Die „Gnadenstätte“ in Philipsdorf
Der Unsinn ist unsterblich! Davon habe ich vor wenigen Tagen, auf einem kleinen Osterausfluge, wieder ein eclatantes Beispiel erlebt. Ich will erzählen, was ich gesehen und gehört, schlicht und recht, ohne viel Raisonnement. Die Sache spricht für sich selber schlagend genug.
Blau und klar lachte, nach langen Schneeschauern, der Ostersonnabend zu mir in’s Zimmer herein. Rasch entschlossen, einen alten Vorsatz auszuführen, gürtete ich mir die Lende, das heißt hing meine vielgewanderte kleine Touristentasche über die Schulter und dampfte durch unsere schöne sächsische Schweiz elbaufwärts nach Böhmen und auf der neuen Nordbahn zwischen einer überraschend imposanten Wald- und Bergscenerie, die freilich noch hie und da tief im Winterkleide stak, in jenen nördlichsten Winkel des Landes hinein, welchen das sogenannte Lausitzer Gebirge vom Gros des kaiserlichen Königreiches gewissermaßen absondert.
Landschaftlich ist dieser Zipfel ein prachtvolles Stück Erde, herrlich umrahmt von den pittoresken Linien des in einzelnen Gipfeln zu beträchtlicher Höhe aufsteigenden Bergzuges, zugleich aber eine außerordentlich betriebs- und verkehrsreiche Gegend. Haus reiht sich fast an Haus; in jedem klappert der emsige Webstuhl, hier Beinkleiderstoffe, dort Leinwand oder Bänder producirend, und die ausgedehnten Fabrikdörfer, unter ihnen das größte Dorf der gesammten österreichisch-ungarischen Monarchie, Warnsdorf, mit mehr als zwanzigtausend Einwohnern, übertreffen wie durch ihren Umfang so durch die Stattlichkeit ihrer Gebäude manche ansehnliche Stadt.
Die Hauptstadt des Bezirkes, zugleich der Endpunkt der böhmischen Nordbahn, ist der Liechtenstein’sche Herrschaftssitz, das alte Rumburg, das sich mit den angebauten Dörfern weit hinein in’s Land verliert. Hier kam ich am Vorabend des Osterfestes an und wohnte in der dichtgedrängten vom Gesang der Menge und dem Brausen der Orgel erfüllten Kirche der Feier der „Auferstehung“ bei, indeß von draußen der Lärm von Kanonenschlägen und Flintengeknatter hereinscholl. Als ich wieder in das Freie trat, erwartete mich ein neues Schauspiel: der ganze Ort schwamm im Lichte. An den Berglehnen, zwischen den Waldparcellen, [329] auf den Wiesen, überall wo eines der verstreuten Häuser und Häuschen stand, hatte man Lämpchen und Kerzen entzündet zur Feier des heiligen Begebnisses und damit in der That eine überraschende Wirkung erzielt. Die halbe Nacht dauerte das Gewehrfeuer fort, um am frühen Morgen von Neuem zu beginnen; dabei zogen „Ostersänger“, Männer und Weiber mit Geigen, Harfen und Guitarren, im Orte umher, verkündeten, oft recht musikalisch, die frohe Botschaft und sammelten fleißig österreichische Neukreuzer und Zehner ein.
Ich dünkte mich in eine fremde Welt versetzt, obschon nur wenige Meilen von meinem Wohnorte entfernt. Das Ganze war zugleich eine treffliche Vorbereitung auf den eigentlichen Zweck meiner Ostertour.
In der Frühe des zweiten Festtages wanderte ich zu Fuß noch ein Stündchen weiter nordwärts, dicht bis an die sächsische Grenze. Sowie ich den Höhenkamm überschritten und den „Busch“, wie es dort zu Lande heißt, das heißt ein Fichtenwäldchen, im Rücken hatte, that sich mir ein neues wunderschönes Panorama auf. Mir im Rücken lag das höhere Gebirge, von der noch schneebedeckten Lausche im Osten flankirt, vor mir sah ich die sanfteren Waldhügel der Lausitz, aus denen im Sonnenlichte funkelnd eine Menge von Häusern herüberblickten, und dazwischen in ununterbrochener Kette Ort an Ort, sämmtlich Fabrikdörfer, böhmische und sächsische hart an- und durcheinander. Rechts ein wahres Prachtdorf, das protestantische Gersdorf, mit großen Wohn- und Fabrikgebäuden und vielen hohen Dampfschloten. Unmittelbar daneben auf grüner Matte liegt sehr reizend das, wenn auch ärmere, doch immer gar freundlich sich präsentirende böhmische Philippsdorf mit etwa tausend Bewohnern, meistens Webern, welche theils für die Fabrikanten des erwähnten protestantischen Gersdorf, theils nach dem links anstoßenden böhmischen und katholischen Georgswalde arbeiten, dem Centrum der sogenannten „Rumburger“ Leinwandindustrie.
Noch vor wenigen Jahren kannte man draußen in der Welt nichts von diesem bescheidenen Philippsdorf, heute spricht und schreibt man von ihm selbst jenseit des Oceans. Ein unscheinbares Weberhäuschen darin, eines der dürftigsten des Ortes, hat es buchstäblich „über Nacht“ berühmt gemacht. Dies merkwürdige strohbedachte Weberhäuschen war das Ziel meiner Osterfahrt, wie es, allerdings aus anderen Gründen, schon für Tausende und Abertausende ein Wanderziel gewesen ist und voraussichtlich noch sein wird.
Viele meiner Leser werden im Allgemeinen schon wissen, was sich in diesem „von Gott begnadeten“ Philippsdorf zugetragen hat, um dasselbe zu einem neuen Loretto oder Maria-Einsiedeln zu erheben. Der speciellere Vorgang des „wunderbaren“ Begebnisses ist indeß doch wohl nur wenigen bekannt.
In dem erwähnten Hause lebte bei ihrem Bruder ein armes Mädchen, Magdalena Kade mit Namen. Bis zu ihrem neunzehnten Jahre völlig gesund und robust, half sie tüchtig mit schaffen, am Webstuhl und in der kleinen Haushaltung ihrer Geschwister. Da befiel sie im Jahre 1854 jählings, „in Folge eines Schreckens“ eine geheimnißvolle Krankheit. Aus heftigen Krämpfen, die ihr zeitweilig das Bewußtsein raubten und sie mehrmals in der Kirche zusammenbrechen ließen, entwickelte sich eine Art Blasenausschlag. Von der linken Brust ausgehend, hatte er nach und nach den Leib schon bis zum Beine herab mit bösartigen eiternden Geschwüren ergriffen. So berichtet der Stiftscaplan von Georgswalde, Herr Pater Storch, in den von ihm über das merkwürdige Ereigniß herausgegebenen Heften, die ich im Laufe meiner Skizze noch verschiedene Male wörtlich zu citiren Gelegenheit nehmen werde. Ihm, um dies gleich hier anzuführen, gebührt überhaupt der Ruhm der eigentlichen Urheberschaft des „Wunders von Philippsdorf“.
„Nach der Ansicht vieler Laien“, meint der fromme Pater, ging das Uebel bereits in ein krebsartiges Leiden über und wurde von zwei Aerzten, einem in dem böhmischen Georgswalde, dem andern in dem benachbarten evangelischen Gersdorf, vergeblich bekämpft. Der erstere hatte es für ein „Ekzem“, ein Bläschengeflecht, erklärt und einer ihn darum befragenden Anverwandten der Kranken versichert: „die Magdalena Kade hat ein unheilbares fressendes Uebel an sich.“ Das Alles erzählt, wohlgemerkt, Caplan Storch.
Die Krankheit – ich folge genau dem Berichte desselben – wuchs und wuchs. Seit Monaten schon konnte die Leidende ohne Hülfe nicht mehr das Bett verlassen, fiel, wenn sie aus demselben heraus- oder in dasselbe wieder hineingehoben wurde, stets in langwährende Ohnmachten und erlitt „unerträgliche Schmerzen“, namentlich in der linken Brust. „Ihre Stimme war kaum noch vernehmbar“. Offenbar ging es dem Ende entgegen, so daß Caplan Storch ihr in der zweiten Hälfte des Decembers 1865 die Sterbesacramente reichen mußte. Dazu verpesteten die eiternden Geschwüre der Unglücklichen mit ihrem Geruche das Haus und machten die Pflege der Kranken für ihre Angehörigen zu einem Martyrium.
Am zwölften Januar 1866 hatten ihr Bruder und dessen Frau „mit Schaudern“ noch die entsetzlichen Wunden ihrer Schwester gesehen. Es war der schmerzensvollste Tag Magdalena’s, und unablässig stöhnte und jammerte sie. Sie selbst war überzeugt, der Tod nahe sich. Eine Freundin wollte in der Nacht bei ihr wachen; die Kranke vermochte sie jedoch, sich ein wenig niederzulegen. Auf einer neben dem Bett stehenden Bank schlummerte die Pflegerin ein, während Magdalena, von Schmerzen gepeinigt, keinen Augenblick Ruhe fand.
„Auf einmal, es konnte in der vierten Morgenstunde des dreizehnten Januar, eines Samstages, sein, entstand in der durch eine kleine Oellampe nur spärlich beleuchteten Wohnstube eine Helle und besonders in der Nähe des Bettes ein Glanz wie am lichtesten Tage, so daß die Kranke ihre schlafende Freundin aufweckte mit den Worten: ‚Steh nur auf und sieh, wie licht es in der Stube wird!‘. Während die Letztere aufsprang, sah die Kranke am niedern rechten Bettrande zu ihren Füßen eine große, herrlich glänzende, ganz in einen lichtvollen weißen Mantel gehüllte Frauengestalt mit einem wie die Sonne strahlenden Gesicht und mit einer goldgelb glänzenden Krone auf ihrem Haupte (Hände und Füße sah sie nicht), und da überfiel die Kranke ein heiliges Zittern und Beben, so daß ihre von alledem nichts bemerkende Freundin sie kaum im Bett erhalten konnte, wobei die Kranke dieselbe bat: ‚Knie doch nieder; siehst Du sie nicht stehen?‘ – was diese jedoch nicht that, weil sie weder von der Gestalt noch von dem Glanze etwas sah und nur glaubte, es sei etwa der Kranken die Hitze gegen den Kopf gestiegen.“
Blendender und blendender wurde das Licht der Erscheinung, welche die Leidende sofort für die „heiligste Jungfrau Maria“ hielt. Erst suchte sie ihre Augen vor dem gewaltigen Glanze zu schützen, dann faltete sie die Hände und betete laut. Darauf sprach die Gestalt „mit einer überaus lieblichen und unbeschreiblich angenehmen Stimme“ die Worte: „Mein Kind, von jetzt an heilt’s!“ und verschwand, mit ihr Glanz und Tageshelle. Wie uns der Pater versichert, hat dies Alles Magdalena nachmals „mit einem feierlichen Eide bekräftigt“.
Und von Stunde an war die seit zwölf Jahren Siechende, von zwei Aerzten erfolglos Behandelte und „für unheilbar Erklärte“ gesund – und verblieb es. Auf der Stelle endeten ihre Schmerzen, und ihre Stimme hatte mit Einem Male einen so kräftigen, sonoren Klang bekommen, daß Bruder und Schwägerin, welche sie unverweilt holen ließ, sich nicht genug verwundern konnten. Nichtsdestoweniger – wir halten uns immer an die Aufzeichnungen des Caplans – waren Beide anfangs geneigt, Magdalena’s Erzählung für das Product einer Fieberaufregung zu nehmen, bis sie ihnen ihren Körper zeigte. Welches Erstaunen! Alle bösen Wunden waren geheilt und trocken, mit frischer Haut überzogen, und blos eine kleine, kaum thalergroße Stelle, die noch „ein wenig näßte“, zeugte von der vormaligen furchtbaren Krankheit.
Wer konnte jetzt noch zweifeln? Gemeinschaftlich warfen sich alle im Zimmer Anwesenden auf die Kniee und dankten lobpreisend der „heiligsten Jungfrau“; Magdalena aber, sie, welche seit Jahren ohne fremde Unterstützung kein Glied zu bewegen im Stande gewesen war, sie stieg „ganz allein aus dem Bette“ und marschirte frank und frei durch die Stube. Auch die übrigen Hausgenossen, mehrere im nahen Gersdorf beschäftigte Fabrikarbeiter, blieben sprachlos vor Verwunderung stehen, als sie, zum Mittagessen heimkehrend, die, welche sie dem Tode nahe, vielleicht mittlerweile schon verschieden geglaubt hatten, frisch und wohlauf einherwandeln sahen.
Mit Blitzesschnelle verbreitete sich das Geschehene durch den Ort. In den Augen des Publicums war das Wunder fix und [330] fertig; um ihm indeß auch auswärts, in der weiten Welt zu Ansehen und Geltung zu verhelfen, dazu bedurfte es noch anderer Kräfte und Hebel, als sie die armen Weber von Philippsdorf anzuwenden vermochten. Diese Kräfte und Hebel fanden sich „zum Glück für den Ort“ alsbald in der Person des Beichtvaters der „Gottbegnadeten“, des geschickten und energischen Pater Storch in Georgswalde. Er wußte die Sache am rechten Ende anzugreifen und das Feuer der Begeisterung zu schüren, um „die neue Gnadenstätte“ und Glücksquelle, welche die „Ehre Gottes“ wiederum so sehr „gemehrt“, der alleinseligmachenden Kirche zu neuer Glorie gedient und dem bis dahin unbemittelten Orte alljährlich Tausende und Tausende von Gulden gespendet hat, in’s Leben zu rufen und, was vielleicht schwieriger, inmitten einer von Protestanten umwohnten und viel in der Welt verkehrenden Geschäfts- und Handelsbevölkerung zu erhalten.
Obschon alle Perspectiven in’s Auge fassend und im Herzen sicher entzückt über den – sagen wir gelinde – Fiebertraum der Kranken, verhielt sich der Stiftscaplan mit weiser Politik anfangs anscheinend ablehnend gegen das Ereigniß. Zwar erfährt er es, wie man sich denken kann, noch im Laufe des dreizehnten Januar, allein erst zwei Tage später begiebt er sich „gelegentlich“ eines Berufsweges in die Wohnung Magdalena’s und läßt sich das Erlebniß von ihr erzählen.
Ueberhaupt hat ja erst die Kirche, in unserem Falle der Bischof von Leitmeritz, zu dessen Diöcese Philippsdorf gehört, zu entscheiden, ob das Begebniß wirklich als Wunder anzuerkennen ist, da nach einer Bestimmung des tridentinischen ökumenischen Concils „neue Wunder“ nur nach Erkenntniß und Bestätigung des Bischofs „unter Zuziehung von Theologen und frommen Männern“ zuzulassen sind. So nahm die Geistlichkeit wenigstens officiell keine Notiz von dem Vorfall, wenn sie auch acht Tage danach, wo die „Gottbegnadete“ zum ersten Male wieder zur Kirche ging, auf Veranlassung Pater Storch’s ein feierliches Dankhochamt mit „Segenmesse“ zu Ehren der wunderbaren Heilung abhielt und in einem in vielen Tausenden von Exemplaren verbreiteten Flugblatte – der Herr Stiftscaplan behauptet zwar, es sei nicht für die Oeffentlichkeit bestimmt gewesen und „wider alles Erwarten“ vor das Publicum gekommen! – den an den Leitmeritzer Oberhirten gesandten amtlichen Bericht über das Geschehene veröffentlichte.
Was konnte sie dafür, wenn immer neue Wallerschaaren nach der Gnadenstätte strömten, wenn von nah und fern manchmal in einem Tage mehrere Hunderte frommer Gläubiger sich einstellten, denen die Wunderjungfrau wieder und wieder von ihrer Heilung berichten mußte? „Das Wunder ist ja Niemandem octroyirt oder aufgezwungen worden!“ Aber man durfte doch die religiösen Gemüther nicht irre werden, nicht dem Zweifel verfallen lassen, nachdem sich die Opposition zu rühren begann, nachdem in freisinnigen katholischen und protestantischen Blättern gegen den „Philippsdorfer Humbug“ zu Felde gezogen wurde, nachdem der frühere Arzt der Visionärin sein Schweigen brach und in einer Zeitschrift der Gegend erklärte, daß ihm die Kranke seit fast vier Wochen eine Besichtigung ihrer Wunden verwehrt habe – „aus Schamgefühl“, meint der Pater –, daß der Ausschlag weder Ekzem noch Krebs, sondern ein allerdings selten vorkommender Blasenausschlag von „weit geringerem Umfange, als in mehreren öffentlichen Blättern angegeben“, und keineswegs absolut unheilbar gewesen sei, die übrigen krankhaften Zustände der Magdalena Kade aber einfach den Charakter der Hysterie getragen haben, die bekanntlich den Kranken mancherlei Leiden vorspiegelt und einbildet, welche in Wirklichkeit nicht bestehen. Gegen solche Freigeisterei mußte man sich wehren. Zuerst wurden einige „Philippsdorfer Freunde der Wahrheit“ – wer in Philippsdorf die Feder zu führen versteht, ist freilich schwer zu begreifen – angefeuert, „scharf zu entgegnen“, und hierauf der Bezirksvicar und Oberpfarrer von Georgswalde, welchem die ganze Geschichte sehr wenig erbaulich gewesen zu sein scheint, der indeß, wie ich vielfach vernahm, „von maßgebender Stelle“ bedeutet wurde, aus seiner Reserve herauszutreten, zur Abfertigung „eines naseweisen Kritikers“ gedrängt, der sich vermessen hatte, in dem Hauptorgane des ganzen Bezirkes, der „Reichenberger Zeitung“, rundheraus zu behaupten, dergleichen Wunder seien der heutigen Naturwissenschaft unerklärlich, darum undenkbar und unmöglich.
Noch eine Weile währte das Geplänkel auf beiden Seiten, bis endlich die Zweifler schwiegen, vermuthlich weil sie von Neuem erkannten, daß mit der Dummheit und – Lügenhaftigkeit auch die Götter selbst vergeblich kämpfen. Der Herr Caplan aber lachte sich in’s Fäustchen, sein „Wunder“ gedieh über alle Erwartung, wenn es auch officiell noch kein Wunder war. Aus Böhmen, Sachsen, Schlesien, ja selbst aus viel größerer Entfernung zogen die Pilger in immer dichteren Haufen heran und „in der Gemeinde Georgswalde nahm durch das Philippsdorfer Ereigniß die Verehrung der Gottesmutter von Tage zu Tage zu“, je mehr man von anderer Seite „die Georgswalder als Bewohner des Sitzes der Bigotterie und die Wallfahrten zu dem ‚Wunderhaus‘ als ‚Unfug‘ und ‚Fanatismus‘ zu verspotten anfing.“ Inzwischen war auch von Leitmeritz eine bischöfliche Untersuchungscommission eingetroffen. Volle acht Tage lang hat sie, und zwar täglich acht bis zehn Stunden, conferirt, Zeugen vernommen und geschrieben, „mit der größten Vorsicht und Geduld“ dabei zu Werke gehend, und ihr Referat in einem Actenstücke von sechsundvierzig Bogen niedergelegt. „Die Untersuchung,“ schreibt Herr Storch, „wollte kein Präjudiz für ein Wunder schaffen, das sieht Jedermann ein,“ allein ganz ebenso wird es aller Welt klar sein, wie die oberhirtliche Entscheidung auf dieses voluminöse Protokoll ausfallen mußte. Ob dieselbe bereits erfolgt, ob das Wunder bischöflich als Wunder bestempelt und besiegelt worden ist, habe ich aus den mir vorliegenden Druckschriften über die Sache und mündlichen Erkundigungen nicht erfahren können.
Und immer zahlreicher wurden die „Heilungen Schwerkranker, jahrelang Leidender“, welche die „Gnadenstätte“ vollbrachte. Schon im Monat Mai mußten Webstühle, Hausrath und Ofen aus der „auserwählten“, nun mit Altar, Kerzen und Bildern geschmückten Webstube hinausgeräumt werden, weil sie sonst den von Tag zu Tage steigenden Besuch von andächtigen Pilgern nicht zu fassen vermocht hätte. Dennoch warteten immer noch Hunderte draußen vor dem Häuschen, bis auch an sie die Reihe kam, den geweihten Raum betreten zu dürfen. An einzelnen Tagen waren die ankommenden Wallerschaaren nur nach Tausenden zu zählen und Processionen mit Musik, Gesang und Fahnen nahmen kein Ende.
Der Krieg von 1866 drohte zwar, das blühende Wundergeschäft etwas beeinträchtigen zu wollen, selbst der fromme Caplan scheint so etwas gefürchtet zu haben. Doch mit Nichten. Die Gnadenstätte wirkte neues Wunder: Maria schützte die Gegend vor dem Feinde und bewahrte sie vor den Schrecken des Krieges. Nicht der Feldzugsplan des Generals von Moltke war schuld, daß sich das Gewitter des Kampfes nicht über dem heiligen Philippsdorf entlud, sondern daß die feindlichen Heere fern ab bei Königsgrätz und Sadowa auf einander geriethen, – nein, Niemand anders als die „heilige Gottesmutter“, welche nun einmal für dies kleine Philippsdorf ihre Schwäche hatte. Sie hatte es anzuordnen gewußt, daß „die ersten feindlichen Vorposten, die Ende Juni in der Gegend einbrachen – katholische Rheinländer“ waren, von denen gar manche „die Gnadenstätte besuchten, um sich dem Schutze der Gottesmutter zu empfehlen.“ Auch von allen Nachwehen des Krieges, von Hungersnot und Seuche blieb Philippsdorf verschont, Alles nur – Pater Storch hebt es ausdrücklich hervor – wegen der heiligen Gnadenstätte, welcher die gebenedeite unter den Jungfrauen ihren besonderen Schutz angedeihen ließ.
Man blieb übrigens bei der schon erwähnten Ausschmückung der ehemaligen Webstube nicht stehen. „Gewiß war es auch eine höhere Fügung, daß ein großmüthiger, doch ungenannt sein wollender Wohlthäter“ dem eifrigen Förderer des Wunders die Summe von nahezu viertausend Gulden übergab, damit dieser das Häuschen, mit dem zu ihm gehörenden Areal von dem Bruder seiner Clientin käuflich erwerben und in geistlichen Besitz bringen könnte, um „jedem niedrigen Eigennutze vorzubeugen“ und für immer eine „dem Zwecke des Gebetes geweihte Stätte“ zu gründen. Auch dies ist nur ein vorläufiger Schritt; das Häuschen soll nämlich niedergerissen und auf dem Grunde desselben eine Kirche erbaut werden. Dazu hat „die hülfreiche Fürbitte Maria’s“ schon recht erkleckliche Beiträge fließen machen; einmal hat die Pfarrgemeinde Georgswalde eine freiwillige „marianische“ Subscription eröffnet, und sodann sind von nah und fern unablässig und manchmal sehr erhebliche Spenden eingelaufen, im Ganzen bis zum Schlusse des vorletzten Jahres schon fast vierundvierzigtausend Gulden, so weit Herr Storch in seinem dritten Hefte „Maria, das [331] Heil der Kranken“ darüber Rechenschaft ablegt. Ein frommer Künstler in Wien hat außerdem sämmtliche Zeichnungen zu dem beabsichtigten Kirchenbaue unentgeltlich geliefert und will den Bau des neuen Loretto, eines Gotteshauses und der eigentlichen Bet- und Gnadencapelle, persönlich leiten, – ein Vorhaben, zu dessen glücklicher Vollbringung er „mehrmals an der Gnadenstätte knieend zur heiligen Jungfrau um Beistand gebetet hat.“ Noch im Laufe des heurigen Sommers soll das Werk beginnen, das unter solchen Auspicien sicherlich gelingen muß.
Ein Theil der Bruchsteine und Sandsteinquadern, von verschiedenen Einwohnern in Georgswalde ebenfalls als Scherflein zu dem rühmlichen Unternehmen gestiftet, liegt schon an Ort und Stelle bereit und harrt seiner Verwendung. Diese Steinhaufen, die sich wie ein Wall um das Grundstück ziehen, waren das Erste, was ich von der „Gnadenstätte“ zu Gesichte bekam.
„Schau’n ’s die Steine dort,“ sagte der aufgeweckte Rumburger Bursche, der meinen Führer abgegeben hatte, als wir beim österreichischen Mauthamte in Gersdorf auf den freundlichen Wanderort hinabblickten. „Da drinnen steht halt das Bethäusl.“
In wenigen Minuten war das Ziel erreicht. Mitten auf einer im ersten Grün des Frühlings prangenden Wiese stand der mehr als simple Bau aus Brettern mit einem Strohdach, nichts als ein Erdgeschoß und nach Landessitte einen engen Stall für eine etwaige Ziege nebst einer angebauten winzigen Scheuer umschließend. Vor dem Hause erhob sich ein gewaltiger, prachtvoller Birnbaum, der alle seine Brüder rundum überragte. Er hatte sich in seinen alten Tagen noch gefallen lassen müssen, zum Bilderstock zu werden; denn auch an seinem Stamme waren, ebenso wie an der äußeren Wand der Hütte, etliche grellfarbige Heiligenschildereien sammt verschiedenen Lampen angebracht. Weiter links hatte sich eine Art Markt angesiedelt, aus acht bis zehn Buden bestehend, die, in gemüthlicher Eintracht, Bäckerwaaren und allerhand geweihte Gegenstände, Crucifixe, Rosenkränze, Kerzen, Weihwasserbecken, Gebetbücher und dergleichen feilboten. Weiterhin gab es Bier- und Weinschenken, Branntwein- und Kaffeehäuser, und Gasthöfe zur Auswahl – Alles eine Frucht des Wunders, denn vor demselben hatte sich Philippsdorf solcher Segnungen der Civilisation nicht zu erfreuen gehabt.
Um erst ein wenig das Terrain zu sondiren, trat ich zunächst in das Dießner’sche Wein- und Bierhaus, das stattlichste der Umgebung, ein. Es war noch früh am Tage, allein wie überall in Böhmen fehlte es in der ungelüfteten schwülen Stube an Zechern nicht. Der Wirth schien mir ein Schlaukopf ersten Ranges zu sein, welcher die Frömmigkeit zweckmäßig mit dem Geschäft verband. Vorsichtigst suchte ich ihn denn auszuholen, was er selbst von dem wundersamen Begebniß meine. Geschickt wich er einer directen Antwort aus.
„Schaun’s,“ sagte er mit einem verschmitzten Lächeln, „ich hab’ halt die Wunden der Magdalen’ nit gesehn, aber jetzt weiß i, daß sie umherspringt gesund wie der Fisch im Wasser. Und wenn der Herr Caplan die Sach’ glaubt, der ein g’studirter Mann ist, und wenn alle Tage feine Herrschaften ankommen, die die G’schicht’ auch glaub’n, was kann mir’s schaden, wenn ich’s glaub’?“
Geschadet hat dem biedern Gastwirth sein Glaube freilich nicht. Aus Polen, aus Frankreich, ja sogar einmal ein katholischer Bischof aus dem äußersten Nordwesten von Amerika, von der Vancouverinsel, sind sie gekommen und haben bei Dießner gewohnt oder doch gegessen und getrunken, und seine Taschen sind nicht leerer geworden dadurch. Eben war eine „gebildete“ Familie aus Wien und eine andere aus der Gegend von Teplitz bei ihm, um an der heiligen „Gnadenstätte“ die Novene, d. h. die neuntägige Andacht, zu verrichten. Der Säckel des Herrn Caplan und der übrigen geistlichen Herren in Georgswalde hat durch das Wunder auch keine Einbuße erlitten, denn die meisten der frommen Waller sind erst vor seinem oder seiner Amtsbrüder Beichtstuhl erschienen, ehe sie im Bethäuschen von Philippsdorf die Gottesmutter verehrten. Da kann man schon im Jahre etwa fünfhundert Briefe beantworten, welche, wie Pater Storch berichtet, durchschnittlich in der Wunderangelegenheit bei ihm einlaufen, zumal, wenn sie mit baaren Spenden beschwert sind.
„Kann ich wohl die Jungfer Kade sprechen?“ frug ich weiter.
„G’wiß, wenn sie nit halt schon zur Kirch’ nach Georgswalde gegangen ist. Gehn ’s lieber gleich ’nüber und klappern Sie an der Thür,“ lautete die Antwort.
Ich begab mich, meinen „Stamper“ weißen Oesterreicher unberührt stehen lassend, zur Gnadenstätte und „klapperte“ an der Thür zur Linken des engen Hausflurs.
„Ist die Jungfrau Magdalena zu sprechen?“ rief ich höflich durch die Thür hinein.
„Net!“ ward mir der peremptorische Bescheid.
Vorläufig also abgewiesen, überschritt ich jetzt die Schwelle des eigentlichen Heiligthums, aus welchem mir, von zahlreichen Stimmen gebetet, der Rosenkranz entgegentönte. Es war zum Ersticken angefüllt von Andächtigen, Männern so gut wie Frauen. Theils saßen sie auf den rundum laufenden Holzbänken, theils knieten sie mitten im Zimmer oder auf der zu dem improvisirten Altar führenden Stufe. Die Mehrzahl waren Landleute aus der Gegend, aber auch städtische Elemente sah ich darunter, so die „gebildete“ Wiener Familie. Längs der Wände waren höchst primitive Bilder, Buntdruck, Oelpinseleien, ausgemalte Lithographien und Photographien, eines dicht an dem andern in doppelter Reihe angebracht, während sich die fünf Holzbalken, welche die Decke stützten; ebenfalls bis zum Uebermaße mit geschmacklosen Kränzen von bunten Papierblumen behangen zeigten, zwischen die man die kleinsten „Votivbildchen“ gruppirt hatte. Eine Farbenstellung, welche dem Auge förmlich wehe that!
Zur rechten Seite des Altars bemerkte ich einen eigenthümlichen viereckigen Kasten, der mir der Hauptmagnet des Ganzen zu sein schien, so sehr ward er von Betenden umkniet und geküßt. Nicht ohne Mühe schlug ich mich bis zu dem Platze durch die mich verblüfft anstarrende Menge. Ich sah einen in den Fußboden eingefügten Marmorstein, auf welchem eingegraben stand: „Mein Kind, von jetzt an heilt’s!“ jene Worte, welche, wie berichtet, die Jungfrau Maria an die kranke Magdalena richtete. Der Stein selbst war von einem sammetnen Kasten beschützt, auf dessen jetzt aufgeschlagenem Deckel in Goldschrift zu lesen war: „Maria, du Heil der Kranken“. Das Monument bezeichnete die Stelle, wo der Leidenden die Gestalt der Gottesmutter erschien; selbstverständlich ist dieser Platz das Allerheiligste im Heiligthume. An ihm zu beten, ihn mit seinen Lippen zu berühren, kranke Körpertheile mit ihm in Contact zu bringen oder auch nur Tücher, Kleidungsstücke, Wundenbandagen etc. abwesender Leidenden auf ihn zu legen, drängt sich Alles. Von hier gehen ja jene „wunderbaren Heilungen“ aus, von denen Pater Storch in seinen drei Heften so viel zu berichten weiß.
Nach dieser Atmosphäre erschien mir das dumpfe Gasthofszimmer, wohin ich mich bald zurückrettete, als ein leibhaftiger Luftcurort.
„Nun, haben ’s die Jungfer Magdalen’ gesehn?“ rief mir Biedermann Dießner gleich beim Eintreten entgegen.
Kopfschüttelnd erzählte ich von der mir zu Theil gewordenen Abfertigung.
„Ach, was,“ versetzte der Wirth, „so müss’n ’s halt nit sprechen. Gehen ’s glei noch eimal hinüber und sagen ’s, Sie wollten die Hefteln (die zum Besten des Kirchenbaues verkauften, oft citirten Schriften Pater Storch’s) hab’n; da wird sie Ihnen schon aufsperren.“
Ich verfügte mich wieder zur Gnadenstatt hinüber. Mein schlauer Dießner hatte Recht gehabt. Sein Sesam wirkte. Magdalena Kade that mir die Thür ihres jungfräulichen Gemaches auf, das ihr, nach dem Ankauf des brüderliche Hauses, als Leibgedinge überwiesen ist. Gott im Himmel, dachte ich, hätte man statt zum gräulichen Ausputz des Betzimmers ein paar Gulden daran gewandt, die Stube der „Gottbegnadeten“ weniger zu einer Einsiedlerzelle als zu einer menschenwürdigen Wohnung herzurichten! Es fehlte dem niedrigen kleinen Raum auch an jedem, selbst dem allernothdürftigsten Comfort; keine Diele, nur Ziegelfußboden, über den ein paar Lumpen als Decken lagen, kein ordentlicher Stuhl, kein Tisch, kein Schrank, nichts von alledem. Doch vielleicht sollte diese Aermlichkeit den Nimbus der „Gottbegnadeten“ erhöhen.
Jungfrau Kade hatte sich soeben zur Kirche angekleidet; recht schmuck und sauber in schwarze Gewandung. Sie ist eine magere Gestalt von mittlerer Größe, ihr Gesicht nichtssagend und stumpf, hager, aber von gesunder rother Farbe. Den Kopf bedeckte dünnes blondes Haar, nach hinten à l’enfant gekämmt. Den Eindruck einer Betrügerin oder einer exaltirten Schwärmerin machte sie nicht im Entferntesten, wohl aber schien sie mir ganz [334] die Person zu sein, welche in bornirter und stupider Bigotterie in den Händen ihres Beichtvaters sich zu Allem gebrauchen läßt. In einem jeglicher beleckenden Cultur entbehrenden Dialecte antwortete sie auf meine Frage, ob sie sich fortwährend wohl befinde:
„Die heilige Jungfrau Maria hat mi g’heilt.“ Weiteres brachte ich nicht aus ihr heraus. Sie wiederholte stehend diese Antwort. Dann kramte sie geschäftig in einem mit allerhand Plunder gefüllten Kasten umher und brachte endlich die von mir begehrten „Heftele“ zum Vorschein. Ich legte eine Anzahl blanker Zehner auf den Tisch. Meine Zahlung mochte ihre Erwartungen übersteigen, denn sie durchwühlte noch einmal das Chaos ihres Kastens und zog eine kleine photographische Nachbildung des vornehmsten Gemäldes im „Betstüble“, Maria die Immaculata darstellend, hervor.
„Da, nehmen’s das zum Andenken an die Gnadenstätt’ mit,“ sprach sie, mir das Kunstwerk überreichend, „und jetzt b’hüt’ Sie die allerheiligste Jungfrau.“
Damit entließ mich das Wundermädchen von Philippsdorf, an welchem mir als das einzige Wunderbare erscheint, daß die Mutter Jesu gerade es in so besondere Affection genommen hat. „Unsereinem freilich,“ meinte der brave Dießner, „passirt so etwas nicht, weil wir nicht in Glauben stehen.“ –
Als ich am Nachmittag von meiner „Wallfahrt ohne Heiligenschein“ wohlbehalten in meinem Rumburger Wirthshause wieder anlangte, frug mich die runde Besitzerin desselben:
„Nun, haben’s sich den ganzen Philippsdorfer Scandal mit ang’schaut?“
Diese Frage drückte die Ansicht des gesammten aufgeklärten Theils der Bevölkerung der Gegend aus, und dieser bildet zum Glück nicht die Minderzahl derselben. Das Philippsdorfer Wunder ist in der That ein Scandal, welcher der ganzen Landschaft zur Schande gereicht. Auch mehrere unbefangene Geistliche des Bezirks haben die Sache ohne Weiteres als solchen anerkannt. So hat, wie ich aus zuverlässiger Quelle erfuhr, unter andern der zuständige Priester von Nixdorf, auch einem der kleinen Industrieorte Nordböhmens, seiner Gemeinde jedwede Wallfahrtsprocession nach der neuen „Gnadenstätte“ ausdrücklich untersagt.
Die an der Gnadenstätte bewirkten Heilungen sind mannigfaltiger Natur, betreffen indeß meistens Frauen und Mädchen aus Philippsdorf und Georgswalde, die mit „Krämpfen“ behaftet, lange Zeit leidend gewesen und nun plötzlich gesund und frisch von dem Wunderorte heimgewandelt sind. An ärztlichen Ausweisen – man achte wohl auf dieses Hauptmoment! – fehlt es in allen diesen Fällen fast gänzlich, und es dürfte schwer zu entscheiden sein, in wie weit die erwähnten Leiden in die Kategorie der Einbildung, der Simulirung und des Selbstbetrugs gehören.
Daß aber sogar der „bekannte Professor Bock in Leipzig“, der leibhaftige Bock der Gartenlaube, von dem hochwürdigen Stiftscaplan als Autorität citirt wird, dürfte jenen selbst und die Leser unseres Blattes nicht wenig amüsiren. Der Arzt des Wundermädchens hatte, wie erwähnt, nach der Behauptung des Paters, die „geheimnißvolle“ Krankheit für ein Ekzem erklärt – eine Behauptung, welche der Doctor in seiner öffentlichen Entgegnung nachher entschieden in Abrede stellt. Nun wußte der gute Caplan nicht, was das fremde Wort bedeute, scheute sich jedoch, als studirter Mann, den Arzt nach dem Sinne des medicinischen Ausdrucks zu fragen. Da finden er und die anderen Geistlichen von Georgswalde „die deutsche Bedeutung des Wortes Ekzem in einem medicinischen oder vielmehr anatomischen Werke des bekannten Leipziger Professors Dr. Bock als Bläschengeflechte bezeichnet.“ So verirrt sich denn „das Buch vom gesunden und kranken Menschen“ auch bis in die wunderschaffende Stiftscaplanei von Georgswalde und hilft den frommen Vätern „auf den Trichter“.
Und das Endurtheil über das Wunder von Philippsdorf? Die Eingangsworte meiner Skizze enthalten es: „Der Unsinn ist unsterblich!“ Aber ein Jeder von uns hat die Pflicht, sein Scherflein dazu beizutragen, daß dieser Satz hinfällig werde und daß allenthalben auf Vernunft und Wissen gebaute Erkenntniß jenen auf Unkenntniß und Denkfaulheit sich gründenden blinden Glauben verdränge, dessen liebstes Kind das – Wunder ist.
Mögen diese Zeilen ein solches Scherflein werden!