Die Anfänge des Geldes

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Autor: Wilhelm Hasbach
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Titel: Die Anfänge des Geldes
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aus: Die Gartenlaube, Heft 11, S. 179–182
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1883
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Die Anfänge des Geldes.

Wie sinnig hat unsere Muttersprache das Wort für jenes Gut gewählt, mit welchem wir alle anderen Güter in der menschlichen Wirthschaft eintauschen! Sie nennt es Geld, weil es überall gilt. Am Faden dieses Gedankens findet man sich im Labyrinthe des Geldbegriffes leicht zurecht, der nach der Bemerkung eines englischen Schriftstellers viel mehr Menschen verrückt gemacht habe, als die Liebe!

„Aber was gilt denn überall,“ wird man fragen, „da Datteln, Stockfisch, Salz, Felle, Vieh einmal Geld gewesen sind?“ Die Antwort wäre leicht. Doch – versetzen wir uns einige Augenblicke in eine Ansiedelung im fernen Westen, dann wird eine Antwort überflüssig sein.

Ueber das fruchtbare Thal zerstreut wohnen einige Dutzend Ansiedler. Nach und nach haben sich ein Schmied, ein Schneider, ein Schuster eingefunden und hantiren mit dem Blasebalge, der Elle und dem Pechdrahte. Darauf kam ein junger Arzt. Ja zuletzt hat dort ein Setzer eine Zeitung gegründet. Die Ansiedler sind weit vom Markte entfernt. Sie erhalten nur selten kingende Münze für ihre Waaren, und wenn der Schmied, der Schuster und der Schneider für die Farmer arbeiten, dann bekommen sie Getreide, Kartoffeln, ein fettes Schwein für ihre Schuhe, ihre Nägel, ihre Schlösser und Röcke. Bei dem Arzte sammelt sich eine wilde Collection von Weizen, Stiefeln, Hosen, Schuhnägeln und Kartoffeln an. Der Setzer versteht es, sich mit Geschick in die Culturverhältnisse vergangener Jahrhunderte zu versetzen. Er kündet auf dem Titelblatte seiner Zeitung an, daß ein Jahresabonnement ein Paar Stiefel oder drei Hektoliter Weizen oder fünftausend Schuhnägel oder ein Dutzend ärztliche Besuche koste. Bis jetzt sieht das noch ganz lustig aus. Aber es häufen sich Schwierigkeiten auf Schwierigkeiten. Wie viel Pfund Kartoffeln ist ein Recept werth? Wie viel Centner Getreide ein Anzug? Wie viele Hufnägel gehen auf eine gute Weste? Wenn die Leute in der Colonie nun daran denken, daß es ihnen in Europa leicht wurde zu sagen, wie viel ein jeder Gegenstand werth war, dann kommen sie zur Erkenntniß einer Seite des Geldes, die wir in unseren civilisirten Zuständen meistens übersehen, daß es nämlich der allgemein geltende Werthmaßstab ist, daß wir an ihm den Preis der Dinge messen, wie wir am Pfunde ihre Schwere, am Meter ihre Länge messen. Von welcher Bedeutung das ist, wird man sich unschwer vorstellen können, wenn man es versucht, zehn Dinge, die man um sich hat, an einander abzuschätzen. Drückt man ihren Werth in Geld aus, so braucht man nur zehn Preisangaben, mißt man ihren Werth aber an einander, dann hat man fünfundvierzig Werthangaben nöthig.

Dann kommt eine zweite Schwierigkeit. Der Schuster hat unglücklicher Weise am Schmied seinen besten Kunden, weil er die meisten Stiefel zerreißt, hier und da ein Schurzfell braucht, aber der Schmied kann ihm dafür nur immer wieder Schlösser und Schuhnägel liefern. Der Schuhmacher müßte ja verhungern, wenn er nur immer Nägel erhielte. Getreide ist ihm jedenfalls lieber, davon kann er sich Brod backen, wenn es auch vorkommen mag, daß er zu viel erhält, es nicht wieder los wird und sich Leder dafür anzuschaffen nicht im Stande ist. Bei diesen und ähnlichen Vorkommnissen werden auch die Leute im fernen Westen durch eine Vergleichung mit den Zuständen in Ländern mit Gold- und Silbergeld der Annehmlichkeit bewußt werden, etwas für ihre Mühe zu erhalten, wofür überall ein Bedürfniß vorhanden ist, was leicht von Hand zu Hand wandert, was überall gilt. Sie fühlen das Bedürfniß eines allgemeinen Tauschmittels. Wir köunen es nun leicht verstehen, daß in verschiedenen amerikanischen Colonien der Tabak lange Zeit als allgemeines Tauschmittel, als Geld gebraucht wurde.

Doch wir sind mit den Schwierigkeiten noch nicht zu Ende. Der Arzt hat dem Schneider einmal im Jahre ein Recept zu verschreiben. Nun rechnet der Schneider, daß zwanzig ärztliche Besuche auf einen Rock gehen. Was soll da geschehen? Soll der Rock in zwanzig Theile getheilt und ein Theil dem Arzte ausgezahlt werden? Dann hätte der Rock gar keinen Werth mehr. Wie viele Vorzüge hat da das Metallgeld! Die kleinsten Beträge bis auf den Pfennig herunter und die höchsten bis in die Milliarden hinauf lassen sich durch eine Stufenleiter von Münzen berichtigen. Der Stoff, welcher zur Würde des Geldes erhoben werden soll, muß aber leicht theilbar sein. Und nun kommen wir zur letzten Schwierigkeit.

Man denke sich, daß der Zeitungsverleger in einer Gegend lebt, wo hauptsächlich Baumfrüchte gezogen werden. Für sein Blatt werden ihm die Kirschen centnerweise in’s Haus geschickt. Was soll er damit machen? Sie alle essen oder verfaulen lassen? Die Nutzanwendung liegt auf der Hand. Der Geldstoff muß leicht aufbewahrt werden können.

Was überall gelten soll, muß also drei Anforderungen entsprechen: sein Besitz muß erstens von Allen oder den Meisten erstrebt werden, es muß zweitens leicht theilbar und drittens dauerhaft sein. Der Gegenstand, welcher diesen Anforderungen in einem bestimmten Lande, zu einer bestimmten Zeit am meisten entspricht, wird allgemeines Tauschmittel, und der Preis aller Sachen wird in ihm festgesetzt. Er wird Geld. Nun sind die Bedürfnisse und die Naturproducte in verschiedenen Ländern verschieden, ebenso verschieden wird der Geldstoff sein.

Beobachten wir zunächst, welchen Einfluß das zwingendste Bedürfniß, der Hunger, in Ländern mit verschiedenen Producten hat. An den westlichen Abhängen des Hochlandes von Anahuac ist die Heimath der Cacaobohne. Cacao war das Nationalgetränk der Mexicaner. Die Bohne entsprach also einem allgemeinen Bedürfnisse. Sie läßt sich bekanntlich leicht aufbewahren. Eine einzige Bohne hat geringen Werth, aber da ihre Zahl einer unberechenbaren Zunahme fähig ist, können mit Cacaobohnen auch werthvolle Gegenstände bezahlt werden. Wir können uns daher nicht darüber wundern, daß sie den Mexicanern als Geld gedient hat.

Dasselbe trifft bei der Dattel zu. Wer hat niemals von den Lobsprüchen der Orientalen auf die Datteln gehört? Eine gute Hausfrau, heißt es, kann einen Monat lang ihrem Hausherrn jeden Tag eine neue von Datteln bereitete Speise vorsetzen. Sie ist denn auch in der Oase Siwah in Afrika und in verschiedenen Theilen Persiens Geld gewesen. Das Dattelgeld eröffnet uns einen eigenthümlichen Blick auf die Weise, wie sich im Leben die Erscheinungen an einander reihen. Als später in Persien Metallgeld geschlagen wurde, hatten die ersten Münzen die Gestalt eines Dattelkerns.

Auf ähnliche Betrachtungen führt uns der Kabeljau, der bekanntlich in großen Mengen auf der Bank von Neufundland gefangen wird. Wenn man bedenkt, wie sehr wilde Völker, ja die Fischer in unserer Zeit auf Fischnahrung angewiesen sind, wie leicht sich der Kabeljau aufbewahren läßt, da er gesalzen, getrocknet, getrocknet und gesalzen werden kann, mit wie geringer Mühe das Thier in die kleinsten Theile zu zerlegen ist, dann wird man in Papiergeldländern geneigt sein, die Neufundländer um ihr gutes Stockfischgeld zu beneiden.

Wenden mir uns nun von der unwirthlichen Insel im atlantischen Ocean nach den Hochebenen des inneren Asiens und nach Sibirien! Dort sehen wir den Thee in Ziegelform als Geld von Hand zu Hand wandeln, was wir bei den Eigenschaften des Thees (Dauerhaftigkeit und Theilbarkeit) und dem allgemeinen Bedürfniß nach demselben fast selbstverständlich finden.

Was wäre die beste Speise ohne die einfachste, die älteste Würze, das Salz? Erwägt man, daß Reich und Arm es gebrauchen muß, daß es leicht theilbar und dauerhaft ist, dann erblickt man gar nichts Befremdendes darin, es in vielen Erdstrichen, besonders aber in salzarmen Gegenden mit der Würde des Geldes bekleidet zu sehen, so z. B. an der Grenze von China und Birma und besonders im inneren Afrika. Wie der Thee in Ziegelform von bestimmter Größe gepreßt wird, damit an ihm leicht alle Gegenstände gemessen werden können, so giebt man dem Salze die Form einer Tafel oder eines Barrens von conventionellem Umfang. Kleine, längliche Salzwürfel haben in manchen Gegenden Afrikas ungefähr den Werth von 5 Pfennig.

Dem Nahrungsbedürfniß giebt das Bedürfniß nach warmer Kleidung in kalten Gegenden nichts nach. Die Jägervölker bieten das Schauspiel, daß dieses Bedürfniß und der Charakter ihres Erwerbes über den Geldstoff entscheiden. Was ist auf diesen niedrigen Culturstufen das Wünschenswertheste und Dauerhafteste? [180] Nicht die Speise, das Fleisch der Thiere, das die Menschen sich auf täglicher Jagd in Wald und Wasser spielend erwerben, sondern das Fell der Thiere. In Felle kleidet sich der Jäger; auf Fellen schläft er, und gegen Felle kann er von den umherziehenden Händlern Branntwein, Messer, Büchsen eintauschen. Es ist daher nur natürlich, daß die Jägervölker ein Fell- und Pelzgeld besitzen. Aber sind Felle leicht theilbar? Das nicht, aber es giebt Felle von verschiedenem Werthe. Für einen Gegenstand von geringem Werthe giebt man das Fell eines minderwerthigen Thieres, Das Fell einer seltenen Bestie gilt so viel wie mehrere Felle einer gewöhnlichen. Man sehe sich folgende Gleichung an: 12 Marderfelle = 4 Biberfelle = 2 Fuchsfelle = 1 Fell eines schwarzen Fuchses. Liest sie sich nicht wie etwa die folgende: 2000 Kupfermünzen = 200 Nickelmünzen = 20 Silbermünzen = 1 Goldstück (20 Mark)? Eine Büchse kostet dort 15 Biberfelle. Stellen wir uns einen Indianer vor, der zwar nur 8 Biberfelle besitzt, aber noch anderes Pelzwerk auf Lager hat. Wenn er zu den 8 Biberfellen noch das Fell eines schwarzen Fuchses, eines weißen Fuchses und obendrein 3 Marderfelle legt, dann geht die Flinte in seinen Besitz über.

Selbst in einem großen europäischen Lande, in Rußland, hat das ganze Mittelalter hindurch Pelzgeld bestanden. Hier entwickelte sich nun etwas, was an den Unterschied von Metall- und Papiergeld erinnert. Das Papiergeld hat, wie alles symbolische Geld, nur so lange Werth, wie der Glaube allgemein verbreitet ist, daß man von den Staatskassen baares Geld dafür erhalten kann. In Rußland wurde es Sitte, im Verkehr nicht mehr mit Fellen zu bezahlen, sondern mit kleinen Lederstückchen. Ein Lederstückchen war eine Anweisung auf ein Fell in den öffentlichen Magazinen. Dies Verfahren erleichterte zwar den Verkehr, als jedoch nach der Eroberung des Landes durch die Mongolen die Magazine von diesen in Besitz genommen wurden und die Sieger die Lederstückchen nicht in Zahlung nahmen, waren die Besitzer der Lederstückchen ebenso arm, wie die Inhaber werthloser Actien.

Auf einer ganz anderen Culturstufe stehen die Hirtenvölker, wie wir z. B. die Juden im alten Testamente kennen lernen. Sie legen einen besondern Werth nicht auf das Fell des Thieres, sondern auf das Thier selbst. In großen Heerden von Schafen, Ziegen, Rindern besteht ihr Reichthum. Das Vieh giebt ihnen Nahrung und Kleidung. Die Bedürfnisse des Viehes zwingen sie zu einem langsamen Wandern. Die Natur ihres Erwerbes verleiht ihrem Familien-, ihrem Stammleben sein eigenthümliches Gepräge. Darum ist das Viehgeld bei allen Hirtenvölkern geradezu eine Naturnothwendigkeit. Deutliche Spuren von der Existenz des Viehgeldes zeigen sich in Griechenland, in Rom, bei den Persern, sowie bei den nord- und südgermanischen Völkern. In den allerältesten Zeiten setzten die Gesetzgeber die Bußen und Strafen nicht in Metallgeld, sondern in Vieh fest. Die römische „multa“ war eine ursprünglich in Vieh zu erlegende Strafe. Das geringste Strafmaß war ein Schaf, das höchste dreißig Rinder.

Nach der Einführung des Metallgeldes mußten die Viehstrafen in Geldstrafen umgewandelt werden.

Dieser Culturzustand spiegelt sich deutlich in den Werken des griechischen Dichters Homer. So heißt es an einer Stelle der Ilias:

„Doch den Glaukos erregete Zeus, daß er ohne Besinnung
Gegen den Held Diomedes die Rüstungen, goldne mit eh’rnen
Wechselte, hundert Farren die werth, neun Farren die andre.“

Und in einer andern:

„Peleus Sohn nun setzte noch andere Preise des Kampfes,
Zeigend dem Danaervolk, des mühsam strebenden Ringens:
Erst dem Sieger ein groß dreifüßig Geschirr auf dem Feuer,
Welches an Werth zwölf Rinder bei sich die Danaer schätzten;
Doch dem Besiegten stellt er ein blühendes Weib in den Kampfkreis,
Klug in mancherlei Kunst, und geschätzt vier Rinder am Werthe.“

Daß die Viehgeldperiode tiefgreifend und lang andauernd war, geht allein daraus hervor, daß das älteste Wort der lateinischen Sprache für Vermögen, Geld von dem Worte für Vieh abgeleitet ist. „Pecus“ heißt das Vieh, pecunia das Vermögen, das Geld. Ebenso hat „peculium“ die Bedeutung von Vermögen. „Peculatus“ ist die Unterschlagung von öffentlichen Geldern. Diese Ausdrücke haben sich in den romanischen Sprachen erhalten, so in dem französischen péculat (Cassendiebstahl) und pécule (selbst erworbenes Vermögen). Sprechen wir nicht täglich von pecuniären Verhältnissen? Die gleiche Erscheinung weist die isländische Sprache auf, in welcher Fe (Vieh) Vermögen bedeutet. In Griechenland und in Rom zeigten sich noch Spuren der älteren Periode, als das Metallgeld das Viehgeld verdrängt hatte. Die rohen Geldwürfel der alten Zeit waren in Athen mit dem Bilde eines Stieres, in Rom mit den Darstellungen von Schafen und Rindern geschmückt. Es vollzog sich also ein ähnlicher Proceß, wie wir ihn beim Dattelgeld beobachtet haben.

Zwischen der unteren Wolga und dem Randgebirge der ostasiatischen Hochebene dehnt sich eine weite Steppe aus, welche von den nomadisirenden, heerdenreichen Kirgisen bewohnt wird. Dieses Volk ist deshalb für uns von Interesse, weil es das Tauschmittel der Jägervölker und der Hirtenvölker in sein Geldsystem verwebt hat. Neben Vieh werden Wolfs- und Löwenfelle in Zahlung genommen.

Wenn endlich äußere Umstände ein Wandervolk zur Seßhaftigkeit zwingen, dann muß es Wälder fällen, Gräben ziehen, Sümpfe austrocknen, die Erde roden, Brücken schlagen und Häuser bauen und oft die mühsam errungene Frucht seiner Arbeit mit dem Schwerte in der Faust vertheidigen. Nun werden ihm vor Allem die Metalle wichtig, woraus sich Ackergeräte und Rüstungen verfertigen lassen. In der Wahl des Metalles ist der Mensch nicht frei. Er ist an die Gesteine seines Landes gebunden und von der erworbenen Fertigkeit in der Behandlung der Metalle abhängig.

Aus diesem Grunde umfaßt die Bronzeperiode die ersten Jahrhunderte der europäischen Culturentwickelung, aus jenem bedienten sich die Griechen des Eisens, die Römer des Kupfers zu den erwähnten Zwecken. Leicht vollzieht sich nun der Uebergang zu einem aus unedlen Metallen gefertigten Gelde, da es einem allgemeinen Bedürfnisse entspricht und vor allen anderen Geldstoffen dauerhaft und theilbar ist. Bei den Chinesen und Malayen wird Zinn, in Senegambien Eisen Geld. Auch in Griechenland soll das erste Metallgeld aus Eisen bestanden haben. Die Völker des alten Italiens dagegen wies der Boden der Halbinsel und der frühe Handelsverkehr mit der kupferreichen Insel Cypern auf die Wahl des Kupfers hin. Aus einer Mischung von diesem Metall und von Zinn (Bronze) gossen sie Stücke von länglich viereckiger Form, zwei bis drei Pfund schwer, Würfel ohne Werthzeichen, ohne Gepräge, Stücke von gedrückt elliptischer Gestalt, wie ein im Jahre 1828 bei Volci aufgefundener vergrabener Schatz dargethan hat.

In der allerältesten Zeit sind also die Stücke ohne Gepräge; erst später versieht man sie mit dem Bilde von Thieren. Bei Käufen und Verkäufen werden die Kupferstücke auf der Wage gewogen. Noch später entwickeln sich aus den Metallstücken Münzen, indem der Staat auf den Bronzewürfeln und -barren den nominalen Werth derselben angiebt.

Ihre Bronze nannten die Römer „aes“. Die Abschätzung einer Sache, z. B. die Umwandlung der Vieh- in Geldbußen, der auf eine bestimmte Geldsumme lautende Urtheilsspruch des römischen Richters, hieß in der Sprache „aestimatio“ (ein Wort, dessen erste Silbe „Bronze“ bedeutet). Daher aestimare, estimer, stimare etc. Wer von uns behauptet, daß er nicht genug „ästimirt“ werde, beschwört folglich den Schatten des römischen Bronzegeldes herauf.

Eine ganz andere Wendung werden die Geldverhältnisse eines Volkes, wie das indische, nehmen, dessen Individuen, unter einem sonnigen Himmel, in einem fruchtbaren, aber metallarmen Lande, mit einer Hand voll Reis ihren Hunger stillen und mit einem Schurze ihre Bekeidungsbedürfnisse befriedigen. Der unbeschäftigte Geist sinnt auf glänzenden Körperschmuck. Da bieten sich zunächst die Muscheln dar. Jeder Leser begreift unschwer, daß unter diesen Umständen die Muschel in die Stelle des Geldes gedrängt wird. Thatsächlich benutzt man die Kaurimuschel in weiten Strecken Asiens und Afrikas als Geld. Sie wird in großen Mengen bei den Malediven, südwestlich von Vorderindien, gefunden und nach Bengalen, Siam sowie anderen Ländern des östlichen Asiens verschifft. Der Bestimmungsort der größten Menge ist aber die berühmte Handelsstadt Sansibar, auf der Insel gleichen Namens an der Ostküste von Afrika. Von dort führen arabische Händler sie in den dunklen Erdtheil ein. Schon seit Jahrhunderten scheint sie den Schmucktrieb der Menschen besonders gefesselt zu haben. Denn sie findet sich in Urnen und [182] alten Gräbern in Preußen, Schweden und in England. Im siebenzehnten Jahrhundert herrschte das Muschelgeld in Indien und auf den Philippinen, und noch heutigen Tages gilt es sowohl in Siam, als in dem breiten, Sudan genannten Gürtel, der das mittlere Afrika durchsetzt.

Auch die allmähliche Einführung der Edelmetalle als Geld ist auf die ästhetische Natur des Menschen zurückzuführen. Ihr Glanz, ihr Klang, ihre Schwere, ihre Seltenheit bestimmte sie zunachst zu Luxusgegenständen für Könige und Vornehme und zu Weihgeschenken für die Götter. Ihre Umwandlung aus einem Luxusmittel zu einem allgemeinen Tauschmittel ist eng mit der Entfaltung des Handels verknüpft. Wo ein lebhafter Handel große Werthe aus einem Lande in das andere beförderte, da richtete sich naturgemäß der Sinn der Kaufleute auf ein Zahlungsmittel, in dem man mit geringer Mühe bedeutende Beträge versenden konnte.

Den Bedürfnissen des Handels verdankt also das Edelmetallgeld seine Entstehung. In großen Handelsstädten oder Handelsstaaten hat es seinen Ursprung. Ueberall sehen wir es dem Zuge der Handelsentwickelung folgen, und bei fortschreitender Ausdehnung dieses Zweiges der menschlichen Werthschätzung vollzieht sich der naturgemäße Uebergang von dem minder edlen Metalle (Silber) zu dem edleren (Gold). Von Babylon, Phonicien, Kleinasien setzt es über das ägäische Meer nach Griechenland, dessen frühe Berührung mit der orientalischen Cultur bekannt und durch Schliemann’s Ausgrabungen in Mycenae in ein für unseren Gegenstand noch deutlicheres Licht gerückt worden ist. Allmählich erobert es auch den Wirthschaftsboden des jüngeren Volkes, das berufen sein sollte, ein politisches Band um die Mittelmeervölker zu schlingen. Im Jahre 268 v. Chr. werden die ersten Silbermünzen, sechszig Jahre später die ersten Goldmünzen in Rom geprägt.

Das Edelmetallgeld erscheint uns heutigen Tages als das natürlichste Tausch- und Zahlungsmittel. Und doch wäre man versucht, es die künstlichste zu nennen. Wenn man erwägt, daß alles Geld aus solchen Tauschmitteln hervorgeht, die einem Bedürfnisse des Menschen entgegenkommen, dann fühlt man sich veranlaßt zu fragen: Aber welches Bedürfniß befriedigt denn der Besitz an Gold und Silber? Eine ähnliche Frage scheint sich der geistvolle Daniel Defoe vorgelegt zu haben, da er den Robinson auf der einsamen Insel traurig auf einen Goldklumpen blicken läßt, aus dem er kein Feuer, keinen Rock und kein Mittagessen herstellen kann. Ein wenig Pelzgeld und ein wenig Dattelgeld hätte ihm bessere Dienste geleistet. Und in der Midas-Sage spukt etwas Aehnliches. Also welchen selbstständigen Werth hat ein Häufchen Zwanzigmarkstücke? – Doch wir wollen den Leser nicht in seinen Speculationen stören, die ihn vielleicht noch auf manche andere künstliche Zustände in unseren so natürlich erscheinenden Geld- und Creditverhältnissen führen werden.

Wilhelm Hasbach.