selbst meine Wohnung nicht verlassen, damit die Hand der Gesetzvertreter mich greifen kann, wenn sie will.“

So lange der Criminalrath bei seinem Freunde geweilt hatte, war der Verdacht, entkräftet durch seine Versicherung, gewichen.

Kaum befand er sich wieder allein und unter der nachhaltigen Einwirkung der ersten Scenen in von Moorhagen’s Zimmer, so brach sich derselbe wieder siegend Bahn und er erwartete mit fieberhafter Ungeduld den Aufgang der Sonne, der ihn an den Ort der That führen sollte.

Der Doktor fuhr endlich vor und beide Herren traten unter sehr verschiedenen Empfindungen den Weg zum Landhause an.

„Gott gebe, daß die Dame noch lebt und im Stande ist, Auskunft über die Art und Weise ihrer Verwundung zu geben,“ sprach der Rath mit etwas bedrücktein Tone.

„Man sieht, Sie nehmen Partei für den Mörder,“ entgegnete der Doktor sarkastisch lachend. „Solche Stoßseufzer habe ich noch nie von den Lippen unseres Großinquisitors vernommen. Wenn es der gnädigen Frau Gesundheit gestattet, Hochwohlgeborner, so gebe ich die Erlaubniß zu drei Fragen, hören Sie, drei Fragen! Ueberlegen Sie sich nun diese drei Fragen; es geht Ihnen aber bei Gott wie dem dummen Hans mit seinen drei Wünschen, die Gelegenheit ist vorbei, wenn Sie nicht klüglich diesen Fragen eine ganze Enthüllung zu Grunde legen.“ Der Rath lächelte trübe zum Scherze des Doktors.

„Ich habe gestern Abend von Moorhagen noch aufgesucht,“ meinte er leichthin.

„Und der leugnet, nichts natürlicher, als das.“

„Nein, er versicherte mir auf sein Ehrenwort, nichts von dem Attentate auf das Leben seiner Frau zu wissen,“ sprach der Beamte erregter.

„Und Sie alter Criminalist glaubten diesem Ehrenworte? Das ist kurios!“

„Von Moorhagen ist mir stets als ein Muster des ehrwürdigen alten Adels erschienen,“ sprach der Rath zurechtweisend.

„Alter Adel pflegt aber sonst lieber auf altadeligen Schlössern zu hungern, als Goldschmiedstöchter mit vollen Geldbeuteln zu heirathen,“ spottete der Doktor.

„Ich kenne die Dame wenig,“ meinte der Rath, „von Moorhagen ist mir in früheren Jahren lieb geworden und erst durch seinen jetzt in der Stadt genommenen Aufenthalt wieder näher getreten. Ob Liebe oder Berechnung den jungen Edelmann zu dieser Mesallianz verleitet hat, ist mir unbekannt.“

„Nun, mindestens müßte es eine seltsame Liebe, eine Katzenliebe gewesen sein, denn mit Zank und Streit hat’s begonnen und mit Blut scheint’s zu enden.“

„Sie hassen von Moorhagen?“ fragte der Rath schnell.

„Bewahre, ich kenne ihn kaum. Ich hasse nur das Junkerthum, dem der durch Geist emporgeschwungene Mann ein Parvenu ist, während die Herren „Von“ unser Bürgergeld nicht verschmähen.“

Der Rath warf einen Blick auf den Doktor, worin zu lesen war, daß er sich des Angeschuldigten wegen freue, dieser Ansicht auf die Spur gekommen zu sein, bevor er dem Träger derselben Einfluß auf die Untersuchung gestattet hatte. Als Kreisphysikus konnte er durch seine Berichterstattung viel schaden und viel nützen.

Als der Wagen hielt, trat Fräulein Theodore den Herren todtenbleich entgegen. Sie hatte den Criminalrath erkannt und wußte, was sein Kommen zu bedeuten hatte.

Der Rath war nicht ganz fremd in den Verhältnissen, die zwischen Richard und Theodore obwalteten; er empfand die peinliche Sorge mit ihr und beeilte sich, ihre Spannung zu lösen.

„Mich treibt nur eine gewisse freundschaftliche Nothwendigkeit hierher, mein Fräulein,“ sagte er freundlich.

Theodore, ganz eingenommen von ihrer auf Wahrnehmungen gestützten Besorgniß, machte eine abwehrende Bewegung und flüsterte: „Ich bin auf Alles gefaßt!“

Das frappirte den Criminalbeamten. Sie mußte also Erfahrungen gemacht haben, die das Schlimmste fürchten ließen.

„Was macht meine Patientin?“ fragte der Doktor.

„Sie liegt unbeweglich, wie gestern Abend,“ referirte Theodore. „Zeigte nicht die Wärme ihrer Haut und das leise Pulsiren ihrer Adern ihr Leben an, so würde ich sie für todt halten.“

„Dann hat es keine Gefahr, Criminalrath, wenn Sie mit eintreten,“ meinte der Doktor und öffnete die Thür. „Uebrigens kennt die Dame Sie auch nicht.“

„Doch, ich glaube ihr vorgestellt zu sein,“ warf der Rath ein.

Die Herren schlichen auf den Zehen in das Zimmer, wo Frau Poldine, steif ausgestreckt wie eine schöne Leiche, im elegantesten Nachtkostüm auf ihrem Lager ruhete. Der Rath trat so, daß er nicht von der Kranken gesehen werden konnte, während der Doktor sich, unbekümmert um den leichenähnlichen Zustand, behaglich am Bette zurecht setzte und den Puls Leopoldinens sondirte.

„Ganz normal,“ murmelte er, „matt aber gleichmäßig; Nervenaffektation, sonst nichts; Mattigkeitsschlaf, aber keine Bewußtlosigkeit.“

„Der Schlaf scheint mir nur sonderbar tief,“ flüsterte Dora ängstlich.

Ach, sie hatte in der Nacht Gott unaufhörlich angerufen, nur dieses Leben zu retten, um das furchtbare Geschick, Richard als Mörder belastet zu wissen, abgewendet zu sehen.

„Reizbare Konstitution,“ murmelte der Doktor wieder. „Aber freilich!“ er zuckte vielsagend die Schultern. Er lehnte sich über das bleiche Gesicht der jungen Frau und prüfte horchend den Athem. „Guten Morgen, gnädige Frau,“ rief er in ihr Gesicht hinein.

Leopoldine rührte kein Glied und zuckte nicht mit der Wimper. Der Arzt runzelte die Stirn und schüttelte mit dem Kopfe. Theodore faltete krampfhaft ihre Hände. Leopoldine mußte todt sein, daß sie diesen lauten Ruf nicht gehört hatte.

Der Doktor berührte die Hände, die Arme und die Wangen der Kranken, dann hob er ihren Kopf und schrie in ihre Ohren.

Jetzt zeigte sich eine Spur von Bewußtsein; die junge Frau athmete tiefer, dann öffnete sie mühsam die Augen.

„Gut geschlafen?“ fragte der Doktor sehr laut.

Frau Poldine sah träumerisch um sich und musterte befremdet den Arzt und Dora. Den Rath konnte sie nicht sehen, weil er oberhalb hinter dem Bette stand.

„Wo ist er?“ fragte sie kaum hörbar.

Der Rath winkle dem Arzte zu. Dieser verstand sehr wohl, daß ihm mit diesem Winke die drei von ihm zugestandenen inquisitorischen Fragen übertragen worden waren.

„Wer denn, meine Gnädige?“ examinirte er. „Wen suchen Sie?“

Ein Schauder, überflog den ganzen Körper der jungen Dame.

Sie wehrte mit beiden Händen ein Phantom ihrer Phantasie ab: „Er ist der böse Geist meines Lebens, er hat alle meine Lebensfreuden gemordet;“ ihre Stimme verstärkte sich merkwürdig und wurde beinahe kreischend. „Er ist Schuld an meinem Tode! O mein Gott, laßt mich nicht sterben! Rettet mich, rettet mich!“

Erschüttert wankte Theodore zurück bei dieser Anklage. Der Rath warf einen traurigen Blick auf sie, der Rath sah unverrückt vor sich nieder. Es entstand eine peinliche Pause. Nach einem sehr verständlichen Winke des Beamten, der, gleichsam hinter den Coulissen, die Inquisition einleitete, begann der Doktor wieder: „Wen fürchten Sie denn, Gnädige? Wer ist Schuld an Ihrer Verwundung, nicht an Ihrem Tode, denn sterben werden Sie, gottlob, nicht; wer ist Schuld?“

„Wer? Zweifeln Sie denn noch?“ wiederholte Frau Poldine sehr matt und leise – „mein Mann, – Richard, – Richard!“ Sie schien ohnmächtig zu werden; man bemühete sich um sie.

Der Rath verließ unbemerkt das Zimmer und nach einer halben Stunde fuhren die beiden Herren wieder zurück nach der Stadt, beide schweigsam, beide mit Gesichtern, aus denen Kümmerniß leuchtete. Besonders verdrießlich sah der Doktor aus. Auf [695] des Rathes Frage, was er von dem Zustande der Dame halte, antwortete er kurz: „Weiß nicht!“

Als dieser, unzufrieden mit der Abfertigung, weiter examinirte, ob die Genesung derselben zu hoffen und bald zu erwarten sei, referirte er gleichfalls:

„Weiß nicht!“

Erst beim Abschiede rüttelte er sich etwas aus seinem Mißmuthe heraus und rief dem Rathe humoristisch nach:

„Verehrtester, weil Sie sich heute so exemplarisch human und so entschieden diskret gegen meine Patientin betragen haben, so erlaube ich, kraft meines Amtes, daß Sie morgen früh als Großinquisitor Ihre Funktionen beginnen können. Glück auf!“ Er lachte und fuhr davon.

Zerstreut und der neckischen Manier des Doktors sehr gewöhnt, hörte der Criminalrath diese seltsame Abschiedsrede und ging tiefsinnig in sein Zimmer. Hier begannen die Einflüsterungen des Mißtrauens und die Berechnungen des Verdachtes ihr Spiel mit weit größerer Macht als Tags zuvor zu treiben. Zweifel kamen überhaupt nicht mehr in seine Seele, konnten auch nicht, nach der speciell ausgesprochenen Beschuldigung der verwundeten Dame, aber es galt, vorgefaßte gute Meinungen zu bekämpfen, die sich mit Gewalt dagegen sträubten zu dieser That die Motive in einem Uebermaße von Eigennutz zu suchen. Nach der oben gemachten Entdeckung blieb ihm als Beamten nichts weiter übrig, als von Moorhagen vor die Schranken zu fordern und damit seine Stellung in der Welt auf immer zu untergraben.

Es war ein schwerer Entschluß! Die ganze männliche Liebenswürdigkeit des Angeschuldigten, sein ehrenhaftes, chevalereskes Wesen und der unangetastete gute Ruf desselben stellten sich immerfort kampfbereit vor des Beamten Geiste auf, wenn er, müde der Unentschlossenheit, zu der Feder griff, um den Befehl zu von Moorhagen’s Verhaftung zu ertheilen. Mitten in dies Chaos von widerwilligen Gefühlen trat Herr Richard von Moorhagen selbst in’s Zimmer, nachdem er vergeblich mehrere Male stark angepocht hatte.

Der Criminalrath stand jäh auf und maß den jungen Mann mit bedeutungsschwerem Ernste von Kopf bis zu den Füßen, ohne ihn zu begrüßen.

Von Moorhagen wurde verlegen. Das Betragen war beleidigend und hätte jedenfalls seine Galle rege gemacht, wenn er sich nicht innerlich schuldig gefühlt hätte, die Grenze, welche sein Ehrenwort gezogen hatte, willkürlich erweitert zu haben, indem er seine Wohnung verließ.

„Ich hörte, Sie seien vom Landhause meines Onkels zurück,“ sagte er befangen; „nennen Sie es einen kleinen Ueberrest von Neigung für Leopoldine, oder nennen Sie es, wie Sie wollen, aber mich trieb es her um zu erfahren: wie es mit ihr steht? Lebt sie? Wird sie bald genesen? Was sagte sie über ihren Unfall?“

„Sie lebt, sie wird genesen und was sie über ihren Unfall berichtet, wird Sie nicht erfreuen, mein Herr!“ erwiederte der Rath kurz. Die Herbe seines Stimmentones mußte von Moorhagen, der ihn sehr gut kannte, auf das Schlimmste vorbereiten, aber dennoch überlief der Schatten des Schreckens seine Züge, als derselbe, dicht vor ihn hintretend, hinzufügte: „Frau von Moorhagen nennt Sie als ihren Mörder.“

„Mich? Unmöglich! Unerhört! Mich? Mich?“ rief der Edelmann aus aller Fassung gebracht. Einen Augenblick schien er hülflos, einen Augenblick wankte sein Männermuth. – „Nun ja, sie wird mich anschuldigen, man wird ihr glauben und mein vergiftetes Dasein ist ganz vernichtet. – O Weib, Weib, wie willst du vor Gott bestehen!“ schloß er mit ganz wiedergewonnener Haltung.

Der Criminalrath fühlte sich bewegt, die Kraft und Wärme des Ausdrucks bei den letzten Worten warf wieder allen Verdacht über den Haufen. Er stand stumm und unentschlossen. Von Moorhagen reichte ihm die Hand. „Jetzt noch dürfen Sie diese Hand berühren, jetzt ist sie noch nicht befleckt vom Schimpfe der öffentlichen Meinung – verfügen Sie über mich! Aber ehe Sie mich in eine Gefangenzelle sperren lassen, und ehe Sie die Feder zum Protokolle ansetzen, hören Sie, als Freund, meine Aufklärungen über den gestrigen Vorfall, dessen Schluß mein Unglück ist.“ Er lehnte des Rathes Einladung, sich zu setzen, ab, und stellte sich demselben in einer Art gegenüber, die ihn mehr als Sieger, wie als Unterlieger bezeichnete.

„Ich demüthige mich vor Ihnen, vor dem Freunde, indem ich Ihnen einen Einblick in das Heiligthum meiner Leiden gestatte. Vor dem Richter wird kein Wort über diese Lebenserfahrungen über meine Lippen kommen, und sollte mein Tod damit aufgehoben werden können. Daß meine Ehe mit Leopoldine unglücklich gewesen ist, zeigt unsere beabsichtigte Scheidung an. Wodurch sie auf diesen Standpunkt getrieben wurde, habe ich nicht nöthig gehabt, anzugeben, da Leopoldinens öffentliche Erklärung: „ich könne sie nicht ernähren –“ von mir benutzt wurde, eine Trennung herbeizuführen. Wir sind geschieden. Was noch fehlt an Decreten des Gerichtes ist unwesentlich. Ich habe mich nie zu Enthüllungen des Charakters einer Frau herabgelassen, die ich – zur Gattin gewählt hatte, und ich habe nie Veranlassung genommen, zu verrathen, daß von ihr die ersten Aufforderungen zu einem Bündnisse zwischen uns ausgegangen sind.“

„Von ihr – von der schönen, reichen Leopoldine Probst, die umschwärmt und von allen Seiten bewundert worden ist?“ rief ungläubig der Rath.

Von Moorhagen fühlte den Ton des Mißtrauenn, fuhr aber dennoch ruhig fort:

„Wir lebten über alle Begriffe unglücklich! Aber die Welt sollte es nicht wissen – Saus und Braus umhüllte unser Leben – Glanz und Luxus übertünchte unser Elend. Die Welt merkte das, ließ sich aber unsere Gastfreiheit gern gefallen. Ich bin nicht reich – das Gut, das ich besitze, ist Lehn, und wirft nur bei der Selbstbewirthschaftung einen hinreichenden Erwerb zum einfachsten Leben ab. Etwas Ackerland im Dorfe ist Allodialvermögen meines Stammes; sonst habe ich nichts, was zu veräußern wäre. Leopoldine weiß das. Sie hatte das alte Stammschloß ganz umbauen lassen wollen; ich willigte nicht darein. Darauf ließ sie neben dem Schloßgarten, auf einem Stück Land, das mir gehörte, ein brillantes Gartenschloß, mit der Front dem Garten zugewendet, bauen, und wir bezogen diese sehr schöne Villa kurz zuvor, ehe der Bruch unserer Verhältnisse beschlossen wurde. Natürlich verließ ich es sofort nach den ersten Schritten zur Scheidung – Leopoldine blieb wohnen. Ich siedelte mich hier an, obwohl meine veränderte Lebensstellung meine Aufsicht über meine Wirthschaft in Schloß Moorhagen gefordert hätte. Wie wäre es mir aber möglich gewesen, dort zu sein, gleichsam unter den Augen meiner Frau und ihren täglichen Angriffen und Beleidigungen ausgesetzt. Bei der Scheidung beanspruchte sie „Erstattung sämmtlicher Verbesserungskosten.“ Es war nicht möglich zu machen – die Ausgaben konnten nicht sondirt werden, weil wir unsere Einnahmen gemeinschaftlich gemacht hatten. Als dieser Anschlag auf meinen Ruin nicht durchgesetzt werden konnte, ließ meine Frau nichts, nichts unversucht, mich zu kränken und mir mein Dasein zu erschweren. Ich begann, den Entschluß zu überlegen, „nach Amerika überzusiedeln.“ Was sich Alles in meiner Seele wider diesen Vorsatz auflehnte, kann sich nur der denken, der ein Stückchen Erde hier bewohnt, welches seit Jahrhunderten von seinen Voreltern bewohnt war. Vorgestern erhalte ich ein Briefchen von Leopoldine, worin sie mir sagt: sie hätte mir Vorschläge zu machen, die meine Uebersiedlung nach Amerika unnöthig machten, aber nur mir, nur mir ganz allein unter vier Augen würde sie diese Vorschläge enthüllen. Es war Thorheit, daß ich darauf einging – aber, tadeln Sie mich – ich hoffte auf weibliche Gesinnungen, wo ich Hyänenwildheit kennen gelernt hatte.“

Er schwieg und verfiel in ein trübes Sinnen. Der Rath saß unbeweglich, wie aus Stein gehauen.

„Erlassen Sie mir die Schilderung der Scene, die begann, als ich in ihr Zimmer eingetreten war, das sie hinter sich verriegelte. Sie bot mir ihre wiedererwachte Liebe an, und erntete meine Verachtung dafür. Sie bot mir ihr Geld unumschränkt – was sie sprach, jedes Wort war Gift und Dolch! Ich wollte sie verachtungsvoll verlassen – die Thür war zu. Endlich gelang es mir, den Riegel zu fassen – sie warf sich auf der Schwelle nieder und klammerte sich um meine Kniee – o, und mit welchen niedrigen Beschuldigungen, mit welchen gemeinen Beschimpfungen belastete sie mein Leben – mein Zorn überflügelte jetzt jedes Bedenken – ich riß sie vom Boden auf und schleuderte sie seitwärts – sie schrie entsetzlich – ich stürzte hinweg, und habe sie nicht wieder gesehen!“

Große Schweißtropfen perlten auf der Stirn des jungen Mannes. Er endete sichtlich verstört durch diese Reminiscenz. Der Rath schwieg lange, dann sagte er kalt und gefaßt: [696] „Wie wollen Sie aber nun die Verwundung der Frau von Moorhagen erklären?“

„Sie selbst muß sich verwundet haben,“ entgegnete von Moorhagen ganz ruhig.

„Sehr gut gedacht,“ entgegnete der Rath trübe lächelnd, „wenn der Mord nicht mit diesem Messer – er nahm das seitwärts liegende Mordwerkzeug zur Hand – versucht wäre.“

[706] Von Moorhagen schauete ungebeugt auf das blutige Messer. Seine Stirn bewölkte sich nicht und seine Augen strahlten in friedlicher Majestät, als er dann dem mißtrauenden Freunde in die Augen sah.

„Erforschen Sie diesen Umstand, mein Herr – mir ist er unerklärlich, da ich seit Jahren dies Messerchen in meinen Westentaschen zu tragen pflege, um bei vorkommenden Gelegenheiten es zur Hand zu haben.“

„Und Sie gestehen zu, daß es unbestreitbar Ihr Messer ist?“ fragte der Rath. Von Moorhagen zögerte. Ein Blitz fuhr aus seinen Augen.

„Ich müßte zu einer bestimmten Erklärung darüber das Messer genau und ohne die häßlichen Blutflecke sehen,“ warf er schnell hin.

„Das ist eine Recognition späterer Zeit,“ entschied der Rath kurz und legte das corpus delicti sorgsam bei Seite.

„Wenn meine Bitte Gewicht erlangen kann, bei den seltsam gravirenden Zufällen,“ begann von Moorhagen wieder, „so verschieben Sie jeden öffentlichen Akt der Gerechtigkeit bis zu dem Momente, wo Sie mich meiner Frau gegenüber stellen können.“

„Das wäre gegen jede Form der Criminaljustiz,“ unterbrach der Rath ihn barsch, „solche Vorschläge sind nicht zu berücksichtigen.“

„Gut, so thun Sie, was Ihre Pflicht heischt,“ fuhr von Moorhagen nun wild und heftig heraus. – „Vielleicht kommt die Stunde, wo Sie mit Qual dieser Minute gedenken, in welcher Sie durch übereilte Handlungsweise einen ehrlichen Menschen zur Verzweiflung brachten – denn, es sei Ihnen hiermit eröffnet – in’s Gefängniß geht ein von Moorhagen nicht!“

Es ist etwas Eigenthümliches um die edle Persönlichkeit eines Mannes. Der Rath fühlte wieder die Unmöglichkeit, daß dieser Mann aus niedrigen Beweggründen zum Mörder hätte herabsinken können. Der Impuls des Augenblickes entschied jetzt zu Gunsten Richard’s.

„Es fällt mir gar nicht ein, mich Ihrer Person auf diese Weise zu versichern,“ sagte er plötzlich umgewandelt. „Morgen früh vernehme ich Frau Leopoldine von Moorhagen, dann werde ich Sie vorladen lassen.“

„Das läßt Sie Gott sprechen,“ flüsterte der Edelmann mit erleichtertem Athem, und schob unbemerkt das kleine geladene Terzerol, das er seit der eingetretenen Katastrophe in seiner Brusttasche trug, zurück in seine Verhüllung. Sein Entschluß schien fest zu stehen: lieber sein Leben zu enden, als sich den Qualen und Beschimpfungen einer gerichtlichen Untersuchung bloßzustellen.

Kein Mensch dachte an einen solchen Vorsatz, als Theodore.

Sie kannte allein den Charakter Richard’s bis zum Grunde und wußte, was dort gähren und zum Ausbruche kommen mußte nach den eingetretenen Vorfällen. Sie erwartete nach der Enthüllung der Thäterschaft des unglücklichen Mannes jeden Augenblick die Nachricht seines Todes. Was sie bei dieser Erwartung empfand, ist unmöglich zu analysiren, wenn wir sagen, daß Richard seit ihrer Jugend der Gegenstand einer abgöttisch heißen Liebe gewesen war, die sich mit der lauen Erwiederung von Seiten des jungen Mannes vollständig begnügte. In den letzten Wochen hatte das arme Mädchen zu ihrem Entzücken eine wärmere Empfindung, als jemals in dem Busen Richard’s entflammen gesehen, sie war beseligt durch die Anerkennung ihrer Vorzüge, und hingerissen durch die Hoffnung auf Glück.

Was mußte sie an dem Morgen fühlen, als der Arzt und der Criminalbeamte das stille Landhaus verließen, wo durch deren Anwesenheit das ganze Ungewitter des Unheils hüllenlos hervorzubrechen drohete! Still verrichtete sie ihr Amt als Krankenwärterin bei der Frau, die den Keim des Unglückes gesäet hatte, und gefaßt unterzog sie sich den kleinen Dienstleistungen bei ihren Pflegeeltern. Aber als sie endlich in ihrem Zimmerchen allein war, da überließ sie sich fast willenlos dem Ausbruche ihrer grenzenlosen Verzweiflung.

Ihre Gebete um Rettung des theuren Lebens, das sie von allen Seiten bedroht sah, wechselten mit dem inbrünstigsten Flehen, dem Manne nur ein schnelles und gnadenreiches Ende zu geben, wenn er seine Hand zum Schlusse seines Daseins selbst bewaffnen sollte.

Gott wollte ihr aber gründlich beistehen, ohne daß sie ihre Hoffnungen auf irdisches Glück zu begraben brauchte.

Die Dienerschaft im Landhause an unbedingten Respekt gewohnt, hatte wohl die innere Zerrissenheit in den Verhältnissen des jungen Herrn, wie sie Richard zu nennen pflegte, längst zu bemerken Gelegenheit gehabt und ihre Aufmerksamkeit darauf gesteigert, ohne der Herrschaft das Geringste davon merken zu lassen. Auch bei diesem letzten blutig endenden Vorfalle hatte die alte Köchin mit dem Hausmädchen und dem Hausburschen stille und geheime Konferenzen gehabt, in welchen das Ereigniß gehörig und von allen Seiten beleuchtet und besprochen worden war. Diese drei Menschen wußten aber besser Bescheid, als alle Anderen und als die alte treue Köchin ihr gutes Fräulein so herzzerschneidend weinen und jammern hörte, da hielt sie sich für befugt, als Trösterin bei ihr einzutreten.

Theodore fuhr erschreckt in die Höhe, als sie der alten Frau Martin Stimme neben sich vernahm, die ganz theilnehmend fragte: „ob es denn so schlimm mit der jungen gnädigen Frau stände, daß sie so herzbrechend weine?“

Fräulein Theodore, ihrer Würde als Herrschaft eingedenk, trocknete schnell besonnen ihre Thränen und entgegnete: „sie wisse es nicht, glaube aber nicht, daß es mit Frau Poldine etwas zu sagen habe. Was wird das aber ändern, Frau Martin,“ flüsterte sie beklommen und überwältigt von dem Bedürfniß, ihr Herzeleid, das sie vor den alten Pflegeeltern im Zaume halten mußte, einmal auszusprechen.

Frau Martin sah sie sehr verwundert an. „Nun, dann sehe ich aber doch keinen Grund, liebes Fräulein, daß Sie sich so entsetzlich härmen?“ sprach sie fragend.

„Sie verstehen das nicht,“ entgegnete das Fräulein. „Die Verwundung ist und bleibt tödtlich und die Verantwortung und – – und die Bestrafung“ stieß sie gewaltsam hervor, schwieg aber dann von neuen Thränen übermannt.

„Ei, so lassen Sie die Gnädige doch immerhin bestrafen, ein Denkzettel wär’ ihr ganz gesund für alle ihre Sünden. Das ist [707] ja eine richtige Furie.“ Fräulein Dora sah sie vorwurfsvoll an, Frau Martin kehrte wieder in die Schranken des unterwürfigen Respektes zurück. „Also solche Leute werden bestraft?“ fragte sie abweichend. „Ich dächte, es könnte am Ende jeder sich so viel schneiden, wie er will und – Ernst ist es der Gnädigen nicht gewesen, Fräulein, wahrhaftig nicht.“

Theodore blickte verwundert zu ihr auf. „Sie meinen?“ stammelte sie abgebrochen, weil sie um Alles in der Welt nicht den Namen Richard’s nennen konnte.

„Ich meine, das Messerchen ist schärfer gewesen, wie die gnädige Frau Poldine gedacht hat.“

„Sie meinen also, Frau Poldine hätte sich selbst den Schnitt beigebracht,“ erwiederte Theodore gefaßter und schüttelte dann trübe den Kopf.

„Ei, wer denn sonst, Fräulein, wer denn sonst?“ fragte Frau Martin lebhaft. „Die Annliese hat ja gesehen, wie sie das Messerchen von der Erde aufgenommen, wie sie es rasch aufgeklappt hat und ritsch damit an den Hals gefahren ist; darauf hat sie ein Gekreisch erhoben, als wenn sie am Spieße stäke.“

Theodore hatte mit weit aufgerissenen Augen zugehört.

„Die Annliese hat das gesehen? Wo? Wie hat sie das sehen können?“ fragte sie mit stockendem Athem.

Jetzt überlief die alte Köchin eine helle Röthe der Verlegenheit. „Nun,“ stotterte sie, „hab’ ich einmal so viel verrathen; Fräulein, werden Sie nicht böse. Ich schickte die Annliese auf den Taubenthurm, um zu sehen und zu hören was wieder los sei.“

„Und von dort kann man Frau Poldinens Zimmer übersehen?“

„Bis in die kleinsten Winkel,“ gestand die Alte, beschämt niederblickend.

Theodore, gut geschult in den Regeln der vornehmen Zurückhaltung, stand in vollkommener Ruhe und Fassung vor der Köchin, obwohl ihr Blut vor freudiger Wallung alle Adern zu durchsprengen drohete. Es wäre für alle Fälle thöricht gewesen, einen still gehegten Verdacht in Rücksicht auf Richard auszusprechen, jetzt aber lag ihr die Verpflichtung ob, sogar zu verhehlen, daß jemals ein Verdacht der Art aufgetaucht war. Sie reichte herablassend der Köchin die Hand.

„Der Himmel wird geben, daß die unglückliche Frau nicht stirbt. Es ist mir ein Trost, daß sie mehr aus Uebereilung, als aus Lebensüberdruß gehandelt hat; sorgen Sie nur dafür, daß Annliese nicht allzuviel von der Geschichte plaudert.“

Frau Martin nickte zufriedengestellt und entfernte sich mit dem Bewußtsein, das Fräulein durch ihre Theilnahme getröstet zu haben.

Was that nun aber Theodore? Weinte und klagte sie?

Nein, sie handelte! Energisch schritt sie sogleich zur Ausführung des Vorsatzes, der in ihr Wurzel gefaßt hatte bei der Erzählung der Köchin. Sie ging hinauf in das Krankenzimmer. Frau Poldine lag mit offenen Augen in den Kissen und sah sich die Welt an, der sie von Neuem geschenkt war. Die jähe Veränderung ihrer Züge verrieth, daß sie den Eintritt Theodorens nicht erwartet hatte und daß er ihr unerwünscht war. Theodore aber, von andern Gefühlen und Ansichten beseelt als am Morgen, nahm davon nicht die geringste Notiz, sondern fragte ganz gleichmüthig: „Wie befinden Sie sich?“

„Schlecht!“ antwortete die Dame mit leiser gezogener Stimme.

„Das glaube ich wohl,“ meinte Theodore lakonisch. „Aber, Sie hätten auch bedenken sollen, daß ein Schnitt in den Hals gefährlicher ist, als in den Finger.“

„Ich – bedenken sollen?“ wiederholte Frau Poldine noch leiser, warf aber einen prüfenden Blick in Dora’s jetzt merkwürdig ruhig frohes Gesicht.

„Bei dieser Affaire muß man mich doch wohl als passiv betrachten,“ setzte sie hinzu.

„Passiv? Sie verwechseln die Begriffe, Frau Poldine,“ erklärte Dora ganz in dem trockenen, zurechtweisenden Tone, welchen sie bei Gelegenheit annehmen konnte, wenn es galt; „activer kann der Mensch doch gewiß nicht sein, als wenn er ein Messer, das herabgefallen ist, aufhebt und sich die Gurgel damit zu durchschneiden versucht.“

Sie hielt bei diesen Worten die Blicke so fest auf die der Gnädigen geheftet, daß diese ihr nicht ausweichen konnte. Dora selbst fühlte das Risiko, einer Kranken gegenüber solche Härte anzuwenden, allein es mußte ihr Alles daran liegen, jetzt gleich von vorn herein eine Aufklärung über dunkel gebliebenen Scenen des Vorfalles vom vorigen Tage herbeizuführen, ehe die Schritte des Gerichtes auf Richard’s Entschließungen Einfluß gewannen.

Sie hatte auch richtig die Maus in der Falle. Frau Poldine schob trotzig wie ein Kind den Kopf herum und sagte ärgerlich: „Sie haben also doch wieder gelauscht! Pfui, über diese Neugierde.“

„Nein, nicht ich habe gelauscht, nicht ich war Zeugin des Unglückes, als dessen Urheber Sie vorhin den armen Richard nannten –“

„Er ist auch Schuld an meinem Unglücke,“ jammerte die Dame recht kindisch, „er ist Schuld! Hat er mich nicht von sich geschleudert, wie man ein Ungeziefer von sich wirft? Wäre er noch im Zimmer gewesen als ich sein Messer an der Erde fand, ich hätte es ihm in’s schwarze Herz gestoßen!“

„Seien Sie froh, daß das nicht geschehen ist,“ sagte Theodore ruhig. „Jetzt schlafen Sie, der Doktor wird bald wieder kommen.“

Sie verließ etwas beeilt dan Zimmer, um sogleich an den Criminalrath zu schreiben. Ehe eine halbe Stunde verflossen war, trottete der Hausbursche mit der wichtigen Depesche der Stadt zu, wo er gerade einpassirte, als der Doktor zum Thore hinausfuhr, um nach seiner Patientin zu sehen.

Theodorens Bote fand den Rath nicht zu Haus. Er gab deshalb den Brief blos ab und empfahl ihn seinen Hausgenossen einer ganz besonderen Beachtung. Allein, wie dies oft zu gehen pflegt, man vergaß über andere Erlebnisse diesen Auftrag, legte den Brief sorglos zu andern Packeten und Briefen, und somit wußte der Rath noch nicht eine Silbe von der freudigen Aufklärung, als spät am Nachmittage der Doktor mit einem unmäßigen Gelächter in sein Zimmer trat und ihm zurief: „Was sagen Sie denn nun, mein Hochwohlgeborner? Ha ha ha, das ist magnifique! Meine Erstochene ist auf und davon und ihr Mörder ist ein ehrlicher Edelmann! Nein, so dupirt bin ich doch mein Lebtage noch nicht –!“

Der Criminalrath blickte etwas ärgerlich von seiner Arbeit auf. „Sie scheinen es darauf anzulegen, mich zu stören; was gibt’s denn wieder?“

„Haben Sie denn Fräulein Theodorens Brief noch nicht erhalten?“

„Nein,“ entgegnete der Beamte aufmerksamer.

„Ei das wäre! Er muß hier sein: da, da sehen Sie, das muß er sein!“ Ganz ungenirt schüttelte der Doktor eine Parthie Briefe untereinander und nahm ein zierliches Briefchen heraus, „Ad acta mit dem Mordversuch, Großinquisitor, ad acta!“ sprach er dabei. „Lesen Sie, dann kommt der Schluß von meinen Lippen.“

Der Rath las; erst bedenklich, dann freudig. „Sehr gut! Die Neugierde der alten Weiber hat doch schon manchmal Gutes gestiftet,“ sagte er lächelnd. „Frau Poldine gewinnt aber bei dieser Geschichte nicht in meinen Augen.“

Der Doktor lachte wieder überlaut. „Wissen Sie, wo Frau Poldine jetzt ist?“ fragte er. Der Rath verneinte es. „Auf dem Wege nach der Residenz!“

„Wie? Und das gaben Sie zu?“

„Wer kann wider Eigenwillen kämpfen.“

„Aber Sie haben Verantwortung. Das Leben der Dame ist durch diesen Eigenwillen gefährdet.“

„Nicht schlimm!“

„Sie ist kaum dem Tode entronnen.“

„Freilich!“ Der Doktor rieb sich frohlockend die Hände. „Hören Sie, Criminalrath, wir wollen es Niemand verrathen, aber dumm sind wir alle Beide und Sie diesmal noch einen Grad dümmer als ich, denn ich merkte die Geschichte heute früh schon und ärgerte mich schwer, daß ich mich hatte dupiren lassen. Gestern die Ohnmacht – Verstellung. Heute die Bewußtlosigkeit – Verstellung. Das bischen Bluten hat der Dame nicht so viel geschadet (er knipste mit den Fingern), sie ist frisch, wie ein Fisch, hungrig, wie ein Wolf, lebendig, wie ein Aal, aber ärgerlich und bissig wie eine Meerkatze. Denken Sie, als ich, blos um mich meines Verdachtes zu vergewissern, vor einer Stunde hinauskam, finde ich meine todkranke Patientin im reizendsten Kostüm vor einem Tische, der mit Suppe, Braten, Kompot und allerlei Leckereien besäet ist und sie selbst in voller Activität, [708] das zu vertilgen, was vor ihr stand. Sie hatte plötzlich das Bett verlassen können, als ihr Fräulein Theodore den Text gelesen, hatte plötzlich ohne jedwede Hülfeleistung ihre Toilette besorgen und den gemessenen Befehl zu einem Mittagsessen aussprechen können. Zu gleicher Zeit war ihr Wagen aus der Remise geschoben, ihr Kutscher hatte die Pferde angeschirrt und wäre ich eine halbe Stunde später gekommen, so hätte ich das Vergnügen nicht mehr gehabt, sie noch einmal zu sehen.“

Beide Herren machten sich nun auf den Weg. Der Doktor, um diesen Vorfall von der allerlächerlichsten Seite in der Stadt zu verbreiten, der Rath, um von Moorhagen von dem tragikomischen Ende seines Prozesses zu unterrichten. Ohne weitere Begrüßung legte er den Brief Dora’s vor seine Augen, und bedeutete ihn zu lesen.

Richard las und drückte am Schlusse seine Lippen auf den Namen der Schreiberin. Es war eine stumme und warme Huldigung der dankbaren Liebe, und enthielt einen Schwur für künftige Zeiten.

Der Rath lächelte.

„Halten Sie künftighin den Taubenthurm in Ehren,“ sagte er scherzend – „bei der Bösartigkeit und Hartnäckigkeit der Frau Poldine möchte es sonst schwer gewesen sein, ein günstiges Geständniß der wahren Sachlage zu erlangen.“ Dann erzählte er alle die Umstände, welche die beschleunigte Abreise der jungen Dame begleitet hatten, und verließ nun den jungen Mann in der Ueberzeugung, daß er ihm keinen größern Gefallen erweisen könne, als zu gehen, um ihm selbst die Freiheit zu gestatten, „auf Flügeln, der Eile“ zu seinen Verwandten im Landhause zu reiten.


Diesmal hatte der Criminalbeamte richtig combinirt. Richard flog hinaus, wie vor vierundzwanzig Stunden, aber mit welchem Herzen, das verrieth sein glänzender Blick, seine unbewölkte Stirn und das frohe Lächeln seines Mundes.


Richard ging nicht nach Amerika, sondern im Spätsommer mit seiner jungen Frau Dora nach Moorhagen, wo sie das alte Ritterschloß bezogen. Die schöne Gartenvilla steht verödet mit geschlossenen Läden und fest verrammelten Thüren.


Im alten Schlosse aber herrscht Friede und Freude, obwohl des Tages Last und Hitze getragen werden muß und jeder Luxus ganz und gar verbannt bleibt.

Ernst Fritze.