Der brave Schmied von Regenbach
Die ersten Reben blüh’n am Rhein,
Die letzten Rosen an dem Hage,
Beim guten Wirth zum „kühlen Wein“
Sitzt man am Sanct Johannistage;
Das streicht so lind um Stirn und Wangen!
Man singt und sagt im lust’gen Chor
Von schöner Zeit, die lang vergangen.
Und Bursch und Dirne necken sich,
Die blonden Buben strecken sich
Und brechen manche scharfe Lanze.
Man singt und sagt von alter Zeit,
Wo Lieb’ und Treu’ im Land gegolten,
Und feinen Tuche laut gescholten.
Und wie man plaudert, lacht und singt,
Schnaubt’s auf dem Hausflur scheu und lüstern:
Wie wenn der Föhn durch Forste dringt,
Und durch die offne Thür herein
Stürzt’s, – wie in fromme Lämmerheerden
Der Wolf – im goldnen Abendschein
Mit rauhen Lauten und Gebehrden –
Im rothen Licht wie glühend Eisen. –
Wie Wolken, die novemberlich
Bleifarben durch die Länder reisen
So hängt die Zung’ aus schlaffem Maul, –
Zu nah’n sich bald zu feig und faul,
Bald rasend laut und heiß gewitternd –
„Weh, Himmel, hilf! Ein toller Hund!“
Ruft kreidebleich vom Dorf der Bader,
Verschollen liegen Lust und Hader.
Gleichwie verschüttend Hof und Haus
In’s Thal Lawinen donnernd rollen,
So schlägt das lust’ge Schenkenhaus
Wenn roth die Sonne untergeht,
Hebt hohler Wind die feuchten Schwingen:
So schnappt nach links und rechts gedreht
Sein Haupt umher in losen Ringen.
Daraus die rothen Blitze fahren:
So steht der Hund, und Mann und Wurm
Packt’s, wie mit Fäusten, bei den Haaren.
Auf springt der Schmied, der auf der Bank
Da steht er sonder Wank und Schwank,
Hat kurzen Blicks den Hund gemessen,
Die braune Wange wird ihm blaß:
Hier hilft nicht Denken, hilft nicht Tagen –
Hier gilt es Thaten, Amboß schlagen.
Und groß und mächtig, wie er war:
„Zurück!“ er donnert’s in die Reihen;
„Das kleinste Zaudern bringt Gefahr,
Sonst Keiner zwingt ihn, Einer fällt,
Und der bin ich. Denkt an’s Entweichen!
Für Weib und Kind sorgt! Schöne Welt,
Ade! Mein Weg geht zu den Leichen.“
Und Alt und Jung schreit laut vor Jammer.
„Komm, armer, kranker Camerad,
Wir streiten um die letzte Kammer.
In Gottes Namen drauf!“ So fällt
Und mäht die Stämme wie bestellt
Als Schnitter in die Aehrenfelder.
Der Tolle sträubt sich, schnappt und stöhnt
Und beißt den Schmied in Arm und Lenden,
Blut rinnt nach allen Ecken, Enden,
Und wie das letzte Kind entfloh’n,
So schleudert er mit beiden Händen
Das halberwürgte Thier davon,
Dicht schließt er hinter sich das Thor
Und tritt, bespritzt mit gift’gem Geifer,
Tiefathmend auf die Gass’ hervor,
Allwo das Volk harrt sein mit Eifer:
Wollt ihr dem Alten noch gehorchen,
Brecht meinen Waisen euer Brod
Und laßt mich für mich selber sorgen!“
Zur Schmiede lenkt er seinen Schritt,
Die Schmiede tönt von seinem Tritt,
Heiß tröpfelt’s aus der frischen Wunde.
Die schwersten, stärksten Ketten wählt
Er aus und schürt das Kohlenfeuer –
Von Fäusten, die nicht recht geheuer.
Legt Ketten sich um Arm und Bein
Und um den Amboß; wie in Wettern
Die Blitze Nachts im wilden Hain
So steht der Amboß festgerammt
Und mit dem Schmied zumal verkettet;
Kein Schwert, und ob es feurig flammt,
Die beiden von einander bettet.
Die schweren Hammerschläge fallen,
Wie Donnerkeil’ in Nacht und Graus
Weithin durch öde Wälder hallen.
Roth glüht das Erz, er schweißt mit Macht
Und schleudert stumm „zu guter Nacht“
Den Hammer in die lichten Flammen.
„Nun ist’s geschehen. Vergeßt mich nicht
Und betet für mein letztes Leiden,
Noch Brod – nun aber laßt uns scheiden!“
Neun Tage dringt ein wirrer Klang
Wie Schmettern, Wettern, Stöhnen, Streiten,
Nachhallend Berg und Thal entlang
Neun Tag’ und Nächte starrt das Dorf
Wie eine Mauer nach der Schmiede – –
Dort wohnen heute Moos und Schorf
Und langes Gras nur noch zur Miethe;
Doch schlagen meines Liedes Flammen
Hoch über Moder, Schutt und Graus
Wie Rosen lichterloh zusammen.
Und aus den Rosen klingt ein Lied,
„Von Regenbach der brave Schmied,
Er lebt im Volk, er lebt im Winde,
Und mit dem Winde zieht sein Nam’
In alle Herzen, alle Hütten,
Mit Berg’ und Thälern nicht verschütten.
„Viel Tausend gingen in den Tod,
Für’s Land, für Weib und Kind zu sterben,
Mit Leib und Leben blutig roth
Das Feld der wilden Schlacht zu färben:
Er blutete aus tausend Wunden
Neun Tag’ und Nächte, – tausendfach
Hat Auferstehung er gefunden.“