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Die Ahnfrau von Ranzau

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Textdaten
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Autor: Brüder Grimm
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Titel: Die Ahnfrau von Ranzau
Untertitel:
aus: Deutsche Sagen, Band 1, S. 51–54
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1816
Verlag: Nicolai
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Erscheinungsort: Berlin
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Quelle: Google, Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: [1]
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[51]
41.
Die Ahnfrau von Ranzau.
Seyfried in medulla p. 481. Nr. 10.
vgl. Prätor. Weltbeschr. I. 104. 105.

In dem hollsteinischen adlichen Geschlecht der von Ranzau gehet die Sage: eines mals sey die Großmutter des Hauses bei Nachtzeit von der Seite ihres Gemahls durch ein kleines Männlein, so ein Laternlein getragen, erweckt worden. Das Männlein führte sie aus dem Schloß in einen hohlen Berg zu einem kreißenden Weib. Selbiger legte sie auf Begehren die rechte Hand auf das Haupt, worauf das Weibchen alsbald genas. Der Führer aber führte die Ahnfrau wieder zurück ins Schloß und gab ihr ein Stück Gold zur Gabe mit dem Bedeuten, daraus dreierlei machen [52] zu lassen: funfzig Rechenpfennige, einen Hering und eine Spille, nach der Zahl ihrer dreien Kinder, zweier Söhne und einer Tochter; – auch mit der Warnung: diese Sachen wohl zu verwahren, ansonst ihr Geschlecht in Abnahme fallen werde.


Vollständiger und genauer ist diese Sage in einer französischen Novellensammlung enthalten, die zu Brüssel 1711. unter dem Titel: l’amant oisif herauskam und steht daselbst in der vorletzten Erzählung p. 405–411. la comtesse de Falinsperk (? Falkenberg), nouvelle allemande, folgendes Inhalts:

Die neuvermählte Gräfin, welche aus einem dänischen Geschlecht abstammte, ruhte an ihres Gemahles Seite, als ein Rauschen geschah: die Bettvorhänge wurden aufgezogen und sie sah ein wunderbar schönes Fräuchen, nur ellnbogengroß mit einem Licht vor ihr stehen. Dieses Fräuchen hub an zu reden: „fürchte dich nicht, ich thue dir kein Leid an, sondern bringe dir Glück, wenn du mir die Hülfe leistest, die mir Noth thut. Steh auf und folge mir, wohin ich dich leiten werde, hüte dich etwas zu essen von dem, was dir geboten wird, nimm auch kein ander Geschenk an, außer das was ich dir reichen will und das kannst du sicher behalten.“

Hierauf ging die Gräfin mit und der Weg führte unter die Erde. Sie kamen in ein Gemach, das flimmerte von Gold und Edelstein und war erfüllt mit lauter kleinen Männern und Weibern. Nicht lange, [53] so erschien ihr König und führte die Gräfin an ein Bett, wo die Königin in Geburtsschmerzen lag, mit dem Ersuchen ihr beizustehn. Die Gräfin benahm sich aufs beste und die Königin wurde glücklich eines Söhnleins entbunden. Da entstand große Freude unter den Gästen, sie führten die Gräfin zu einem Tisch voll der köstlichsten Speisen und drangen in sie zu essen. Allein sie rührte nichts an, eben so wenig nahm sie von den Edelsteinen, die in goldnen Schalen standen. Endlich wurde sie von der ersten Führerin wieder fortgeführt und in ihr Bett zurückgebracht.

Da sprach das Bergfräuchen: „du hast unserm Reich einen großen Dienst erwiesen, der soll dir gelohnt werden. Hier hast du drei hölzerne Stäbe, die leg unter dein Kopfküssen und morgen früh werden sie in Gold verwandelt seyn. Daraus laß machen: aus dem ersten einen Hering, aus dem zweiten Rechenpfennige, aus dem dritten eine Spindel und offenbare die ganze Geschichte niemanden auf der Welt, außer deinem Gemahl. Ihr werdet zusammen drei Kinder zeugen, die die drei Zweige eures Hauses seyn werden. Wer den Hering bekommt, wird viel Kriegsglück haben, er und seine Nachkommen; wer die Pfennige, wird mit seinen Kindern hohe Staatsämter bekleiden; wer die Kunkel, wird mit zahlreicher Nachkommenschaft gesegnet seyn.“

Nach diesen Worten entfernte sich die Bergfrau, die Gräfin schlief ein und als sie aufwachte, erzählte sie ihrem Gemahl die Begebenheit, wie einen Traum. [54] Der Graf spottete sie aus, allein als sie unter das Kopfkissen griff, lagen da drei Goldstangen; beide erstaunten und verfuhren genau damit, wie ihnen geheißen war.

Die Weißagung traf völlig ein und die verschiedenen Zweige des Hauses verwahrten sorgfältig diese Schätze. Einige, die sie verloren, sind verloschen. Die vom Zweig der Pfennige erzählen: einmal habe der König von Dänemark einem unter ihnen einen solchen Pfennig abgefordert und in dem Augenblick wie ihn der König empfangen, habe der, so ihn vorher getragen, in seinen Eingeweiden heftigen Schmerz gespürt.