Der Wasserfall von Geroldsau

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Textdaten
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Autor: Emilie Scotzniovsky
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Titel: Der Wasserfall von Geroldsau
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aus: Badisches Sagen-Buch II, S. 227–230
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
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Erscheinungsort: Karlsruhe
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Quelle: Commons, Google
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[227]
Der Wasserfall von Geroldsau.

In alten grauen Heidenzeiten,
Da lebt’ in Freud’ und Herrlichkeiten
Ein Heer von Feyen ohne Zahl
In Badens wunderschönem Thal.

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Oft wanden Blumen sie zum Kranz

Und schmückten sich damit zum Tanz;
Dann schwangen sie den muntern Reigen
Nachts unter dunkeln Tannenzweigen.

[228]

Da fielen, wie ein brausend Meer,

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Die Römer über Teutschland her,

Eroberten das Land am Rhein,
Germania’s Sohn mußt’ Sclave seyn.
Sie raubten ihm sein Vaterland,
Zerrissen jedes heil’ge Band.

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Dennoch gefiel’s im schönen Baden,

War auch mit Ketten es beladen,
Dem Römerfeldherrn Varus bald,
Er wählte sich’s zum Aufenthalt.
Gekrönt vom Sieg, voll Sinnenlust,

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Schwoll ihm die ehrne Kriegerbrust.

Er badete im warmen Quell,
Der aus dem Felsen sprudelt hell,
Er jug das Wild in Baden’s Wäldern
Und nahm die Frucht von seinen Feldern,

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Und baute seinem Rom zum Ruhme

Viel Tempel hier und Heiligthume.
Da sah er Nachts mit einem Male
Im Geroldsauer Wiesenthale
Der Feyen leichten Jugendreihn

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Sich schwingen in dem Mondenschein.

Ellene war die schönste Fee,
Wie Rosengluth und Lilienschnee;
Er sah, er liebte sie zur Stunde,
Sein Herrscherwort erstarb im Munde,

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Er nahte sich mit scheuem Bangen,

Die Brust voll Sehnsucht und Verlangen,
Und bat in süßer Minnebrunst:
„O schenk mir, Holde, deine Gunst!
Nimm diesen Ring, der Treue Zeichen,

40
Und eher soll mein Stern erbleichen,

Als daß ich breche meinen Schwur,
Dir zu gehören einzig nur;
Ich schwör’ es dir beim Gott Merkur!“ –
Sein Liebesschmerz, sein heißes Sehnen

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Weckt bald ein Echo in Ellenen,

Sie reicht gerührt die feine Hand

[229]

Ihm als der Liebe Unterpfand.
Wie lauscht sie gern der Worte Kosen,
Die süß von seinen Lippen floßen!

50
Und jede Nacht fand dort im Hain

Das Paar im zärtlichsten Verein. –

Drei Monden waren so verschwommen,
Da war des Römers Gluth verglommen;
Er wurde lau, er wurde kalt,

55
Ihn lockten Reize mannigfalt.

Stets seltener zur Fee kam er,
Stets kühler, endlich – gar nicht mehr.
In neuer Freuden Ueberfluß
Vergaß er bald Ellenens Kuß.

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Wohl lauschte sie noch manchesmal

Im Eichenhain, im Mondesstrahl,
Und rauschte nur ein Blättchen leis,
So wähnte sie, der Liebste sey’s.
Wie manche goldne Sommernacht

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Ward so vergebens zugebracht!

Bis endlich ihr kein Zweifel blieb,
Daß er vergessen Schwur und Lieb,
Und auch die letzte Hoffnung aus
Ihr losch in der Verzweiflung Graus.

70
Da preßt sie fest im wilden Schmerz

Den starren Felsen an ihr Herz,
Und ruft: „O würde mein Gebein
Gleich diesem Felsen hier zu Stein!“ –
Und wie sie bat, ist ihr geschehn:

75
Ein Gott erhört ihr heißes Flehn,

Sie wird versteinert auf der Stell’
Und ihrer Brust entspringt ein Quell.
Das sind der Liebe herbe Thränen,
Des Herzens ungestilltes Sehnen!

80
Die Quelle sprudelt heut noch fort

Am Ruheplatz, so heißt der Ort,

[230]

Ergießt sich in den klaren Bach
Und stürzt mit ihm vom Felsendach,
Daß laut erbraußt im Widerhall

85
Der Geroldsauer Wasserfall.
Emilie Scotzniovsky.