Der Wechselbalg (Brüder Grimm)
- Bräuner’s Curiositäten S. 6. 7.
- Prätor. Weltbeschr. I. 363. 364.
Zu Heßloch, bei Odernheim im Gau gelegen, hat sichs zugetragen, daß der Kellner eines geistlichen Herrn mit der Köchin wie seiner Ehefrau gelebt, nur daß er sich nicht durfte öffentlich einsegnen lassen. Sie zeugten ein Kind miteinander, aber das wollte nicht wachsen und zunehmen, sondern es schrie Tag und Nacht und verlangte immer zu essen. Endlich hat sich die Frau berathen und wollte es gen Neuhausen auf die Cyriaks-Wiese tragen und wiegen lassen und aus dem Cyriaks-Brunnen ihm zu trinken geben, so mögte es besser mit ihm werden. Denn es war damals Glauben, ein Kind müsse dann nach neun Tagen sich zum [133] Leben oder Tod verändern[1]. Wie nun die Frau bei Westhofen in den Klauer kommt mit dem Kind auf dem Rücken, welches ihr so schwer geworden, daß sie keucht und der Schweis ihr übers Angesicht lauft, begegnet ihr ein fahrender Schüler, der redet sie an: „ei Frau, was tragt ihr da für ein wüstes Geschöpf, es wäre kein Wunder, wenn es euch den Hals eindrückte.“ Sie antwortete, es wäre ihr liebes Kind, das wollte nicht gedeihen und zunehmen, daher es zu Neuhausen sollte gewogen werden. Er aber sprach: „das ist nicht euer Kind, es ist der Teufel[2], werft ihn in den Bach!“ Als sie aber nicht wollte, sondern beharrte, es wäre ihr Kind und es küßte, sprach er weiter: „euer Kind stehet daheim in der Stuben-Kammer hinter der Arke in einer neuen Wiege, werfet diesen Unhold in den Bach!“ da hat sie es mit Weinen und Jammern gethan. Alsobald ist ein Geheul und Gemurmel unter der Brücke, auf der sie stand, gehört worden, gleich wie von Wölfen und Bären. Und als die Mutter heimgekommen, hat sie ihr Kindlein frisch und gesund und lachend in einer neuen Wiege gefunden.