Die Beamtenschaft

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Autor: Friedrich Stegemann, Ernst Klewitz
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Titel: Die Beamtenschaft
Untertitel:
aus: Handbuch der Politik Dritter Band: Die Aufgaben der Politik, Vierzehntes Hauptstück: Die Lage der geistigen Berufe, 76. Abschnitt, S. 103−108
Herausgeber: Paul Laban, Adolf Wach, Adolf Wagner, Georg Jellinek, Karl Lamprecht, Franz von Liszt, Georg von Schanz, Fritz Berolzheimer
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1914
Verlag: Dr. Walther Rothschild
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Erscheinungsort: Berlin und Leipzig
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[103]
76. Abschnitt.


Die Beamtenschaft.
Von
Geh. Ministerialrat Dr. Friedrich Stegemann †, Schwerin.
Neubearbeitet von
E. Klewitz, Kaiserl. Direktor im Aufsichtsamt Geheimen Regierungsrat, Berlin.


Literatur:[Bearbeiten]

Laband, Staatsrecht d. Deutschen Reiches, Bd. I (Tübingen 1911) S. 429 ff. und
derselbe Deutsches Reichsstaatsrecht (Das öffentl. Recht d. Gegenwart, Bd. I), 5. Aufl., S. 95 ff. und die dort Angeführten. –
Perels und Spilling, Das Reichsbeamtengesetz, 2. Aufl. –
Pieper, Das Reichsbeamtengesetz, 2. Aufl. –
Brand, Reichsbeamtengesetz. 2. Aufl. –
Der Reichsbeamte, Vorschriften, zusammengestellt im Reichsschatzamt Berlin 1912 (nicht im Handel). –
Stengel, Wörterbuch des deutschen Verwaltungsrechts, Bd. 1 unter „Beamte“ u. die dort angeführten Quellen und Literaturnachweise. –
Meyer-Anschütz, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts, 6. Aufl., S. 489 ff. –
Bock, Das Staatsrecht des deutschen Reiches, 2. Aufl., S. 181 ff. –
Bitter, Handwörterbuch der Pr. Verwaltung (auch für Reichsrecht). –
Huede Grais, Handbuch d. Verf. und Verw. §§ 21–24 und §§ 62 ff. –
Delius, Die Beamtenhaftpflichtgesetze (Guttentag’sche Samml.) 2. Aufl. –
Conrad, Handwörterbuch, Bd. 2 unter Beamte. –
König, Die Beamten der deutschen Schutzgebiete. –
Bornhak, Preussisches Staatsrecht. –
Deutsche Beamten-Rundschau, Organ des Verbandes deutscher Beamten-Vereine. –
Der Beamte, Soz. V., Heft 7, Gladbach 1912.

Quellen:[Bearbeiten]

A. Reichsbeamte. Reichsverfassung Art. 21, Abt. 1. R. Beamtengesetz 31. 3. 73, neugefasst 07 (R.G.B. 245) Anwendung auf R. Bankbeamte 75 (R.G.B. 378) und 07 (742). V.O. vom 21. 6. 1875 u. 19. 11. 1879.
Für Beamte in den Kolonien, Kolonialbeamtengesetz (K.B.G.) vom 8. 6. 1910 (R.G.B. 881) u. Ausf. Ver. vom 3. 10. 1910 (R.G.B. 1091)
B. Sonstige Beamte, insbesondere Landesbeamte. 1. Allgemeines: Bürgerliche Gesetzbuch §§ 197, 411, 570, 1784, 1888, E. G. Art. 78. Zivilprozessordnung §§ 811 Z. 7 u. 8, 850 Abs. 1 Z. 8, Abs. 2 u. 5, 910. Geb. O. f. Z. u. Sachverst. § 14, R.V.O. §§ 169, 170, 172, 554, 1235, 1237; Vers. Ges. für Angestellte vom 20. 12. 1911 §§ 9, 10, 11, 14. Strafgesetzbuch §§ 359, 113, 114, 128, 129, 133, 1553, 193, 196, 353a. Strafprozessordnung §§ 53, 96. Unterstütz.-Wohn. Ges.
2. Landesbeamte: zu vergl. für die einzelnen Bundesstaaten die bei Stengel, Wörterbuch S. 143 angeführten Gesetze u. V. O. Für Preussen: Allg. Landrecht Teil II 7. 10 (noch jetzt die ges. Grundlage) vergl. Bitter (s. oben), Artikel Beamte. Für Bayern: G. v. 15. 8. 1908.

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A. Einleitung.[Bearbeiten]

§ 1. Die Beamten sind zu einem wesentlichen Teile Träger des staatlichen Organismus, sie sind abgesehen vom Heere die Organe der exekutiven Gewalt (im weitesten Sinne). Daher Erhaltung eines tüchtigen, leistungsfähigen und zuverlässigen Beamtenstandes ein Haupterfordernis der Verwaltungspolitik. Hierzu ist nötig möglichste Sicherstellung der Beamten in rechtlicher, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht, also a) Regelung der rechtlichen Stellung der B. im Verhältnis zum Dienstgeber (Beamten- und Disziplinarrecht), b) Fürsorge für seine Person und seihe privatwirtschaftliche Stellung (Gehaltsfragen, Gesundheitspflege, Wohlfahrtseinrichtungen), c) Regelung seiner sozialen Stellung (insbesondere Vereinswesen). – Stellung und Bedeutung des Beamtentums in Deutschland unterscheidet sich wesentlich von anderen Staaten: die Beziehungen der B. zur Staatsgewalt sind enger, geordneter, dauernder, als in vorwiegend parlamentarisch regierten Staaten, in denen die Abhängigkeit von der jeweils herrschenden politischen Partei zum Schaden unparteiischer Verwaltung ist. Damit unvermeidlich verbunden Ausschluss unkündbarer Anstellung. Bei der geachteten und gesicherten Stellung der B. in Deutschland ist durchweg der Andrang sehr stark, sowohl für die höhere, als auch für die mittlere und untere Laufbahn. Für die beiden letzteren kommen in erheblichem Umfang die Militäranwärter in Betracht (als Versorgung für ausgediente Personen des Unteroffizierstandes, in beschränktem Umfang auch für verabschiedete Offiziere[1]).

B. Das Beamtenrecht.[Bearbeiten]

§ 2. Allgemeines. Der Begriff „Beamter“ ist von der Reichs-, zumeist auch von der Landesgesetzgebung nicht definiert, sondern wird als bekannt vorausgesetzt. Unter den Landesgesetzen hat das oben genannte Bayer. Beamtengesetz in Art. 1 eine formell einengende Definition aufgestellt. Nach allgemein üblicher Definition sind Staatsbeamte solche Personen, welche zur Verwaltung öffentlicher Ämter unter Übernahme besonderer Treuverpflichtung in den Dienst des Staates getreten sind; sie wurden früher daher auch als Staatsdiener bezeichnet. Das Versicherungsgesetz für „Angestellte“ zählt sie zu dieser noch weiteren Gruppe (s. o.). Der Eintritt ist freiwillig und erfolgt in der Regel zu dauerndem Dienst, und zwar in einem Staatsamt, nicht für einzelne Staatsgeschäfte. Zu unterscheiden sind Berufsbeamte und Ehrenbeamte (welche unentgeltlich und nicht dauernd in den Staatsdienst treten), ferner Reichsbeamte und Landesbeamte, welch letztere wieder in unmittelbare oder mittelbare zerfallen, mittelbare[2] sind die im Dienst eines staatlich anerkannten Selbstverwaltungskörpers (Kommunalverbände, Gemeinden) stehenden B., und endlich nach dem Inhalt ihrer Tätigkeit höhere, mittlere (im 19. Jahrhundert meist als Subalternb. bezeichnet) und untere Beamte.

Eine besondere Stellung nehmen die Richter ein, die zur Sicherung ihrer Unabhängigkeit besondere Garantien gemessen und die Offiziere; letztere werden nicht zu den Beamten (im Sinne des Beamtenrechts) gerechnet, wohl aber erstere.

§ 3. Begründung des Dienst- und Amtsverhältnisses. Das Beamtenverhältnis wird durch Anstellung begründet, über welche eine Urkunde ausgefertigt (Bestallung) und zwar entweder vom Staatsoberhaupt oder der von diesem bezw. gesetzlich delegierten Verwaltungsstelle vollzogen wird. Die Anstellung ist entweder auf Lebenszeit fest oder widerruflich, das Recht zum Widerruf wird indes vielfach nach Ablauf gewisser Zeit aufgehoben (vgl. Bayer. Ges. Art. 8). Auf Kündigung (gewöhnlich 3 Monate) werden häufig Beamte für untergeordnete Dienstleistungen angenommen. Vorbedingung für Anstellung ist der Nachweis der erforderlichen Befähigung (Vorbildung, Prüfungen), oft auch Ableistung eines Probedienstes. Verschieden von Anstellung ist Übertragung eines bestimmten Amtes, hierbei ist besondere Bestallung Voraussetzung. Durch Anstellung erfolgt gleichzeitig Aufnahme, in den Staatsverband. – Die früher in [105] weiterem Umfange bestehende Kautionspflicht ist neuerdings erheblich eingeschränkt (auch bei Kassenbeamten).

§ 4. Pflichten der Beamten. Die Pflichten der Beamten, welche im einzelnen auf den betreffenden Gesetzen beruhen, bestehen im allgemeinen in gewissenhafter Erfüllung der Amtspflicht und in angemessenem Gesamtverhalten. Die Erfüllung wird beim Amtsantritt durch Diensteid zugesagt, bestehen aber auch ohne diesen. Die Amtspflichten sind im wesentlichen Pflicht der Amtserfüllung, der Amtsanwesenheit und der Amtsverschwiegenheit. Die Erfüllung dieser Pflichten ist im allgemeinen durch Disziplinargesetz unter Garantie gestellt, in einzelnen wichtigen Beziehungen durch Strafgesetz. Gewisse Delikte werden dadurch, dass sie von einem Beamten begangen werden, qualifiziert und mit besonders scharfer Strafe bedroht. Bei Verletzung seiner Amtspflicht tritt aber häufig noch eine zivilrechtliche Haftung des Beamten ein, wenn fremde Vermögensrechte verletzt sind (darunter eventl. auch die des Staates)[3], dem Verletzten gegenüber haftet unter Umständen der Staat, aus Verträgen berufener Vertreter sogar ohne Verschulden dieser. – Da der Beamte seine ganze Persönlichkeit in den Dienst des Staates stellt, darf er nicht ohne Genehmigung Nebenämter übernehmen oder eine Tätigkeit ausüben, die mit dem Amte nicht verträglich ist.[4] Zum Eintritt in den Reichstag und in die Einzellandtage, vielfach auch in Kommunalvertretungen bedarf der B. indes keiner Genehmigung.[5]

§ 5. Rechte der Beamten. Die Rechte der B. aus der Anstellung sind teils persönlicher, teils vermögensrechtlicher Art. In ersterer Beziehung Anspruch auf den mit der Dienststellung verbundenen Titel und Rang,[6] eventl. auch auf Tragen äusserer Amtszeichen (Uniform, Waffen), ferner Anspruch auf besonderen staatlichen Schutz (§§ 113, 114, 196, 232 Str.G.B.). In vermögensrechtlicher Beziehung Anspruch auf Besoldung und Ruhegehalt, auf Ersatz der Dienstauslagen, sowie nach dem Tode des B. Anspruch der Hinterbliebenen auf Witwen- bezw. Waisengeld, vielfach aus besonderen Witwenkassen, für die in einzelnen Staaten noch besondere Beiträge erhoben werden, während diese in der Mehrzahl der Staaten (Reich, Preussen) abgeschafft sind.

§ 6. Beendigung des Amts- und Dienstverhältnisses. Ein jeder B. ausser den Richtern muss sich Versetzung auf ein anderes Amt mit mindestens gleichem Rang und Diensteinkommen gefallen lassen; geschieht sie auf seinen eigenen Antrag, geht meist Anspruch auf Umzugskosten verloren. Erfolgt die Versetzung auf ein mit höherem Rang und Einkommen verbundenes Amt, so ist sie Beförderung. Strafversetzung, d. h. Versetzung auf ein anderes Amt von gleichem Rang gegen den Willen des B. meist unter Kürzung des Diensteinkommens oder doch ohne Umzugskosten, ist durchweg nur im Disziplinarwege zulässig. Das Gleiche gilt bezüglich der einstweiligen Versetzung in den Ruhestand (mit einem Teil des Gehaltes als Wartegeld); nach einzelnen Gesetzen ist dieselbe „im Interesse der Verwaltung“ bezüglich gewisser politisch wichtiger B.-Klassen ohne weiteres zulässig (nicht als diszipl. Massregel).

Das Dienstverhältnis wird aufgelöst: 1. Durch den Tod des B. Etwa schon begründete Ersatzpflichten gegen den B. bestehen gegen den Nachlass fort. 2. Freiwilliger Dienstaustritt. Derselbe ist stets – bei auf Kündigung angestellten B. unter Innehaltung der K.-Frist – zulässig und hat, falls nicht bei Entlassung anders bestimmt wird, Verlust von Titel, Rang, Gehalt, Pensionsanspruch zur Folge; er erfordert indes formelle Zustimmung der Staatsgewalt (Entlassung); bis dahin bleibt B. an seine Pflichten gebunden. 3. Verabschiedung. Sie erfolgt auf Antrag des B., eventl. des dem B. zu bestellenden Pflegers. Die Rechte des B. auf Titel (wiewohl mit dem Zusatze „a. D.“) und Rang bleiben, daneben im allgemeinen Anspruch auf Ruhegehalt, sogar u. U. bei auf Kündigung angestellten B. (Bez. Aussch. Potsdam 26. II. 1912). Die Pflichten des B. erlöschen, [106] ausgenommen die der Amtsverschwiegenheit und angemessenem Gesamtverhaltens; Verletzungen unterliegen u. U. diszipl. Ahndung. 4. Dienstentlassung. Sie erfolgt im Disziplinarwege.[7]

C. Wirtschaftliche Stellung der Beamten.[Bearbeiten]

§ 7. Der B. steht in privatwirtschaftlicher Hinsicht an sich allen übrigen Staatsbürgern gleich, geniesst aber in manchen Beziehungen Vorteile, z. B. in einzelnen Staaten, Steuerbegünstigungen als Korrelat dafür, dass er in der Wahl seines Wohnsitzes gebunden ist, überdies sein Einkommen als genau feststehend meist schärfer zu den Steuern herangezogen wird, wie das durch Schätzung festgestellte gewerbliche Einkommen.[8] Die Erhaltung gesunder wirtschaftlicher Verhältnisse ist im Staatsinteresse sehr wichtig, daher ist die Fürsorge für angemessene Gehaltsordnung Pflicht des Staates (Schwierigkeit richtigen Abmasses für die verschiedenen Beamtenklassen, zwischen denen Vergleiche oft sehr schwer, ferner Schwierigkeit der Regelung für längere Zeit wegen beständigen Wechsels der Konjunktur –Lebensmittelpreise). Da den Beamten die freie Erwerbsmöglichkeit fehlt, muss der Staat die Fürsorge für Zukunft des B. und seiner Familie übernehmen (daher Pensionsordnungen und Hinterbliebenenversorgung), auch in Notfällen mit Unterstützungen eintreten. Hierzu sowie überhaupt zur wirtschaftlichen Hebung dienen zahlreiche Wohlfahrtseinrichtungen (Versicherungskassen, Spar- und Darlehnskassen, Genesungsheime, speziell in den grossen Staatsbetrieben für untere und mittlere B.). Wirtschaftlichen Zwecken dienen zahlreiche Beamten-Vereinigungen: Konsum-Vereine zwecks gemeinschaftliche Beschaffung von Lebensmitteln etc., Versicherungsvereine (Feuer-, Vieh-Versicherungen, grössere auch mit Lebensversicherung[9] verbunden). Gegen diese Bestrebungen werden zahlreiche Angriffe gerichtet aus den Kreisen von Handel und Gewerbe, die auch in den politischen Parteien der verschiedensten Richtung ihre Stütze finden (Mittelstandsbewegung u. a.). Gerade aus diesem Anlass kommt es häufig zu starken lnteressenkämpfen zwischen Beamten und freien Erwerbsständen, die sich auch auf andere Gebiete z. B. Kommunalwahlen, übertragen; infolgedesssen sind die Beamten durch Reichsg. v. 12. 8. 1896 in dieser Betätigung etwas beschränkt worden. – Privater Gewerbetrieb des B., auch wo derselbe an sich erlaubt und mit der Würde des Amtes vereinbar ist, unterliegt doch gewissen Bedenken; er wird nur ausnahmsweise zugelassen, selbst wenn formell die Ehefrau Geschäftsinhaberin ist.

D. Soziale und politische Stellung des Beamten.[Bearbeiten]

§ 8. Die Scheidung der Beamten in höhere, mittlere und untere findet auch in sozialer Beziehung statt. Trotz zahlreicher übereinstimmender Merkmale und mannigfacher Übergänge sind insofern drei verschiedene soziale Gruppen zu unterscheiden. Diese Scheidung kommt auch innerhalb der Berufe selbst zum Ausdruck, ganz besonders in der Art der Vereinsbildung: es gibt viele Vereine, die sich auf Angehörige derselben Gruppe und noch mehr, die sich auf Angehörige derselben Untergruppe beschränken. Dies gilt besonders von Vereinen, die entweder geselliger Natur sind oder eine Einwirkung auf die dienstlichen Verhältnisse bezwecken. Bei reinwirtschaftlichen Vereinigungen (Konsumvereinen, Rabattvereinen, Baugenossenschaften) kommt jene Scheidung seltener zur Geltung. In sozialer Hinsicht spielen Titel und Rang eine hervorragende Rolle, da sie nach aussen hin Merkmale der sozialen Wertung sind. Gerade diese Fragen, namentlich auch Gehaltsfragen, sind häufig Gegenstände leidenschaftlicher Vergleiche zwischen ähnlichen Beamtenklassen verschiedener Berufe. Neben wirtschaftlichen Zwecken sind es Bestrebungen dieser Art sowie sonstige Wünsche auf Besserung der Dienstverhältnisse, welche zur Gründung von Beamtenvereinen führen. Solche Vereine sind seit mehreren Jahren überall in grossem Umfang gegründet und entfalten zum Teil eine sehr lebhafte Tätigkeit. Angestrebt wird u. a. besonders [107] eine zeitgemässe Abänderung älterer Disziplinargesetze sowie des Wohnungszwangs. Da eine allgemeine Statistik der Beamtenvereine nicht besteht, so sind sichere Angaben nicht zu machen, es ist indes anzunehmen, dass von den mittleren und unteren Beamten mindestens die Hälfte solchen Vereinen angehört. Besonders zu nennen sind die Vereine auf dem Gebiet der grossen Verkehrsverwaltungen, Post und Eisenbahn[10]. Fast alle Berufsvereine suchen durch wirtschaftliche Einrichtungen (Versicherungskassen und reinen Unterstützungskassen, Warenbezug u. dgl.) die Berufsgenossen mehr an sich zu ziehen und zu fesseln. – Bei den Vereinsgründungen tritt erkennbar ein Streben nach Standesorganisation hervor, d. h. nach einer von der bestehenden staatlichen Organisation verschiedenen Vereinigung der Standesgenossen. Aufgabe richtiger Beamtenpolitik muss es sein, dieser Bewegung die rechte Bahn zu zeigen, welche begrenzt wird einmal durch das Staatsinteresse und sodann durch die berechtigten Interessen der Beamten selbst: bei richtiger Vereinigung beider ist gesunde Weiterentwicklung des Beamtenwesens zu hoffen.

§ 9. Gegenstand heftiger Erörterungen ist von jeher die Frage der politischen Betätigung der Beamten gewesen. Besondere Bestimmungen gibt es nur wegen des aktiven und passiven Wahlrechts zum Reichstag und den Einzellandtagen[11], nicht dagegen über die sonstige politische Betätigung in der Öffentlichkeit (Presse, Vereine etc.). Geht man davon aus, dass mangels einschränkender Bestimmungen der Beamte hierin an sich unbehindert ist, so ist andrerseits eine selbstverständliche Begrenzung dieser Tätigkeit durch die beamtliche Stellung und die aus derselben fliessenden besonderen Pflichten gegenüber der Staatsgewalt gegeben. Hieraus folgt, dass die politische Betätigung des B. niemals gegen den Staat als solchen, gegen die Staatsordnung und die Träger der Staatsgewalt sich richten darf. Feste Normen lassen sich hier freilich nicht aufstellen; wesentlich in Betracht kommen wird auch die äussere Form der politischen Betätigung, welche jedenfalls die durch die Würde des Amtes gezogenen Grenzen nicht überschreiten darf. Zugehörigkeit zu politischen Vereinen bezw. Parteien ist eine Art der Betätigung, steht daher an sich dem Beamten frei, selbstverständlich unter den angegebenen Voraussetzungen, daher also z. B. nicht gegenüber solchen Vereinen und Parteien, welche die herrschende Staatsordnung nicht anerkennen. Abgesehen von diesen durch die Natur des Beamtenberufs gegebenen unerlässlichen und nicht zu eng zu ziehenden Einschränkungen muss der Grundsatz gelten, dass der Beamte ausserhalb des Dienstes die gleichen Rechte zu beanspruchen hat, wie jeder andere Staatsbürger, sowohl in politischer wie in wirtschaftlicher Betätigung (vgl. Beschluss des Verbandstags deutscher Beamtenvereine, Dresden 1911).

Verletzungen dieser Pflichten kann disziplinarische Ahndung nach sich ziehen, Fernhaltung von solcher nicht zulässigen Betätigung (z. B. Austritt aus gewissen Vereinen) im Wege der Beamtendisziplin erzwungen werden.[12]

Heftige parlamentarische Kämpfe sind in dieser Beziehung besonders von den linksstehenden Parteien, namentlich der sozialdemokratischen, geführt worden, zeitweise aber auch seitens der Rechten (z. B. Mitte der 70er Jahre unter Bismarck, später die „Kanalrebellen“).

E. Schluss.[Bearbeiten]

§ 10. Das im Vorstehenden Gesagte bezieht sich ausser den Staatsbeamten durchweg auch auf die Kommunalbeamten (mittelbare Staatsbeamte, s. oben § 2). Die Gemeindebeamten erstreben in den einzelnen Staaten eine grundsätzliche Regelung ihrer Rechtsstellung durch Staatsgesetz. Infolgedessen hat die Bayerische Regierung im Herbst 1913 den Entwurf zu einem umfassenden [108] Gemeindebeamtengesetz, der erheblichen Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts der Gemeinde in dieser Hinsicht vorsieht, den Kammern vorgelegt.

Dagegen gehören nicht zu den Beamten im eigentlichen Sinne die Privatbeamten. Zwar ist der Tätigkeitsinhalt oft ein gleicher oder ähnlicher, es fehlt indes die das eigentliche Merkmal bildende Beziehung zum Staat. Die Zahl der Privatbeamten in den industriellen, gewerblichen, kaufmännischen und landwirtschaftlichen Betrieben ist sehr gross. Neuerdings fand ein lebhafter Kampf um die Einführung der öffentlichen Zwangs-Versicherung der Privatbeamten statt. Auch unter ihnen bestehen zurzeit bereits zahlreiche Vereinigungen und weitere Organisationsbestrebungen sind im Gange.[13]





  1. Die Anstellungsgrundsätze vom 27. Juni 1907. Anstellungs-Nachrichten für Offiziere v. 30. Jan. 1013, beide her. vom Kgl. Pr. Kriegsministerium (bei E. Mittler u. Sohn).
  2. Die Abgrenzung ist vielfach nicht unzweifelhaft z. B. hinsichtlich der Lehrer an Gemeindeschulen, (vgl. Bitter a. a. O.).
  3. Delius, Die Beamtenhaftpflichtgesetze; s. o.
  4. vgl. Bayern, B.G. Art. 18 u. Bek. v. 4. 4. 1912.
  5. Meyer-Anschütz, Staatsrecht S. 316.
  6. Ranganordnungen sind meist älter (veraltet); eine neuere Bayern Ver. v. 23. 12. 1908. Im Reiche wird die finanzielle Rangordnung sonst nicht ohne weiteres (f. Uniform usw.) anerkannt. (Vgl. Besoldungsgesetz v. 15. 7. 1909, Anlagen zu § 1 u. 28; Reichskanzler-Erlass v. 23. 7. 1910, Z.-Bl. 8. 255).
  7. Reichs.-G. 1873, §§ 72–133. Preussen G. v. 1852 G.-S. S. 465. Bayern G. v. 1903, Art. 9 Abs. 2. Sachsen G. von 1835 u. 1876. Württemberg V. U. 1819 u. G. 1876 S. 211. Baden, Beamtengesetz 1888, G. u. V. Bl. 399. Hessen G. 1880 Art. 5, 8 R. Bl. 67. Meckl.-Schwerin 1907 Rbl. S. 125 u. 1909 S. 105 (Eisenb. B.)
  8. z. B. in Preussen bezügl. der Gemeindeabgaben, s. Hue de Grais, Handbuch S. 110. Ein Ges. v. 1909 hat die Begünstigung wesentlich eingeschränkt.
  9. Die wichtigsten: Preussischer Beamtenverein in Hannover; Deutsche Beamten-Lebensversicherung, Anstalt des Verbandes Deutscher B.-Vereine in Berlin (Anm. 10).
  10. Dem 1890 frei gegründeten „Verband deutscher Beamtenvereine“ gehörten 1912 an 289 Vereine mit 264 413 beitragspflichtigen Mitgliedern; dem unter tatkräftiger Förderung der Verwaltung 1897 ins Leben getretenen Verbande der preussischen Eisenbahnvereine 1913: 820 Vereine mit 513 000 Mitgliedern. Beide Verbände verfolgen wirtschaftliche Zwecke, der erstere betätigt sich neuerdings aber auch in Fragen des Beamtenrechts, die allgemeiner Natur sind.
  11. Zu vergl. Meyer-Anschütz, Staatsrecht S. 444 und 316.
  12. Kommissionsbericht zum R. Vereinsgesetz. Reichstags-Drucks. I, S. 1907/08, Nr. 819, S. 12.
  13. Die Begr. zum Vers. G. f. Ang. schätzt die (mit den „Privatbeamten“ im wesentlichen zusammenfallenden versicherungspflichtigen Angestellten auf rund 1,9 Millionen (1/5 weibliche) Personen. Die bedeutendsten Vereinigungen mit zusammen 700 000 Mitgliedern sind dort S. 141 zusammengestellt. Die grösste, der Deutschnationale Handlungsgehilfenverband zählte 1910 rund 121 000 Mitglieder. Vgl. auch Handbuch der wirtschaftlichen Vereine und Verbände, her. vom Hansabund 1913, Abschn. XXV.