Die Bestattung des Herzens König Ludwig’s II. in Alt-Oetting
[628] Die Bestattung des Herzens König Ludwig’s II. in Alt-Oetting. Das uralte niederbayerische Wallfahrtskirchlein, dessen hochberühmtes schwarzes Madonnenbild von frühen Zeiten an gläubige Herzen von nah und fern beizog, ist seit zwei Jahrhunderten zum seltsamen Mausoleum erhoben worden für die todten Herzen der wittelsbachischen Kurfürsten und Könige. In einer kleinen Rotunde der reichgeschmückten Gnadenkapelle stehen in Mauervertiefungen die silbernen Urnen, welche jeweils nach dem Tode der Fürsten in feierlicher Procession hierhergebracht wurden, und in den ersten Augustwochen drängte sich hier die Menge vor der leeren Nische, die bestimmt war, das Herz des Königs aufzunehmen, dessen ungekannter Persönlichkeit und schrecklichem Ende das Volk in ganz Bayern den leidenschaftlichsten Antheil widmet. Zur selben Zeit drängten sich in München die Menschen vor dem Schaufenster des Silberarbeiters Wollenweber, wo die herzförmige silberne Urne ausgestellt war. Sie mißt 60 Centimeter und ist im Stile Ludwig’s XIV. verziert. An beiden Seiten mahnen außerdem noch Sträußchen von Alpenrosen und Edelweiß an die Lieblingsneigungen des unglücklichen Königs.
Am 16. August wurde durch eine Kommission das einbalsamirte Herz in eine Zinkkapsel gelegt und diese in das silberne Behältniß eingefügt, hierauf durch den Stiftsdekan Türk in sechsspännigem Wagen mit großem Geleite von Hatschieren, Militär und den Wagen der hohen Kronbeamten nach dem Münchener Ostbahnhof gebracht. Von allen Thürmen tönte das Trauergeläute, massenhaft standen die Menschen in den Straßen, entblößten ehrfurchtsvoll die Häupter und schritten vielfach laut betend hinter dem Zuge drein.
Der Weg, welcher mit den Herzen früher verstorbener Könige langsam, im Schritt, von Ort zu Ort zurückgelegt werden mußte, nahm nun durch den Eisenbahnzug nur zwei Stunden in Anspruch, um neun Uhr früh erfolgte die Ankunft in Neu-Oetting, wo eine große Menschenmenge bereit stand, das Königsherz nach dem nahen Alt-Oetting zu geleiten.
Am Portal der Wallfahrtskirche erwartete dort der Bischof von Passau im großen Ornat, umgeben von seiner Geistlichkeit, die in mehreren Wagen herannahende Kommission, der große Platz vor der Wallfahrtskirche war dichtgedrängt von Scharen ländlicher Bevölkerung, die nebst ihrer Geistlichkeit hereingeströmt waren, der Ort selbst war mit Kränzen, Trauerfahnen und Bildnissen des Königs aufs Reichste geschmückt, die tiefe, allgemeine Theilnahme zeigte sich überall. Vor dem Hochaltar war der prachtvolle Katafalk errichtet mit Krone, Scepter und Wappenschildern, in welchem nun der Bischof die Urne barg, bis das feierliche Hochamt vorüber war, dem eine große Menge von hohen Beamten, Militärs und Geistlichen anwohnten, dann wurde das Königsherz in großer feierlicher Procession in die Gnadenkapelle zur letzten Ruhe getragen. Stiftsdekan Türk hielt eine einfache, ergreifende Rede, segnete das Gefäß und stellte es unter den Schutz der Gnadenmutter, bis zum Tag der Auferstehung. Ueber dem Eingang der Kapelle befand sich das Bild des Königs in der Tracht seines Hubertus-Ordens, darunter lateinisch die Inschrift: „Ludwig, König von Bayern, geboren zu München 1845, starb 1886 zu Berg, von hier
kamen seine Gebeine nach München, das Herz in diese Kapelle, die Seele in den Himmel.“ Mit dieser Feier schließt die Tragödie des unglücklichen Königs. A.