Der nordamerikanische Trapper
Es giebt wohl kaum ein Gewerbe, das reicher an Entbehrungen, Beschwerden und wirklichen Gefahren wäre, als das der Trapper, Fallensteller, Biberfänger, Pelzjäger, Tauschhändler, Voyageurs oder schlechtweg Rocky-Mountains-Männer, oder welcher Name ihnen nur immer im „Fernen Westen“ und in der civilisirten Welt beigelegt sein mag. Ja, reich an Entbehrungen und Gefahren, aber auch reich an mancherlei Genüssen; denn Genüsse muß die Natur dem einsamen Jäger der Urwildniß doch wohl, gleichsam als Entschädigung, bieten, oder es wäre kaum denkbar, daß er, wenn der Zufall ihn in den Bereich der Civilisation führt, sich immer wieder hinaussehnt nach dem freien ungebundenen Leben, welches er im Lauf der Jahre so lieb gewonnen und an dem er mit ganzer Seele hängt. Es unterliegt keinem Zweifel, daß nur die wenigsten dieser verwegenen Leute zu erklären wissen, warum sie ihr gefährliches Gewerbe nicht mit der glänzendsten und sorgenfreisten Existenz, umgeben von schimmerdem Luxus in dichtbevölkerten Städten vertauschen möchten, und ihren eigenthümlichen Neigungen diesen oder jenen nichtssagenden Grund unterschieben; daß aber das Grün der Steppe ihren Augen, die reine Gebirgsluft ihren Lungen fast so nothwendig geworden, wie der gefleckten Forelle das frische Quellwasser, daß ferner hin und wieder der Schneesturm ihre Schläfen umheulen, der schreckliche Prairiebrand sie tagelang hetzen muß, wenn Geist und Herz frisch und elastisch bleiben sollen, das ahnen sie nicht. Sie nehmen die Eindrücke der Alles beeinflussenden Natur in sich auf, ohne im Stande zu sein, sich Rechenschaft darüber abzulegen. Was den noch rüstigen Bewunderer und Verehrer einer jungfräulichen, unentweihten Natur und der sie belebenden Kraft fesselt, mit Sehnsucht erfüllt und von Neuem hinaus treibt in die Ferne; was die spätere Erinnerung mit anmuthigen Bildern durchwebt, den Greis sich so gerne, so wehmuthsvoll in die Vergegenwärtigung seines Wanderlebens versenken läßt und den Abend seiner Tage verschönt und erheitert, das schreibt der westliche Jäger allein dem unbesiegbaren Hange nach schrankenloser Freiheit, dem erhebenden Bewußtsein zu, „keinen Herrn über sich zu haben.“
O, es ist ein herrliches Leben, welches die Trapper führen, und wer es erst gekostet, vor einigen kleinen Abenteuern nicht zurückbebt und sich mit dem Gedanken an Hunger und Durst, an einen geschwungenen Tomahawk und an die furchtbar bewaffnete Branke des grauen Gebirgsbären oder, was oft nicht weniger gefährlich, an die Cameradschaft mit rauhen, sogar räuberähnlichen Gefährten vertraut gemacht hat, der räumt gewiß gern ein, daß es kein herrlicheres, kein romantischeres Dasein giebt: den größten Theil des Jahres, auch wohl einige Jahre hinter einander mit leeren Taschen im wildreichen Gebirge im beständigen Kampfe mit den Elementen und den widrigsten Verhältnissen; dann wieder auf Monate, wenn man nicht gerade durch freiwillig eingegangene Verpflichtungen auf einem Pelztauscherposten zurück gehalten wird, oder sich durch einige zärtliche schwarzäugige Squaws zu sehr hat umstricken lassen, in irgend einer Grenzstadt, um, unbekümmert um das Nasenrümpfen strenger Sittenrichter, ähnlich den von langer Fahrt heimkehrenden Seeleuten, den sauer erworbenen Verdienst zu verjubeln und demnächst wieder die Urwildniß und die rothhäutigen Jagdgefährten aufzusuchen. Was fragt der westliche Jäger darnach, ob das alte, von Rauch geschwärzte Lederhemde allmählich zerfällt, oder ob die Mocassins nicht länger zusammenhalten wollen und dafür ein Stück rohe Wildhaut den Fuß gegen Dornen und scharfe Steine schützt? Büchse, Messer, Beil und Pferd sind Alles, was er bedarf; sie bilden seinen Reichthum, und inmitten der unabsehbaren Steppe wie vom Gipfel hoch emporstrebender Berge schaut er mit dem Gefühl eines Herrschers auf seine Umgebung. Er ist frei wie der Sturm, der vom Nordpol bis hinab zum mexicanischen Golf über die endlosen Grasfluren fegt; frei wie der Vogel, der mit den Wolken um die Wette von Zone zu Zone eilt. Er ist Gebieter, wohin er auch immer seine Schritte lenkt, und aus welcher Quelle seine Begriffe von Moral und Religion auch entspringen mögen, in jedem Augenblick ist er bereit, die letzte Reise nach den glückseligen Jagdgefilden anzutreten.
Doch nicht Jedem ist es vergönnt, einen Blick in jene verlockenden Urwildnisse zu werfen oder gar dieselben zur Heimath zu wählen; denn wo vielleicht die Phantasie durch romantische Schilderungen aufgeregt wurde und in Folge dessen der feste Wille zur Verwirklichung von langgehegten Jugendträumen erwachte, da fehlt in vielen Fällen der Körper, der, ohne zu unterliegen, der tödtlichen Hitze des Hochsommers oder den erstarrenden Regen- und Schneestürmen eines unbarmherzigen Winters Trotz zu bieten vermöchte; und wo dann wieder die physischen Kräfte zum Kampf gegen das Klima ausreichen, da sind es andere Opfer, die den Neigungen und Gewohnheiten gebracht werden müssen.
Wem der Duft der Blumen nicht die künstlich erzeugten Wohlgerüche reichlich ersetzt; wem es schwer wird, üppiges Wohlleben mit der allereinfachsten, zuweilen sehr kärglichen Nahrung und einem harten Lager unter dem freien Himmel zu vertauschen; wer zu Zeiten der Noth reuig an die verweichlichenden Genüsse zurückdenkt, welche die Civilisation darbietet; wer sich sehnt nach glatten Worten und salbungsvollen Lehren von eifernden, unduldsamen Menschen, anstatt mit Andacht dem Chor der tausendfältigen Stimmen der Natur zu lauschen, der gehört nicht nach dem fernen Westen. Der Anblick der derben Canadier, die in äußerer Erscheinung und Benehmen den Eingeborenen an Wildheit, allerdings anderer Art, kaum etwas nachgeben, wird ihm Scheu einflößen, und [454] eine harte, sehr harte Schule hat derjenige durchzugehen, der von diesen Leuten als Camerad begrüßt und aufgenommen sein will. –
Unter den Pelzjägern, die gewissermaßen als zur Charakteristik des westlichen Nordamerika gehörig bezeichnet werden können, unterscheidet man zwei besondere Classen, nämlich die sogenannten Voyageurs, die im Dienst der Pelzcompagnien stehen, für diese Tauschhandel mit den Indianern treiben und die Verbindung zwischen den verschiedenen abgelegenen Posten aufrecht erhalten, und dann die vollständig unabhängigen Freitrapper.
Letztere beziehen zwar auch hin und wieder auf dem Wege des Tausches Pelzwerk von den Eingeborenen, doch bleibt ihr Haupterwerbzweig immer die Jagd und der Biber- und Otterfang. Da sie nun beim Aufsuchen ihrer Beute und in Verfolgung derselben bis in die verborgensten Winkel der Rocky-Mountains vordringen, namentlich gern solche Flüsse und Flüßchen zu ihren Revieren und Wegweisern wählen, von denen sie vermuthen, daß sie in neuerer Zeit nicht von weißen Biberfängern besucht wurden, so erlangen sie allmählich eine so merkwürdige Kenntniß der ungeheuern Länderstrecken zwischen dem Missouri und den Küsten der Südsee, und nebenbei eine so wunderbare Orientirungsgabe, eine so eigenthümliche Manier mit den Eingeborenen zu verkehren und deren Zutrauen zu gewinnen oder ihnen Furcht einzuflößen, daß es oft an’s Unbegreifliche grenzt. Pelzcompagnien, Emigrantenzüge und Forschungsexpeditionen schätzen sich daher immer glücklich, wenn es ihnen gelingt, einen gediegenen Freitrapper, in deren Reihen auch Indianer und Halbindianer (Halfbreeds) vertreten sind, als Führer und Dolmetscher zur Wanderung durch die Wildnisse zu gewinnen. Doch hohe Preise müssen geboten werden, um diese Leute zu bewegen, sich ihrer Freiheit, wenn auch nur auf Monate, zu entäußern, trotzdem es oft mehr als zweifelhaft ist, daß sie auf ihren Privatjagdzügen große Erfolge erzielen.
In Gesellschaften von zwei bis hundert und mehr Mitgliedern unternehmen die Freitrapper ihre Expeditionen. Jeder Einzelne hat sich mit einem Reitpferde, einem bis drei Packthieren, einigen Decken, etwas Lebensmitteln, Fallen und einem hinlänglichen Vorrath von Munition auszurüsten, doch ordnen sie sich insoweit, gleichsam militärisch, zu einem Ganzen, daß sie aus ihrer Mitte den ältesten und erfahrensten Jäger zum Reisehauptmann wählen, dessen Befehlen sich unterzuordnen durch Uebereinkommen Allen zur Pflicht gemacht wird. Die Richtung der Reise wird in einer allgemeinen Berathung bestimmt und ist eben von den Gerüchten abhängig, die über die Ergiebigkeit dieses oder jenes wildreichen Landstriches in Umlauf sind. In den Revieren oder in der Nähe von Biberdörfern angekommen, wird nicht lange mit dem Beginn der Jagd gezögert. Bei kleinern Abtheilungen legen alle Mitglieder, bei den Lagerarbeiten wie beim Fallenstellen, gemeinschaftlich Hand an’s Werk; bei größern dagegen fällt die Sorge für die Pferde, für die Sicherheit des Lagers und für Speise und Trank den jüngern, weniger erfahrenen Cameraden zu, während diejenigen, die sich als Jäger und Fallensteller den größten Ruf erworben haben, nur der Jagd obliegen.
Jahrelang treiben sich dergleichen Banden von Freitrappern in der Wildniß umher, ohne daß Jemand eine Ahnung davon erhielte, wo sie ihr Ende genommen, bis sie dann plötzlich wieder einmal beutebeladen in einer Grenzstadt erscheinen, um die Erfolge ihrer Mühen, ohne Rücksicht auf die Art der geleisteten Arbeiten, gleichmäßig unter sich zu vertheilen. Mancher, der im Jahre vorher die Ansiedlungen in der Gesellschaft lebenslustiger, tollkühner Cameraden verließ, kehrt auch wohl gar nicht zurück; er liegt vielleicht in irgend einem Felsenwinkel oder in der unabsehbaren Steppe, wo die treuen Gefährten seine einsame Ruhestätte durch Anhäufungen von Steinen und Zweigen gegen die Eingriffe der wilden Bestien sicherten. Wenn seine Thaten auch wohl im Munde bleicher und rothhäutiger Jäger fortleben und diese veranlassen, seiner gelegentlich mit Theilnahme zu gedenken, so ist sein Name doch verschollen, und nur in den wenigsten Fällen hinterläßt er Jemand, der tiefer um ihn trauerte.
Und dennoch stößt man zuweilen auf Denkmäler, die nach einer langen Reihe von Jahren Kunde von einem verlorenen Trapper geben. Auf dem Hofe des in neuerer Zeit errichteten Forts Tejon in Californien steht eine Anzahl mächtiger, ehrwürdiger Eichen. Eine derselben zeichnet sich dadurch aus, daß vor langer, langer Zeit ein Theil der Rinde von dem Stamm entfernt wurde. Die geborstene, aber saftreiche Rinde des noch lebenskräftigen Baumes ist vernarbt und dehnt sich immer weiter über die glatte Fläche des eisenharten Holzes und die auf derselben roh ausgemeißelten Worte aus. „Peter Lebeck, killed by a bear, Oct. 17, 1837.“ (P. L. getödtet von einem Bären), läßt sich nur noch mit Mühe entziffern. Woher der unglückliche Jäger kam, der hier in der noch heute von Bären reich belebten Schlucht sein Ende fand und nothdürftig eingescharrt wurde, das ist vergessen. Man fragt auch nicht darnach, sondern wundert sich Angesichts der Inschrift, daß schon damals einzelne dieser verwegenen Abenteurer sich von Osten her über die Rocky-Mountains bis an die Küsten der Südsee durchschlugen. Derartig ist das Ende und das Grab eines Trappers.
Wie nun das Wild und die Indianer vor der Fluthwelle der Civilisation immer weiter zurückweichen und allmählich verdrängt werden, so verschwinden in gleichem Grade die markigen Erscheinungen der Trapper, die sich mit ihrem Gewerbe zuletzt nicht mehr in den beschränkten Revieren zu halten vermögen. Schon jetzt findet man sie nur noch äußerst selten in größern Gesellschaften, wie etwa vor zwanzig Jahren, als sie noch mit ihrem Troß von indianischen Weibern, Kindern und sonstigen rothhäutigen Verwandten und deren so wie den eigenen Pferden förmlich nomadisirende Colonien bildeten. –
Ja, auch die Trapper werden verschwinden. Aber wenn Fabriken und Bethäuser schon längst an Stelle der Biberdörfer und indianischen Wigwams getreten sind, dann wird das Andenken an die kühnen Männer, die im Charakter wie im äußern Wesen oft die merkwürdigste Zusammenstellung von Contrasten und Widersprüchen zeigen, noch lange frisch bleiben, und trotz ihrer zahlreichen Fehler werden sie noch lange glanzvolle Gestalten zu romantischen Schilderungen liefern.
Wer nun jahrelang mit Trappern verkehrte, sie auf ihren Irrfahrten begleitete, mit ihnen die schrecklichste Noth litt und mit ihnen schwelgte, wer auf einsamer Wanderung oder vor dem verstohlen geschürten Lagerfeuer ihren Erzählungen lauschte, die allerdings nicht immer ganz frei von Uebertreibung sind, der fühlt sich unwillkürlich zu ihnen hingezogen und übersieht gern, was an ihnen tadelnswerth genannt werden muß; und verzeihlich, ja, natürlich ist es, wenn er in der Erinnerung an die alten Gefährten vorzugsweise das hervorhebt, was Theilnahme und Achtung erwecken dürfte.
- ↑ Der Güte eines Freundes verdanken wir das obenstehende Portrait des bekannten Reisenden Möllhausen, dessen Fahrten und Abenteuer jetzt mit so viel Interesse gelesen werden. Möllhausen war eine Zeitlang selbst Trapper und hat sich in dieser Eigenschaft photographiren lassen. D. Red.