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Des Königs Schatzkammer

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Adolf Schäfer
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Titel: Des Königs Schatzkammer
Untertitel:
aus: Märchen aus Bayern, S. 36-39
Herausgeber: Karl Spiegel
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum: 1896
Erscheinungsdatum: 1914
Verlag: Selbstverlag des Vereins für bayrische Volkskunde und Mundartforschung
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Erscheinungsort: Würzburg
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Originalherkunft:
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
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24. Des Königs Schatzkammer.
(Unterfranken: Rhöngebirg.)

Es war einmal ein armer Vater, der hatte ein Häufle Kinder und dazu seine liebe Not, doch waren alle, Alt und Jung, stets lustig und fidel, wenn es ihnen auch manchesmal schlecht ging.

Eines Tages sagte der Vater zu seinem ältesten Sohne: „Hans, du bist jetzt alt genug, gesund und kräftig biste auch und einen hellen Kopf haste auch, also kann dirs nicht gefähl. Du mußt jetzt neus in die Welt, da kannste dein Glück gemach.“ Hans besann sich nicht lange, packte sein Bündel, welches federleicht war, zusammen und ging fort in die Welt. Er sah selbst ein, daß er seinem Vater nicht länger mehr am Tischkasten hocken durfte. Dem Hans ging es nicht schlecht. Da er fleißig und tüchtig war, bekam er leicht überall einen Dienst. Aber nirgends hielt er es lange aus; hatte er etwas Geld beisammen, so war er allemal eines schönen Tages verschwunden, er wollte weit umeinanderkommen und die Welt sehen.

Einst war Hans wieder von einem Dienstherrn ausgeschlitzt und wanderte der Hauptstadt zu. Er wollte auch das Leben in einer großen Stadt kennen lernen; er hatte schon viel davon gehört und war in seinem Leben („zelattig“) noch nie in eine große Stadt gekommen. Als nun Hans zur Stadt hineinging und ein lustiges Stücklein pfiff, schaute ein Mann zum Fenster heraus. Diesem gefiel der Hans und er rief vom Fenster aus dem Hans zu, er möge zu ihm ins Haus kommen. Hans ließ sich dies nicht zweimal sagen und ging in das Haus und fragte, was man von ihm wolle. „Du bist ein lustiger Patron“, sagte der Mann, „sag, wo kommst du her, wo willst du hin und was hast du vor?“ Hans erzählte, wie es ihm seither ergangen, jetzt wolle er sich um einen Dienst in der Stadt umsehen. „Du bist mein Mann und der richtige Kerl, den ich brauche. Paß auf, was ich dir sage: „Ich habe einen Sohn, einen [37] ganz blöden Kerl, der kein bißchen Leben hat, den richt mir her und mach einen lustigen Kerl daraus; geh fort mit ihm hinaus in die Welt, Geld brauchst du nicht zu sparen.“ Hans hüpfte vor Freude wie ein Distelfink; so etwas hätte er sich nie träumen lassen.

Hans ging gleich ans Werk, kaufte sich neue Kleider und alles, was er noch zum Reisen nötig hatte, füllte seinen Ledergurt mit lauter Dukaten und hoppediheh dahin gings in die Welt hinaus. Nach einem halben Jahre kam Hans und sein Begleiter wieder in die Stadt zurück, sein Geld war all. Hans hatte als braver Junge natürlich auch an seine Eltern gedacht und denselben von dem Gelde zukommen lassen.

Nachdem Hans sich wieder eine Zeit lang in der Stadt aufgehalten hatte, füllte der Alte wieder den beiden ihre Geldgurte und wieder ging es in die Welt hinaus.

So ging das Ding einige Jahre fort. Hans war jetzt ein ganz ausgewichster Kerl geworden; denn er hatte viel gesehen und viel gelernt; auch sein Begleiter, der Sohn seines Herrn, war jetzt ein aufgeräumter und tüchtiger Bursche, woran der Alte seine Hexenfreude hatte.

Als die beiden wieder einmal heim kamen, fanden sie, daß der Alte recht schlecht (krank) war. Eines Tages ließ er Hans an sein Bett kommen und sprach zu ihm: „Hans ich habe dich gern, so gern wie meinen eigenen Sohn, und weil du ein heller Kopf bist, so will ich dir ein Geheimnis sagen. In der hintern Kammer sind zwei Stubendielen; wenn du drauf klopfst, so gibt es einen hohlen Ton. Diese Dielen hebe in die Höhe und du siehst eine Treppe, diese gehst du nunter und in dem Gang, wo du dann kommst, gehst du fort so lange, bis du wieder an eine Treppe kommst. Diese gehst du nauf und dort findest du einen kleinen, runden Knopf. Du mußt natürlich ein Licht haben, sonst findest du ihn nicht. Auf diesen Knopf drückst drauf und dann gehts ein paarmal mit dir rund herum und du stehst in König seiner Schatzkammer. Da hastn Schlüssel, der schließt das Wandschränklein in der hinteren Kammer, in dem sind die Schlüssel zu den Geldkästen. Geh’ aber nicht so oft hintereinander hin und hole Geld, sonst spannt mans. Meim Lurz (Lorenz) habe ich die Geschichte nicht anvertrauen mögen, weil ich denke, daß er zu ungeschickt ist und derwischt wird.“

Der Alte wurde immer schlechter (kränker) und starb bald. Er war noch nicht lange in der Erde, als die beiden wieder Geld brauchten. Hans tat, was ihm der Alte gesagt hatte, und fand alles so, wie es ihm der Alte gesagt hatte. Nun ging es ihm in seinem Leben nicht mehr schlecht, dachte er; aber die Sache kriegte bald einen Haken. Hans hatte die Mahnung des Alten nicht befolgt und war zu gehändig hingegangen. Das hatte der Schatzmeister gemerkt und dem König erzählt, daß immer Geld wegkäme; er wüßte nicht, wie das Ding zugehe, die Schatzkammer würde doch alle Abend gut von ihm zugeschlossen.

Der König ließ alle gescheiten Leute an seinem Hof zu sich kommen und erzählte ihnen die Geschichte. Nun wurde ein langer Schwaz gehalten [38] und hin und her dischkeriert. Endlich sagte ein gescheiter Mann, es wär am gescheitsten, wenn man an jeden Geldkasten eine Falle hinmachte. Wenn der Dieb den Kasten aufgemacht hat, schnappt die Falle zu und er stecke mit seinen Händen in der Falle wie ein Marder. An die Falle macht man eine Schnur und die Schnur bindet man außen an eine Schelle. Sowie die Falle zuschnappt, zieht die Schnur an und die Schelle geht. Wenn man die Schelle hört, geht man in die Schatzkammer und hat dann den gefangenen Dieb. Alle fanden den Rat gut und der König ließ gleich die Fallen anbringen.

Hans und Lurz brauchten bald wieder Geld. Deshalb sprach Hans zum Lurz: „Mir brauche wieder Geld, heute abends mußt du mitgehen, daß mir uns eins holen.“ Als es schon Nacht war, machten sich die beiden auf den Weg. „Heute abends mußt du in die Schatzkammer“, sagte Hans, „ich war schon einigemal dort, nun mußt du auch mal hin, damit du den Weg kennen lernst.“ Dem Hans hatten schon lange die Hasen gedroschen und es war ihm gar nicht mehr recht extere, weil er doch immer fürchtete, einmal erwischt zu werden. Deshalb schickte er diesmal den Lurz voraus. Hans hatte seine feine Nase nicht umsonst gehabt; denn, sobald Lurz einen Geldkasten aufgeschossen hatte und Geld rausnehmen wollte, schnappte die Falle zu und seine Hand steckte drinnen. Hans hatte die Sache kaum erblickt, so sprang er herbei, hielt mit der einen Hand dem Lurz den Mund zu und mit der andern zog er ihm die Hand aus der Falle heraus, wobei die Hand bös verschammeriert wurde.

Als Hans die Hand heraus hatte, steckte er sie dem Lurz in die Tasche, daß es keine Blutspuren gab, und flugs gings auf die geheime Tür zu. Kaum hatte sie sich ein paarmal im kringelrum gedreht und die beiden gerade draußen auf der Treppe waren, hörte Hans die Schatzkammer aufsperren und Leute hineingehen. Hans hielt sich nicht lange auf, sondern ging so hurtig er konnte mit dem Lurz, den er aufgehokt hatte, heim.

Früh kamen in alle Häuser schon Soldaten und Gerichtsherrn und visitierten jedem seine Hände. Aber der Hans hatte den Lurz im geheimen Gang versteckelt und als die Gerichtsherrn nach ihm fragten, sagte Hans, er sei fort in die Welt. Mittags kam ein Reiter durch die Straßen der Stadt und machte bekannt, daß der König heute abends einen Ball gebe, wozu alle Leute erscheinen müßten. Hans ging natürlich auch hin und war lustig und fidel. Im Saale waren Dukaten auf den Boden gelegt worden und eine Menge heimlicher Aufpasser waren mitten unter den Leuten. Wer sich bückte und Geld aufhob, den sollten sie festnehmen, das war der Spitzbub. Die Leute hatten alle schon von dem Diebstahl in der Schatzkammer gehört; drum hütete sich jedes, Geld aufzuheben. Dem Hans aber stachen die schönen Geldstücke in die Augen und er simelierte, wie er sie kriegen könne, ohne sich bücken zu müssen; denn Hans hatte auch bald die Geschichte gespannt. Es dauerte nicht lange, so hatte Hans die Geschichte aussimeliert. Er verschaffte sich Schusterpech und schmierte es an seine Schuhsohlen, dann ging er wieder in den Saal. [39] Richtig merkte er, daß sich die Geldstücke anpappten, und als seine Schuhe voll waren, ging er hinaus und pflöckelte sie herunter und hob sie an einem sicheren Orte auf, wo er sie später holen wollte. So ging das Ding fort und auf einmal waren die Goldstücke hin, ohne daß die Aufpasser gesehen hätten, daß sich jemand gebückt hätte darum. Der König und seine Räte waren sprachlos vor Staunen. Nun hielt man wieder einen Schwaz, wie man den Spitzbuben fangen könnte. Es wurde beschlossen, daß alle Anwesende im Saale übernachten müssen. Heimlich und ohne, daß die Leute etwas davon merkten, mußte das schönste Mädchen im Saale bleiben. Ist der Spitzbube dabei, sagte ein gescheiter Mann, so hat er es bald heraus und das Mädchen muß schwarze Hände kriegen, damit sie den Spitzbuben zeichnen kann, wenn er zu ihr will. Dieser Rat wurde ausgeführt und richtig hatte Hans bald herausgespürt, daß ein Mädchen im Saal sei. Er wollte einmal sehen, wer das Mädchen sei, und als er sich bückte, um genau hinzusehen, war es ihm, als streiche sie leise über sein Gesicht. Hans ging zu einem im Saale hängenden Spiegel, auf welchen das Mondlicht fiel, und sah richtig, daß er schwarz im Gesichte war. Wart, dachte Hans, so leicht fängt man mich nicht; mit List fängt man Vögel, mit Speck Mäuse, aber beim Hans müßt ihr heller sein. Hans wischte von der Schwärze herunter und strich einige andere, welche gut schliefen, damit an und dann putzte er sich ab und legte sich wieder nieder. In der Frühe gabs einen Mordsspektakel. Man glaubte, man hätte den Spitzbub und nun war es wieder nichts. Der König sprach nun: „Wenn der Schlingel da ist, so melde er sich freiwillig, es soll ihm gar nichts geschehen, so wahr ich der König bin.“ Dem Hans druschen doch die Hasen, doch meldete er sich. „Du bist ein geriebener und abgewichster Schlingel“, sprach der König; „wie ich es versprochen habe, so soll es sein. Ich will dich nicht strafen, nein, ich nehme dich in meinen Dienst, denn einen solchen durchtriebenen Kerl kann ich brauchen.“ Hans kam zum König und wurde ein großer Herr und Spitzbuben hatte der König bald keine mehr in seinem Lande. Hans fing sie alle zusammen. Für seine Eltern, Geschwister und den Lurz sorgte Hans, daß es ihnen nicht schlecht ging.

Seit der Zeit aber, wo diese Geschichte passiert ist, sagt man in der Rhön: Wer Spitzbuben fangen will, muß selbst einer gewesen sein.


Herkunft wie Ziff. 9. (Ziff. 22, 23, 24 in der urschriftlichen Form.)