Die Dresdener Gemälde-Galerie

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Autor: Julius Mosen
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Titel: Die Dresdener Gemälde-Galerie
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Erscheinungsdatum: 1844
Verlag: Arnoldische Buchhandlung
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Erscheinungsort: Dresden und Leipzig
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Die
Dresdener Gemälde – Galerie
in ihren
bedeutungsvollsten Meisterwerken,
erklärt
von
Dr. Julius Mosen.


Dresden und Leipzig,
Arnoldische Buchhandlung.
1844.
Vorwort.




Schon vor vielen Jahren trat mir in Italien bei der Betrachtung alter und neuer Kunst immer entschiedener der Gedanke entgegen, daß hinter der formellen Bildung eines bestimmten Kunstwerkes die Seele der Weltgeschichte in dem Künstler thätig gewesen ist, durch ihn in seinen Werken bestimmte Höhenpuncte ihrer Entwickelung zur Erscheinung gebracht und so in der Reihe der aufeinanderfolgenden Kunstwerke ihre Jahrbücher in Bilderschrift dictirt hat. Diese Betrachtungen konnte ich später jahrelang auf der Dresdener Galerie fortsetzen. Es war dabei zuerst nur auf meine eigene Belehrung abgesehen. Als ich jedoch im vorigen Sommer meine Freunde aus Oldenburg, Baron Ferdinand von Gall und Dr. Adolf Stahr, auf die Galerie begleitete und ihnen bei verschiedenen Gemälden meine Bemerkungen mittheilte, machten sie mir es zur Pflicht, sie dem größeren Publicum nicht vorzuenthalten. So entstand dieses Werk, und ich übergebe es dem Publicum, mit dem Wunsche, daß es nützen und gefallen möge. Die Werke der Dresdener Künstler auf der Galerie mußte ich bei der Besprechung übergehen, da von den Lebenden dort keine vorhanden sind und die älteren keine neue Idee verwirklicht haben, auf welche es hier allein ankommen konnte. Die großen Träger der Idee, welche Chursachsen zu der Fortbildung des Menschengeistes gestellt hat, unter anderen glänzenden Namen: Thomasius, Leibnitz, Lessing, Fichte und Schubert, fanden in ihrer Heimath kein Obdach; durch das Thor, welches sie hinauswandern sah, zog nicht die ideenverwirklichende Kunst herein. Ueber die neuen Regungen und Bestrebungen, welche ich hier nach Kräften zu fördern gesucht habe, besonders zu sprechen, dazu giebt die Galerie keine Gelegenheit. Möge ein guter Genius in Sachsen das Edle und Schöne gedeihen und mir die Liebe meiner Freunde in meine neue Heimath an der Nordsee nachfolgen lassen.

Geschrieben bei meiner Abreise von
Dresden im Mai 1844.
Dr. Julius Mosen.     
Einleitung.




Die königliche Gemäldegalerie in Dresden enthält in ihren Meisterwerken die vertrautesten und geheimsten Memoiren des Seelenlebens des 16., 17. und 18. Jahrhunderts für den, welcher Bilderschrift zu lesen versteht. Diese drei Jahrhunderte umschließen die Periode des Unterganges der altchristkatholischen Welt und der Uebergangszeit durch die Reformation bis an die Schwelle der Gegenwart.

Auf Gebirgsreisen erhält man wohl bei’m Ersteigen einer Anhöhe von dem Führer zuweilen den guten Rath, nicht eher die Augen aufzuschlagen, als bis der Gipfel und die Aussicht in das ferne blaue Land erreicht ist. Wer aber mit mir die Galerie durchwandern mag, der lasse sich von mir gleich auf den Gipfel der christkatholischen Malerei führen, ohne sich von den übrigen Meisterwerken, welche in den Zwischensälen zur Betrachtung auffordern, schon jetzt fesseln zu lassen.

Im Vorübergehen wollen wir einen muthigen Blick in die Tiefe der Geschichte werfen, in welche die langen, zarten Wurzelfäden der Kunstblüthe sich hinunterziehen, um oben mit der Fülle der Farben uns zu entzücken; denn was wir nicht im Zusammenhange mit dem Allgemeinen, können wir auch nicht im Besonderen verstehen.

Die alte, vorchristliche Welt begriff die Gottheit als Offenbarung der in der Natur zur Erscheinung kommenden Elementarkräfte. Die Natur, als ein belebtes und im Lebendigen erscheinendes Wesen gedacht, hat keinen anderen Zweck, als die Erscheinung ihres zur äußeren Form sich herausbildenden Gemüthes. Demnach würde das plastische Ideal in der unbedingt vollkommensten Aufhebung der schaffenden Idee in ihrer Form und dieser wieder in ihrer Idee bestehen. Da aber zwischen der Idee der schaffenden Natur und der durch die Materie vermittelten Form immer ein Bruch bleiben muß, welcher die ideale Erscheinung unmöglich macht, so konnte die Natur nur durch den Menschen in der Kunst zu sich selbst erlöst werden. Diese Erlösung zum Ideale der Schönheit hat sie bei den alten Griechen gefunden. An ihrem Ziele mußte jedoch der idealen Natur der ihr feindliche Gegensatz von selbst entgegentreten. Dieser war das Christenthum, welches die Natur und ihre Vergötterung im Idealen als das teuflische, sinnliche Princip zu Boden trat. Mythisch hat das Christenthum diesen Sieg im Erzengel Michael gefeiert, welcher die zum Satan verfratzte Natur unter seine Füße geworfen hat.

So trat mit dem Christenthume der Zwiespalt zwischen dem sinnlichen und dem geistigen Menschen in die Welt und mit ihm die Sünde in das Bewußtsein der Menschheit. Thomas a Kempis in der Nachfolge Christi ist am innigsten auf diese Frage im christlichen Sinne eingegangen. Dieser Kampf stellte sich im Mittelalter äußerlich dar in dem weltlichen Kaiser und dem geistlichen Papste.

Mit geheimer und öffentlicher Abneigung hatte das spirituelle Christenthum in seinen ersten Jahrhunderten die sinnlichste Kunst, die plastische, in ihre Dienste genommen. Die Kunst verrichtete auch bei dem altchristlichen Dogma dasselbe Werk, welches sie in der Naturreligion vollendet hatte. Sie brachte es allmählig zur sinnlichen Erscheinung und überwand es, wie Alles überwunden ist, was aus dem Himmel auf die Erde und in die rollende Geschichte hineintritt. Es verbanden sich in der Mitte des zweiten christlichen Jahrtausends mit der Kunst ihre alten Lehrerinnen, die griechische Poesie und Philosophie, welche in ihren ewig neuen Evangelien, Homer und Plato, bei der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanli nach Florenz zu den Mediceern geflüchtet wurden, um von hier aus von Neuem die Menschheit zu erwärmen und zu begeistern.

Florenz war im Mittelalter eine aus Burgen zusammengerückte Stadt, in welcher ritterliche Familien römischer und deutscher Herkunft hausten. Solche Städte, wo sich gewaltige Menschenelemente durcheineinander mischen, sind wie ein Brennglas, in welchem sich alle Strahlen der Sonne zum zündenden Puncte zusammenfassen. So in Florenz. Die Kämpfe und Krämpfe des Mittelalters waren hier zusammengepreßt in den Kreis einer Stadtringmauer. Ich habe diesen Gedanken in einer Tragödie: „die Bräute von Florenz,“ zum Thema genommen. In Florenz steigerten sich die Gegensätze des mittelalterlichen Lebens in ununterbrochenen Revolutionsgährungen empor bis zu ihrer Vernichtung und Verklärung in der Poesie und Kunst. Wir sehen dieselbe Entwickelung in dem Leben der Pflanze; nur dadurch, daß es sich selbst zu überbieten sucht, drängt es sich in eine Knospe zusammen und verklärt sich sterbend in der Blüthe. So die alte Welt in Athen, so das Mittelalter in Florenz.

Wie von hier aus hellenische Kunst und Wissenschaft heimlich unterwühlend den Kampf mit dem mittelalterlichen Geiste begonnen und als feines Gift die damaligen Weltzustände bis in die feinsten Adern durchdrungen haben, davon zeugt der zu gleicher Zeit eingetretene Verfall aller jener Lebensformen. Damals schien jegliche Gottheit aus der Welt gewichen zu sein, in welcher nur noch die sinnliche Schönheit, die verwegene Leidenschaft, zügellose Begier und das mordlustige Verbrechen allmählig Raum gewannen.

Einen tiefen Blick in die Verworrenheit und Verworfenheit jener gesellschaftlichen Zustände im späteren Verlaufe dieser Zeit mitten in der feingeschliffensten Bildung läßt uns die Geschichte der „Vittoria Accorombona“ thun, welche Ludwig Tieck in seinem bekannten Romane auseinandergelegt hat.




Ob wir vom Eingange rechts oder links uns durch die

Säle der äußeren Galerie

wenden, so kommen wir doch an der entgegengesetzten Seite in das

Raphael- und Coreggio-Zimmer
und
zu dem Meister der römischen Schule,
Raphael Sanzio von Urbino.

Er war nach Vasari am Charfreitag 1483 geboren und starb am Charfreitage 1520. Sein Vater war Giovanni Sanzio de’ Santi von Urbino, ein Maler von geringer Bedeutung; sein eigentlicher Lehrer wurde Pietro Perugino. In seinem zwanzigsten Jahre verließ er die Schule seines Meisters. Im Jahre 1504 treffen wir Raphael in Florenz, wo die toskanische Kunst ihre höchste Blüthe eben erreicht. Durch sie wird Raphael von der Manier seines Lehrmeisters gänzlich befreit. Vier Jahre darauf, 1508, neun Jahre vor dem Augenblick, wo Luther die 95 Theses und in ihnen die Kriegserklärung gegen Rom anschlug, wird Raphael an den Hof des prächtigen Papstes Julius II. berufen, um die Prachtgemächer des Vaticans mit Frescogemälden zu schmücken. So sollte in ihm und seiner Kunst die Allgewalt der römischen Kirche ihre höchste Verklärung in derselben idealen Form erhalten, in welcher die hellenische Welt vor ihrem Untergange ihre Erfüllung gefunden hatte.

Wir stehen hier vielleicht vor dem gewaltigsten Bilde, welches Raphael geschaffen hat. Wir schlagen davon die zwei Hälften des grünen Vorhanges zurück, und vor uns erscheint

Madonna di San Sisto.

Aus dem lichtblauen Himmel der Cherubim, welcher uns aus unzähligen Kindergesichtern anblickt, erscheint Marie mit dem Jesusknaben. Zu ihrer Rechten unten knieet der heilige Sixtus in weißer Tunica, darüber ein Pallium von Goldstoff, neben ihm unten auf dem Proscenium, welches die Zuschauer von dem heiligen Schauspiele trennt, seine Tiara. Zur Linken Maria’s knieet die heilige Barbara. Unter der Wolke, auf welcher die schwebenden Füße Maria’s zu ruhen scheinen, vollenden zwei Engelknaben, welche bis unter die aufliegenden Arme zu sehen sind, die großartig einfache Composition. Erheben wir den Blick zur Muttergottes empor! Wie im heftigen, wolkenzertheilenden Windeswehen, in welchem das blaue Uebergewand über ihr Haupt wie ein Segel links hinüberweht, trägt sie in ihren Armen den aufrecht sitzenden Knaben herunter. Er sitzt weniger auf ihren Armen, als in dem Gewande, welches sich zwischen ihren Händen zu einem Tragsessel spannt. Er thront darauf in göttlicher Ruhe, auf das linke Knie den rechten Fuß und um das Fußgelenk die linke Hand gelegt, während er die rechte weder zum Segnen noch zu irgend einer Bewegung gebraucht, sondern sie nur an sich hält. Er erscheint hier nicht als der Sohn der Mutter, durch welche wir ihm brüderlich nahe gestellt sind, sondern als der Sohn Gottes. Wer ist so rein im Herzen, um den entsetzenden Blick seiner Augen ertragen zu können? Es ist der Blick, mit welchem der junge Gott des fleischtödtenden Christenthums mit innerstem Abscheu zuerst die Niedertracht einer in Sündenlust versunkenen Welt erblickt. Dieser Knabe wird sie einst richten und verdammen. – Auch Maria trägt den Knaben nicht wie eine Mutter, sondern als eine Jungfrau, welche nie die Liebe zu einem Manne in dem Herzen gefühlt hat. Sie kennt in der Strenge übermenschlicher Unschuld keine Sünde, sie ist auch hier keine Vermittlerin der sündhaften Menschheit, deren Qualen sie nicht begreift. Die Verdammniß derselben wird vor ihr zur Nothwendigkeit. So unerbittlich blicken Mutter und Sohn aus dem Himmel des Gemäldes heraus. Selbst die heilige Barbara ist in die Kniee gesunken, knittert beklommen das Gewand zwischen den Händen vor der Brust und blickt seitwärts über die linke Schulter herunter. Zu dieser Mutter mit diesem Sohne können nur das sündenverlassene Greisenalter, der heilige Sixtus, und die unschuldige Kindheit, die beiden geflügelten Engelknaben unten, ruhig emporblicken. Das Erdenleben zerdampft unter den Füßen der Gottreinen in ängstlich durcheinanderqualmenden Nebelwolken.

Dieses Bild ist in seiner Wirkung so gewaltig, weil die hellenische Kunst hier auf ihrem Gipfel, ganz von dem ascetischen Geiste des Christenthums überwältigt, ihr eigenes Gesetz, die Sinnlichkeit, verdammen muß. Dieß ist der alte, fleischtödtende Geist des Christenthums, welcher hier, kaum noch von sinnlich schöner Form umschrieben, nur noch die feinste Linie zu durchbrechen braucht, um in den bilderstürmenden Fanatismus der ebräischen Dichter und Propheten des alten Testamentes und in den paulinischen Geist der anbrechenden Reformation überzugehen.

Die Reformation bedurfte zu ihrem Zwecke bloß das gemütherschütternde Wort der ebräischen Bußpsalmen. Sie fand es zunächst in Savonarola, welcher hier in grimmigem Ernste dem hellenischen Leben in Florenz, wie früher Sokrates in Athen der alten Götterwelt, den Krieg ankündigte. Beide hatten Recht im Geiste der Zukunft und Unrecht dem Gegebenen gegenüber, und beide erlitten den Tod. Beide hatten darin ein ähnliches Schicksal mit Johannes dem Täufer, welcher, Buße predigend, dem Christenthum voraus und in den Tod ging.

Wir sehen hier

aus der florentinischen Schule

Leonardo’s da Vinci

Herodias mit dem Haupte Johannes.

Ein bleiches, grausam entschlossenes Weib trägt in der Schüssel den Kopf des Enthaupteten. Ihre Augen haben einen versteinernden Blick; ihre Pupillen sind in die linken Augenwinkel zurückgedrängt, so daß sie seitwärts herunterblickt, während sie ihr Gesicht rechtshin neigt. So steht sie vor uns in reichfaltigem, grünen Sammetgewande mit blutrothen Aufschlägen, unter welchen hervor feine Manschetten die Handgelenke umschließen. Man sieht es ihr an, daß sie etwas Entsetzliches vollbracht, daß sie den Propheten der Zukunft und ihrer eigenen Seele ermordet hat. Ihr Mund ist fein geschnitten, ein bitterer, harter Schmerz zuckt in der Linie zwischen den Lippen und sinkt in den Mundwinkeln herunter. Dieser Mund kennt die Wollust der Liebe, er hat ihren Kelch bis auf die Hefe ausgetrunken; schon beginnt die Linie der Jugend in den Conturen ihres Gesichtes verrätherisch von der Wellenform sich zurückzusenken. So hat diese Herodias Alles im Hofleben verloren – Jugend, Schönheit, Unschuld und das gute Gewissen; ihr ist nicht einmal die Reue, nur das Entsetzen und Grauen vor sich selbst übriggeblieben.

Sie trägt um die runde, entschlossene Stirne, welche nicht mehr erröthet, eine Ferroniere mit einem Rubin in der Mitte, welcher darauf wie ein heller Blutstropfen steht. Ihre dunkelblonden Haare rollen in kurzgeringelten Locken wie grimmige Nattern um Schulter und Nacken. Sie ist die männermordende Medusa jener Zeit. Sie trägt eine doppelte Gnadenkette zur Anerkennung ihrer verschwiegenen Hofverdienste, ein schwarzes Schnürchen mit feindurchflochtenen Drahtkügelchen, welche wie kleine Grillen aussehen, um den Hals, und am Ende der reichgestickten Einfassung des Gewandes zwischen dem Busen eine große Perle. Der Hintergrund des Bildes ist ein dunkelrother Vorhang. Was mag dahinter stehen? Vielleicht der Mann der Zukunft mit dem Schwerte.




Ein Gesicht aus derselben Zeit tritt uns entgegen im
Brustbilde der Herzogin Eleonore, Gemahlin Cosmo’s I., Herzogs von Florenz,

angeblich von

Angelo Bronzino,

es scheint jedoch von einem älteren Meister zu sein.

Dieses Gesicht ist der sprechendste Ausdruck jener Zeit, aus deren Schmerzen die Reformation hervorging. Wie schmerz- und gramvoll sind die Züge in diese länglichen Gesichtsformen eingeschrieben. Wie schwermüthig verhüllen unter der hohen, fürstlichen Stirne die Augenlider den betrübten Blick! – Ein heimlicher Gram hat selbst die Bogen der Augenbrauen geknickt, er drängt sich mit verrätherischen Fältchen aus den Augenwinkeln heraus, sinkt die steile Nase herab und zuckt in ihren Odemflügeln verrätherisch auf. Ein bitteres Weh schwebt und webt um ihren Mund, tiefe Wehmuth ruht in ihren unvergeßlichen Augen. Sie wird nie klagen, dazu ist sie zu stolz, aber man muß um sie klagen. Ihre dunkeln, gescheitelten Haare sind in einem goldenen Netze gefangen, wie vielleicht sie selbst. Sie trägt in den Ohrgehängen prächtige Diamanten vom reinsten Wasser, große Perlen hängen daran, und „Perlen bedeuten Thränen.“ Sind sie der Preis, um welchen man brillantene Verhältnisse kauft? Sie liebt die Perlen sehr; am Halse, um den kleinen Spitzenkragen, welcher den schwarzen Flor vor dem Busen durchscheinen läßt, trägt sie eine doppelte Perlenschnur, und selbst noch große Perlen, im Schlosse des goldgestickten Obergewandes, welches um ihren Nacken sich mit seinem kleinen, weißgefütterten Kragen umschlägt. In ihr erscheint uns das schmerzensvolle Verhängniß des Unterganges der florentinischen Herrlichkeit vor der hereinbrechenden neuen Zeit verleiblicht.




Durch Raphael hatte der wiedergeborene altebräische, spirituelle Geist des Christenthums die schöne Form des Heidenthums überstiegen; wie er sich dadurch von selbst aus ihr erlöste, so suchte sich auch wieder von ihm das sensuelle Leben zu befreien. Raphael’s großer Schüler

Giulio (Pippi) Romano

versuchte diese Befreiung in überschwellender Sinnlichkeit; dieses Bestreben tritt schon deutlich genug hervor in einem seiner beßten Bilder:

Maria mit dem Waschbecken.

Es ist ein Kniestück. Ein vollsaftiger Knabe steht, von seiner Mutter gehalten, im Wasserbecken auf dem Tische, ein anderer Knabe, meinetwegen Johannes, gießt ihm Wasser aus einer Kanne auf den Leib. Die alten Aeltern der jungen Mutter und der Vater des Kindes stehen dabei. So weltlich muß man dieses Bild auffassen, soll es eine Bedeutung haben. Die Sinnlichkeit packt hier das Heilige derb an, aber noch unbeholfen, fast unschön. Die von Leidenschaft durchglühte Fleischhülle sollte nicht hier, sondern in der späteren Kunstrichtung der flämischen Malerschule ihr Recht erhalten. Hier ist sie zwar von der Poesie der christlichen Religion verlassen, sie hat aber noch nicht ihre eigene gefunden.

Diese Poesie sollte auf einem anderen Wege ermittelt werden. Ihr mußte die zartere Poesie des allmähligen Losringens von dem Dienste der Geistlichkeit in mildem Uebergange zur freien Weltlichkeit vorausgehen.

Diese Poesie des Ueberganges tritt in bunten Farben in den Meisterwerken Coreggio’s liebreizend und lockend uns entgegen. Die Göttin der Sinnlichkeit blickt uns hier mit süßer Coquetterie an, wir wenden uns weg und müssen doch wieder zu ihr zurückkehren, bis sie uns bestrickt und verführt.

Antonio Allegri,

von seinem Geburtsorte Coreggio genannt, war 1494 geboren und starb 1534.

Er hat seine Richtung von den Werken Leonardo’s da Vinci erhalten. Begreift man diesen großen Meister und seinen herrlichen Schüler Luini, so versteht man auch Coreggio. Ihr Ideal war, wie das Göthische, das weibliche. Ich erlaube mir das süße Geheimniß in ihren weiblichen Gesichtern, welches ihre Lippen in einem zauberischen Lächeln umwebt, nur in einem Gleichniß anzudeuten. Ein in strenger Klosterascetik erzogenes Mädchen ist zum ersten Male in die Welt und auf einen Ball gekommen. Dort hat es den ersten weltlichen Tanz getanzt und das erste Liebeswort gehört. Oder will man lieber an Shakespeare’s Julie und ihre Lippen denken, zu welchen das erste Mal Romeo’s Lippen als Pilger gewallfahrtet sind, so wird man das Lächeln des Leonardomädchen verstehen. Sie stehen auf der zarten Linie, wo jenes süße Lächeln den Augenblick zwischen dem ersten Erröthen und dem ersten Erbleichen ausfüllt.

In Coreggio befreit sich das weibliche Naturideal so weit von der Kirchensatzung, daß diese nur ein Reiz für das lüsterne Begehren mehr wird. Dadurch kommt dasselbe Element in diese Kunstrichtung, wie es kurz vor Coreggio mit Macchiavelli’s Buch vom Fürsten in der Politik, und später mit Loyola in der christkatholischen Kirche sich feststellte.

Der heilige Franciscus vor der Madonna.

In einer offenen Säulenhalle mit Aussicht in das grüne Land sitzt die Madonna auf einem phantastisch emporgegipfelten Thronstuhle, die feinen Füße auf einem zierlichen Schemel; ihre Linke hält das auf ihrem Knie sitzende Christuskind, während sie sich anmuthig lächelnd herab zum niederknieenden heiligen Franciscus neigt und ihre Rechte segnend über ihn hält. Das Christuskind hilft freundlich mitsegnen. Sie ist von einer Glorie umgeben, aus welcher im Halbkreise Engelköpfchen tauchen; ein Engelknabe schwebt oben zu ihrer Rechten, ein zweiter zu ihrer Linken, beide sie anbetend. Zunächst am Throne unten zu ihrer Linken steht die heilige Katharina mit Schwert und Palme, im schmachtenden Neigen des Köpfchens zu ihrer Königin emporblickend, den linken Fuß auf die hohe Achse des kleinen Martyrrades zierlich aufgestützt. Neben dem Rade unten am Fuße des Thrones liegt die Krone. Die Bewegung der heiligen Katharina entspricht der Haltung des heiligen Franciscus auf der anderen Seite, ebenso der hinter ihm stehende heilige Antonius von Padua dem neben der Katharina stehenden Johannes dem Täufer. Beide, Antonius und Johannes, blicken zur Verehrung der Himmelskönigin auffordernd aus dem Bilde heraus, während die beiden Anderen, Franciscus und Katharina, zu ihr emporblicken. Es bilden sich über’s Kreuz folgende Gegensätze weiter: Katharina mit dem Schwerte, Antonius mit der Wunde in der Brust; der vor Katharina stehende Täufer mit dem Kreuzstabe im rechten Arme und mit der empordeutenden Linken, und der hinter Franciscus stehende Antonius mit dem Lilienzweig in der Linken und dem, auf den Cultus deutenden Buche in der Rechten, während dennoch wieder die Bewegung des Täufers in dem Emporhalten des Gewandes der des heiligen Franciscus entspricht.

So leicht und gefällig rundet sich diese Composition ab wie eine Kirchenmusik, welche mit dem strengsten Fugenstyle die heiterste Weltlichkeit verbindet.

Der heilige Sebastian.

In goldener Glorie sitzt Maria auf einer Wolke, über den zurückgezogenen linken den rechten Fuß gesetzt, so daß der Schoos dem Knaben Raum giebt, auf dem festgestemmten Kniee rittlings zu sitzen. Wie er, so reitet ein Engel rechts und ein anderer links, und zwei kleinere ebenso zu Maria’s Füßen auf Wolken. Unten auf der Erde, an den Baum gebunden, steht fast in ähnlicher Stellung süßlächelnd und emporschmachtend Sebastian. Bis auf das um seine Hüften geschlungene Hemde entkleidet, gab er dem Meister Gelegenheit, die lieblichsten, süßgerundeten Glieder eines Jünglings zu zeigen, welcher kaum das Knabenalter zurückgelegt hat. Ihm gegenüber sieht man den Pestheiligen, Rochus, halb liegend, halb sitzend in gleicher Bewegung der entkleideten Beine in süßem Schlummer hingegossen, zwischen Rochus und Sebastian knieend in ähnlicher Beinbewegung den heiligen Gemianus im Pallium von Goldstoff, darunter eine weiße Tunica, in rothen Stiefelchen, den Kopf wendend und schmachtend herunterblickend, indem er zugleich mit der Rechten empor und mit der Linken herunterdeutet. Zu seinen Füßen in der Ecke sitzt ein halbentkleidetes Mädchen, fast noch in kindlichem Alter, welches das Nachbild der von Gemian der Mutter Gottes in Modena geweiheten Kirche trägt. Dieses Gemälde heißt scherzweise: die Reitschule. Nur ein protestantischer Mucker kann vielleicht die feinen, aus dem religiösen Gemüthe emporprickelnden, heimlichen Entzückungen und Ergießungen dieses Bildes nachempfinden und das süße Krampflächeln in den hinaufgezogenen Mundwinkeln verstehen. Es ist die in der Andacht schlummernde Sinnlichkeit, welche sie zur heimlichen Orgie werden läßt! Durch die feine Zeichnung und Rundung der halbverhüllten, halbentkleideten Gliedmaßen von Personen in der Entwickelungsperiode des Geschlechtes schleicht ein hermaphroditisches Lüsteln wie der Glasharmonikaklang einer Kastratenstimme. In diesem Bilde ist die Jungfräulichkeit der christlichen Kunst geknickt. Sie hat nun nichts mehr mit dem Himmel der Unschuld zu thun. Doch auch das gefallene Weib richtet sich unter der segnenden Hand der göttlichen Natur wieder empor und wird geheiligt als Mutter des Kindes, in welchem sie irdisch fortlebt. Das verlorene Paradies gewinnt sie wieder in der Mutterfreude. So fallen unsere Blicke in

die heilige Nacht.

In diesem Gemälde hat die Naturseele ihre Freiheit von der Ascetik und ihren Verheißungen des Jenseits völlig errungen. Sie hat jede Form, welche ihr der Geist der Satzung aufgeprägt hatte, von sich gethan. Sie wirkt hier unmittelbar auf das Gefühl im Augenblick, wo die junge Mutter zuerst ihr Kind erblickt. Hier prangt die Natur im leuchtenden Kinde im eigenen Lichte. Sie hat hier ganz das christliche, jenseitige Himmelreich und selbst den irdischen Himmel mit seiner Sonne entbehren gelernt, sie ist selig in sich selbst und zugleich ihre eigene Sonne, in der sie sich selbst die Nacht ihres Daseins erhellt.

Unter den Trümmern einer untergegangenen Zeit liegt auf einer Krippe im Stroh das zarte Neugeborene, von den Armen der Mutter liebend umzirkelt. Die junge Mutter hat sich tief zu dem Kinde herabgeneigt, sie kann das schöne, lebendige Räthsel nicht fassen, es ist zu groß und wunderbar! Ihr eigenes Leben, ihre Liebe selbst liegt außer ihr, vor ihr da in der Gestalt eines lieblichen Kindes. Das süße Ermatten löst sich in ihrem Gesichte in ein seliges Lächeln auf. Keine Seele ist jetzt rein genug, der Mutterfreude in die entzückten Augen zu sehen; ihre Blicke gehören ganz dem neugeborenen Kinde, sie sind zu ihm herabgesenkt, von den Augenlidern sanft verschleiert; wie sie, so erblickt ja jede Mutter den Gott, den sie in sich trug, in ihrem Kinde menschgeworden. Können wir doch selbst den Blick von dem rosig leuchtenden Kinde nicht abwenden. Da liegt es so hilflos und doch so reich an Liebe und in ihr an Hilfe! Das junge Leben empfindet die Nähe der mütterlichen Brust, die zarte linke Schulter, das Händchen zwischen den Wickelbändern und die rosigen Füßchen haben sich herausgebohrt wie Blumen aus den aufbrechenden Knospen. Das Bild heißt mit mehr Recht, als man gewöhnlich meint, „die Nacht.“ Die gebärende Nacht ist hier zur Mutter Maria geworden und hat den jungen Gott des Tages geboren, welcher von nun an die Welt mit einem neuen Lichte erleuchten wird. Noch blendet es die Hirten, welchen sich draußen auf den Feldern die Natur zuerst offenbart, zumeist das blinzelnde Mädchen, welches im Körbchen die der Liebe geheiligten Tauben zum Geschenke gebracht hat. Ein junger Hirte ist daneben bei der Krippe auf die Knie niedergesunken und hat sein Gesicht herüber zu seinem Vater gewendet, welcher im Begriffe ist, sich das Umwurffell gegen die Blendung über den Kopf zu ziehen; er gehört der alten Zeit an, welche nicht sehen will.

Oben über dieser Gruppe wälzen sich entzückt die schönsten Engelgliedmaßen durcheinander und feiern die Auferstehung des Fleisches.

Im Durchblicke in das Freie und auf die Gebirge, über welchen der erste Morgen graut, hält hinter der Krippe Joseph den Esel zurück, welcher die Geburt des Kindes im jungen Morgen austrompeten will; denn was kann ein Esel verschweigen? –
Magdalena.

„Vom Laube fast verstecket,
Vom Goldhaar ganz umwallt,
Ruht auf das Moos gestrecket
Des Waldweibs schöne Gestalt.

Es ruht mit gewalt’gen Gliedern,
Und singt aus voller Brust
In unbekannten Liedern
Von übersel’ger Lust.“

 (Das Waldweib von Julius Mosen.)

Unter dem Namen der heiligen Magdalena sehen wir hier ein schönes Weib in zauberischer Walddämmerung auf das Moos gelagert, über ihre Gestalt das reiche, dunkelblaue Gewand geworfen, welches zugleich über ihren Kopf gezogen ist. Darunter quellen die reichen Lockenwogen herunter, in welche die Hand, worauf sie ihr Köpfchen stützt, tief hineingreift. Licht und Schatten spielen lieblich durcheinander auf Gesicht, Armen und Busen, während die verhüllte Gestalt in das Walddunkel sich zurücklagert, aus welchem noch im rosigen Lichte die bloßen Füße hervorleuchten. Sie hat ein Buch in dem rechten Arme liegen. Neben dem Buche steht die silberne Balsambüchse, aus welcher sie des Geliebten Füße gesalbt hat. Hier ruht sie im milden Schatten des grünen Waldes und denkt lesend an den geliebten Freund. – Es ist die Musa der romantischen Poesie in der Waldeinsamkeit.

Der heilige Georg.

Wir stehen vor der Halle eines fürstlichen Lustschlosses, deren Oeffnung von oben, im Halbkreise gesehen, von Korbgeflechte und darin von einem reichen Orangenkranz umgeben ist. Die warme Bläue des italienischen Himmels blickt oben durch die Oeffnung im Halbkreise und unten durch den offenen Bogen der Halle herein. Davon hebt sich die Gestalt der Madonna mit dem Kinde rosig ab. Sie ist hier nicht mehr Königin des Himmels, nur die liebreizende Fürstin auf Erden mit ihrem Hofstaate. Hier ist aller Inhalt in den schönen Schein aufgegangen. Der heiterste Schimmer der Farben muß uns für den verlorenen Geist entschädigen. Selbst die Sinnlichkeit ist entschieden zurückgetreten in das Conventionelle gezierter Stellungen und Mienen und in rosiges, stereotypes Hoflächeln, welches doch nur der schönen Königin so reizend steht. Auf ihrer Linken, welche über ihren Schoos herüberlangt, ruht das Kind, dessen Leib zugleich ihre rosenfingrige Rechte hält. Sie neigt sich huldvoll zu dem Hofgeistlichen, dem Märtyrer Petrus, welcher sie von ihren Verehrern, aus dem Bilde herausdeutend, mit zierlichem Lächeln unterhält; das Kind dagegen interessirt auf der anderen Seite der heilige Gemianus. Er ist im Begriff, ein zierliches Kirchenmodell, welches ein himmlischer Engelpage auf dem Kopfe trägt, in die Hände zu nehmen und das niedliche Spielzeug dem darnach verlangenden Kinde zu überreichen. Die Idee der Composition geht hier wie früher aus der Kreuzform im Gegenspiel ihrer Bewegungen hervor. Der hinter Georg stehende Petrus deutet heraus, der auf der anderen Seite vorstehende Johannes hinein auf Mutter und Kind; in diesem Hinein und Heraus entsprechen sich wieder einander Gemianus und Georg, welcher hier in farbenleuchtender Gestalt mit gedrehten Hüften und Gliedern, den linken Fuß auf den Drachenkopf gestemmt, vor seiner Königin prangt und den fröhlichen, nackten Knaben Helm und Schwert zum Spiele gewährt.

So hat die sinnliche Richtung der Kunst sich in diesem Bilde abgedämpft, um noch piquanter zu werden im schönen Scheine höfisch religiösen Ceremoniels.

In der gegenseitigen Anbequemung der Religion und der Höfe reichten sich später der machiavellistische Fürst und der Jesuit persönlich die Hände, verbunden auf Leben und Tod gegen Reformation in Kirche und Staat.

Diese höfische, von Coreggio angebahnte Kunstrichtung in der katholischchristlichen Malerei zieht sich tief herunter bis in das 17. und 18. Jahrhundert, nur daß sie bei ihm noch heiter ist und noch Kraft zu einer frischen Coquetterie hat, bei den späteren aber immer kränklicher und süßelnder, bis zur Sentimentalität unserer Tage heruntersinkt. So kommt es, daß der schwächliche

Carlo Dolci,

welcher in der Mitte des siebenzehnten Jahrhunderts in Florenz blühte, noch jetzt der Liebling des zartsinnigen, gebildeten Publikums ist. Hier bewundert man seine

heilige Cäcilie,

welche freilich ein Vorbild aller Claviervirtuosinnen mit dem berühmten Augenniederschlage der Henriette Sonntag ist. Die Attitüde, in welcher sie dem Instrumente harmonische Töne entlockt, ist des Einstudirens werth. Sie kann kaum ihre Wirkung verfehlen, zumal in einem ästhetischen Salon. Wir würden nicht so ungalant sein, an ihrer Unschuld zu zweifeln, selbst wenn der Maler den großen Lilienzweig neben ihr anzubringen vergessen hätte.

In gleicher Sentimentalität stellt sich seine

Tochter der Herodias

mit dem Haupte Johannis auf der Schüssel dar. Man vergleiche diese Herodias mit der oben besprochenen, angeblich aus der Schule des Leonardo da Vinci, um den Contrast zwischen dem unmittelbaren und dem durch Sentimentalität erkünstelten Kunstsinn sich zu Bewußtsein zu bringen.

Carlo Dolci nimmt so bei dem Ausgange der italienischen Kunst einen ähnlichen Standpunkt ein, wie Adriaan van der Werff bei dem Ende der niederländischen Malerei.




Ehe wir aus dem Raphael- und Coreggio-Zimmer uns hinwegwenden, wollen wir noch einen Blick auf die Sixtinische Madonna in ihrer Hoheit und Strenge thun – und uns dann zur

älteren deutschen Schule

im anstoßenden Zimmer begeben.

Bei den germanischen Völkern hatte das Christenthum keine zum idealen Bewußtsein in der Kunst hinaufgesteigerte, sondern die in sich phantastisch träumende und in sich befangene Natur, mithin in ihr kein feindliches Princip vorgefunden. Die Seele der deutschen Natur glich mehr einem Mädchen, welches zwischen Kind und Jungfrau mitten inne steht und zuerst von der Liebe ergriffen dem himmlischen Bräutigam weinend in die Arme sinkt. So mußte sie auch nur ihr Gemüth in der Kunst abspiegeln; die Schönheit der Form ist dabei von keiner wesentlichen Bedeutung, da Alles auf die Empfindung ankommt. Desto willkührlicher konnte das traumbewegte Gemüth sich phantastisch zur Erscheinung bringen. Die deutsche Kunst hat daher einen ganz anderen Anfang und Ausgang, als die italienische. So läßt der deutsche Maler in den Portraitgestalten seiner Lieben, welche täglich um ihn herum sind, die Figuren des christlichen Himmels in das deutsche Leben befreundet hereintreten. Einer der größten deutschen Maler ist

Hans Holbein, der Jüngere,

in Grünstadt oder Augsburg 1495 geboren. Mit seinem Vater, Hans Holbein dem Aelteren, wendete er sich in früher Jugend von Augsburg nach Basel, wo sich noch jetzt bedeutende Werke von ihm auf dem Rathhause befinden. Er war ein weinseliges Gemüth, welches den Verkehr in Wirthshäusern liebte und dadurch mit Weib und Kindern in große Armuth gerieth. Aus dieser Noth befreite ihn Graf Arundel, der britische Gesandte in Basel, welcher ihn mit nach London zu Heinrich VIII. nahm. Holbein erhielt und bewahrte sich die Gunst dieses launenhaften Königs bis zu dessen Tode. Er selbst starb im Jahre 1554 dort an der Pest. Der Tod schien damals in großen Schwaden die zum Verderben reife Zeit abzumähen. Pest und Bürgerkrieg waren seine Handlanger. Und doch hat das deutsche Gemüth dieses Entsetzen noch humoristisch und phantastisch verarbeitet. Das Grauenhafte jener Zustände gestaltet sich ihm zu einem tödtlich foppenden Fastnachtspiel, – zum Todtentanz. Holbein’s Holzschnitte unter diesem Namen sind bekannt. In dem großen Bilde hier:

Jacob Meyer mit den Seinen vor der Jungfrau Maria

bändigt sich dieser phantastische Zug des deutschen Gemüthes zu ernster Anmuth in der Gestalt Maria’s und ruht fast nur in der phantastischen Form einer mährchenhaften Krone auf ihrem Haupte. Das Bild stellt die Familie des Baseler Bürgermeisters Jacob Meyer mit den Seinen auf den Knieen vor der heiligen Jungfrau mit dem Christkinde vor. Maria erscheint hier als die Schutzheilige der Familie. Zu ihrer Linken knieet die Mutter mit zwei Töchtern, zu ihrer Rechten der Vater mit zwei Söhnen. Man glaubt, daß der Knabe auf den Armen der Jungfrau das Portrait eines Kindes aus dieser Familie sei, welches verstorben war. Man darf noch einen Schritt weiter gehen und in Maria selbst das Portrait einer verstorbenen Tochter des Bürgermeisters Meyer sehen. Hat sie doch die sprechendste, wenn auch verklärte Aehnlichkeit mit dem älteren Sohne des Bürgermeisters, welcher neben ihm knieet.

Sie erscheint nicht wie die sixtinische Madonna auf Wolken und in himmlischer Glorie, sondern auf demselben Boden und auf demselben Teppich, auf welchem die Familie vor ihr knieet und um ihre Fürbitte betet. Die Nische, in welcher sie steht, wölbt sich oben in Muschelform ab, welche in dunkelgoldener Farbe von selbst zur Glorie wird und davor das deutsche, jungfräuliche Antlitz Maria’s klar sich abheben läßt. Es scheint für jeden nachbildenden Künstler, sei es auf Stein oder Kupfer, eine Unmöglichkeit zu sein, den holdseligen Ausdruck dieses Gesichtes wiederzugewinnen. Es ist ein unwiderstehlicher Zauber darauf hingehaucht. Sie trägt eine Krone, welche im Kreise aus goldenen, aneinander gestellten gleichen Blumenblättern zusammengesetzt und mit Perlen verziert ist; auf jedem Blättchen sieht man die Figur eines Heiligen angedeutet. Ein Karfunkel steht wie ein Blutstropfen auf dem vordersten Blättchen über der todesklaren Stirn. Ihre goldenen Haare fluthen unter der Krone zu beiden Seiten einfach herunter, ihre niedergeschlagenen Augen bedecken sich mildverschleiernd mit den weichen Wimpern. Sie trägt ein dunkelgrünes Gewand, welches, um die Armgelenke zurückgeschlagen, das um die Vorderarme eng anliegende Untergewand und die feinen Manschetten, welche die schönen Hände umgeben, erscheinen läßt. Um die Hüfte hat sie eine nachlässig geschlungene, rothe, schmale Schärpe, welche mit den Enden herabhängt. Das Kind, von ihren Händen getragen, hat sein Köpfchen auf sein rechtes Händchen und dieses auf die linke Schulter der schwesterlichen Jungfrau gelegt. Es blickt und streckt sein linkes Händchen aus nach den Knieenden herunter. Es bedarf nicht der Aufforderung ihres jüngeren Bruders, des frischen Knaben zu ihren Füßen, sie abzubeten; diese in der deutschen Kunst verklärte Jungfrau wird ewig vor unserer Seele stehen.

Wie die italienische Kunst in der sixtinischen Madonna groß im idealen Geiste, so ist hier die deutsche tief im innigen Gemüthe zur Erscheinung gebracht. Auch hier ist das Irdische, doch nicht durch die Strenge, nur durch die Milde des fleischgewordenen Christenthums überwunden und geheiligt.

Vielleicht bezeichnet dieses Bild den Höhenpunct der deutschen Malerei, wie die sixtinische Madonna den Gipfel der römisch-christlichen Kunst.




Wie die deutsche Malerkunst auf ihren Gipfelpuncten sich gemüthvoller Auffassung des individuellsten Lebens mit innigster Treue an die Persönlichkeit hingibt, so mußte sie von selbst im Portrait das Höchste zu leisten vermögen. Vielleicht war so Hans Holbein der größte Portraitmaler in der wahren Abspiegelung der Seele auf den Gesichtern ohne Stylisirung und Idealisirung derselben. Unter seinen Portraits finden wir hier zwei der ausgezeichnetsten:

Weibliches Portrait.

Es ist ein blühendes Matronengesicht in sauberem, weißem Häubchen, in schwarzem Obergewande, welches die rothen Aermel des Untergewandes freiläßt, mit einer goldenen Kette um den Leib; daran hängt der Rosenkranz, mit welchem nachlässig ihre mit feinen Manschetten umkräuselten Hände spielen.

Portrait des Londoner Goldschmiedes[1],

welches von dem Galeriekatalog für das Bildniß des Herzogs Sforza von Mailand und für ein Werk Leonardo’s da Vinci ausgegeben wird. Wir müssen dieses ausgezeichnete Werk des deutschen Fleißes und Genies unserem Holbein wieder heimgeben. Es ist das Spiegelbild eines reichen, verdienstlichen, anspruchsvollen Londoner Bürgers, dessen Gewerbe und Reichthum es zu einer Möglichkeit machen, daß er bei der nächsten Wahl zum Lord-Mayor erhoben werden wird. Er war der Mann darnach, welcher das feinste Tuch und die sauberste Naht haben und bezahlen konnte; so auch sein eigenes Gesicht nach seiner eigenen Weise!

Lassen wir so von Holbein die gesammte deutsche Schule dargestellt sein; denn die übrigen Werke, welche hier von anderen Meistern vorhanden sind, bezeichnen nicht das Besondere in seiner Vollendung.




Wenden wir uns von Hans Holbein zur nächsten Thüre! Sie führt in die

innere Galerie,
in das sogenannte
Zimmer der Ferraresen,

wo von

Francesco Raibolini, genannt Francesco Francia,

eine wunderschöne

Maria mit dem Kinde

uns fesselt. Dieses Bild ist eine der schönsten Blüthen

der Umbrischen Schule,

deren besonderer Charakter im Gegensatze zur classischen Richtung der Kunst, in der seelenvollen, andächtig schwärmerischen Auffassung und Darstellung des christlichen Mythus, besonders der Marienbilder hervortritt.

Zugleich findet sich hier die weitere Ausbreitung der Raphaelischen Schule in den Gemälden

Garofalo’s

und

Dosso Dossi’s

welche hinlänglich erklärt sind durch den Zurückblick auf ihren Meister Raphael, den sie nirgends zu erreichen vermochten. Es sind Arbeiten großer Schüler.

Wir treten in das

Zimmer Tizian’s und seiner Zeitgenossen.
Die Venetianische Schule.

Hier hat die italienische Malerei das streng-christliche Element in dem schönen, heidnischen Fleische überwunden. Aus dem reichen, üppigen Leben dieser Republik aristokratischer Kaufleute, welche zum Papste sagten: Erst kommt Venedig, dann – Rom! – entfaltete sich die Centifolie der weltlichen Kunst im schönen Schein der Farbe, angeweht von der weichen Luft des Morgenlandes und genährt vom zusammenströmenden Reichthums des Welthandels. Und dennoch gelang es wieder den Künstlern Venedigs, aus dem Gegensatze der Sinnlichkeit hervor die Poesie des Christenthums, im wirklichen Dasein zur creatürlichen Erscheinung verkörpert, aufzufassen und darzustellen; denn der Künstler oder Dichter kann keinen Moment rein objectiv wiedergeben, von welchem er selbst noch im Gemüthe tief erregt wird, wie auch der große Schauspieler Schröder in Hamburg diesen Gedanken in seinem Fache oft und bestimmt als Lehrsatz aufstellte.

Der große, vollendete Meister Venedig’s ist

Tiziano Vecellio,
zu Cadore an der Grenze von Friaul im Jahre 1477 geboren und 1576 in seinem 89. Jahre an der Pest gestorben. Ariost zu Ferrara und Pietro Aretino in Venedig waren seine vertrauten Freunde, Papst Paul III. und Kaiser Karl V. seine großen Verehrer. Wir stehen vor seinem Meisterwerke:
Der Zinsgroschen.

Ev. Mathäi 22, 17.
/ „Darum sage uns, was dünkt dich? Ist es recht,
daß man dem Kaiser Zins gebe oder nicht?“

Der Meister hat hier den Augenblick zwischen der Frage des Pharisäers und der Gegenfrage Christi: „Weß ist das Bild und die Ueberschrift?“ festgehalten.

Christus, im Vorübergehen begriffen und von dem fragenden Pharisäer aufgehalten, welcher in listiger Unverschämtheit ihm über den Arm herein die Goldmünze vorhält, hat sein Haupt ein wenig zurückgewendet. Seine feine Hand mit dem schlanken Zeigefinger ist dem Goldstücke genähert, ohne es zu berühren. Der Pharisäer hat gefragt und lauscht auf die Antwort. Wir blicken mit ängstlicher Erwartung in das klare Angesicht des Heilands, welches in dunkelem, hinunterfließendem Haupthaar schwärmerisch bleich erscheint.

Es sind die edelsten Formen und Züge, in welchen das Antlitz des Gottessohnes uns erscheinen konnte, und dennoch portraitartig, deshalb fast unheimlich, da wir gewöhnt sind, das Göttliche in idealer Form zu denken; hier ist es mit allen seinen Ansprüchen an das wirkliche Dasein uns menschlich nahe gerückt. Das Wort ist hier Fleisch geworden, um es in jedem Blutstropfen zu überwinden und zu vergeistigen. Wie mild und doch streng zugleich ist dieses Antlitz! So weich auch die Lider sich auf die Augensterne senken, so liegt doch in den edlen Linien eine unnahbare Erhabenheit. In welchen einfachen, edlen Linien senkt sich die Nase von der klaren Stirne herunter. Dagegen verlängert sich die Oberlippe über das Ideale hinaus, wie wir dieß bei träumerischen, zur Schwermuth geneigten Menschen gewöhnlich finden, und doch ist in ihrer scharfen Zeichnung der geringste Schein des Weichlichen und Hingebenden vermieden; ebenso feingefühlt ist das gelinde Hervortreten der Unterlippe im gezügelten, aber doch möglichen Zorne über die nahegetretene Gemeinheit.

Solche Gesichtszüge verbergen die glühendste Leidenschaft, aber besiegt und verklärt im höchsten Vernunftleben; denn die Leidenschaft ist das Roß, von welchem der Genius der Menschheit dem Ziele brausend entgegengetragen oder zertreten wird.

Hier sehen wir nicht den Jesus, welcher der Menschheit einen trägen, dumpfen Frieden, sondern das Schwert des Kampfes gebracht hat. Er konnte der Natur, wie er gethan hat, den Krieg ankündigen, denn er hatte sie tief in seinem Blute überwunden. Nicht er vor ihr, sie knieet mit aller Herrlichkeit der Welt vor ihm und betet ihn an.

Eben so mächtig prägt sich in seinem Gegensatze, im Pharisäer, die gemeine, thierisch herrschende Natur aus. Wie edel sind auch hier die Gesichtszüge angelegt, aber entadelt durch den Ausdruck der Gemeinheit, von welcher sie erfüllt sind. Das hagere Gesicht ist abgemagert in wüsten Gelüsten, welche sich nicht an das Tageslicht wagten; der kahlgeschorene Kopf ist mit kurzen Borstenhaaren besetzt, welche in der Sünde grau geworden sind. Drängt sich die obere Stirne auch wie zu einem Gedankengehäuse gewölbt hervor, doch fällt sie schwach herab, kneift sich bei der Nasenwurzel ein und tritt in einem garstigen Wulst wieder hervor, als wolle sie die Scham über die verlorene Menschenwürde übertrotzen. Die Nase steht frech wie ein Habichtsschnabel hervor und scheint den eingekniffenen Mund zu belauern, welcher sich hinter röthlichem Haargebüsche verbirgt. Der Trotzwulst der Stirne drückt zugleich die Augenbrauen so tief herunter, daß sich darunter das Auge wie eine Katze mit dem falschen Blicke verbergen kann. Verschmitzte Runzeln liegen neugierig um die Augen geringelt wie giftige Schlängelchen, und fast läuft der tiefe Einschnitt vom inneren Augenwinkel herunter und zusammen mit der Schlangenlinie, welche unter dem Nasenflügel einsetzt und sich um den unheimlichen Mund krümmt. Zur idealen Gemeinheit und Niedertracht in diesem Gesichte gehört noch das rohe, brutale Ohr, welches der darin hängende, funkelnde Rubin noch gemeiner erscheinen läßt.

Einen ähnlichen Ausdruck pfiffiger Dummheit in dieser Vollendung findet man nur zuweilen in dem Gesichte eines Rabulisten, doch gewöhnlich mit leicht entzündeten Augenrändern.


Die Gesegnete.

Eine junge schöne Frau in Mutterhoffnung überbringt der Mutter Gottes ein Weihegeschenk, um ihren Beistand bittend. Sie hat die Stufen ihres Palastes verlassen, von den Schutzheiligen ihres Hauses, Hieronymus und Paulus, begleitet. Hieronymus hinter ihr hält sein Crucifix über ihr Haupt und bezeichnet sie als eine Gesegnete. Man sieht ihr Gesicht im schönsten und edelsten Profil. Sie hat den Blick gesenkt, welchen schamhaft das Augenlid verhüllt. Wie ein Hauch schwebt noch auf ihrem Gesichte die jungfräuliche Schönheit, welche sie ihrem Manne zugebracht. Das Auge ist ein wenig eingefallen, der Mund ist in den feinen Winkeln zu süßer Schwermuth herabgezogen, wie man dieß bei schönen jungen Frauen sieht, welche im Verluste das Höchste gewonnen haben, die bis zur Todesgefahr theuere Mutterfreude. Ihr zartes Gesicht hebt sich wunderbar klar im Goldtone vom Hintergrunde ab, zu welchem sich der tiefbraune Paulus mit reicher Haupt- und Bartwaldung vom Maler gebrauchen lassen muß. Ihr blondes Haar lagert sich in reichen, mit rosafarbenen Bändern durchzogenen und aufgeschlungenen Flechten auf den schönsten Nacken herunter. Ihr weißes Atlasgewand bildet mit dem weiten Aermel einen reichen Bausch und faltiges Gehänge. Der Arm der uns abgewandten rechten Seite ist verhüllt von einem großen Umschlagetuch, welches von der rechten Schulter hinter ihr herüber in die herunterhängende linke Hand fällt, welche es vornehm hält. Weiß und Grün, die Farben der Unschuld und Hoffnung; denn hier ist die Unschuld guter Hoffnung. Wie hier drei Bittende, die junge Frau mit ihren zwei Begleitern, so erscheinen auch die Bittegewährenden in drei Personen: Maria und der Täufer, das Jesuskind in der Mitten.

Maria in rothem Gewande, das blaue Umwerftuch über den Schooß und ein weißes Tuch über das Haupt gebreitet, neigt sich mit unendlicher schmerzlichsüßer Theilnahme und Verheißung der Flehenden zu, indem das Jesuskind, auf ihrem Schooße stehend, an ihre rechte Schulter gelehnt, zart von der rechten Hand der Mutter gesichert und stark vom muskelgewaltigen Täufer am rechten Aermchen gehalten, sich ihr entgegenneigt. So wird ihr, der Hoffnungsreichen, ein schöner, starker Knabe zum Erstgeborenen verheißen.

Ich kenne für die plastische Kunst keinen zarteren Gegenstand und kein Gemälde, welches heiliger und schöner empfunden ist.

Lucrezia Borgia vor der heiligen Familie.

Vor der heiligen Familie erscheint die schöne, blonde Giftmischerin in schwerseidenem, weißen Gewande, die Fingerspitzen beider Hände nach höfischer Kirchenetiquette zierlich zum Gebete aneinander geneigt. Sie tritt kühn hervor, doch weichen ihre Augen ein wenig seitwärts, eines guten Empfanges bei ihrer Aufwartung nicht ganz gewiß.

Ihr Gemahl, Alphons I., Herzog von Ferrara, hat sich scheu hinter sie zurückgezogen. Er ist ein blonder, großköpfiger, gebildeter, aber schwacher Mann. Seine Linke hat er auf den Arm Lucrezia’s gelegt, als wolle er sie halten, oder als hätte sie ihm vorher zugeflüstert: halte dich nur an mich, ich will es schon abmachen!

Zwischen Lucrezia und der heiligen Gruppe blickt ihr kleiner Sohn, der seinem Vater unter dem Namen Hercules II. in der Regierung folgte, zum Jesusknaben wie fürbittend herüber. Auch er hat die Fingerspitzen nach der Kirchenetiquette zum Gebete aneinander geneigt; denn mit ineinander gefalteten Händen betet das gemeine Volk, welches keiner Indulgenz zum Sündigen bedarf.

Das Jesuskind hat vor der nahenden unheiligen Familie mit beiden Händen sein scheues Vögelchen auf die abgekehrte Schulter gerettet; mit dem höchsten Unwillen, welchen ein Kindergesicht ausdrücken kann, blickt es die Heuchler an.

Selbst Maria, die Immerfürbittende, hat ihre Augen hinweg und in das Buch gewendet, welches sie mit der Rechten hält und auf dem Schooße liegen hat. Sie wird die Schrift in dieser Entfernung kaum erkennen, sie braucht aber doch wenigstens nicht das sündhafte Weib anzusehen.

Dagegen starrt der heilige Joseph mit dem tiefsten Ingrimme und herzlichster Verachtung die Herzogin an.

Wie im vorigen Bilde: die Gesegnete! nichts als Erhörung der frommen Demuth, so hier nur Verwerfung der heuchelnden Sünde.

Wie ist es möglich, kann man fragen, daß der Künstler ein bestelltes Portraitbild so auffassen und darstellen konnte?

Tizian konnte, wie jeder große Meister, in seinen besten Gemälden nur seine Gemüthsstimmung, welche ihm der Gegenstand einflöste, zur Darstellung bringen. Diese Gemüthsstimmung zu verstehen, ist nicht die Sache vieler, am allerwenigsten der im äußerlichen Scheinleben befangenen Menschen. Alphons wird ihm das Portraitgemälde bezahlt haben, ohne sich dabei weiter Etwas zu denken; doch wird es weder ihn noch seine Lucrezia bezaubert haben, ohne daß sie sich des Grundes davon bewußt gewesen sein möchten.

Die Verklärung des Fleisches.

Auf weißem Lager ruht die schöne Gestalt der Venus im Schatten eines rothen Vorhanges. Zu ihren Füßen an der Brüstung des Altans, mit dem Rücken ihr und uns zugekehrt, sitzt ein junger Cavalier. Er dient hier in seiner Kleidung und mit seinem braunen Gesichte und häßlichen Profil nur zum Gegensatze der unbekleideten Schönheit. Aus der Gegenwart dieses bekleideten jungen Cavaliers will man beweisen, daß hier nicht an eine Venus, sondern nur an ein Portrait zu denken sei. Man vergißt aber dabei, daß dem Meister es nur darauf ankommen konnte, durch den Contrast die Schönheit der unverhüllten Glieder noch siegender hervorzuheben. Das Ideal weiblicher Schönheit war selbst noch im Mittelalter die im Venusberge hausende Frau Venus, vor welcher der Tannhäuser immerhin die Zither spielen konnte, wie in diesem Bilde.

Tizian hat durch die Gegenwart des Zitherspielers noch eine feinere Wirkung hervorgebracht, selbst wenn er sie nicht beabsichtigt hätte. Man sieht die unverhüllte Schönheit des Weibes nicht ohne einen Zeugen. Dieser aber muß ihr den Rücken zukehren und sich mit dem Lautespiel beschäftigen; er muß nach Noten musiciren. Dadurch wird die Stimmung, mit welcher man die höchste sinnliche Schönheit betrachtet, von der Begierde gereinigt, welche in der Heimlichkeit sich entzündet.

Es ist Mittag, und die Sonne glüht heiß. Die Berge der Landschaft, auf welche wir aus dem Bilde hinausblicken, glühen in der Sonne, und die Bäume und Büsche werfen tiefdunkle Schatten. Es führt ein Weg in die Ferne hinaus. Hier und da ruht oder schläft ein Wanderer am Wege unter einem Baume. Die Natur ist träumend in sich selbst aufgelöst.

Dieser höchste Moment sinnlichen Lebens in süßem Selbstgenügen erscheint uns in der Ruhe der unverhüllten Schönheit der Venus auf dem Lager, in welcher jede Dissonanz in Harmonie aufgelöst ist. Hier hat die Schönheit des menschlichen Leibes, wie eine Blume, nur sich selbst zur Bedeutung. Hier ist nichts mehr, was über das irdische Leben hinausgeht, hier ist die höchste Blüthe des modernen Heidenthums rosig erschlossen. Dieser musikalische Eindruck, welchen das Gemälde machen soll, wird noch bestimmter durch die Laute und die Flöte, welche hier im Duett klangen, uns nahe gebracht; denn Frau Venus hat, wie wir sehen, mit der Flötenpfeife das Spiel der Laute begleitet. Wir sehen hier den Augenblick festgehalten, wo sie, von der Musik überwältigt, auf das Lager zurückgesunken ist, auf den linken Arm gestützt, so daß der Ellbogen in das Kissen gedrückt ist und die reizende Hand mit der Flötenpfeife zwischen dem zweiten und dritten Finger nachlässig und sanft herabhängt. Ihre verschwimmenden, schwarzen, feucht-glänzenden Augen gehen träumend seitwärts empor. Ihre linke Seite sinkt schwer und weich in das Lager, so daß sich in zarten Conturen die rechte Seite unter der Brust einzieht, während sich die Schenkel bei den Knieen aneinander schließen und die Hüfte desto reizender sich emporhebt. Der rechte Oberarm ruht zurückgehend an dem Altangesimse, der Vorderarm geht herüber und lagert sich längs der schönen Hüfte hinunter, mehr und mehr sich herüberhebend, bis die schöngebogene Hand mit den matt auseinander gehenden Fingern über dem rosig sich vordrängenden Kniee sicher sich hinlagert. Eine Amorette steht vor dem rothen Vorhange hinter ihr und hält einen Kranz von Tausendschönchen über ihr perlendurchflochtenes Lockenhaar. Der Perlenschmuck in dem Ohre und um den weichen Hals und die goldenen Spangen um die Handgelenke zeigen uns, wie zwischen Weiß und Gelb die rosige Farbe des Lebens glüht.

Wie mit der höchsten Schönheit zugleich der Schmerz über ihre Vergänglichkeit verschmilzt, so spricht auch aus dieser Lebensfülle eine unwiderstehliche Wehmuth.

Portrait einer jungen Dame, welche ein Blumengefäß in den Händen trägt.
Eine blonde venetianische Schönheit, feurig, wie die Granatblume, welche sie vor der Brust im Einschnitte des röthlichen Gewandes trägt. Es ist eine im Spiegel der Kunst festgehaltene Tochter eines venetianischen Handelsaristokraten, aufgeblüht in der weichen Luft der Lagunen und im Schatten des Palastes ihres Vaters, des königlichen Kaufmannes.
Portrait der Geliebten Tizian’s.

Sie ist weder mit einer Rose, noch mit einer Lilie, vielmehr mit einem rothangeglühten, sammetweichen Pfirsich zu vergleichen. In ihrer rechten Hand trägt die reizende Curtisane ein Windfähnchen; vielleicht um zu wissen, woher der Wind weht, vielleicht auch, um ihren leichten Sinn damit anzudeuten. Nachlässig hängt ihre Linke herunter und hebt das Gewand ein wenig in die Höhe. Ein guter Italiener versteht dieses Zeichen und schleicht ihr nach. Ihre Augen brennen, ihre Lippen glühen, und süße, verborgene Gluthen röthen ihren Teint.

Tizian wußte das Alles zu schätzen; vielleicht auch sie, ihn zu taxiren.

Portrait der Cornara, der letzten Königin von Cypern.

Es ist ein schönes, rosiges, schwermüthiges Gesicht, ein süßer Schmerz legt sich weich um ihren königlichen Mund. Sie kann uns an Maria Stuart oder an Christine von Spanien erinnern. Die armen Frauen, welche auf den Thron das Herz mitnehmen wollen, dorthin, wo nur die kalte Klugheit und die Gewalt ruhig thronen können!

Portrait des Inquisitors.

Solche rücksichtslose Gesichter, auf welchen sich der Fanatismus der Staatsidee ausgeprägt hat, taugen besser zur Herrschaft. Dieses Gesicht ist mit allen Schrecknissen der Gewalt bekannt. Das beste polizeigerechteste Gewissen könnte vor diesen Inquisitoraugen in Verlegenheit kommen. „Inculpat verfärbt sich!“ dictirt dieser Mund, dessen muskelkrampfige Unterlippe vorschwillt, während die obere verbissen zurücktritt. Es ist ein mit Folterschrecken und Bleikammern drohendes Gesicht. Es brauchte kaum noch dazu das knochige Kinn mit dem borstigen Haarflecke aus wulstigen Halsrunzeln hervorzustehen, um die Hyäne der geheimen Staatspolizei mit ihrem Heißhunger zu charakterisiren. Wir wissen, daß sie eiserne Zähne vor einem bleiernen Magen hat.

In Tizian’s Werken ist so das Leben Venedigs zur höchsten Blüthe in der Malerei verklärt vor unsere Augen gestellt.

Sein Mitschüler und Mitstrebender, Giorgione, von welchem später hier gesprochen werden wird, hatte ihm, und er wieder der späteren venetianischen Schule den ihr ganz eigenthümlichen Charakter aufgeprägt. Ihm folgten Bonifazio, Andrea Schiavone, Regillo da Pordenone, Paris Bordone, Jacopo Robusti, Jacobo Bassano, von welchen in diesen Sälen vorzügliche Werke zeugen, ohne daß ein besonders neuer genialer Gedanke darin ausgesprochen ist.

Ausgezeichneter vertreten ist in diesem Zimmer die Schule Giorgione’s durch seinen Nachahmer
Palma Vecchio.
Die drei Schwestern,

die Töchter des Meisters. Er bezeichnet sie selbst als drei schwesterliche, halberblühte Rosenknospen, welche links und rechts an den beiden Seiten der Gruppe hervorblicken. Es sind zarte, sommernächtige, italienische Schönheiten. Sie sitzen an einer Waldecke im Vordergrunde einer Gebirgslandschaft, die mittlere schmachtend in blauem Prachtgewande, mit den zart geöffneten spröden Lippen. Sie hält die ältere Schwester mit dem rechten Arm umschlungen, die Linke mit dem halbausgezogenen Handschuh in den Schooß gelegt, und blickt ihre zweite Schwester in rothem Gewande, von welcher sie an den Locken gezupft und vielleicht neckend um das Geständniß ihrer Liebe gefragt wird, mit verläugnenden Augen an. Wie diese sechs schwarzen Augen liebedürstend durcheinander leuchten! In welcher süßen Fülle blühen diese zarten Gestalten auf! Doch schwebt eine zarte Schwermuth auf ihnen, wie selbst in das Gelächter der Novellen des Decamerone die dumpfen Glocken aus der pestkranken Stadt heimlich herübersummen.

Die mittlere dieser drei Schwestern sehen wir in der höchsten Blüthe ihrer reizenden Glieder um einige Jahre älter in der

Venus.

     „Das Waldweib sprach: Das Klingen
Das ruft im Dorfe fern
Zum strengen Dienst des Herrn;
Die Leute müssen springen,
Viel beten und viel singen,
Wie müssen arme Seelen
In Wort und Wahn sich quälen.

     Wohl Dir, daß du vergeben
Des Leibes bösen Gast,
Die trübe Seele hast,
Nun darfst du selig leben,
In Thau und Lüften weben,
Ohn’ Beten, Knie’n und Büßen
All’ Inbrunst ganz genießen.“

(Aus den Gedichten von Julius Mosen.)

Sie ruht hier unter einem Baume im Vordergrunde einer romantischen Landschaft. Die Schatten sind grünlich braun und in den Lichtpartieen gelblich nachgedunkelt. Das macht den Eindruck, als sähe man die schöne Gestalt in einer süßen Dämmerstunde. In ihren dunkelglühenden Augen kann man die schöne Legende von der „Undine“ lesen, welche in der Liebe des Mannes eine unsterbliche Seele sucht.

Wer das in Italien in schöner Sinnenlust wiedergeborene, hellenische Heidenthum verstehen lernen will, der lese Ariosto und Aretino! Das hellenische Ideal wird, wie einst in Athen, immer emporstrahlen als Genius des Todes und des Unterganges in einem Zeitalter, welches in That und Bildung seine Aufgabe vollendet hat. So erscheint in allen Gemälden der Venetianer, welchen Gegenstand sie auch behandeln, ihr eigenes, innerstes Leben. Häufig stellt es sich unter den Gestalten der Heiligen dar, welche dadurch von selbst zu Trägern der individuellsten Zustände der damaligen Zeit werden. Die Venetianischen Meister sind so zugleich auch die größten Portraitmaler. Am liebsten stellten sie das „dolce far niente“ auf ihren Villen und in ihren Gärten fern von der Stadt in der Madonna mit dem Kinde dar.

Eine solche Scene sehen wir hier:

die lesende Madonna.

Es ist eine reizende Idylle, in welcher ein junges Mütterchen mit ihrem holden Kinde vor einem grünen Vorhange sitzt. Johannes der Täufer hat, wie ein junger Dichter, mit hingebender Verbeugung ihr einen beschriebenen Papierstreifen überreicht. Sie liest darauf das schöne Sonnet, welches er auf die zarten Lippen ihres Erstgeborenen gedichtet hat. Fast schelmisch und verschämt steht zwischen beiden Katharine mit niedergeschlagenen Augen. Man wird nicht müde, die vier feingebildeten Gesichter anzusehen. Hat man einmal das Räthsel gelöst und im heiligen Maskencostüm die damaligen Venetianer entdeckt, so wird von selbst jedes Bild zur Novelle, an welcher zu spinnen die Phantasie nicht müde wird.

Eine gleiche Scene führt uns Palma vor in der
Madonna, welche ihr Kind stehen lehrt.

Die junge Mutter sitzt in dem Vordergrunde einer Landschaft unter Bäumen und läßt ihr Kind auf der linken Hand stehen, welche sie auf den Schooß gelegt hat, während die Rechte es am Rücken festhält. Ihr zur Linken sitzt ihre Freundin Elisabeth, welche mit ihrem kleinen Johannes bei ihr auf Besuch ist; ihr zur Rechten, mehr zurück, ruht ihr alter Ehegemahl, Signore Giuseppe, im Gespräch mit der schönen Katharina, welcher er vielleicht seine Erziehungsmaximen auseinandersetzt.




So wurzelt diese Kunstrichtung einmal tief im glühenden Sinnenleben der schönen, mährchenhaften Lagunenstadt, dann aber, im Gegensatze zu demselben, in der Sehnsucht aus dem Polizeileben und den Triebrädern der Politik nach der Einsamkeit in der freien Natur. Dadurch gewann die Landschaft bei den Venetianern eine besonders große Bedeutung.

Jede dieser Richtungen hat der große Mitschüler und Mitstrebende Tizian’s,

Giorgio Barbarelli di Castel franco (Giorgione genannt),

zuerst angebahnt. Er war um 1477 geboren und starb 1511, mithin 34 Jahre alt.

Kühn zerbrach er die Schranken der Bellinischen Schule, befreite daraus die venetianische Kunst und gab ihr das schöne Leben Venedigs zum alleinigen Inhalt, für welchen der junge Genius zugleich die Vollendung der angemessensten Form in höchster Meisterschaft fand.

Wie das politische Leben der Republik Venedig kühn, mit einem morgenländischen, phantastischen Anstrich und doch in strenger Zucht eiserner Herrscherkraft, so ist das Leben, welches sich in seinen Gemälden ausspricht, in strenggebändigter Leidenschaft glühend und phantastisch in venetianischer Pracht. Besonders großartig tritt dieses Element in seinen Portraits hervor, aus welchen eine tiefe, doch gebändigte Gluth der Leidenschaft uns anleuchtet.

Seine Bilder sind äußerst selten. Von der ersteren Seite des von ihm vorgezeichneten Kunststrebens, der Auffassung des großstädtischen Lebens der Handelsrepublik in novellistischen Scenen und Charakterbildern, oder mittelbar unter der Maske heiliger Geschichten und Legenden, besitzt die Dresdener Galerie kein Bild, dagegen aus dem idyllischen Traum- und Liebesleben eines der vorzüglichsten, welches den Namen:

Jacob und Rahel

führt.

Ein junger Hirt begegnet seiner Geliebten bei der Tränke mit dem werbenden Liebeskusse in einem Thale, dessen Aussicht von Bergen umschlossen ist. Es ist belebt von Schaf- und Rinderheerden, die durcheinander weiden. Rechts zieht sich aus dem Thale ein Weg in die Dorfkirche hinter Lindenbäumen empor. Die Liebenden sind sich begegnet. Hände und Lippen haben sich zu zärtlichem Drucke vereinigt. Sein Haupt ist dabei empfindungsvoll seitwärts hinübergebeugt, so daß ihr Gesicht im Profil sich daran drängt. Beide sind sonntäglich angethan, er in der Tracht der damaligen Friauler. Während er bei der Begegnung den Hut vom Kopfe genommen, welchen die Linke noch wie zum Gruße zurückschwenkt, hat sie Bündel und Stab von sich geworfen. Er hat an der Seite Hirtenflöten und ein Messer am Gürtel, und ist ein schmucker, rüstiger Bursche, welcher sein Flöten- und Liebesspiel mit Messerstichen zu vertheidigen das Herz hat. Neben ihm steht sein treuer Hund. Wie er zum Kusse, so sind die Heerden zur Tränke geeilt. Auf der Seite des Mädchens schüttet ein alter Hirt das Wasser in den Trog, weiter vorn sitzt ein zweiter, welcher den Stein vom Brunnen gewälzt hat und auf die Glücklichvereinten blickt. Ist er eifersüchtig? Schwermüthig gewiß. Rechts, in der Mitte der Heerde, duelliren sich zwei eifersüchtige Widder! – Steht die Jungfrau in diesem Zeichen? – Giorgione war gern symbolisch.




Diese Richtung, welche der geniale Giorgione der Kunst aus dem Cultus hinaus in das wirkliche Leben gegeben hat, gewann außer Tizian noch einen großen Meister, den Nachfolger Beider, Paolo Veronese.

Wir verlassen hier das Zimmer Tizian’s und treten in

den Saal der Venetianer.
Paolo Cagliari von Verona (genannt Paolo Veronese),

geboren um 1528, gestorben 1588. Hatte Tizian in der neuen Richtung, welche Giorgione der Kunst gegeben, die schöne hellenische Sinnlichkeit aus dem venetianischen Leben hervorgehoben, so stellte Paolo Veronese es von der Seite des schönen Scheins dar. Er ist der gewaltige Meister in der Pracht der Farbe. Die Erscheinung der Vornehmen in kostbaren Gewändern bei festlichen Aufzügen und bei der Tafel hat er besonders gern dargestellt. Und dennoch schleicht auch hier ein wehmüthiger Zug, die Vorahnung des Unterganges aller italienischen Herrlichkeit, darüber hin. Die Dresdener Galerie besitzt seine vorzüglichsten Werke. Er hat hier ein reiches Bilderbuch aufgeschlagen.

Die Findung Mosis.

So heißt dieses Gemälde; es stellt aber in der That eine wahre oder erdichtete Begebenheit aus der Zeit des Meisters im Gewande jener biblischen dar. Wir müssen immer wiederholen, daß die bildende Kunst keinen höheren Zweck hat, als die Darstellung ihrer Zeit, sei es in ihrer unmittelbaren Erscheinung, oder vermittelt durch mythische oder geschichtliche Parallelen. In keiner Kunstepoche verfuhren die Künstler in der letzten Beziehung naiver, als zur Zeit der Blüthe der italienischen Malerei unter Giorgione, Tizian und Paolo Veronese. Hier sehen wir eine fürstliche Jungfrau jener Zeit bei einer Spazierfahrt an der Etsch unfern Verona einen ausgesetzten Knaben finden. Es ist Morgen, die Sonne eben aufgegangen. Die Prinzessin war spazieren gefahren, begleitet von ihren Frauen, Dienern und Wachen. Wie sie aus dem Castanienwäldchen herausfährt, hört sie ein Kind am Ufer wimmern. Sie läßt halten und steigt aus. Die beiden Hellebardiere sind an das Ufer geeilt, unten hält eine Dienerin mit einem der Hellebardiere den Korb, aus welchem bereits der Knabe genommen ist und der Prinzessin gezeigt wird.

Höher auf dem Ufer, an einen Baum gelehnt, steht der zweite Hellebardier, welcher seinen Weberbaumspieß keck auf die Erde gestemmt hat. Er hat das Gesicht weggewendet, fast, wie es scheint, um die Frau nicht zu sehen, welche das Kind ausgesetzt hat und im Hintergrunde in weißem Gewande vorübereilt. Ein Gesellschaftsfräulein, das jüngste und frischeste, hat bereits den Knaben auf den Armen, während es auf ein Knie niedergesunken ist und hält ihn der Prinzessin entgegen. Die alte Amme der Prinzessin hat das Tuch auseinandergeschlagen, in welches er gehüllt war; sie hält es so, daß der Knabe nicht von der rauhen Morgenluft berührt wird; alte Frauen verstehen, Kinder zu behandeln. Hinter der Alten stehen zwei andere Hoffräulein, das nächste, im rothen Gewande, blickt verschämt hinweg, das zweite, gleich hinter der Prinzessin, neugierig auf den frischen Buben.

Wie fürstlich steht die Prinzessin hier! Sie ist eine hohe, stolze, lombardische Blondine mit der Krone auf den reichen Haarflechten, die linke Hand in die Taille gelegt, welche durch den Bausch des aufgeschürzten, prächtigen Gewandes mit eingewirkten großen Blumen noch mehr hervorgehoben wird, den rechten Arm um den Nacken eines Fräuleins gelegt, welches in höfischer Gewohnheit sich unter ihr beugt, um es ihr bequem zu machen, und dabei auf den Knaben deutet. Ein phantastisch geputzter Mohrenzwerg, ein kleiner Mephistophiles mit rother Mütze und Hahnenfeder, steht zwischen zwei aneinander gefesselten Windspielen. Dahinter trägt eine Mohrin das Schooßhündchen. Beide gebrauchte der Maler, um durch den Gegensatz, welchen sie in ihrer häßlichen Erscheinung zu der schönen, schlanken Fürstin darstellen, diese noch mehr hervorzuheben. Die Fürstin scheint das Absonderliche und die Hunde zu lieben, wie es häufig bei vornehmen, kinderlosen Frauen der Fall ist. Mit dem Knaben ist ihr geholfen. Sie schlägt die Augen fast schwermüthig nieder. Ein schmerzlicher Zug spielt um ihren schönen, stolzen Mund. Sollte dieser Knabe und die Geschichte seiner Aussetzung zu ihr in besonderem Bezuge stehen? Wir wissen es nicht; doch wird sie den Knaben wie ihr eigenes Kind lieben.

Die Anbetung der heiligen drei Könige aus dem Morgenlande.

Wir sehen hier die gewaltige Pracht des venetianischen Welthandels in königlichem Aufzuge herangeführt. Aus diesem mächtigen Bilde ist jede Spur des christlichen Geistes entwichen; dafür wird uns die Poesie fremder Welttheile wie in Freiligrath’s Gedichten vorgezaubert. Wir müssen das Bild ganz weltlich, wie es ist, nehmen und erklären. Die Scene ist vor einen Palast verlegt, bei welchem der Stall mit der Krippe und dem Ochsen und Esel symbolisch angedeutet ist. Es stellt einen Aufzug kaiserlicher und königlicher Hoheiten vor, welche aus der Levante, aus Indien und Afrika hieher gekommen sind, um mit schönen Worten und Geschenken der hohen Dogenfamilie zur Geburt eines Sohnes Glück zu wünschen. Solche Pracht läßt sich nicht beschreiben; man muß die Herrlichkeit vor dem Dogenpalaste mit ansehen. Dort knieet ein alter, griechischer Fürst huldigend vor der Dogaressa und küßt den Fuß ihres Erstgeborenen. Wie königlich wallt von seinen Schultern das sammetne, mit großen, schwarzen und weißen Blumen gemusterte, mit Hermelin gefütterte reiche Gewand und daran die prächtige, von dem Pagen in blauer Uniform getragene Schleppe! Hinter ihm hält ein zweiter Page in gleicher Livree die Krone! – Ist das dort nicht der König von Cypern, der würdige, ernste Herr in schwerseidenem, rothen Damastgewande, mit dem silbernen Trinkkruge, welcher vielleicht mit dem feinen Weine seiner Insel oder mit Ducaten gefüllt ist? Dort kommt der Kaiser von Marocco in grün- und rothgestreiftem, phantastischem Gewande und mit mohrischem Turban. Wie schwarz er aussieht! Er trägt ein Goldgefäß; gewiß ist es mit Diamanten und Rubinen gefüllt! Und wie mährchenhaft seltsam, wie reich sein Gefolge; und die Pferde, die Hunde und die oben neugierig herunterguckenden Kameelgesichter! – Solche Aufzüge fremder Fürsten sieht jetzt nur noch der St.-James-Palast und darin die Königin Victoria, wenn sie die fürstlichen Gratulationen bei der Taufe eines Prinzen erhält.

Paolo aber hat seine goldene und sammetne Zeit in diesem Gemälde und mit ihm die Pracht und den Ruhm seines Vaterlandes verewigt.

Das Weinwunder auf der Hochzeit zu Kanaan.

In frommen Familien auf dem Lande hört man vor der Mahlzeit ein Tischgebet, welches den Heiland zu Gaste einladet, mit der Bitte, das zu segnen, was er bescheert hat. Es darf daher nicht befremden, wenn er auch hier, wie einst bei der Hochzeit zu Kanaan, der Einladung Gehör gegeben und mit seiner Mutter bei dem Hochzeitfeste einer venetianischen Familie erschienen ist und die Tafel mit der Fülle des herzerfreuenden Weines gesegnet hat. Haben wir bereits die Gestalten und Gesichter der Gönner und Freunde unseres Malers in seinen anderen Bildern gesehen, so befinden wir uns auch hier nur unter guten, alten Bekannten. Es thut unseren Augen und Herzen wohl, einmal kerngesunde, thatkräftige Menschen, frei von der Sorge einer kleinen Zeit, in festlicher Stimmung bei dem Nachtische, erhöht durch den Genuß vortrefflicher Weine, ruhig zu betrachten.

Wir dürfen uns vorstellen, daß ein Attaché des byzantinischen Gesandten, welchen wir im Aufzuge der Könige aus dem Morgenlande im vorigen Bilde gesehen, sein Absteigequartier „alla mezza luna“ unfern des Marcusplatzes genommen habe. Gastwirthe sind von jeher mit schönen Töchtern gesegnet gewesen, und das Töchterlein des Signore Pancrazio hat das Herz und nun auch die Hand des feurigen Phanarioten gewonnen. Das Hochzeitsfest wird in einem offenen Saale gefeiert, welcher den blau und grau gewölkten Siroccohimmel zum Hintergrunde hat. Braut und Bräutigam sitzen oben quervor an der Tafel, ihre Gesichter in den Profilen uns zugekehrt. Sie ist eine klare Blondine, er levantisch dunkelbraun. Eine ernste, staatspolizeilich erlaubte Heiterkeit belebt die Gesellschaft. Es ist der Augenblick, wo der Wein seine Wunder, wenn auch in den Grenzen des Anstandes, thut. Der dem Wirthe gegenübersitzende Heiland giebt zum Dessert sein Hochzeitsgeschenk in einer Fülle des ausgesuchtesten Weines. Das Hôtel, in welchem die Scene vor sich geht, ist zu prächtig in den marmornen Säulen und Treppen, es springen viel zu viel Kellner auf und zu, als daß zum Hochzeitfeste der Wein im Keller für die Tafel gefehlt haben sollte. Strauß und Bruno Bauer könnten aus einem solchen Widerspruche das ganze Wunder anfechten, wollte man sich nicht mit Bretschneider helfen und annehmen, daß es nur an „Lacrymae Christi“ bei dem Dessert gefehlt habe. Hier ist dieser Wein, welcher das Feuer des Vesuvs mit der Gluth der Sonne und so Himmel und Hölle vermählt hat. Hier ist die Hochzeitsgabe des armen Propheten von Nazareth! Sie ist da in Menge wie Wasser, als wäre in diesem Hôtel nicht zum ersten Male das Wasser zu Wein geworden.

Aber darf auch in einem Polizeistaate, wie Venedig, ein Wunder geschehen? Das Unglück will es, daß der Wirth aus besonderer Rücksicht den Ober-Mauth-Director zur Hochzeit eingeladen hat. Da steht der Douanenteufel in schwefelgelbem, rothgestreiften Gewande, die Rockschöße in den Leibgürtel gesteckt, in Vorahnung der modernen Frackzeit, die linke Hand mit der Kelchschale voll unveraccisirten Weines ausgestreckend und mit verteufeltem Gesichte das corpus delicti anstierend; er wälzt noch im Munde die Weinprobe und das verhängnißvolle Wort: Contrebande! während sich seine Rechte gierig über der Magengegend krümmt. Der Hochzeitsvater blickt sich in tödtlicher Verlegenheit um, dem Brautpaar ist jedes Lächeln aus dem Gesichte entwichen, selbst Christi Mutter faltet die Hände, zwischen ihrem Gesichte und dem des Bräutigams schiebt sich das Profil eines Senators hinein, welcher zwei Finger in der Hand eingeschlagen hat und drei ausstreckt mit der Frage: „es wird doch in Ordnung sein?“ Nur um Christi Mund schwebt ein Lächeln.

Nirgends wird an der Tafel getrunken, so weit der schreckliche Blick des Zöllners schweift; nur dahinten in der Ecke trinken aus einem flachen Teller die wandernden Künstler und Spaßmacher bei der Hochzeit, der Jongleur und der Hanswurst, und zwischen ihnen zugleich die Sängerin, welche eine große Schüssel als Schirm vorhält; ebenso heimlich läßt sich hinter dem Stuhle der Braut ein lustiges Mädchen einen Trunk einschenken. Hinter dem Mauthdirector geht es desto lustiger zu. Abgekehrt von ihm trinkt stehend der idealste Weintrinker in Venedig. Er hat ein geniales, scharfgeschnittenes Gesicht; er ist ein Dichter oder Künstler. Er ist mager und feurig; sein Naturel ist mit dem des Weines verwandt. Zwischen den beiden Verwandten herrscht eine Sympathie des Blutes, einer sehnt sich zum anderen. Während seine Lippen die süße Fluth aus dem Glase einziehen, schlürft mit absolutem Bewußtsein seine feine Nase den in der Fluth schwebenden Geist Gottes in sich. Der sitzende alte Herr unter ihm, an dessen Schulter er sich bei’m Trinken anhält, hat inbrünstig den großen Weinkrug für sich umklammert, sich den Bart streichend; der Alte ihm gegenüber läßt sich von einem Marqueur einschenken; nur der arme Mohr, der Mohammedaner, wirft seine Augen zum grausamen Propheten empor, der den Wein seinen Gläubigen versagt hat. Zwei Diener treten eben mit dem vorderen Ende einer Trage in den Saal: es kommt des Segens neue unendliche Fülle; voran geht der weitausschreitende Oberkellner, welcher auf einem Teller Deckel für die Weinschalen bringt; – denn die Freude soll lange dauern und der Wein nicht verduften.

Der Convertit.

Eine vornehme venetianische Familie vor der Mutter mit dem Kinde. Um das Bild zu erklären, müssen wir wieder die Begebenheit, welche es veranlaßt haben mag, ihm unterlegen. Der Convertit, welcher in der Reihe der Knieenden zuletzt gesehen wird, ist der ältere Sohn des Hauses. Er war nach dem Tode seiner ersten Frau, von welcher er den hinter ihm in rothbraunem Gewande herankommenden Sohn besitzt, von der katholischen Kirche ab- und dem neuen Glauben zugefallen. Er hat sich zum zweiten Male und mit der Schwester seiner ersten Frau verheirathet. Diese zweite Frau hängt dem alten Glauben an; sie hat ihn nach der Geburt eines Kindes, welches hier der Familie von der Amme hinterdrein getragen wird, wieder mit dem katholischen Glauben und seinem Hause zu versöhnen gesucht. Er ist mit Frau und Kindern nach Venedig zur Aussöhnung mit der Kirche und der älterlichen Familie gekommen. Man sieht die Gondeln im Kanale vor dem väterlichen Hause stehen. Die ganze Familie, welche den Reuigen aufgenommen hat, erscheint jetzt mit ihm vor der Mutter Gottes, in welcher die Kirche symbolisch sich darstellt.

Zwei Säulen trennen die Gruppe der Heiligen von der davor betenden Familie. Seine Aeltern knieen vorn bei dem Eingange, der durch die beiden Säulen in das Heiligthum führt, seine jüngeren Geschwister knieen und stehen zwischen, neben und hinter ihnen. Seinen Aeltern zunächst sieht man in vorwärts schreitender Stellung die Gestalt seiner verstorbenen Frau, den Glauben bedeutend, im weißen Gewande der Verklärung, das Kelchglas in der Rechten tragend, die Linke zurück- und herabreichend und die rechte Hand des Bekehrten fassend, als wolle sie den Knieenden aufrichten und in das Heiligthum führen. Hinter ihm steht seine zweite Frau, die Liebe bedeutend, in rothem Gewande, mit ihren Händen seine ausgebreiteten Arme über den Handgelenken erfassend. Auf seinem Gesicht sind Reue und Zerknirschung ausgedrückt. Sein Vater, vorn bei der zweiten, hinteren Säule knieend, blickt in das Heiligthum hinein, die eine Hand auf das Herz gelegt, die andere hinüberstreckend, als wolle er sagen: Das sind die Meinen, die du mir und ich dir gegeben! Seine Mutter scheint auf den bekehrten Sohn zurückzudeuten und zu sprechen: Gnadenreiche Mutter, erbarme dich seiner! Neben seinem Vater steht fürbittend sein Schwiegervater, und zwischen Glaube und Liebe blickt auf ihn seine Schwiegermutter mit seinem jungen Schwager.

Hinter den beiden Säulen im Heiligthume thront Maria vor einem reichen, goldgestickten Teppiche, auf ihrer Hand steht das Christuskind, zugleich von der anderen oben gehalten. Zu ihren Füßen, rechts von ihr, sitzt Johannes der Täufer, diesem gegenüber auf der anderen Seite der Evangelist Matthäus,[2] welcher ein Buch hält und daraus mit Johannes darüber disputirt, ob der Reuige wieder in den Schooß der Kirche aufzunehmen sei. Maria und das Jesuskind, welches zum Zeichen der Gnade die Arme ausbreitet, blicken zu den beiden Streitern der Kirche herunter. Der Schutzengel des Bekehrten, das Gnadenzeichen des Christkindes gewahrend, giebt es telegraphisch weiter. Dieß ist der Augenblick, wo der Glaube die Hand, und die Liebe die Arme des Bekehrten gefaßt haben, ihn aufzurichten und in das Heiligthum hineinzuführen.

Die Kreuztragung.

Christus ist unter dem Kreuze gefallen. Veronica ist herzugetreten und hat ihm den blutigen Schweiß von dem Gesichte abgetrocknet, welches sich dabei nach der Legende in das Tuch abgedrückt hat. Diese Handlung bringt den Zug in Stillstand.

Ein phantastisch angethaner, wilder Mann ist herbeigesprungen; wenn man will, kann man sich einen Ahasver unter ihm vorstellen; wenigstens gönnt er Christus nicht die kurze Ruhe in seiner Ermattung. Heftig drängt er mit der einen Hand Veronica zurück, während er einen der Henkersknechte, der an einem Stricke das Kreuz zieht, vorwärts treibt. Der Landpfleger und der hohe Priester mit ihrem Gefolge kommen hinterdrein; mit ihnen drängt sich allerlei Volk, worunter Johannes und Maria, herbei.

Vorn ziehen Soldaten zu Pferd und zu Fuß mit der römischen Fahne.

Maria unter dem Kreuze.

Wir sehen Christus am Kreuze zwischen den beiden Schächern. Diese hängen, mit den Armen und Beinen grausam und wild angebunden, an einarmigen Galgen, zu den beiden Seiten und im Rücken des Heilands einander gegenüber. Magdalena hat sich um den Kreuzesstamm geklammert, Christi Mutter bricht, überwältigt von ihren Schmerzen um den Sohn, zusammen, gehalten auf der einen Seite von einer der Marien, auf der anderen von Johannes, welcher tröstend seine Linke auf ihr Haupt gelegt hat. Ueber ihr Gesicht liegt ein breiter Todesschatten gebreitet. Während der Leib des Heilands oben in der Luft in weißem Scheine zu glänzen scheint, leuchtet das Gewand der ohnmachtdurchschauerten Mutter in wunderbarer, tief dunkelblauer Gluth. Wer den emporgehobenen sterbenden Blick der Mutter und den niedergesenkten Blick des Gekreuzigten versteht, der kennt die höchste Poesie, die des Schmerzes; es ist die blaue, mystische Blume des Dichters Novalis.

Cagliari hat in einem zweiten Bilde

den Pendant davon,

die unter dem Kreuze bereits in Ohnmacht gesunkene Mutter in den Armen einer der Marien dargestellt. Hier ist die Poesie erloschen in der Erstarrung der Mutter und des Sohnes. Wo das Leben, da hört die Kunst auf. Der Besucher kann es bald von dem vorigen unterscheiden; denn hier knieet noch der Hauptmann neben seinem Pferde.

Hier ist der Schmerz jener Zeit im Vorgefühle ihres Unterganges verklärt in der Maria unter dem Kreuze; derselbe Schmerz ist anderwärts in der büßenden Magdalena oder im sterbenden Christusantlitz herausgestellt, hier aber am seelenergreifendsten in der Mutter, welche ihren Sohn und ihren Gott verscheiden sieht.

Die Aufgabe Italiens und seiner Kunst war erfüllt. Die alte Zeit ging unter, die neue begann in der Reformation bei den germanischen Völkern. Italien hatte nur die Kraft zum Widerstande, nicht zu seiner Wiedergeburt. Mit allen macchiavellistischen und jesuitischen Künsten errang es nichts, als eine

Restauration der Kirche und Kunst

mit dem Verluste jeglicher politischen Freiheit und Selbstständigkeit. Der Conflict zwischen der alten Satzung und dem neuen Geiste wurde mit entschiedenem Glücke in den Niederlanden gekämpft, – dort werden wir der neuen Kunst begegnen, wie sie sich aus Venedig dorthin gezogen hat.

Wie die Kirche sich jesuitisch den romanischen Zuständen und der absoluten Fürstengewalt anbequemte und darin ihren Bestand und ihr Stillestehen sicherte, während die ganze Welt chaotisch durcheinander kochte, um die neue Zeit zu gebären, so bildete sich bei den Italienern auch eine Restaurationsperiode der Kunst mit Beibehaltung der alten Formen ohne neuen Geist.

Die Partei des Stillstandes fand wie die Kirche ihr Element in der Eklektik, welche äußerlich die Vorzüge der alten Meister für den Cultus in neuen Werken vereinigen wollte. Die Partei des bewegten Lebens fand ihre Vertreter in den Naturalisten, welche das Genre begründeten.
Die Schule von Bologna

ist die der Eklektiker, welche besonders Lodovico Caracci mit seinen beiden Neffen Agostino und Annibale Caracci dort gründete, indem er eine Kunstakademie errichtete und Unterricht ertheilte nach Modellen, Gypsabgüssen und Mustern, unter welchen ihm besonders Coreggio mit seiner Vermittelung der religiösen Schwärmerei und süßverschwiegener Sinnlichkeit vorleuchtete.

Lodovico Caracci

war geboren 1555 und starb 1619. Die Galerie besitzt zwei Bilder von ihm. Diese sind:

der duldende Heiland mit der Dornenkrone, von einem Engel gestützt,

und

die Ruhe auf der Flucht nach Aegypten.

In seinem Neffen und Schüler

Annibale Caracci,

geboren 1560, gestorben 1609, hat diese Schule der Nachahmung bei eigener Verarbeitung früherer Motive ihre höchste Vollendung erreicht. Die Galerie besitzt von ihm die ausgezeichnetsten Werke; diese sind:

Der Genius des Ruhmes
mit den verschiedenen Kränzen der Ehre.
Der Evangelist Matthäus, der heilige Franciscus und Johannes der Täufer vor der thronenden Maria mit dem Kinde.
Der almosenspendende heilige Rochus.
Das Portrait des Malers.
Die Himmelfahrt der Maria,

welche oben zwischen musicirenden Engeln wie eine Taube fliegt, während unten die Apostel am Grabe stehen und erfreut dem Schauspiele zusehen.

Wir können den Geist dieser Werke in wenige Worte zusammenfassen. Was in der Schule gelehrt werden kann, Zeichnung nach Modellen und Composition nach bestimmten Vorbildern, besonders nach Coreggio, ist in den beiden Neffen des Lodovico zur besonderen Erscheinung gekommen. Es ist das in äußerliches Prunken übergegangene kirchliche Element. Diese Bilder wirken wie die neueren Operncomponisten und wie Bernini in der jesuitischen Baukunst durch massenhafte malerische Contraste. Die Wirkung geht nicht mehr aus der Gestaltung des Gemüthslebens hervor, sie beruht nur noch auf scenischem Effect. Die Caracci sind die Virtuosen unter den Malern Italiens. Diese Schule setzt sich hier fort im

Zimmer des Guido Reni.
Aus ihr ging auch
Gio. Francesco Barbarini, genannt Guercino da Cento,

hervor, welcher 1590 geboren war und 1666 starb. Er componirte mit lebendiger Empfindung und malte mit kräftigen Farben, ohne idealen Schwung oder tiefes Gemüthsleben gestalten zu können. Sein vorzüglichstes Werk ist hier:

Semiramis bei der Botschaft eines Aufruhrs.

Die Königin sitzt in einem prächtigen Armstuhle von reicher Schnitzarbeit, indem sie sich die Locken, von einer Dienerin strählen läßt, welche hinten zwischen ihr und dem grünbehangenen Tische mit dem Kamme in der Hand steht. Sie trägt die Krone auf dem Haupte; aus der rechten Seite sind die Locken aufgesteckt; jetzt eben tritt der Bote mit der Angstmiene und der Schreckensbotschaft vom Aufruhr heran, seine Linke mit dem Barette am Degengriffe, die Rechte hinausdeutend auf die Straße. Sie hat sich bei seinem Eintritte umgewendet. Ihre Linke hält die auf die Schulter herabfließenden goldigblonden Locken, die rechte Hand bei dem Worte: Rebellion! ausgestreckt mit einer Bewegung, als müsse sie die böse Botschaft von sich stoßen. Auf ihrem Gesichte spiegelt sich die unerschütterliche Entschlossenheit der unumschränkten Herrscherin ab.

In der Semiramis stellte sich den Malern jener Zeit gern das neue absolute Herrscherthum dar; denn in der Kunst findet jegliche Zeit ihren höchsten Ausdruck.

Eben so gehört zur Schule der Eklektiker

Francesco Albano,

welcher von 1578 bis 1660 lebte. Er ist zierlich und phantasiereich. Er liebt die Darstellung mythologischer Spiele und charakterisirt sich besonders hier in zwei Bildern:

Venus im Muschelwagen,

von Delphinen gezogen, über sich im Segel ihres rothen Tuches, welches sie in beiden Händen hält, den Wind auffangend, ihre Füße übereinander geschlagen, so daß der Schooß dem daraus hervorlauschenden Amor Raum macht.

Galathea mit den Amoretten auf dem Meere,

wie Venus von Delphinen gezogen, auf jedem derselben ein reitender und an jeder ihrer Seiten ein fahrender Amorette. So ist sie von Liebesgöttern umgeben! So geht die Fahrt jauchzend über das wogende Meer!




Frei und eigenthümlich hat das alte Ideal der hellenischen Schönheit, soweit mit der modernen Bildung und dem feinen Geschmacke sich die Grazie vereinigte,

Guido Reni

glücklich dargestellt. Er lebte von 1575 bis 1642. Seine vorzüglichsten Gemälde sind hier:

Bacchus, als Knabe,

bei einem Fasse, aus welchem Wein sprüht, mit einer Flasche, aus welcher er in gierigen Zügen trinkt;

Venus

auf einem Ruhebette, dem Amor einen Pfeil reichend.

Ninus und Semiramis.

Es ist die Scene vorgestellt, wo Semiramis ihrem verweichlichten Sohne die Krone und in ihr die Herrschaft des Reiches nimmt. Sie sitzen nebeneinander auf dem Polster. Vertieft in die Politik des Reiches mochte ihr die Unfähigkeit des Sohnes zum Herrschen unabweisbar klar geworden sein. Im Instincte ihres Genies durchblitzt sie der entscheidende Gedanke. Sie hat die Krone mit einem sicheren Griffe ihm abgenommen, mit der Linken hält sie die schöne Last über ihr Haupt, mit der rechten drängt sie seine Hand zurück. Der Weichling im Purpurgewande, dessen Haupt- und Barthaar von Salben trieft, scheint zaghaft zu fragen: Scherz oder Ernst? Ihr scharfer Blick in sein zurückzuckendes Gesicht und der herbe Mund gibt ihm die Antwort.

Bewegt sich Guido in diesen Bildern innerhalb des Kreises der gebildeten, feinen Welt und ihrer abgeblaßten, wenn auch zarten Empfindungen, so hat ihn doch hier in einem Bilde die Poesie des Schmerzes so gewaltig erfaßt, daß er sich darin als ursprüngliches Genie vor uns stellt, welches den Todesschrei Italiens plastisch in Linien und Farben vor das Auge zu stellen gewußt hat:

Das Haupt des sterbenden Christus.

Welche Zeichnung! Welcher Ausdruck! Das Haupt sinkt schwer hinüber auf die rechte Schulter, so daß die fürchterliche Dornenkrone mächtig hervortritt. Der Mund ist schmerzensvoll geöffnet, die Pupille des Auges aufwärts zurückgedrängt, als suche es einen rettenden Gott im Himmel. Blutträufend quellen die Locken über die Schulter. Grünliche Todesschauer schleichen von der Herzseite herauf und gießen sich über das erstarrende Antlitz.

Vermochte Guido nicht, das glühende Leben zu malen, so konnte er doch um so mehr das Erstarren im Tode darstellen.

Denselben tiefen Zug seiner Zeit bringt in anderer Weise

Marco Antonio Franceschini
in seinem Bilde
die büßende Magdalena

zur Anschauung. Sie sitzt hier mit der Geisel in der Hand, von Seelenleiden und Geiselhieben zum Tode ermattet, halb entkleidet; zu ihren Füßen liegt der zerbrochene Spiegel und der Schmuck der Freude. Ihr Fleisch hat die Mürbe, welche bei den Italienern so beliebt ist. Psychologische Aerzte und Novalis mögen uns belehren, wie in der Fäulniß geistiger und leiblicher Zustände die Pein der einzige Stachel der Wollust bleibt. Wir haben nicht Zeit, in dieses Labyrinth und in die Gewölbe des Moders hinabzusteigen, wo Nationen bei lebendigem Leibe den Tod schmecken.




Wenn eine Zeit überständiger Bildung nicht einmal mehr die Kraft hat, den Schmerz zu empfinden, dann versinkt sie in sentimentales Hinträumen, welches sich coquettirend elegant und schauspielerisch vorträgt. Diese Seite des italienischen Lebens hat sich durch Carlo Dolci, welcher oben im Raphaelzimmer besprochen worden ist, zur Erscheinung gebracht.




Die Kunst wird in solchen Zeiten ein Mittel, den Müßiggang zu erheitern. Sie verläuft sich in den Dilettantismus der Damenwelt.
Benedetto Gennari

hat uns als Epilog der italienischen, vornehmen Kunstrichtung

die Dilettantin der Malerei

mit ihrem Lehrer vorgeführt. Sie ist eine Dame, welche die erste Jugend hinter sich hat. Sie malt den schlafenden oder entschlafenen Amor. Da die Anbeter ihrer Schönheit im Zurückzuge begriffen sind, so muß sie Talente aufbieten, mit welchen sie dieselben zurücklockt. Wird auch dieses Mittel verbraucht sein, so kann sie ihre eigenen Leiden und Freuden im bürgerlichen Rührspiel auf die Bühne bringen, oder im Roman mit Friederike Bremer wetteifern.

Dieß ist das Ende der auswählenden oder eklektischen Schule. Neben ihr her zog sich eine zweite Richtung, welche das unmittelbare Leben wiedergab, die der

Naturalisten,
welche sich geradezu feindlich gegen die Schule der Caracci stellte. Die Leidenschaft, welche in Italien als einziges poetisches Element dennoch zurückbleiben mußte, war die Seele ihrer Malerei. Bei ihnen herrscht keine göttliche Idee mehr vor, sondern der Dämon des gemeinen Daseins. Grelles Licht und dunkle Schatten waren die Mittel, mit welchen sich dieses teuflische Element zur Erscheinung brachte. Ihr erster Meister war und bleibt
Michel Angelo Amerighi da Caravaggio,

welcher von 1569 bis 1609 lebte, dessen Leben so wild und wüst war, wie seine Kunstrichtung. Er ist großartig und gemein, tragisch mitten im Gelächter der Hölle. Falsches Spiel, falsche Liebe, Verrath und nächtlicher Mord, das ganze moderne Italien hat in ihm seinen Darsteller gefunden. Sein bedeutendstes Bild auf der Galerie ist hier:

Das falsche Spiel[3].

Zwei Gauner betrügen einen unerfahrenen Junker im Kartenspiele. Ihm gegenüber sitzt der falsche Schurke, die Rechte unter dem Tische ist im Begriffe, die Kartenblätter umzutauschen; denn er spielt aus zwei Karten. Er blickt auf den alten Gauner, welcher hinter dem Junker steht und ihm durch Zeichen die Karten desselben verräth. Der junge Falschspieler ist noch nicht ganz frei von der Angst eines Anfängers in der Kunst, „das Glück zu verbessern;“ der Alte aber ist bereits sündenhart. Wie sicher steht er hier, in den Mantel der Tugend vermummt, das Barett in die Stirn gedrückt. Er ist auf alle Fälle gefaßt; giebt es Streit, so fliegt sein Degen heraus. Wie spitzbübisch der Telegraph seiner verrätherischen Finger aus dem Mantel heraus vor seinem Hallunkengesichte arbeitet, wie teuflisch beredt er die gierigen Blicke mit seinem Spießgesellen gegenüber tauscht. Ist die Kunst bei einem Volke nur noch auf die Hölle der Leidenschaften angewiesen, so genügt es, daß sie sich glühend herausstellt, um wirkliche Poesie zu sein. Dieß verstand Meister Caravaggio!

Dieses infernalische Leben hat in Neapel seine Schwefelblüthe emporgetrieben; dort wucherten auch die Naturalisten nach jeder Richtung hin aus.

Wir treten hier aus dem Zimmer des Guido in das

Zimmer der Neapolitaner

und vor den größten Gegner der Caracci’s,

Giuseppe Ribera,

den Spanier, daher Spagnoletto genannt, welcher jedoch in Neapel seine Kunst ausbildete. Er vertritt am mächtigsten in eigenthümlicher Weise die Richtung seines Meisters Caravaggio. Sein hervorstechendes Werk ist hier

Jacob, als Laban’s Schafhirte.

Eine hohe calabresische Hirtengestalt mit dunkelm, sonnenverbranntem Gesichte und schwarzen, wilden Augen knieet hier bei der Schaftränke, auf dem linken Kniee liegend, das rechte vorgebogen wie ein Räuber im Hinterhalt lauernd. Seine linke Hand drückt er wie eine habsüchtige Geierkralle auf die Brust, während er die rechte auf den Rücken eines Schafes legt, als wolle er die gefleckt geschälten Stäbe in die Seele des Thieres prägen, damit es gefleckte Zicklein werfe, welche nach dem Vertrage mit Laban ihm, dem Hirten, gehören sollen. Der große, braune Widder unter der Heerde, über sie herüberblickend, erklärt das Wunder von den gefleckten Schafen, welches Jacob so sehr bereichert hat. Durch dieses Bild hin zieht sich die Poesie des listigen Betrugs und der heiligen Gaunerei. Es ist ein gemaltes Hohnlachen.

Salvator Rosa,

nach welchem der Katalog eine Skizze besitzen will, lernt man anderwärts kennen.

Mit ihm, dem poesiereichen Darsteller ungestümer Natur- und Räuberscenen, schließt sich die italienische Malerkunst ab, welche mit Pietro Berettini da Cortona und seinem glücklichsten Nachfolger,

Luca Giordano,

von welchem man in diesem Zimmer eine Menge farbenleuchtender Bilder sieht, sich in bunte Farbeneffecte und Coulissenmalerei verlor.




So treten wir aus der inneren Galerie heraus und kehren in
die äußere Galerie

und dort in das Raphaelzimmer zurück, werfen noch einen Blick auf die Sixtinische Madonna, gehen dann durch das Zimmer der deutschen Schule, wo uns Holbein’s Maria mit dem Kinde begeistert hat, und treten, von Neuem gestärkt, in den

Saal der Niederländer
zu
Rubens und seinen Schülern.

Wenn in der italienischen Kunst der strenge, altchristliche Geist noch dann und wann wie im schmerzlichen Krampfe emporzuckte, so war es doch nur im Processe der Auflösung. Wir standen bei der Krippe in der heiligen Nacht des Allegri und sahen schon dort die Feier eines neuen, weltbezwingenden Princips, – die Verherrlichung der Natur in Mutter und Kind, indem hinter dem Schleier des Marienmythus die wiedergeborene Naturseele uns anblickte. Mit ihr war die Naturwissenschaft, die Naturpoesie und die Landschaftsmalerei erwacht. Wir finden hier die Keime der neuen, durch das Christenthum verklärten Naturreligion. Schon hatte der große Astronom Copernikus die Sturmleiter gegen den mythischen Himmel angelegt, auf welcher Keppler, der größte deutsche Denker, emporkletterte und den transcendentalen Himmel zerschmetterte mit dem Beweise, daß die Erde nicht der Mittelpunct des Weltalls, sondern nur ein Tropfen im Sternenmeere sei. Die Keppler’schen Weltgesetze raubten uns Himmel und Hölle, und Sonne und Mond waren nicht mehr zwei große Lichter, welche Engel in der Hand hielten, um in die Grippe des menschgewordenen Gottes herunterzuleuchten.

Soweit Keppler die realistische Seite der Natur auf mathematische Gesetze begründet hat, ist er von seinen Nachfolgern begriffen und ergänzt worden, wo aber sein Genius in die dunkle, unermessene Ferne und in das Auge Gottes blickt, da steht er noch einsam. Freilich deutet er hier mehr an, als er auszusprechen vermag. Wenn aber in der Wissenschaft die rechte Zeit gekommen ist, wird auch der Verstand mit den feinen Werkzeugen der Hegel’schen Logik aus dem Chaos der Träume und Anschauungen eines Novalis die neue Welt an das Tageslicht emporheben. Man wird begreifen, daß die Natur die divina comoedia des Weltgeistes ist, welche freilich auch in ihrer äußeren Form sich nach physischen und mathematischen Gesetzen berechnen läßt. Vor diesen Ahnungen und Anschauungen zerbrach das Mittelalter in Trümmer. Wir dürfen uns nicht scheuen, in das Chaos, aus welchem sich die neue Zeit herausbildet, muthig hinabzusteigen.

Die Hellenen bändigten die chaotischen Triebe der Natur durch den Gedanken an die maßgebende Gottheit, für welche sie keine Gestalt, nur den Namen „Moiren“ hatten; die Römer hielten sie in Zucht durch das äußerliche bürgerliche Gesetz: „Verletze Niemand, gieb Jedem, was ihm gebührt, und lebe anständig!“ Die alte christkatholische Kirche trat sie dagegen mit Füßen.

Wie die gemißhandelte Naturseele sich mit der griechischen Philosophie und Poesie dagegen verschwor, wie eine glatte, fürchterliche Schlange den Laokoon des alten Priesterthums umschlang, bis dieser entsetzt in der Reformation Bilder und Altäre zerschlug und sich auf Zeit davon befreite, davon spricht ausführlich die Geschichte des 15. und 16. Jahrhunderts. Der wiedererwachte Geist der Natur zersprengte zuerst die Bande der feudalen römisch-deutschen Weltherrschaft. Jede Nation besann sich auf sich selbst. Er drängte in unternehmenden Männern die Ahnung von der zweiten Welthälfte zur Entdeckung. Zugleich entkoppelte er die Leidenschaften aller Art und hetzte sie gegeneinander. Dabei kümmerte es ihn nicht, ob sie unter dem Panier der Reformation, oder den Fahnen der jesuitischen Gewalthaber gegen einander losgingen. Es war ihm hier Alles eins, galt es doch nur, freilich wie immer, Kräfte zu entwickeln und im Kampfe zum Bewußtsein zu bringen. Es war ihm hier Alles eins, wenn es nur uneins war. Die protestantischen Fürsten rissen eben so gut oder übel, wie die katholischen, die priesterliche Gewalt an sich. Dort gab die Bibel, hier der Papst den Namen her. Zu jener Zeit wollte eben Niemand mehr gehorchen, aber herrschen mit allen zügellosen, unbändigen Leidenschaften. Herrscher und Völker wurden dadurch von selbst auf einander getrieben. Dieses Verhängniß steigerte sich zwischen den Niederländern und Philipp II. zur Katastrophe. Dieses Drama fand seinen symbolisirenden Spiegel in

Paul Rubens.

Er war mitten in dem heftigsten Kampfe der Niederländer mit Spanien zu Cöln am 28. Juni 1577 geboren, wohin sich seine Aeltern aus Antwerpen geflüchtet hatten. Als der Herzog von Parma Antwerpen der spanischen Herrschaft wieder unterworfen hatte, kehrte sein Vater dorthin und zu seinem Rathsherrnamt, das er vorher bekleidet hatte, zurück. Der junge, schöne Paul wurde zuerst Page der Gräfin Halain, nach des Vaters Tode aber Maler. Empfohlen von Erzherzog Albert von Oesterreich, kam er an den Hof des Herzogs von Mantua, des Vincenzo Gonzaga. So fand er Gelegenheit, in Italien, besonders in Venedig, wo er sich oft und lange aufhielt, die früheren Meister seiner Kunst, besonders Tizian und Paul aus Verona zu studiren. Er kehrte nach sieben Jahren in seine Heimath zurück, wo er von seinem Gönner, dem Erzherzoge, und von seiner Liebe zu Elisabeth Brants, welche er heirathete, sich fesseln ließ, ein schönes Haus baute und der Bewunderung und Freundschaft der Großen seiner Zeit sich erfreute. Er war zu verschiedenen Malen in Madrid, wo er vom Könige mit Ehrenbezeigungen überhäuft und im Jahre 1629 nach England geschickt wurde, um über den Frieden zu unterhandeln, welchen er auch zu Stande brachte. Carl I. schlug ihn dort zum Ritter. Nach seiner Zurückkehr vermochte ihn die Infantin Isabella, zur diplomatischen Verhandlung nach Holland zu gehen. In der Zwischenzeit verheirathete er sich nach dem Tode seiner ersten Frau mit der schönen Helena Formann, welche er oft in seinen Gemälden verherrlicht hat. Aber alles dieses Glück an den Höfen und bei den Frauen bewahrte ihn nicht vor dem Podagra, welches nach langen Peinigungen ihm am 30. Mai 1640 den Tod brachte. Er wurde fürstlich in Antwerpen in der Kirche von St. Jacob bestattet.

Die Kunst, von keinem christlichen Gesammtgeiste mehr erfüllt, wurde dem Belieben des genialen Künstlers dienstbar, keinem mehr, als Rubens, welcher sich die venetianischen Formen zu eigen machte und die Katarakte seiner Zeit wie glühendes Erz hineinbrausen ließ.

Blutheißes Leben in höchstgesteigerter Leidenschaft, wo jede Muskel im Uebermuthe und Kampfe des Lebens ihre Kraft fühlt und jeder Nerve wild erregt aufzuckt, das ist der Charakter seiner Kunst. Guido Reni rief, als er ein Gemälde von Rubens sah: „Er mischt Blut unter seine Farben!“ Er ist der Shakespeare unter den Malern. Beide werden selten verstanden, noch weniger geliebt in matter Zeit, wo der Theekessel die Wallungen des Blutes besorgt.

Ein Kunstliebhaber thut aber immer gut, sich wenigstens so anzustellen, als verstehe und liebe er beide; doch kann er an dem Einen die Schwulst der Rede und bei dem Anderen den Mißbrauch convexer Linien bei incorrecter übereilter Zeichnung tadeln, ohne sich bloß zu geben, – Glanz, Lebhaftigkeit und Pracht der Farbe in beiden bewundern, es versteht sich, bei Shakespeare vergleichweise. So sind auch beide groß in den Contrasten der Composition, in der Draperie prächtig und schwer, überall aber geistvoll, selbst anmuthig und leicht bis zur Mißhandlung der Mittel zur Darstellung.

In Rubens’ Künstlergemüthe hat sich jene große Zeit des Umsturzes und des Kampfes in allen ihren Leidenschaften zur Darstellung in der Allegorie und Analogie concentrirt. Er war darin reich, gelehrt und gewandt. Er ist selbst da allegorisch, wo er nicht daran gedacht hat. Er ist der unübertroffene Meister der historisch-politischen Malerei, von welcher freilich unsere Kunstkenner noch nichts träumen, obschon in einer verwandten Kunst, in der dramatischen, dasselbe Streben, das Volk zu erfreuen, beginnt.

Dresden besitzt von den Werken Rubens’ eine hinlängliche Anzahl, um ihn daraus kennen zu lernen.

Der Grundzug jener Zeit war eben vollsaftiges Leben, gesteigert bis zum Frevelmuthe; so taumelt es auch hier in einem Gemälde des Meisters einher als

trunkener Hercules,

welcher von einem Faun und Bacchanten geführt wird. Welche gewaltige Sinnlichkeit in diesen wein- und blutglühenden Körperformen! – Welche heidnische Lust in jeder Bewegung und Beugung dieser Leiber! – Dort erscheinen in der Fülle des flämischen Fleisches die drei Göttinnen vor

Paris mit dem goldenen Apfel,

hier in der

Weinlese[4]

ist Alles Genuß, im Trinken, Saugen und Säugen; – zunächst tränkt die weintraubensaugende Tigerin ihre drei nackten Kleinen, dahinter ein alter Satyr mit Trauben und Traubensaft seine Jungen; – Alles ist Lust und Leben, aber hier im

Liebesgarten

mit Amorettenneckerei anmuthig gemildert.

Es ist das schalkhaft heiterste Bild eines üppigen vornehm prächtigen Daseins. Man geht auf breiten Stufen herunter in einen Garten, an der Serie gießt ein Springbrunnen seinen Strahl herunter, weiter hinten streift der Blick an Rosen- und Orangengebüsch in die feuchten Dämmerungen einer geheimnißvollen Höhle, in welche man jedoch nur durch das herkömmliche, schwerfällige Rococoportal von der offenen Gartenseite her eingehen kann. Vor dem Portale liegt der Vorhof des Ehestandes, die Liebschaft. Da stehen, sitzen und liegen in den anmuthigsten Gruppen durcheinander die fleischblühenden Jungfrauen und Frauen der Niederlande. Wir sehen zwei Abtheilungen, die erstere bei dem Eingange in dem Garten, die andere vor dem Portale zum Ehestande.

Der ersteren Abtheilung ist, wie wir merken, von den umherschwärmenden Amoretten der Krieg erklärt. Je näher ein schönes Kind dem Eingange der Höhle des Ehestandes sitzt, desto gefährdeter ist es. Schon schwebt hinter dem Stuhle der schönen Rosamunde ein Amorette und flüstert ihr süßgiftige Schmeichelwörtchen in das Ohr. Sie hat die Hände nachdenkend in den Schooß gelegt und das Gesicht lächelnd herumgedreht, der Amorette hält hinter seinem Rücken den Pfeil bereit, ihn ihr in das Herz zu stoßen, – „hüte dich, schönes Fräulein!“ Zu ihren Füßen sitzt voll schmachtender Liebesfülle Fräulein Ulrike in gelbseidenem Untergewande und blauem Ueberkleide, ein schwarzes kokettes Hütchen mit feuerrothen Federn auf dem Kopfe, ihren Arm auf Rosamundens Schooß gelegt. Ihr Amorette hat sich flämisch auf ihren Schooß gelagert und seine diebischen Hände unter ihr Uebergewand verborgen. Der Katalog meint, der Schelm solle hier bestraft werden. Darnach sieht es aber nicht aus. Er macht es sich nur bequem und benimmt sich unanständig gegen die Generalissima der spröden Damen, gegen die himmelblaue, blonde Adelheid, welche mit einem Grashalmenbündelchen den Amoretten von seinem weichen Lager aufscheuchen will. Sollte er bestraft werden, wer hält den Flüchtling? Hinter Ulriken sitzt die gar zu wohlbeleibte, aber äußerst empfindsame Amalia, auf ihrem Arme das Lieblingshündchen. Sie ist musikalisch. Ihr Amorette schwebt neben ihrem Schooßhündchen und begleitet mit Gesang aus einem großen Notenbuche das Zitherspiel ihres Anbeters, welcher ihr ein Ständchen bringt:

„Liebchen, ich komm’ mit der Zither,
Bringe dir ein Ständchen hier;
Ach in Sturm und Ungewitter
Stürmt noch mehr mein Herz zu dir!“

Schmachtend neigt sich ihr Kopf, die Augen gehen ihr darin herum, und ihr Busen wogt der Unendlichkeit entgegen. Lassen wir ihren Amor walten und wenden wir uns wieder zur Generalissima der Spröden. Ihre Nachbarin links ist Kunigunde, Geborene von Tröstemann. Sie ist eine heimlichglühende Kohle in rothem Unterkleide und dunkelschwarzem Obergewande. Diese Festung ist schwach vertheidigt; Amor giebt sich auch keine Mühe mit ihr, er hat sie einem jungen Cavalier überlassen, welcher sich gelagert und dabei den battistbauschenden Arm der von Tröstemann gefaßt hat mit der Einladung, an seiner Seite Platz zu nehmen. Ob sie nachgeben wird? Da sie mit der Rechten das Oberkleid hinten in die Höhe zuckt, um den Sammt bei dem Sitzen nicht zu drücken, so hoffen wir für den kühnen Werber. Was hat die spröde Adelheid hier nicht Alles zu überwachen? Eben tritt ein anderer schöner, rosiger Cavalier, vielleicht der galante Antoni van Dyk, einen breitkrämpigen Federhut auf den dunkelblonden Locken, in weißem, mit goldenen Knöpfen besetztem Leibrocke, nachlässig den rothen Mantel in der Farbe der brennenden Liebe umgeworfen, die Stufen zum Garten herunter. Wie cavaliermäßig ruht die behandschuhte Hand auf dem Griffe des Degens, so daß er wie ein Spieß mit der Spitze nach dem Himmel zeigt! Wie sauber sitzen ihm die eleganten, elastisch über das Kniee hinaufgezogenen Reitstiefel! Wie absonderlich lassen sich dazu die rothen Unaussprechlichen! Alle diese Kleinigkeiten machen ihn zu dem, was er ist – zu einem gefährlichen, schönen Mann, in seiner Erscheinung gehoben durch den Feuerblick seines zuversichtlichen Auges, eine kühne Adlernase und sieggewohnte Lippen. Wie zierlich führt er die blonde Unschuld im weißatlasenen Kleide, das liebliche Käthchen in den Liebesgarten herein! Aber kaum nimmt die böse Adelheid den Feind gewahr, so hat sie auch schon mit ihrer Linken zurückgelangt, um das holde Käthchen an sich und von dem gefährlichen Antoni rettend abzuziehen. Sie hat in gleicher Weise heute schon wenigstens eine Seele, die dahinter stehende Brigitte mit ihrem Sturmhütchen, gerettet.

Wollte Rubens seinen Antoni in diesem jungen Cavalier darstellen, so ist er in der Scene, welche er neben ihm her und zu seinen Füßen spielen läßt, zu boshaft.

Ob hier das Heer der Amoretten oder die Sprödigkeit siegen wird, soll nicht ungewiß bleiben.

Für Antoni ist uns nicht bange. Der Pfau, der prächtige Vogel des Stolzes, trinkt oben aus der Fontaine der Liebesgöttin, welche den Delphin über den Kopf hält und aus seinem Rachen die unendliche Liebesfluth herunterbrausen läßt. Ueber Antoni und Käthchen plätschern ihre Amoretten in der Schale und fangen die ausgewähltesten Wasserfäden durstig mit den Händen auf.

Hinter dem Wasserschwalle fliegt aber der grimmigste Amorette mit der Brandfackel in der Hand, zu Adelheid hinuntergerichtet, einher, um dieses Herz in Brand zu stecken. Die Arme! Wie wird sie ihre Sprödigkeit büßen müssen! Ueber dieser Abtheilung schwebt außerdem ein Amorette, welcher auf Gerathewohl Pfeile verschießt, ein zweiter guckt aus dem Rosenstrauch vor der Grotte heraus und legt die Finger zum Zeichen des Schweigens auf die Lippen; ein dritter bläst in eine Rose, welche mit dem Aufblühen zaudert.

Die zweite Abtheilung, nahe am Eingange zur kühlen Ehestandsgrotte, besteht aus zwei verlobten Pärchen. Das eine ist in das Gras und selig in sich selbst zusammengesunken, ein zweites Pärchen, Rubens mit seiner schönen Helene, beschließt die Gruppe. Sie kehrt den Rücken und in einer Kopfwendung das Gesicht im Profil, Rubens das volle Gesicht uns zu. Der Amor mit Nachtfalterflügeln drängt sie zum Niederlagern.

Hier haben wir eine Scene aus den übermüthigen Tagen des Reichthums und der Ueppigkeit, ehe noch der zweischneidige Fanatismus das Haus des Jubels mit Entsetzen füllte. Mitten im Umsturze der alten Götterwelt hat Rubens das unwiederbringlich Verlorene in schönem Farbenscheine verewigt. Wir wollen ihm gern den Uebermuth darin verzeihen, da wir ihn doch nie besitzen werden.

Bathseba.

Unter diesem Namen und der damit zusammenhängenden Geschichte hat Rubens ein niederländisches Fräulein nach dem Bade dargestellt. Kaum halb angekleidet sitzt sie da und läßt sich von ihrem Kammermädchen die blonden, reichen Haare strählen. Ein Mohr überbringt ihr einen Liebesbrief von dem, der sie belauscht hat. Ihr Schooßhündchen bellt den schwarzen postillon d’amour wüthend an. Vielleicht ist er der letzte Vertheidiger der Sprödigkeit und daher um so grimmiger.

Heimkehr von der Jagd[5].

Die schöne flämische Nymphe, rosig und pfirsich-fleischig, vor ihr drei Satyre, hinter ihr drei Dienerinnen, um sie drei Hunde, als Adjutanten. Sie kommt von der Jagd zurück, das aufgenommene, brennendrothe Gewand voll Flügelwild in der Linken, den Jagdspieß in der Rechten, die nächste Dienerin hinter ihr trägt an einem Stabe über der Schulter einen Hasen. Wie die Nymphe das Geflügel im Gewande, trägt der alte Satyr vor ihr im Schurzfelle Melonen, Trauben und andere Früchte, ein zweiter schaut zwischen ihm und ihr mit grinsendem Profilgesichte herein und hält ihr eine Traube vor, vielleicht mit ebenso zweideutigen Redensarten als Blicken; sie schlägt beschämt die Augen nieder, doch braucht er kein Körbchen, er trägt eins bereits auf dem Kopfe. Ein dritter Satyr macht zum vorigen darüber seine Bemerkung. Das ist die Poesie des süß geschwellten Daseins in den Niederlanden! Der Meister hat in einem anderen Bilde denselben Gegenstand ebenso geistvoll wiederholt.

Am glücklichsten ist Rubens jedoch, wo er heftige Leidenschaften gegen einander gehen lassen kann, und die aufgeregten Kräfte seiner Zeit sich ihm und durch seine Werke uns darstellen im Jagdkampfe mit reißenden Thieren. In seinem aristokratischen Künstlergemüthe gestaltete sich wohl von selbst der Mordkampf der Parteien in den Niederlanden zu einer todesgefährlichen Jagd zwischen der Aristokratie der Menschen und der Demokratie der freien wilden Thiere. Einen solchen Kampf sehen wir in der

Löwenjagd.

Es ist ein schreckvoll bewegtes Leben im Augenblicke, wo der grimmigste Löwe über das Kreuz des sich entsetzt bäumenden Schimmels in einem Satze gesprungen, sein Gebiß in die Schulter des Sheiks, die linke Pranke in sein Herz, die rechte in die Stirne hautabstreifend geschlagen hat. So eine losgelassene Kraft ist eine gefährliche Katze; wohl mag Philipp II. der Kopf davon wehgethan haben. Zwei Jagdgenossen sind auf ihren Pferden hauend und stechend zur Hilfe herangesprengt. Die Löwin unten, mit dem gräßlichen Wuthaufblick hinter dem erstochenen Tiger, rettet ihr Jüngstes, während ihr junger Löwensohn in der anderen Ecke seine erste Heldenthat vollbracht und einen Jäger zu Boden geworfen hat und noch mordfreudiger zum ungeschickt herunterstechenden Reiter emporbrüllt. Das ist ein Entsetzen unter den Reitern, Pferden und Hunden! Sie werden an diese Jagd gedenken.

Dieses große Gemälde ist in seiner Werkstatt nach seinem Carton von seinen Schülern ausgeführt.

Das Gegenbild ist

die Eberjagd.

Die Scene ist vor einer Schlucht in einem Eichenwalde, welche von einem sturmentwurzelten und von einer Seite auf die andere hinübergestürzten Baume versperrt ist. Durch die Gabeln desselben geht die Fahrt des Ebers zu seinem Lager hindurch. Ein Pfaffe hat sich mit seinen Bauern dort in den Hinterhalt gelegt. In diesem Augenblicke wird der Eber von zwei Reitern in rasendem Galopp und von einer tollen Meute Hunden herangehetzt. Die Schlacht zwischen Jägern, Hunden und Wild hat zwischen den knorrigen Aesten begonnen. Der wüthende Eber hat zahnzerfetzte Hunde rechts und links um sich geworfen, ein frischer hängt an seinem Ohre, ein anderer beißt sich auf seinem Rücken ein; aus der Waldecke sprengen von der Seite herbei noch andere Reiter, und von den Seiten kommen noch andere Hunde. Das ist ein muskelkrampfiges Wühlen und Würgen in Moos und Moor! Man kann hier irre werden in diesem Durcheinander, was Mensch, was Thier ist! Vorn springt über einen Giebelast ein in Muskelkraft krummbeiniger, löwengleicher Hund, weiter zurück über den Stamm ein ihm ähnliches Menschenthier, beide blutwild. Trotz des Schweinehirten, welcher den Mordkampf aus dem Horne anbläst, und trotz aller Zähne, Spieße und Messer würde der Eber sich doch noch ritterlich durchschlagen, hätte der Teufel nicht den tückischen Pfaffen in der Kaputze herbeigeführt, welcher hier arglistig hinter der Baumgabel die Einfahrt des Ebers verlegt hat und jetzt dem hereinstürzenden Thiere den Spieß in den Rachen stößt.

Merkur und Argus.

Merkur im Flügelhute sitzt auf einem Felsblocke, unter seinem rechten Beine das verborgene Schwert, welches er im Begriffe ist hervorzuholen, während seine Linke die Flöte hält, mit deren süßen Tönen er den Argus eingeschläfert hat. Dieser sinkt traumschwer am Baumstamme nieder, dahinter steht Io als schöne flamändische Kuh, welche ihrer Entzauberung harrt. Wollen wir in diesem Bilde eine Allegorie, in Merkur den listigen Wilhelm von Oranien und in Argus die spanische Inquisition sehen, welche mit tausend Augen die flämische Freiheit bewacht, so ist es uns unverwehrt; denn im Gemüthe des Dichters und Künstlers spiegelt sich immer seine Zeit ab.

Wüstenruhe.

Am Abhange eines Waldes, mit Aussicht in die Wüstenfläche hinaus, liegt die Tigermutter vor ihrer Höhle und säugt ihre Jungen, ihr Tigermann liegt oben zwischen den Bäumen und verschlingt einen Hasen zum Mittagsmahl. Weiter vor steht eine Löwin, und brüllt in die Wüste hinaus, wo in der Ferne ihr Löwe von Jägern und Hunden gehetzt wird. Im Vordergrunde liegen Schädel und Knochen der erwürgten Thiere umher; eine Schlange ringelt sich im heißen Sande, und zwei Frösche stimmen, im verwesenden, faulen Blute quakend, den Lobgesang auf den gütigen Tigerfürsten an, weil er – keine Frösche frißt.

Escurial und Umgegend.

Eine andere Tigerhöhle, das Schloß Philipp’s II., in öder, wüster Gegend, wie ein Schiffswrack in einem eiserstarrten Meere, liegend. Im Vordergrunde zieht ein Jäger mit seinen Hunden auf Beute aus.

Meleager und Atalante.

Meleager hat den kaledonischen Eber, welcher zu seinen Füßen im Blute liegt, erlegt und ihm den Kopf abgehauen. Er überreicht ihn der schönen Atalante; Amor steht in der Mitte; den Fuß auf den Rumpf des Thieres gesetzt, hilft er den Eberkopf halten. So wähnte Alba mit Egmont’s Haupt zugleich auch den Kopf des demagogischen Ebers in den Niederlanden abgehauen zu haben und ihn seiner Hispania auf dem Präsentirteller überreichen zu können; aber dort wie hier schwebte über dem Blute eine rächende Furie.

Quos ego!

Ein gemaltes Gelegenheitsgedicht auf die Ueberfahrt des Cardinals Ferdinand von Oesterreich von Spanien nach Italien. Das Schiff des Cardinals segelt auf dem hohen Meere. Es wurde von Sturm überfallen, aber im rechten Augenblicke ist Neptun aus der Tiefe emporgebraust; er steht auf dem Muschelwagen, das Viergespann der Seepferde davor hebt sich mit den Köpfen und Hälsen aus der Fluth; sie scheinen aus ihr selbst geformt zu sein und wieder in das Meergrün und Weißschaumige zu verfließen; denn sie sind auch mehr göttliche Kräfte, als Thiere. Zwischen ihnen vorn bläst Triton mit vollen Backen das Muschelhorn sturmübertäubend hinaus. Drei wunderschöne, niederländische, blondlockige Nixen drehen das Wasserrad am Wagen. Neptun selbst, vom rothen Zorngewande umflattert, in triefendem Haupt- und Barthaar, hält in der Rechten den Dreizack krampfhaft wie zum Stechen ausholend, als wolle er die Ungestalten der geflügelten und schlangengeschwänzten Winde, welche sich erschreckt nach oben zu flüchten suchen, mit dem Dreizack in seinem Zornrufe: „Daß ich Euch!“ – harpuniren. Ein heller Sonnenblick fährt im Hintergrunde über das Meer, begrüßt mit Freudenschüssen vom Schiffe des Cardinals.

Doch Ferdinand von Oesterreich war kein Neptun, welcher auch die politischen Stürme mit einem: quos ego! hätte beschwören können; sie gingen ihren wogenwälzenden, gallionenzerschmetternden Lauf.

Helena Forman,

des Künstlers zweite Frau, welche er so oft gemalt hat. Hier sehen wir nur eine Skizze von dem Portrait der schönen, stolzen Frau, genial auf die Leinwand hingeworfen. Zunächst stößt ein leichter Uebermuth, welcher auf dem hellen Gesichte schwebt, uns zurück, aber allmählig tritt ihre blonde Schönheit siegreich hervor. Wir bewundern die edlen Züge, die blutdurchleuchtete Farbe des Gesichtes, das weiche, blonde Haar, vorn zurückgekämmt, am Hinterhaupte zu einem Knoten geflochten und daraus in reichen Strömen wie Flachs und Gold durcheinander über die linke Schulter auf den Busen herabwallend. Wir suchen den großen Blick ihrer schönen, ruhigen Augen, nur die Nase ist stolz und steil, als müsse sie um so strenger den Mund hüten, je brennender die Lippen sind.

Je flüchtiger und leichter dieses Bild hingezaubert ist, desto transparenter scheint die Hautfarbe geworden zu sein; sie macht fast denselben Eindruck wie der Schein des Feuers durch eine davorgehaltene Kinderhand.

Rubens’ Söhne.

Seine beiden Söhne, noch im Knabenalter, stehen hier in einer Säulenhalle, der ältere in schwarzer Tracht, den breitkrämpigen Hut auf dem blonden Kopfe. Er steht an eine Säule gelehnt, seine linke Hand über den Nacken seines jüngeren Bruders gelegt, während er seine Rechte mit einem Buche in die Seite stemmt. Der jüngere ist das Muttersöhnchen. Er schimmert in bunten Farben wie der Stieglitz, den er mit der linken Hand am Fädchen hält und flattern läßt, während er mit einer Kinderklapper in der Rechten aufscheuchenden Lärm macht. Auf jeden Fall ist diese Situation in Dresden anstößig, wo der Verein gegen die Thierquälerei das öffentliche Interesse in Anspruch nimmt.

Man sieht es jedoch diesem Bilde an, daß die Vaterliebe dabei den Pinsel geführt hat. Es sind in Farben auf der Leinwand festgehaltene Spiegelbilder beider Knaben, nur im verklärten Durchschein des Blutes. Ihre Augen scheinen zu sehen, ihre Lippen zu reden.




So glänzend und reich das Leben des Malers war, so ist es in seinen Gemälden in Farben festgebannt. Diese bleiben ewig jung, er nur konnte nicht dem Alter und den Gewissensbissen des Podagra entrinnen, welches sich vorgenommen hatte, die süßen Scenen im Liebesgarten und die herzerfreuenden Gelage bei dem Becher, welchen die schönste Nymphe kredenzte, ihn bis auf den Tod abbüßen zu lassen.

Hier knieet

der heilige Hieronymus,

bereuet die Sünden seiner Jugend und entdeckt dabei die bequeme Lehre von der Erbsünde, gegen welche der schwache Mensch nun einmal aus sich selbst nichts vermag. Der Heilige, noch halb verhüllt von weltlichrothem Tuchfaltenwurf, ist vor dem Bilde des Mittlers am Kreuze auf das Knie gesunken, vor ihm und dem Crucifixe liegen ein Todtenkopf und das Beichtbuch, hinter ihm der eingeschlafene Löwe der Leidenschaft. Hieronymus befreundet sich mit dem Jenseits, denn die Lüste des Diesseits haben das sündenmürbe Fleisch verlassen; er hat Ursache, sich nach den himmlischen Freuden zu sehnen.

Das jüngste Gericht.

Es ist die ausgezeichnete Skizze von dem großen, gewaltig wirksamen Gemälde in München. Diese Skizze hat aber den Reiz des ersten Gedankens voraus, welcher fast unmittelbar genial, nur wie hingehaucht in farbigem Schimmer auf uns einwirkt.

Der Meister ist hier, wie immer, gewaltig in der Auffassung des leidenschaftlichen Moments. Wie früher Michel Angelo, so stellte sich Rubens den Untergang der altchristlichen Zeit in dem jüngsten Gerichte dar.

Hier ist es das Gericht des ascetischen Christus über das schöne, flämische Fleisch, in welchem sich Rubens selbst leider zu wohl befunden haben mag. Zur Rechten des Richters, wo Maria Fürbitte thut, kommt es, wenn auch schwer, dennoch in Gnaden empor; zur Linken aber, wo der Fanatismus der ebräischen Gesetztafeln waltet, wirft es der Buchstabe des zornigen, eifrigen Gottes in den Abgrund.

Was für schöne Frauenleiber, von Erinnerung und Sünde belastet, sind hier verzweiflungsvoll zusammengeballt, um von rücksichtslosen Teufeln in die Hölle geschleppt zu werden, ach, und kaum wird es Rubens auf der anderen Seite gelingen, seine schöne Helena in das Paradies zu bringen.

Alles ist hier großartig, lebendig gruppirt, schön in der Bewegung. Das Fleisch ist selbst in seiner Verdammniß noch reizend und entzückend.




Mit und neben Rubens und seiner tragisch-politischen Malerei blühte die hohe Comödie der Verlachung und der Ironie in seinem Gehilfen und Schüler

Jacob Jordans,

in Antwerpen 1594 geboren und 1678 gestorben. Erst Schüler des in Maniertheit untergegangenen Adam van Oort, fühlte er sich später zu Rubens gezogen, welcher sein Freund und Meister wurde. Er ist glänzend und kräftig im Colorit, humoristisch in derber Auffassung des Lebens und seiner komischen Contraste, aber ohne idealen Sinn für edle Formen, selbst da, wo er Bilder für den kirchlichen Cultus malen mußte. Das niederländische Volksleben im Tafelgenuß bei erhöhter Stimmung der Gemüther durch Speise und Wein fand in ihm seinen lachendsten Darsteller.

Wie die Alten sungen, so pfeifen die Jungen.

Es ist das niederländische Leben in der Fülle bei der Tafel mit funkelnden Kannen und leuchtenden, weinglühenden Gesichtern. Reiche, vollgestopfte Leute gehaben sich in wohlgenährtem Zusammensein. Auf der Stuhllehne über der dicken Frau mit dem fetten Kinde sitzt ein im Uebermuthe der Ueberfütterung verdrießlicher Papagei; darüber steht eine blühende Harlemer Tulpe in einem Blumenglase, und dabei als Contrast ein Todtenkopf auf einem Predigtbuche; denn das Leben reicher Handelsleute bedarf eines äußerlichen poetischen Gegensatzes, welcher, gegenüber der Fülle des vegetirenden Daseins, nur der Gedanke an den Tod und an den Pastor bei der Hauptkirche sein kann. Hier hält die weidliche Familie singend Privatkirche, während die backenquellenden Jungen dazu die Melodie blasen. Doch hat auch dieses Leben des materiellen Erwerbes und Genusses seine Schattenseite. Diese hat Jordans dargestellt in

Diogenes mit der Laterne.

Er ist arm und nackt und sucht auf dem Markte mit der Laterne Menschen unter den Thieren. So steht er einsam in dem großen Mittelpuncte des leiblichen Lebens – auf dem Victualienmarkte, um ihn herum die Fülle des Obstes in saftigen Aepfeln, Birnen und Weintrauben, überall die Massen des Gemüses, Kraut und Rüben, Meerrettich und Sellerie, und zwischendurch Schwein, Esel, Pferd, Ochs und Kuh und allerlei grimmassirende Menschenthiere.

„Menschen sucht er?“ so geht die Frage unter den guten Leuten, welche ihm höhnische, viehische Gesichter schneiden, um ihm zu beweisen, daß sie – keine Ebenbilder Gottes sind.

Der verlorene Sohn.

Der verlorene Sohn, nackt, um die Hüften ein Stück Leinwand geschlagen, steht bettelnd vor einem Bauer, welcher vor zwei fressenden Pferden mürrisch zwischen die Hörner einer neben ihm stehenden Kuh hindurch auf vier Schweine am Troge im Vordergrunde zeigt und ihm die Erlaubniß ertheilt, mit ihnen sich von Trebern zu sättigen. Ob die Frau vor dem Hause mit dem leeren Kruge, über den Nacken des Pferdes herüberblickend, mitleidiger ist, können wir nicht errathen; die flämische Magd, welche den Milcheimer auf dem Kopfe trägt, schlägt bei dem Anblicke des Nackten schamhaft die Augen nieder.

Diese Scene der Barmherzigkeit begleitet der Junge in der Ecke hinter dem Pferdekummet mit seiner Pfeife und der Hund mit Knurren und Bellen.

In diesem humoristischen Tone ist Jordans ausgezeichnet, bei seinen übrigen Gemälden aus dem Reiche der Ideale bleibt nur die glänzende Ausführung bei der derben Auffassung der Gestalten übrig, wie in der

Darstellung im Tempel

und im

Gang zum Grabe des Heilands,

zu welchem seine Mutter, Joseph von Arimathia, Johannes und Maria und Magdalena mit dem Salbgefäß kommen.




Neben Jordans war der ausgezeichnetste Gehilfe des Paul Rubens

Franz Snyders,

aus Antwerpen, geboren 1579, gestorben 1657. Er ist der größte Thiermaler aller Zeit, Rubens malte in Snyders’ Thierstücke häufig die menschlichen Figuren. Keiner hat so wie Snyders die Naturen der wilden Thiere verstanden, sie so in der höchsten Aufregung des Kampfes, in dem äußersten malerischen Moment darzustellen gewußt. Er ist der Thierschlachtenmaler, und hier größer als – Rubens. Seine Thierkämpfe sprühen Kraft und Feuer. Die Thiergestalten werden lebendig in der genialen Zeichnung und der tiefgesättigten Farbe. Alle Eigenschaften und Leidenschaften der Thiere in Angriff und Vertheidigung, in der Angst und Wuth der Mordhetzerei setzt er mit der entschiedensten Kenntniß der thierischen Gemüthsarten und ihrer Steigerung in Scene. Seine Wölfe, Eber und Bären sind Helden der Thierwelt in dem Kampfe mit Jägern und Hunden. Sie streiten für ihre Waldfreiheit. Wir müssen für sie Partei nehmen. Wir bewundern ihren Heldenmuth und schämen uns fast des Gedankens, daß ihnen, wie so manchem Helden, erst der Lorbeer in die Pfanne nachgeworfen worden ist, um ihr Andenken schmackhafter zu machen. Snyders ist ihr Homer unter den Malern; es treten die Gleichnisse in der Iliade, welche von wilden Thieren hergenommen sind, hier als die wirkliche That hervor und der Menschenkampf als Folie oder Gleichniß zurück. Sein vorzüglichstes Gemälde dieser Art ist:

Die Schweinsjagd.

Wir sehen darin einen Ajax der wilden Schweine, ganz so, wie ein Wildschwein sein muß: frech, wild und dummkühn in seinem harzgesteiften Borstenpanzer mit dem hauenden Schwertzahn im Kampfe mit Jägern und Hunden. Es ist ein zum Tollmordlauf gereiztes Thier, gehetzt von den bösartigsten, bissigsten Hunden der vortrefflichen großgesteckten, bunten Race. Bereits hat das Wildschwein drei der hitzigsten Köter im Vorüberrennen diesseits und vier jenseits mit seinen Hauern niedergeworfen. Hier liegen sie zerschlitzt in ihrem Blute. Man meint die Bestien heulen zu hören. Eben hat das Wildschwein das Fangeisen, welches ihm ein Jägersknecht in die Brust rennen wollte, im Sprunge zwischen seinen Klauen zerbrochen, und jener ist im Vorwärtsstürzen unter den Mordhieb des entsetzlichen Thieres mit den grimmigen, blutroth unterlaufenen Augen und dem grunzig aufgestülpten, geifernden Rüssel gerathen. Doch von der anderen Seite erhält das Thier von einem anderen Jäger den unvorhergesehenen Banditenstoß, hinterher bläst ein rothköpfiger Satan, der Schweinehirt aus Walter Scott’s Ivanhoe, das Horn; eine neue Schaar von Jägern und Hunden stürzt herbei. So braust im Hui der Kampf vorüber, der borstige Held wird nicht ungerächt fallen! Das ist die einzige poetische Gerechtigkeit!




Reich an Genies ist die Schule des Paul Rubens, das glänzendste unter ihnen ist jedoch

Anton van Dyk,

geboren in Antwerpen 1599. Er genoß den ersten Unterricht bei dem Maler Heinrich van Balen, aber gar bald machte ihn die Bewunderung der Werke Rubens’ zu dessen Schüler. Bald erkannten ihn alle seine Mitschüler und die Gehilfen des Meisters als den Ersten von ihnen an. Als Rubens an einer Kreuzabnahme für die Kirche Unserer lieben Frauen in Antwerpen malte, ging er eines Tages gegen Sonnenuntergang aus. Als er den Rücken gekehrt hatte, neckten und jagten sich die Gesellen. Dabei fiel der Maler Diepenbeke an das Bild und löschte im Vorüberstreichen aus, was der Meister vorher gemalt hatte. Da kamen Alle auf den Rath des Johann van Hoeck, ihres Mitschülers, überein, daß van Dyk aus der Noth helfen müsse. Van Dyk ging an die Arbeit, welche ihm auch so gut gelang, daß Rubens am anderen Tage geäußert haben soll: „diese Partie da ist mir gestern nicht am schlechtesten gelungen!“ – Van Dyk’s Talent war aber nicht bestimmt, in der Manier seines Meisters aufzugehen. Er war ausersehen, die Fürsten und Herren, welche in der Tragödie der damaligen Zeit auftraten, zu portraitiren. In seinem wahlverwandten Künstlergemüthe spiegelte die große Welt seiner Tage sich mit allen ihren großen und kleinen Eigenschaften, ihrer blasirten, überfeinerten Bildung und allen Ansprüchen, welche sie geerbt hatte, in silberklaren Tönen ab. Um dieser Neigung zum historischen Portrait nachzugehen, verließ er seinen Meister. Bei seinem Abschiede gab er Rubens drei Gemälde zum Geschenk. Rubens schenkte ihm dafür eins seiner besten und schönsten Pferde. Van Dyk wollte zunächst nach Italien gehen; aber schon im Dorfe Savelthem bei Brüssel verliebte er sich in ein Landmädchen. Er verweilte dort und malte auf einem Bilde in der Figur des heiligen Martin zu Pferde sich selbst und auf einem zweiten: die heilige Familie, worin er seine Geliebte und ihre Aeltern verherrlichte, für die Dorfkirche. Von dem Ritter Nanni, welcher zufällig durch das Dorf reiste, ließ er sich aus seiner Träumerei wecken und setzte seine Reise nach Italien fort. In Genua und in Rom fand er Bestellungen und Gelegenheit zum Portraitiren hoher Personen. In Rom fand er das rohe Wesen seiner Landsleute unangenehm, er zog sich von ihnen vornehm zurück und wurde dafür gehaßt und verfolgt. Zurückgekehrt nach Antwerpen, malte er für die Collegialkirche von Courtai. Rubens soll ihm in dieser Zeit seine Tochter zur Frau angeboten, van Dyk aber sie ausgeschlagen haben, weil er heimlich in ihre schönere Mutter verliebt gewesen sei. Er folgte vielmehr dem Rufe des Prinzen von Oranien, Friedrich von Nassau, nach dem Haag, wo er viele Fürsten, die Großen des Hofes, viele Gesandte und die reichsten Kaufleute malte. Darauf ging er nach England, nach kurzer Zeit aber, ohne dort Glück gemacht zu haben, zurück nach den Niederlanden, jedoch bald darauf zum zweiten Male nach England, und jetzt war sein Glück dort reif, welches ihn mit Gold, Ehren und jeglichem Genuß des damaligen vornehmen Lebens überhäufte. Er wurde Günstling des Königs Carl I. und der Großen am Hofe. Nun begann er einen fürstlichen Haushalt. Vormittags kamen die Standespersonen zu ihm, welche sich malen lassen wollten. In einem großen Saale neben dem Atelier wurden bei ausgezeichneter Musik Erfrischungen und Leckereien herumgegeben. Nachmittags um 4 Uhr ging es zur Tafel, darnach übergab sich van Dyk den ausgelassensten, raffinirtesten Vergnügungen. Diese Zeit seines Lebens charakterisirt sich hier in der


Danaë.

Auf den schwellenden Polstern und Kissen eines Ruhebettes ruht in horizontaler Lage Danaë, den goldenen Louisd’or-Regen mit ausgebreiteten Armen und offenen Händen auffangend. Sie scheint zu wissen, wie kostbar das Fleisch ist, welches der schöne Antoni malt. Ihre Duenna hat die Decke hinter ihr emporgezogen, damit kein Tropfen vom goldenen Regen verloren gehe. Amor knieet mit einem habsüchtigen, geizigen Wucherer- und Ruffiangesichte auf dem Lager zu den Füßen der Schönen und untersucht die Aechtheit der Goldstücke auf dem Probirsteine.

Es gab eine Zeit, wo diese Danaë die Gottheit der französischen Mode an unseren Höfen war. Wir gestehen ihr gern zu, daß ihre Glieder aus Lilien, Rosen und Veilchen gewoben waren, wir vergessen aber auch nicht ihre Eulalienaugen und ihre lebenaussaugenden, völkermordenden Vampyrlippen.

Der arme van Dyk litt Schiffbruch an diesen Klippen und Scheeren. Vergebens suchte ihn der Herzog von Buckingham zu retten durch die Hand der schönen Maria Ruthven, der Tochter des Mylord Ruthven, Grafen von Goree. Er starb kurz nach seiner Verheirathung mit ihr, 42 Jahre alt. Er liegt begraben zu London in St. Paul. So war es ihm vergönnt, von hinnen zu scheiden, ehe die prächtige, große Welt in England, deren künstlerische Seele er war, vor der rohen Hand des Puritaners zusammenstürzte und das Haupt seines königlichen Freundes auf dem Schafotte fiel.

Portrait Carl’s I., Königs von England.

Eine tiefe Wehmuth beschleicht unser Herz, blicken wir in dieses königliche Gesicht. Dyk hat es verstanden, das Stuartschicksal hineinzuschrelben. Dieser Stuart war der letzte ritterliche, selbstherrliche König auf dem Throne Englands. Mit seinem Haupte fiel die Krone der romantischen Poesie von der Stirne Britannia’s! Carl I. war der Held des großen Trauerspiels, welches dort der Dämon der englischen Geschichte im Geiste Shakespeare’s so grausam gedichtet, so blutig in Scene gesetzt hat. Dieser dämonische Poet hatte seinem Vorgänger William die feinsten Handgriffe bei der Anlage und Ausführung des Dramas abgesehen. Zuerst drängte er die stumpfen Gegensätze, in welchen sich das gemeine Leben bewegt, in zwei Extreme heraus, in die Parteien des Royalismus und der puritanischen Demokratie, ließ sie in den äußersten Spitzen in zwei einander entgegengesetzten Personen, in Carl Stuart und Cromwell, sich empören und stellte sie auf Leben und Tod einander gegenüber. Der unglückliche König hatte die schwierigere Rolle zu übernehmen. Cromwell hatte für sich die Kraft einer großen Zeitidee, Carl nur die eigene Persönlichkeit, – Cromwell die Energie der Bornirtheit, welche zu jeder großen politischen Rolle gehört, er nur die höfisch verschliffene Bildung der alten Zeit, – Cromwell die zermalmende Pferdekraft des religiöspolitischen Fanatismus, er nur den beliebigen Eigensinn, – Cromwell die Beharrlichkeit, er den schwankenden Calcul macchiavellistischer Politik, – Cromwell für sich den gewaltigen Pöbel, er für sich eine Hand voll Galanteriedegen, gegen sich aber die ganze neue Zeit und ihr Glück.

So steht er hier im Bilde van Dyk’s, mit den schwermüthig von den Augenlidern halbbedeckten Augensternen mißtrauisch sich umsehend, ob der silberbleich uns zugekehrte Fürstenstern auf seinem schwarzseidenen Mantel gehörig respectirt werde. Er hat den linken Arm und den Mantel darüber an sich gezogen, als fühle er sich nicht recht sicher. Vor ihm fließt wie ein Blutstrom ein rother, goldgestickter Teppich herunter; von einem ähnlichen ist der Tisch belegt, auf welchem sein Hut wie in rothem Blute liegt. Er hat die feine aristokratische Hand auf die breite Hutkrämpe gelegt, als wäre er unschlüssig, ob er ihn aufsetzen und in das Parliament gehen solle, oder nicht. Ein verhängnißvoller Zug senkt sich über seine Stirn herab, zieht sich scheu hinter die Augenhöhlen zurück und lächelt dann schwermüthig aus den Mundwinkeln, als gälte es dennoch, ein mildfreundliches Fürstengesicht zu zeigen. Unfern davon sehen wir seine Gemahlin,

Henriette Maria von Frankreich.

Ihr fast überzartes Gesicht, im feinsten Silbertone gemalt, mit dem lächelnden Leide um den lieblichen, charakterlosen Mund, müßte es uns, selbst wenn wir ihr Schicksal nicht kennten, dennoch verrathen, daß eine solche empfindsame Blume wohl im Warmgewächshause eines ceremoniell umhegten Hofes gedeihen kann, aber in der stürmischen Luft einer politisch aufgeregten Zeit vergehen muß. Wie lieblich kräuseln sich die Hyacinthenlocken um die milde Stirne und fallen dann lang und schwer zusammen auf die rechte Schulter. Welche niedliche, elegante Gestalt! Welche zierliche Bewegung des schlanken Händchens im Zurückhalten des weißseidenen Gewandes! Wie vornehm sinkt der mildgerundete Arm aus dem mit Spitzen reich garnirten kurzen Bauschärmel hervor. Sie trägt in der Hand Monatsrosen. Diese blaßrothen Bouquetrosen liebte sie sehr; auch auf ihrem kleinen Portraitbilde von Conzales Coques hat sie diese Rosen neben sich. Solche Rosen sind auch das Symbol des Hinsterbens in Gram und Harm. Sie trägt einen reichen Perlenschmuck und ein Kreuz von Diamanten vor der Brust. Sie hat später die Bedeutung von Perle und Kreuz im Leben erfahren. Sie steht in einem rothtapezirten Gemache. Auf rothbehangenem Tische liegt ihre Krone; auch sie ist reich mit Perlen besetzt und endigt in einem Kreuze.

Bei den Portraits Carl’s I. und seiner Gemahlin sehen wir in einem Bilde ihre drei unerwachsenen Kinder zusammenstehen:

Carl, Jacob und Anna Henriette

mit ihren eigensinnigvornehmen, unglücklichen Prätendentengesichtern. Die treuen Hündchen neben ihnen scheinen sie für die verlorene Treue des Volkes trösten zu wollen. Was Chateaubriand von der älteren Linie der Bourbonen sagt: an einer langen Reihe königlicher Särge stehe eine Wiege, welche um Mitleid flehe! fällt uns bei dem Anblicke dieser Kinder ein. England folgte später der Stimme des Mitleids, die Stuarts der ihres Eigensinnes. Sie hatten nichts gelernt und nichts vergessen! Und das Gemüth des Menschen ist sein Schicksal.

Um die Zeit in den historischen Portraits Dyk’s und in ihr seine Auffassung derselben zu begreifen, sei es vergönnt, aus dem vortrefflichen Schatze, welchen die Galerie besitzt, noch einige zu betrachten. Sie theilen sich, wie die historischen Menschen jener Zeit, in Royalisten und Demokraten.

Zur royalistischen Partei gehören:

Das Portrait des Hofmannes

mit der breiten, steifen Halskrause, aus welcher das feingebildete Gesicht herausblickt mit dem süßberedten Munde und den vornehm herabschauenden Augen.

Das Portrait eines Großwürdenträgers, eines Mitgliedes vom Oberhause;

es ist ein wohlgenährter Jurist, den status quo vertheidigend, mitten in der Debatte fein distinguirend, hier mimisch mit der vor dem Leibe befindlichen rechten Hand.

Das Portrait des alten Mylords.

Er ist zu erkennen an den kleingemachten Augen, in welchen die Pupillen sich in die rechten Augenwinkel zum durchschauenden Blicke zusammendrücken. Das Gemüthsleben, wie es in diesen Formen erscheint, ist vom Weltverstande ganz überwältigt, und dieser Verstand braucht in seinem Sohne nur fanatisch herauszutreten, um die altväterliche Welt in Trümmer zu zerschlagen.

Dieser feinen, egoistischen Welt gegenüber stellen wir das

Portrait des Mißvergnügten.

Er ist zu erkennen an dem weißen herabhängenden Halskragen. Ueber dem Harnisch trägt er das Wehrgehänge, unter den zusammengezogenen Augenbrauen stiert der grausame Blick uns dunkelbrütend an, auf seiner vorquellenden Unterlippe sitzt der grausame Zorn, auf seinem graubraunen Gesichte zuckt die nach innen bis zum tödtlichen Losschnellen in sich zusammengezogene Leidenschaft. In solchen Schriftzügen hatte das Schicksal das Todesurtheil Carl’s I. geschrieben.




So war die weltliche Hoheit der damaligen Zeit die Musa van Dyk’s. So erscheint sie auch hier in der

Himmelskönigin

nicht als Mutter Gottes oder Jungfraumutter, sondern als königliche Hoheit mit dem Kronprinzen des Reiches. Sie sitzt auf dem Throne mit dem Scepter wie auf einem ungarischen Reichstage bei dem Zurufe der Stände: pro Maria, Rege nostro, moriamur!




Die Bilderschau bei diesem Meister mag auch hier
der heilige Hieronymus

beschließen. Seine Haare sind in Sünden ergraut, nur das Gesicht ist weinröthlich geblieben; er ist hier zu Kreuz gekrochen und straft mit Steinschlägen das sündige Fleisch. Fast sieht es aus, als thue dieser Sünder nur Buße nach einer schlimmverbrachten Nacht in physischem Jammer, doch – ohne Aussicht auf Besserung. Wenigstens kam ihr bei dem Meister des Bildes der Tod zuvor.




Um in dem Zusammenhange der Entwickelung zu bleiben, müssen die zur Zeit in diesem Saale befindlichen Meisterwerke von

Aldert van Everdingen
und
Jacob Ruisdael

bei der Landschaftsmalerei, von

Jan Davidze de Heem

bei der Blumenmalerei, von

Gherard Terburg

bei der Genremalerei, von

Adriaan van der Werfft
bei der Cabinetsmalerei, von
David Teniers, dem Sohn,
und
Pieter de Hooghe

bei der Genremalerei, von

Nicolaas Berchem

bei der novellistischen Malerei weiter unten besprochen werden. Man wird sich hier leicht in dem Verzeichnisse, welches dem Werke beigegeben ist, zurecht finden.

Wenden wir uns aus diesem Saale dem Ausgange zu, so gelangen wir in das

Zimmer B.

zu den wenigen Bildern, welche

die spanische Schule

uns vor die Augen stellt.

Aus der älteren Schule haben wir hier ein kleines Bild von

Luis de Morales (el Divino genannt),

zu Anfang des 16. Jahrhunderts in Estremadura geboren und gestorben 1590, – das

Ecce homo!

Ein Antlitz, welches uns an das Kirchenlied: „O Haupt voll Blut und Wunden!“ erinnert. Es ist ein hageres, spanisches Gesicht voll unendlicher Schwärmerei. Auf der rechten vorgedrängten Schulter liegt der verhöhnende Rohrstab, der Heiland blickt mit seinen großen, halb von den Lidern verhüllten Schmerzensaugen nieder. Thränen stürzen daraus hervor, Blutstropfen rinnen von der Stirne, von welcher der Dornenkranz abgenommen ist. Seine dunkelblonden Haare fallen reich auf die linke Schulter. Der Mund ist zum Stöhnen geöffnet, das Haupt sinkt schwer zur Seite hinüber, um den Hals liegt wie zum Schmucke ein rohgedrehter Strick. So ist dieses Bild aus der glühenden Andacht einer spanischen Künstlerseele herausgeschaffen! Ein fremdes Klima, ein wildfremder Geist blickt uns daraus an. Es ist der spanische Fanatismus, wie ihn auch

Francisco Zurbaran,

welcher zur Schule von Sevilla gehört und von 1598 bis 1662 lebte, zur Darstellung gebracht hat in dem Bilde:

Die büßende Magdalena.

Magdalena sitzt in einer Wüste unter einem knorrigen Olivenbaum, dessen Aeste abgehauen sind, bei einem Todtenkopfe. Das Haupt mit aufgelösten Haaren ist zurückgebeugt, während sie krampfhaft die verschlungenen Hände um das angezogene Knie geklammert hat, als müsse sie sich in ihrem Schmerze an sich selbst festhalten. Ihre Augen sind zum Himmel gerichtet, welchen Gewitterwolken bedecken. Da jammert sie, im Brande der Sonne verglühend, in der Wüste.

Mit

Bartolome Esteban Murillo,

welcher von 1618 bis 1682 lebte, treten wir wieder zu den Niederländern heran, da er sich vorzüglich nach van Dyk zu bilden gesucht. Bei ihm unterscheidet man zwei verschiedene Perioden: die realistische mit derber Auffassung des spanischen Lebens, und die schwärmerische zarte Manier, in welcher er später malte. Die Dresdener Galerie besitzt von ihm zwei Bilder seiner früheren Manier.

Die Obstverkäuferin.

Die kleine, naive Obsthändlerin sitzt bei ihrem Körbchen, in welchem sie Weintrauben und Pfirschen feil hat. Sie zählt das Geld, welches sie von der Käuferin vor ihr eben für das Obst erhalten hat und nicht richtig zu finden scheint. Man möchte ihr mitzählen helfen. Es wird doch kein Maravedi fehlen? – Es ist eine Scene aus einer spanischen Straßennovelle.

Die Madonna.

Eine junge Spanierin hat ihr Kind auf dem Schooße und blickt zum Himmel empor, als suche sie dort den Vater zu dem Kinde. Sie ist nicht schön, desto schöner aber ihre Seele, welche ihr aus den Augen leuchtet.

In diesem Zimmer befinden sich auch die kleinen Bilder von

Cornelis Poelenburg,

welche weiter unten bei der Idyllenmalerei besprochen werden.




Wir verlassen dieses Zimmer und treten in das

Zimmer A.
zur französischen Schule,

wo die köstlichsten Landschaften von

Claude Gelée, genannt Le Lorrain,

sich befinden, welche weiter unten bei der Landschaftsmalerei besprochen werden.

Wir müssen uns hier beeilen, um zu den Niederländern und Holländern zurückzukehren und gehen hinüber in das

Zimmer H.

Hier sind die schönen Bilder von

Rubens,
Rückkehr von der Jagd,
Weinlese des Satyrs,
welche wir oben besprochen haben, und
Kaiser Karl V., von der Victoria gekrönt,

ein wunderbar kräftig schönes Bild, welches sich nach dem Vorausgegangenen von selbst erklärt. Allegorisch schmiegt sich das üppige Flandern an den gewaltigen Herrscher an.




Rubens und die aus seiner Richtung hervorgegangenen Meister brachten ein aristokratisches Gemüth zur Auffassung des Lebens mit; selbst Jordans erreicht seine Aufgabe nur in der Verspottung des gemeinen Daseins, Snyders ist nur eine geniale Weiterentwickelung der von Rubens beliebten Darstellung des Kampfes zwischen der Waldfreiheit der Thiere mit der Tyrannei der Menschen, während van Dyk ganz in die hohe, vornehme Hofwelt aufgeht. Aber auch die andere Seite, das gemeine Volk, fand seine Künstler dort, wo es über die Tyrannei siegte, besonders in der

niederländisch-holländischen Schule,

und ursprünglich in dem Kampfe der neuen Gegensätze, des ebräischen Geistes in der Reformation und der sinnlichen Natur in der Menschencreatur, dessen Begebenheiten sich in der Kunst zur Erscheinung brachten.

Je zelotischer das neue Priesterthum die Regungen der Natur verneinte, desto rebellischer, wüster und dämonischer trat sie hervor. Die Natur war zu jener Zeit in sich selbst krank. Krieg und pestartige Krankheiten verheerten die Länder, und die Menschheit raste in gräßlichen Gemüthszuständen und wahnsinnigen Traumbildern. Wer die Zeit des 16. und 17. Jahrhunderts verstehen will, muß die Geschichte der Hexenprocesse lesen. Die Grüfte der Unterwelt schienen sich aufgethan zu haben und ihre Gespenster umherzuwandeln. Wer kennt nicht die Geschichte von den Hexentänzen auf dem Blocksberge? Wer nicht die Sage von Faust? Die Natur erschien jetzt in der Form, die ihr das Christenthum aufgeprägt hatte, – als teuflisches Gespenst, welches jetzt im Gegensatze zu dem jenseitigen Himmelreich die Freuden dieser Welt verhieß – Macht, Gold und jeglichen Sinnengenuß; und bis in das vorige Jahrhundert hinein arbeiteten Alchymisten in diesem Geiste an der Entdeckung der Goldtinctur.

Die Seelenzustände jener Zeit haben wie Jegliches, was sich selbst überbietet, ihre komische Seite, welche der niederen Comödie ihren Stoff giebt. Ihre ersten Anfänge verlaufen sich in Italien in die neapolitanische Schule bis zu Caravaggio und Salvator Rosa hinauf.

Zu jener Zeit bestand in Rom eine Wirthshausgesellschaft von flamändischen, deutschen und holländischen Malern, welche die Neueingewanderten unter dem lustigsten, possenhaftesten Ceremoniel aufnahm und ebenso ihre Zusammenkünfte feierte. Diese Gesellschaft hieß die Schilder-Bent. In dieser lustigen Gesellschaft scheint die comödienartige Auffassung des gemeinen Lebens in der Genremalerei ihre Meister zuerst gefunden zu haben. Italienische Räuber- und Bettlerscenen wurden besonders beliebt. Der lebendigste Darsteller dieses Genre’s wurde

Peter van Laar,
welcher bei seinem langjährigen Aufenthalte in Rom wegen seiner possirlichen Gestalt „Bamboccio“ genannt wurde und unter diesem Namen bekannt ist. Er wurde um das Jahr 1613 in dem Dorfe Laaren bei Naarden geboren. Obschon es nicht ausgemacht ist, ob er wirklich in der Schilder-Bent aufgenommen war, so gehört doch seine Malerei dem Geiste an, welcher dort in lustigen Nächten aus der Weinhefe üppig emporblühte. Von seinem Spitznamen nennt man alle Gemälde dieser Art „Bambocciaden.“ Er selbst ist kennbar an der geistvollen Manier, in welcher er die Gegenstände aus dem gemeinen Leben auffaßte, und an der lebhaften, kräftigen Farbe, in welcher er sie wiedergab. Er lebte sechszehn Jahre in Italien und kehrte dann auf Zureden seiner Verwandten in das Nebelland seiner Heimath zurück, wo er schwermüthig wurde und eines freiwilligen Todes starb. Auf der Dresdener Galerie finden sich vier Bilder von ihm vor, nämlich:
die kartenspielenden Lazaroni,
der Smuggler an der Meeresküste,
die Bettler vor dem Kloster,
das Bocciaspiel vor der Weinschenke.

Ehe wir das Zimmer H verlassen, wollen wir uns die schönen Bilder von den Brüdern

Both

merken, welche weiter unten bei den novellistischen Landschaftsmalern besprochen werden. Siehe das Verzeichniß.

Wir kommen aus diesem in

das Zimmer G.
zur zweiten großen Abtheilung der niederländischen und holländischen Meister.

Wir wenden uns zu den Wänden an dem Fenster dem Eingange gegenüber!

Adriaan Brouwer.
Er war in Harlem 1608 in tiefer Armuth geboren. Seine Mutter war eine Stickerin und arbeitete für die Landleute. Adriaan malte ihr die Blumen- und Vögelmuster dazu. Franz Hals, der geniale geizige und ausschweifende Portraitmaler, entdeckte das junge Genie und mißbrauchte es jahrelang. Sein Mitschüler und Freund Adrian van Ostade beredete ihn zur Flucht nach Amsterdam. Dort gewann er den Schenkwirth Heinrich van Soomern zum Freunde, bei welchem es ihm ungemein gefiel. Er malte bei ihm seine besten Wirthshausprügeleien. Mit seinem Ruhme wuchsen Geldverdienst und mit ihm seine Neigung zur Liederlichkeit, und wunderbar vermehrten sich auch zugleich seine Schulden und Gläubiger. Er entfloh ihnen nach Antwerpen, wurde dort als vermeinter Spion in das Gefängniß geworfen, jedoch durch Rubens daraus befreit. Als ihn der edle Meister auf bessere Wege bringen wollte, verließ er ihn und zog zu dem Bäcker Joseph von Craesbéke, mit welchem er malte und doppelt liederlich war, bis er aus Antwerpen polizeilich gemaßregelt wurde. Er ging nach Paris, kam jedoch bald wieder nach Antwerpen, wo es ihm am besten gefallen hatte, zurück, starb aber zwei Tage nachher im Hospitale und ward auf dem Pestkirchhofe begraben. Als Rubens das traurige Schicksal dieses liederlichen Meisters erfuhr, vergoß er Thränen, ließ ihn wieder ausgraben und ehrenvoll in der Karmeliterkirche begraben. In einem solchen wüsten Wirthshausgenie konnte das gemeine Volksleben jener Zeit mit seinen Trunkenbolden, landsknechtspielenden Landsknechten, feilen Dirnen, Schlägereien und Tollheiten sich am treusten abspiegeln. Die Galerie besitzt einige dieser Spiegelbilder:
Die Spieler.

Ein umgestürztes Waschfaß dient zum Spieltische. Die spielenden Bauern haben sich entzweit. Die eine Bestie ist emporgesprungen, hat den Gegenspieler mit der Linken am Schopfe gefaßt und ist im Begriffe, ihm einen Biertopf auf dem Kopfe zu zerschlagen. Der Dritte im Bunde zieht das Messer zum Drauf- und Dreinstechen.

In gleichem Geiste sind die übrigen Bilder. Wüste, scheußliche Gesichter! Bestien, die sich beißen und kratzen, Thiermenschen, Katzen und Ratten! Ungebändigte, viehische Leidenschaften, genial und in klaren, hellen Färben dargestellt! Im Schmelz der Touche ist Adriaan Brouwer der größte Maler, wie er der wüsteste ist.

Poetischer, aber eben so niedrigkomisch ist Brouwer’s Freund

Adriaan van Ostade

aus Lübeck, wo er 1610 geboren wurde. Er verließ frühzeitig seine Vaterstadt und ging zu Franz Hals in Harlem, in dessen Atelier er mit Brouwer befreundet wurde und mit ihm dieselbe Kunstrichtung in eigener Manier einschlug. Er wohnte und arbeitete bis zum Jahre 1662 in Harlem, in welchem Jahre er die Stadt verließ, um in seine Heimath zurückzukehren. Auf seiner Durchreise ließ er sich in Amsterdam bereden, daselbst zu bleiben. Er starb in seiner neuen Heimath im Jahre 1685. So kam es, daß der deutsche Maler aus Lübeck in der Schule der Niederländer glänzt.

Er stellte die niederen Volkszustände nicht so wüst und wild, wie Brouwer, doch gern in ihrer komischen Blüthe der Wirthshausseligkeit dar. Er ist der größte Meister der Abtönung auf der warmen Farbenleiter. Seine Farbe wirkt auf das Auge wie der klare goldene Drymadeira in einem grünen Glase. Seine Bilder interessiren und fesseln den Kenner wie altenglische Lustspiele in humoristischer Steigerung des komischen Interesse, wo selbst die Prügelei nur Uebermuth des Blutes bleibt. Wir bewundern hier seine

Stammgäste.

Wir blicken in ein tiefes Zimmer. Vorn am hellen Fenster im goldenen Sonnenlichte sitzt der Schulze gravitätisch im Armstuhle, die Pfeife im Gespräche absetzend, daneben der Müller, das Wachholderschnäpschen in der Hand, im Winkel der salbungsreiche Dorfpastor, an der Wand der Dorfbarbier, welcher die Pfeife zum Verdruß des Pastors wieder angezündet hat, obschon dem Leinweber davon bereits schlimm geworden ist. Der Gast, welcher uns den Rücken zukehrt, ist vielleicht Ostade selbst. Eine Breterwand trennt diese Gesellschaft von einer zweiten im Hintergrunde. Dort sitzt der lustige Sohn des Pastors, welcher dem Küster zutrinkt, ihm gegenüber sitzt sein Kamerad und Prügeljunge.

In solchen traulichen Weinkneipen, in goldklarem Helldunkel der Weinlaune sind sonst wohl die schönsten, deutschen Lieder gedichtet und gesungen worden.

Das Atelier des Künstlers.

Da sitzt das lustige Gemüth an seiner Staffelei. Er ist sehr fleißig, denn er braucht Weinstoff – Geld. Er zeigt uns mehr den Rücken als sein Gesicht, und die rothe Mütze auf dem Kopfe, das Zeichen seiner humoristischen Sehnsucht nach dem Weinhause. Sein Farbenreiber im Hintergrunde des Zimmers muß arbeiten, als gälte es seine Seele mit hineinzureiben. Wie so hübsch liederlich steht und liegt Alles umher, und so wirklich und wahrhaftig, daß man meint, um die Gegenstände herumgehen zu können. Das kommt Einem Alles so heimisch vor, zumal, wenn man selbst ein Künstler oder gar Poet ist. Je länger man da hineinblickt, desto mehr glaubt man sich zu besinnen, daß man in diesem Zimmer schon früher einmal gewesen ist. Das große Bogenfenster mit dem dicken Kreuze von Eichenholz und den runden und eckigen Glasscheibchen in Bleieinfassung wie ein Spinnenwebennetz, davor gleich mit aufgemauert die Fensterbank, auf welcher es sich so traulich sitzen läßt, die Aussicht in den Bohnengarten durch das Fenster hinaus, – das Alles muß man schon einmal irgendwo in Niedersachsen gesehen haben, ist man dort gewesen!

Der Dritte im Bunde Brouwer’s und A. Ostade’s ist

David Teniers, der Jüngere[6]

Sein Vater gleiches Namens war ein Schüler Rubens und zeichnete sich durch Bombocciadenbilder aus. Von ihm besitzt die Dresdener Galerie nur dem Namen nach, nicht aber in der That einige Bilder. Desto reicher ist sie an Gemälden von seinem geistreichen Sohne.

Um dem Volke näher zu sein, zog er in das Dorf Perk zwischen Antwerpen und Mecheln. Dort studirte er fleißig die geselligen Zustände der Landleute auf Märkten und Gelagen aller Art. Sein Landhaus war der gesellige Mittelpunct für Gelehrte, Edelleute und Künstler. Johann von Oesterreich war sein Freund. Er starb 1690 als Director der Academie in Brüssel.

Er ist der größte Maler im Silberton und in der kalten Farbe. In seinen Bildern herrscht das weiße, helle Tageslicht. Er arbeitet mit so leichter Hand, daß seine Gemälde den Eindruck machen, als wären sie nur leichthingeschrieben in einer reinen klaren Bilderhandschrift. Viele seiner Bilder sind in einem Tage gemalt. Bei dieser Leichtigkeit ist er vielseitiger, als seine Vorgänger und seine Mitstrebenden. Schon die Bilder, welche Dresden von ihm besitzt, vergönnen uns, in jede Falte der damaligen Volkszustände einen Blick zu werfen. Er gibt seinen Bildern gern eine Tiefe durch abgetheilte Räumlichkeiten, wodurch zwei besondere Scenen sich aufthun, die eine im Vordergrunde, die andere im Hintergrunde.

Petrus im Gefängnisse.

Das Bild ist eine Allegorie auf die Verfolgung der Protestanten unter Alba in den Niederlanden. Wir sehen im Hintergrunde in das vergitterte Gefängniß, in welchem zu dem gefangenen Petrus der rettende Engel getreten ist. Man muß sich hier, wie bei jedem gemalten Gleichnisse, das vergleichende „Wie“ hinzu denken. Im Vordergrunde erblicken wir die wachthabenden Kriegsknechte, welche sich von Gefechten erzählen. Der Eine, auf der schmalen Seite des Tisches hat mit Kreide darauf zur Verdeutlichung der Erzählung Linien gezogen, während er die linke Hand fest aufstemmt und gebückt sich herunterbeugt. Der Gefängnißwärter, welcher sich eine Pfeife anzündet, und andere Soldaten, von welchen zwei am Tische sitzen und der dritte steht, hören aufmerksam zu. Zwei andere haben dieser Gruppe den Rücken zugewendet, indem sie sich am Kaminfeuer wärmen.

Unterricht im Rauchen.

Ein junger Bauer zündet zum ersten Male eine Pfeife an. Er hat sich mit heldenmüthigem Entschlusse zu den Rauchern gesetzt; sein Gesicht verräth den Kampf, den er besteht. Ihm zur Rechten sitzt ein alter, ausgepichter Geselle, der dem tröstlichen Bierkruge und der Pfeife siegreich zuzusprechen gewöhnt ist. Ein junger, aus dem Bilde herauslachender Geselle stopft sich gleichfalls eine Pfeife. Zwei andere, gemüthliche Dampfer harren rauchend des Ablaufs dieser Versuche. Die Mutter oder Frau eines der angehenden Schmaucher guckt oben zur Fensterluke herein, unten nur von dem Hunde bemerkt, welcher ihr die Zähne zeigt. Durch einen offenen Bogen sieht man in die hintere Wirthsstube. Dort wird vor dem Kamin Karte gespielt. Der Wirth bei dem Kamine wärmt die Nase an der Pfeife und den Rücken am Feuer. So geräuchert und geschmort zu werden, ist ein holländischer Göttergenuß.

Das Alchymistenlaboratorium.

Wir sehen hier den Goldmacher am Heerde zwischen Flaschen, Thierschädeln, Retorten und wunderlichen Geschirren, mit dem Blasebalg Wind machend. Es ist noch ein Laie in der Kunst; im Hintergrunde versteht man Alles besser. Dort sitzen vornehme Leute am Tische, der Alchymist in goldfarbenem Rocke beweist ihnen, daß nur eine Kleinigkeit von einigen Pfunden Gold fehle, um die Goldtinctur zu finden. Sein Famulus, ein langer, schlottriger Kerl, schafft mit einem großmächtigen Blasebalg den nöthigen Wind, die Windmühlen seines Meisters im Gang zu erhalten.

Antonius Versuchung.

Es ist ein Traum, wie er nur im Gemüthe der damaligen Zeit sich bilden konnte, wüst und scheuslich. In einer Höhle, in welche von zwei Seiten Tageslicht hineinfällt, sitzt der heilige Antonius vor einem Felsblocke. Vor ihm steht das Crucifix, das Gebetbuch liegt dabei, ein Todtenschädel dahinter; unfern davon steht eine verfängliche Mixtur in einer Flasche, vielleicht von der Art, wie sie Hofmann in seinem „Elixir des Teufels“ beschreibt. Hat der Heilige davon getrunken? Ein altes, hasenähnliches Weibchen, die symbolische Wollust, steht hinter ihm und deutet auf ein schönes Weib mit Habichtsfüßen, welche verrätherisch unter dem Gewande hervor ihre Abkunft verrathen. Sie nähert sich mit einem Zaubertrank in der Hand. Man muß dabei an die Erzählung des Theurgen Nagar aus Indien denken, welcher aussagt:

„Zuweilen steht alsdann mein Schutzgeist in der Gestalt einer unvergleichlich herrlichen Jungfrau vor mir und überreicht mir einen mit dem Trank der Götter angefüllten Becher, welchen mein geistiger Mensch ausleert.“ Und dann: „Bald führt er mich durch die Luft auf den heiligen Berg der Versammlung und zeigt mir die Gesetze und Bewegungen des Himmels, die Natur aller erschaffenen Wesen und die Wirkungkräfte jedes Dämons.“

Hier ist dieselbe Vision, nur verteufelt und gespenstig in verzerrten Traumbildern, welche zwischen Tod und Sünde aus dem Moder herausgeilen. Welche entsetzliche Fratzen brodeln hier aus dem uralten Chaos an das Licht der Oberwelt!

Hier krabbelt unter einer blauen Decke ein Thierwesen heran mit augenbelebtem Pferdeschädel und Wolfstatzen, auf welchem ein Incubus mit Hundeschädel und Gänsefuß in einer kleinen rosafarbenen Kaputze reitet und den Dudelsack bläst; auf seinem Schädel sitzt verkehrt ein Hühnchen, welches Kopf und Füße aus seinem Ei gesteckt hat, und sich unbequem macht. Eine Heerschaar von offenen Frosch- und Krötenmäulern, welche ein höllisches Concert macht, drängt auf den heiligen Antonius ein. Zwischen ihm und der Versucherin declamirt ein Frosch von der Emancipation des Fleisches. Ihm gegenüber sitzt ein Rabe oder Essenkehrer in seiner schwarzen Amtstracht, einen großen Besen in den Händen. Ein betrunkener Musikant, ein unsauberer Galgenvogel, auf dem Kopf eine blaue Mütze und Feder, und mit Vogelfüßen singt unzüchtige Lieder. Seine Frau mit dem Kuhkopf hat ein Exemplar von dem sauberen Liedchen: „Gedruckt in diesem Jahre“ in der Hand. Eine schaurige Ungestalt, ein Froschmaul mit Rattenzähnen, hilft bei dieser Musik. Ueber dieser Tollheit oben flattern Vampyre in den barockesten Gestalten. Darunter reitet auf dem Paradiesvogel der Poesie ein gespenstisches Kammergeschirr mit Vogelbeinen und Iltisschädel, einen Trichter mit einem Lichte darauf. Eine ritterliche Recensentenkröte, welche auf einem Hering reitet, sticht mit ihrer Lanze den Gegner durch die Kehle.

Hinten in der zweiten Abtheilung der Höhle sitzt der geprüfte Heilige im Gebete, ein Rabe bringt Brod.

Ein Schwein, welches mit dem Rüssel aus dem Rahmen hervorgrunzt, beschließt als Epilog das Ganze.

Ich erinnere mit zwei Worten an die Einleitung zu dieser Kunstrichtung, wo von der Empörung der verteufelten Naturseele gegen das Princip, welches sie verteufelt hat, die Rede ist.

Diese gemeine Natur hat sich jedoch in Sonntagsputz geworfen auf der

Dorfkirchweih.

Die Scene spielt bei einem Wirthshause vor dem Dorfe. Vermuthlich heißt sein Schild: „Zum letzten Heller!“ Eine hohe, bis an das Dach reichende Breterwand, welche quer über eine Seite des Bildes geht, trennt dieses Haus von zwei anderen dahinterstehenden Häusern. Eine andere Breterwand geht auf der breiten Seite vor, bildet einen zweiten Hofraum und läßt einen Blick in das naheliegende Dorf thun.

Im ersten Hofraume ist lustiger Tanz. Auf einer Tonne unter einem Baume steht der damalige Lanner oder Strauß, den Oberleib vorgeneigt, als müsse er in die Tanzmelodie zerfließen. Es ist, als sähe man die hohen Töne unter seinem Fiedelbogen vorprickeln. Unten neben der Tonne steht das sonst ehrwürdige Greisenalter an einen Baum angelehnt. Der alte Musicant spitzt das linke Ohr auf die leichtsinnigen Geigenpassagen der Jugend und paßt auf das Tempo, wo sein ernsthaft näselnder Dudelsack mit moralischen Mahnungen eingreifen kann. Dem Musikanten zunächst sitzt auf der Erde ein Pärchen, von Musik, Bier und Liebe trunken; dahinter jauchzt der Mephistopheles des Dorfes grözelnd empor, die Arme juchheiend in die Luft werfend. Zwei Paare sind zum Doppeltritt-Tanze angetreten. Wie sind die Vortänzer im Tacte! Alles ist an ihnen Schwung in Bauerngrazie. Man kann dem Paare stundenlang zusehen. Des Burschen Linke hält die Rechte der Tänzerin, er hebt den rechten, sie den linken Fuß im Sprunge empor, während sie auf den Zehen des rechten Fußes, er auf dem linken Fuße emporhüpft. Das zweite Paar dahinter müht sich ab, ohne recht in das Geschick zu kommen. Die dahinterstehenden zwei alten Bauern, deren Kritik jetzt das Liebespärchen unten bei den Musicanten in Anspruch nimmt, werden noch Zeit genug finden, ihre ästhetischen Bemerkungen über die Kunst des Tanzes zu machen.

In der Mitte der Scene sitzt der bärtige Nestor des Dorfes in Hemdeärmeln auf seinem Stuhle mit Pfeife und Trinkkrug. Er scheidet den Tanzplan von dem inneren Hofe, wo Männer und Frauen bei dem Trinkgelage sitzen.

Auf dem Wege nach dem Dorfe wandern Andere mit unsichtbaren Haarzöpfen.

Wenn ich so verwegen war, auf diesem Kirchweihfeste den Teufel mit der Hahnenfeder zu erkennen, so sei es mir vergönnt, Doctor Faust in dem kleinen Bilde:

„Der Schwarzkünstler“

zu errathen.

Er sitzt hier in seinem hallenartigen Studierzimmer, wie es uns Goethe schildert, vor dem großen Fenster am kleinen Pulte. Vom großen, offenen Bogen, durch welchen wir hineinblicken, hängt eine gläserne Kugel herab, in welche vermuthlich ein Spiritus familiaris gebannt ist. Famulus Wagner überreicht dem Schwarzkünstler eine Papierrolle, vielleicht sein eigenes Doctordiplom. Ein altes Weib kommt herein; warum soll es nicht Martha, die Nachbarin Gretchens, sein, die Mittelsperson zwischen ihm und seiner Liebe? – Wer daran zweifeln will, dem sei es gegönnt! Ein keifender Hund ist mit ihr in das Zimmer gesprungen, warum soll es nicht Mephistopheles in Hundsgestalt sein? Oder steckt er im Affen, welcher im Vordergrunde mit einem Balle spielt? Ich beantworte alle diese Fragen in einem anderen Bilde.

Der Hexenritt.

In der vorderen Hälfte der Stube, in welche wir hier sehen, ist auf den Dielen ein Zauberkreis gezogen, gebildet von einer Lampe, einem eingespießten Messer, Todtenkopf, Krystallgefäß mit Kräutern, Sanduhr und anderen wunderlichen Gegenständen. Die Hexe, vermuthlich Nachbarin Martha, sitzt auf dem Stuhle vor dem Tische, ihr gegenüber ein Vampyr mit Fledermausflügeln.

Eine zweite Scene spielt in der hinteren Zimmerabtheilung vor dem Kamin und der Esse. Am Simse ist eine blutige Bärentatze angenagelt. Unten zwischen Unholden aller Art, von welchen einer die Flöte bläst, knieet eine zweite Hexe, in der linken Hand ein Buch. Vor ihr steht ein nacktes Mädchen, zum Ritt den Besen zwischen den Beinen haltend; die Hexe gibt ihr eben mit der rechten Hand die Hilfe. „Glückliche Reise, schöne Dame!“ Ein Schwein reitet auf einem Stocke voraus in die Esse hinein. Fledermäuse und Phantome flattern im Zimmer umher.

Mit dieser Auswahl aus den Gemälden Tenier’s d. J. wollen wir uns begnügen; die übrigen erklären sich nach diesen von selbst. Es sind bunte Lettern aus dem großen Buche der Geheimgeschichte seiner Zeit.




Wie sich in dem Moder dieser Zustände die uralte Volkspoesie mit ihren melancholischen Mährchen und Balladen wieder belebte, davon muß die Literaturgeschichte berichten. In der Malerei wird diese Richtung vertreten von dem großen Meister des Helldunkels

Paul Rembrandt van Ryn.

Er wurde im Jahre 1606 in einer Mühle, wo sein Vater Müller war, am Niederrhein zwischen den Dörfern Koukerk und Leyerdorf geboren. Er sollte in Leyden lateinisch lernen, aber seine Liebe zur Malerei zog ihn frühzeitig davon ab und in die Lehre zu verschiedenen Malern. Bald entwickelte sich sein eigenthümliches Genie, welchem es am Besten in der Mühle seines Vaters behagte, wo er Jahre lang arbeitete ohne Vorbilder der Kunst, ohne Kenntniß der Antike, der Mythologie oder der Geschichte, ohne allen Apparat, außer einigen Rüstungen, Turbanen und der Kleidung eines polnischen Juden. Seine Frau, seine Magd und die Mühlengäste waren seine Modelle. Er liebte die Freiheit und den Umgang mit gemeinen Leuten; mit Bürgermeister Six von Amsterdam machte er die einzige Ausnahme, auf dessen Landhaus er häufig wohnte und in der Radirkunst arbeitete, in welcher er gleich ausgezeichnet war.

Seine Gemälde können auf die vornehmen Gebildeten, welche elegante Linien suchen, ebensowenig Eindruck machen, wie ein Volkslied, dessen unendliche Gemüthsfülle in den unscheinbarsten Formen erscheint. Gewöhnlich ist Rembrandt auch nur der Liebling alter feiner Kunstkenner, welche am inneren Feuer alten Rheinwein von Essig zu unterscheiden wissen. In Dresden habe ich Wenige gefunden, welche nicht an seinen köstlichen Meisterwerken still vorübergegangen wären in Verwunderung, daß in der Kunstwelt von Rembrandt Wesens gemacht werde! – Es sollte mich freuen, wenn ich ihn dem Verständnisse meiner Dresdener Freunde näher rücken könnte.




In wiesengrünen, bachdurchrauschten Thälern am Fuße der Berge, von welchen Burgruinen träumerisch herunterschauen, im Schatten der Erlen am Mühlenbache wuchern noch heute gern die helldunkeln Mährchen unserer Kindheit. In einem solchen Thale war Rembrandt geboren. Die Galerie besitzt ein Abbild dieser Gegend von ihm:

Die Mühle Rembrandt’s.

Ein Wiesengrund wird begrenzt auf der einen Seite von einem in breiten Terrassen sich abdachenden, mit einzelnen Häuschen besetzten Bergrücken. Oben hinter einem Dörfchen, welches sich an die Stirn des Berges vorzieht, liegen die Ruinen einer alten Burg. Eine Gewitterwolke qualmt und quirlt glühend weiß dort vorüber. Im Hintergrunde zieht sich wie eine Schlange der Rhein dahin. Im Vordergrunde stürzt sich ein Bächlein herunter hinter der Mühle in den Schutzteich und von da in die Radstube über die Räder. Ob das kleine Fenster mit dem zurückgeschlagenen Laden, welches uns die Mühle zukehrt, zu des Malers Arbeitsstube gehört? Wir wollen es glauben und das junge Genie auf einem Spaziergange begleiten.


Wir gehen mit dem Müllerknaben das Thal hinauf an den Hütten vorbei, deren Dachfenster aus Baumwipfeln hervorblicken, dort hinüber, wo ein Mühlengast im Einspänner gefahren kommt; unser Weg führt weiter zu dem kleinen Schloßgebäude, wo ein alter, zurückgekommener Edelmann lebt; unfern davon liegt ein Wirthshaus mit dem rothen, gastlichen Ziegeldache; wir verfolgen den Weg weiter zu dem kleinen, achteckigen Thurme, von welchem so viele schauerliche Geschichten erzählt werden, und wenden uns durch das Gebüsch den Weg hinauf in das Dorf und darüber hinaus zur Burgruine, von welcher erst recht seltsame Mährchen unten im Thale umgehen.

Unser Müllerknabe hat dorthin einen phantastischen Zug. Wir steigen mit ihm über die zerfallene Mauer hinein in die inneren Räume; hier biegen wir Brombeer- und Epheuranken von einem kellerartigen Eingange zurück und steigen in das alte Burgverließ. In die dunkele Nacht desselben fällt oben durch eine Mauerlücke herein das gebrochene, helle Tageslicht und erhellt immer nur eine Stelle, während alle übrigen Gegenstände umher in Dämmerung und Nacht zurücktreten.

Welches wunderbare Wechselspiel der Beleuchtung, je nachdem einer der Begleitenden in den Lichtschein tritt, oder davon nur hier oder dort, auf der Stirne oder dem Knie, oder auf der Schulter, oder auf den Händen gestreift wird, während seine übrige Gestalt in die Dämmerung zurückweicht und die neben ihm Stehenden fast ganz in dem Dunkel verschwinden.

Bei diesem Zauber der Beleuchtung kommt nichts auf die Umrisse der Gestalt an, ein neues Element der Malerei ist entdeckt – die Poesie des Helldunkels.

Das mährchenspinnende Gemüth des Jünglings fühlt sich äußerlich in dieser Oertlichkeit selbst ausgedrückt, es tritt mit ihr in Wechselwirkung und gelangt dadurch zur Darstellung seiner selbst.

Dieß ist der durchgreifende neue Eindruck, welchen seine Gemälde machen.

Rembrandt ist das in Helldunkel und Dämmerlicht träumende und traumformende, mährchenselige Gemüth des deutschen Volks, und wie der deutsche Gedanke der Reformation in den Niederlanden sein thatsächliches Leben in den Kämpfen mit den Spaniern, so hat in diesem Maler das deutsche Gemüth seinen Ausdruck in der Malerei gefunden.

In ihm ist der vollkommene Frieden, des natürlichen Daseins zum Abschluß gekommen. Seine Kunst drückt keinen Zwiespalt des Lebens aus, das Gemüth hat sich in ihr selbst zum Gegenstande der Darstellung gemacht, harmonisch in der Musik der Farben zwischen Licht und Schatten sich austönend. Wie Rubens gewaltig ist durch die Auffassung und Darstellung der leidenschaftlichen Contraste im äußeren Leben, so ist Rembrandt groß in der musikalischen Harmonie der Farbe.

Sein Gemüth reflectirt nicht die Gestalten einer Weltbewegung, es ist sich selbst genug im seligen Frieden der Einsamkeit. Aus seiner traumspinnenden Phantasie taucht die in sich selbst lebendige Mährchenwelt empor, aus der Finsterniß allmählig in die Dämmerung bis zum grünlichen Zwielichte und wie auf einer Leiter hinauf zur goldenen Tageshelle, um da in wunderbar herausgerundeten, farbenglühenden Gestalten zu erscheinen.

Die äußere Welt hat dem inwendigen Poeten bloß den Anstoß gegeben, ihn zu seiner Selbstdarstellung herauszulocken, nicht um selbst von ihm dargestellt zu werden; daher machen seine Bilder den Eindruck eines immerwährenden Werdens und Sichgestaltens. Wie sich das deutsche Gemüth in den Volksballaden, in gleicher Weise hat es sich in seinen Gemälden ausgesprochen. Wie es sich von seinem Drange durch ein scheinbar zufällig Aeußerliches befreit, in welchem es mit einem Ausrufe, einer Frage, welche nicht einmal eine Antwort verlangt, hervorbricht, so tritt auch bei Rembrandt gewöhnlich das scheinbar Untergeordnete in das helle Licht, während dahinter im Schatten die darin noch deutlich sichtbare und doch verborgene Hauptgestalt geheimnißvoll zurück und doch tief in unser Gemüth gedrückt wird.

Dieser Mährchen- und Volksliedergeist in Rembrandt tritt uns gleich unverkennbar vor die Seele in seinem schönen Bilde:

Die Rohrdommel.

Wir sehen eine Rohrdommel, welche an den kreuzweis gebundenen Beinen von einer behandschuhten Hand in die Höhe gehalten wird, das Köpfchen des Huhns hängt herunter und das Flügelpaar auseinander. Ein heller Lichtstreif fällt auf den prächtig gemalten Federleib des Huhns und streift dabei die rechte Wange und das Auge ihres Mörders, des Junkers mit dem roth-sammetnen Barette und der Schwungfeder auf dem Haupte, von welchem dunkelblonde lange Locken herunter auf die Schulter fallen. Er ist ein schöner Junker, sein rother Mund zum Küssen.

Versuchen wir die Erklärung im Balladentone zu geben:

Die Rohrdommel.

„Rohrdommel, Mädchen, sonst bist du,
Und heut’ so still in trüber Ruh?“

„„Und fiel heut’ früh am Strand ein Schuß,
Die Dommel schweigt beim Morgengruß.

Ich lief vorbei am Jägerhaus, –
Da hielt ’ne Hand die Dommel ’raus.

Der Schuß traf sie in’s Herz hinein; –
Es fiel auf sie ein heller Schein, –

Nicht auf die Hand, die harte Hand,
Ihr Mörder tief im Schatten stand.

Eine böse That kommt an das Licht,
Der Schein streift ihm das Angesicht –

Barett und Rock von rothem Samm’t,
Und sein Gesicht doch schöner flammt.

Es wär’ um meine Ruh’ geschehn,
Hätt’ ich ihn länger angesehn.

Der junge Schütz mit seinem Wild –
So steht vor mir das schöne Bild.““

Der alte Fürst.

Ein vornehmer würdiger Greis mit reichem grauen Bart, das schwarze Barett auf die Stirne gedrückt, in schwarzem Umwurf, welcher die Brust frei und die Halskette von Juwelen erscheinen läßt, blickt traum- und gedankenschwer von seinem Schlosse in die Thäler. Ein Lichtschein fällt auf die uns zugekehrte linke Hälfte des Gesichtes und läßt alles Andere in das Helldunkel zurücktreten. Der rechte Arm ruht auf einem Postamente, die bloße Hand mit dem metallenen Herrscherstabe sinkt schwer herab, während die Linke, mit dem Handschuh bekleidet, den zweiten Handschuh zugleich mit dem Mantel hält, welcher dadurch faltig in die Höhe bauscht. Man muß von selbst hier an Uhland’s Ballade: „der König auf dem Thurme“ denken.

Der Legitimist.

Wir sehen hier einen alten Edelmann, einen Karlisten der damaligen Zeit, welcher die Glorie der spanisch-österreichischen Herrschaft Karl’s V. und auch seines Sohnes Philipp’s II. in den Niederlanden nicht vergessen kann. Er gehört zur Partei derjenigen, die mit dem Statthalter unzufrieden sind. Jeder Zug in seinem Gesichte ist eine Verbissenheit, mit dem Hochmuthe der Verachtung gepaart; „am Ende bin ich doch von altem Adel,“ scheint er sich immer wieder zu sagen.

„Was spricht der Leumund dort
Von einem Müller immerfort?
Den Stammbaum pflanzt’ mir schon
Pipin des Kleinen einer Sohn.
Nach dem Wappenschild
Halt’ ich – und das gilt! –
Mein Haus für edel mehr
Als die Bourbons – auf Ehr!“
Hut ab, ja!
Hut ab, da!
Ehre dem Marquis von Karabas!“
     (Beranger.)

Er ist ein altes Herrlein in einem großen, ovalen, flachen, mit Perlenschnüren gezierten Hute; unheimlicher Schatten liegt über Stirn und Auge, der Lichtschein fällt auf die hochmüthige Nase, die verkniffene Oberlippe und eigensinnig hervortretende Unterlippe und das spitze Kinn. Die Augen sind von dem Augenlide fast ganz bedeckt. Er geht in schwarzem, weiß gefütterten Mantel, welcher die Brust frei und das grünsammetne, goldgestickte Untergewand sehen läßt. Er trägt feine Wäsche, wie sich von selbst versteht. So geht er an uns vorüber.

„Hut ab, ja!
Hut ab, da!
Ehre dem Marquis von Karabas!“

Der Wassergueuse

ist der entschiedenste Gegensatz zu dem Marquis von Karabas. Die Spanier hatten die Abgeordneten der Niederländer, welche um Erledigung ihrer Beschwerden dringend baten, „gueux“ – Bettler – genannt. Diese Benennung behielten sie bei, als sie endlich zur Verschwörung gegen den Tyrannen gedrängt wurden. Ein jeder trug als Bundeszeichen „einen Heller“ an einer Schnur auf der Brust. Wie einst in Athen die Freiheit vor den Persern, so flüchtete sie sich jetzt in den Niederlanden auf die Schiffe zum Kampfe gegen die Spanier. Ihre wilden Söhne nannten sich die Wassergueusen. Dort bettelten sie mit Kanonen um ihre Freiheit und erhielten sie. Wir sehen hier einen solchen Wasserguesen; die pelzverbrämte, rothe Mütze tief auf die trotzige Stirne herabgedrückt, den linken Arm aufgelegt, sitzt er da mit breiter Brust und späht auf das Meer hinaus. Die ganze Gestalt ist in den Schatten der Nacht zurückgedrängt, nur auf Auge, Nase und Wange fällt ein heller Schein wie vom Aufblitzen des Zündkrautes einer Kanone.

Der siegreiche Tiers-état.

Der joviale Mynheer in schwarzer Amtstracht mit übergeschlagenem Spitzenkragen mag nur eben vom Tische aufgestanden sein. Leichte Weingluth röthet sein Gesicht. Auf dem oberen Augenlide liegt etwas Comptoirgebietendes, wie es einem Amsterdamer Handels- und Rathsherrn geziemt. Die Zeit der Gueusen und ihres Kampfes liegt hinter ihm, er steht mitten im Frieden und im Genusse der Freiheit mit dem blühenden Handel. Das Bild ist von einer wunderbaren Kraft; das Gesicht ist so lebendig herausgerundet, daß man erwartet, von dem waidlichen Manne angeredet zu werden.

Der Maler selbst weiß den Genuß der Freiheit einer siegreichen Handelsrepublik zu schätzen! Hier sitzt er, so schmaust und jubelt er, –

Rembrandt und seine Frau –

an der Tafel. Er schaukelt sie auf seinem Knie; seine linke Hand hält ihre Taille umschlungen. Er ist festlich angethan im braunrothen Tuchwamms, den Cavalierdegen umgehängt, das schwarze Barett mit der Straußenfeder auf dem Kopfe. Sie trägt ein grünseidenes Röckchen und eine seltene Kette von Amethysten um den Hals, welche sie heute zu ihrem einundzwanzigsten Geburtstage von ihm zum Geschenke bekommen hat. Eine Pfauenpastete ist aufgetragen und so vorgerichtet, daß es aussieht, als säße der Pfau auf dem Tische, er wirft den bunten Spiegelschweif so in die Höhe, daß er dem Gesichte Rembrandt’s zur Folie dient.

Wir stellen uns vor, daß gratulirende Nachbarn sich an der Thür melden. In diesem Augenblicke werden sie erscheinen. Er hebt mit dem Knie die stolzfreundlich sich umschauende Königin seines Herzens und Hauses im unauslöschlichen Freudengelächter und das große Flötenglas mit dem prüselnden Champagner empor. „Vivat hoch, mein kleiner Pfau!“

Rembrandt’s Tochter.

Welch ein rosigblühendes Mädchen! Das süße Gesicht rundet sich aus dem tiefdunkeln Hintergrunde im glühendsten Goldtone heraus, uns zugekehrt, liebenswürdig, kindlich, ein wenig rechtshin gesenkt. Sie trägt ein rothes Gewand, von doppeltem goldenen Gürtel umschlungen, um den Hals eine Kette von kleinen Korallen mit einer Schnur großer Perlen, woran ein Saphir funkelt, und Perlen im Ohrgehänge. Blonde Haarkräusel fallen auf die Stirn herab, eine große, reiche Locke stiehlt sich über die rechte Schulter hinunter. Die Aermel, welche sich in kleinen Bauschen endigen, lassen die vordere Armhälfte unbedeckt. Mit der einen Hand, deren Gelenke goldene Spangen zieren, hält sie das aufgeheftelte Kleid vor dem züchtig mit dem Schleier verhüllten, ungestümen Busen zusammen, mit der anderen Hand reicht sie uns eine rothe Nelke dar. Auf dem Kopfe trägt sie ein einfaches, schwarzsammetnes Mützenhäubchen mit goldverziertem Saume, wo es auf der Stirn anliegt. So drückt sich in diesem Nelkenmädchen rein, frisch und schön die glühende Natursinnlichkeit aus. Zutraulich blicken uns die graudunkeln, freundlichen Augen an, und das sonnengeliebte Gesicht mit den glühenden Lippen scheint zu fragen: bin ich nicht frischer als diese Nelke?

Du schönes Mädchen von Niederland,
Du gleichst der Blume in deiner Hand.

Rembrandt’s Frau im Alter.

Rembrandt selbst ist alt, reich und geizig geworden. Hier sitzt die Genossin seines Lebens mit dem feinen weißen Battisttuche über Kopf und Schultern und wägt aufmerksam die Ducaten, welche er in Amsterdam mit seiner Kunst verdient hat.

Wie sich sein Gemüthsleben in einzelnen Figuren lyrisch darstellt, so drückt es sich nicht minder in seinen figurenreichen Compositionen mährchenhaft aus.

Selbst Begebenheiten im alten oder neuen Testamente geben ihm nur die äußerliche Veranlassung und den Titel, sie als ein niederländisches Mährchen darzustellen. Sieht man von der Benennung eines solchen Bildes ab, so glaubt man eines der alten Mährchen, wie sie Grimm wieder erzählt, in lebendigen Gestalten zu sehen.

Die Geistererscheinung.

Nach dem Katalog sollen wir auf diesem Bilde die Aeltern Simson’s sehen, welchen ein Engel die Geburt des Sohnes verkündigt. Der Engel ist aber ein alter und, wie es scheint, bärtiger Mann, in einem Leichenhemde. Das stimmt nicht. Sollte es die Hexe von Endor sein? – Vielmehr stellt das Bild eine willkürliche Mährchenscene vor, welche überall vorkommt, wo in einem solchen ein Geist beschworen wird.

In einem dämmerigen, kellerartigen Gemache wird ein Thiereingeweide auf einer Steinplatte verbrannt. Uns quervor knieet Saul, weiter zurück und vor dem Opferfeuer die Hexe. Sie ist in blutfarbiges Zeug gehüllt. Sie hat die Hände gefaltet und spricht mit gesenktem Haupte ihren Zauberspruch. Samuel’s Geist ist emporgestiegen und schwebt an der Wand hin. Um das lange Haar trägt er die Priesterbinde. Das bärtige Gesicht ist lichtscheu, grauenvoll abgekehrt. Saul hat sich vor der Erscheinung herumgewendet. Er drückt entsetzt die Augen zu, denn das Gespenst kündigt ihm das Verderben an:

Morgen wirst du und deine Söhne mit mir sein!
 1. B. Samuelis 26. 19.
Die Hochzeit.

Der Katalog sagt: „Esther sitzt reich geschmückt mit einer Krone auf dem Haupte an einer wohlbesetzten Tafel, an der Seite des Ahasver.“ Es ist aber nicht wahr. Das Motiv zu diesem Bilde hat der Meister gewiß aus dem 14. Capitel des Buches der Richter genommen, wo von Simson und dem Löwen, den er erschlagen, und von seiner Hochzeit die Rede ist, wobei er das bekannte Räthsel aufgiebt.

Speise ging von dem Fresser und Süßigkeit von dem Starken! Was ist das?

Die Scene geht in einer Oertlichkeit vor, wie ungefähr in Auerbach’s Keller in Leipzig. Oben von der Straße, durch ein kleines Fenster herein, fällt in einem Streifen das Tageslicht. Es geht längs über die Tafel hin, läßt die Gefäße schimmern und concentrirt sich auf der Gestalt der schönen Philisterin. Am obersten Tafelende auf der breiten, weich gepolsterten Bank ist Simson gelagert in seiner herculischen Gestalt mit den langen bezeichnenden Haaren. Auf seinen Ruf, daß er ein Räthsel aufgeben wolle, haben sich verschiedene Gäste und Musikanten um ihn versammelt. Er hat sich zu seinen nächsten Zuhörern gewendet und zählt die Puncte, auf welche es ankommt, ihnen an den Fingern her. Vor ihm auf die Banklehne hat sich ein Philister mit dem Arme gestemmt, das Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger haltend. Er wird das Räthsel gewiß – nicht errathen. Auch nicht die rothe, vorgestreckte Nase des Harfenspielers, auch nicht der Dickkopf unter der Federmütze; vielleicht der kluge Horcher im Federhute, oder dahinter der Clarinettenbläser? Doch was spreche ich von Simson und den Philistern; – sehen wir doch hier nur eine niederländische Bauerhochzeit, mährchenhaft zur Erscheinung gebracht.

Simson ist ja der reiche Brauer aus der Nähe, seine Braut die hübsche Müllerstochter. Sie hat ein allerliebstes Kuchengesicht mit süßen Rosinenaugen. Es geht hier flott her. Einige Gäste haben sich maskirt. Es ist bunte Reihe gemacht; Pärchen sitzt um Pärchen beim Mahle. Jedes hält zusammen, nur das Brautpaar hat sich von einander gewendet. Wie steif muß sich nach Landesgebrauch die Braut halten. Es ist ihr Ehrentag, wo sie zum ersten Male frisirt ist und zum ersten und letzten Male die Krone trägt; sie ist wohlbeleibt. Der Bräutigam muß sich einen Scherz anderswo suchen. Sie darf auch nicht essen und trinken, dazu ist sie zu jüngferlich; vielleicht hat sie sich vorher heimlich zu dieser Ehrenstrapaze gestärkt. Sie hält die Hände feierlich über den Magen gefaltet. Die Gäste amüsiren sich nach Herzenslust; der Schulze vom nächsten Dorfe nöthigt die Brautjungfer zum Trinken; wie schamig lächelnd sie sich unter seinem übergelegten linken Arme hat, während er mit der Rechten die Schale ihr vorhält! Sein Nachbar, ein Teufelskerl, der Windmüller, hat sich als Großtürke maskirt, er macht einen schlechten Witz über die Form des Puddings vor ihm. Er und sein Nachbar wollen sich darüber krank lachen. Wir mögen nichts davon hören; thut doch auch die alte Großmutter ihm gegenüber, als wenn sie schliefe. Uns zunächst sitzt der junge Dorfedelmann. Er hat die schöne Schwester der Braut an Herz und Mund gedrückt, um ihr zu beweisen, wie sehr auch er die Freiheit liebt.




Von den übrigen Werken Rembrandt’s wähle ich nur noch eins zum Beschlusse der Charakteristik seiner Manier.

Der Dichter und sein Werk,

welches im Katalog für ein Portrait des Meisters ausgegeben wird.

Wir sehen hier das Brustbild eines Mannes in schwarzem Barett und dunkelfarbigem, weiten, verbrämten Gewande. Er hält in der Linken ein breites Buch, die rechte Hand mit der Schreibfeder darauf. Ein Sonnenlichtstreifen fällt auf diese Hand und das Buch, die übrige Gestalt tritt in Dämmerung und Schatten zurück. Je länger wir dem Manne in das Gesicht blicken, desto lebendiger gestaltet es sich heraus. Es ist weich, träumerisch und die Seele, welche sich darin abspiegelt, phantastisch und empfindungsreich. Wie das Bild beleuchtet ist, drückt sich darin der melancholische Gedanke aus:

Hell leuchten das Buch und die Hand, die es schrieb;
Dahinter der Dichter im Schatten blieb.




So hat sich in Rembrandt eine ganz neue Seite der Kunst herausgestellt. Es ist das wundereigenste Genie, welches ganz auf sich selbst ruht und aus sich selbst schafft. Jeder andere Meister ist mit einem anderen aus seiner oder einer anderen Schule zu vergleichen, nur nicht Rembrandt. Es beginnt mit ihm ein ganz neuer Wendepunct der Malerei, in welchem die Conflicte des religiösen und historischen Lebens sich ausgleichen in dem Gemüthe. In der neueren Zeit hat der Maler Lessing in Düsseldorf, wenn auch mit anderen Mitteln, denselben poetischen Ausdruck wiedergefunden. Es ist möglich, daß in dieser Richtung die deutsche Kunst einst ihr höchstes Ziel erreicht.

Die Schüler Rembrandt’s, so bedeutend sie auch sind, haben den lyrischen Ausdruck des Gemüthes, in welchem ihr Meister so mächtig ist, mit der nur ihm eigenen Energie, nicht wiedergewinnen können. Sie leisteten jedoch das Höchste in einer Darstellung, welche man

die idyllische und novellistische Malerei

nennen kann. Diese Wendung mußte freilich die Kunst mit dem historischen Leben selbst nehmen. Der innere Stachel der religiösen und politischen Gegensätze in dem Gemüthe der damaligen Zeit begann sich desto mehr abzustumpfen, je mehr er in das äußerliche Leben herausgedrängt und abgenützt worden war. Obschon Europa noch unter den Füßen der Kämpfenden zitterte, so begann sich doch der Keim des Friedens allmählig zu entwickeln. Holland zumal hatte sich bereits die Herrschaft auf dem Meere und mit der, wenn auch noch kämpfenden Freiheit den Weltmarkt mit allen Quellen des Reichthums gesichert. Das Schauspiel auf dem Welttheater verläuft sich in die Novellistik, welche dem bürgerlichen Rührspiele vorausgeht. Zu diesen Novellisten gehören die beiden Schüler Rembrandt’s: Ferdinand Bol und

Christoph Panditz

aus Niedersachsen. Die Dresdener Galerie besitzt von ihm ein ausgezeichnetes Bild:

Margaretha von Parma

im Begriffe, ihre Abdication zu dictiren. Sie sitzt an einem rothbehangenen Tische auf gleichfarbigem Polsterstuhle, Macchiavelli, welcher dahinter sitzt, hat im Schreiben innegehalten. Er macht ihr noch einmal Gegenvorstellungen. Ihr Handbewegung spricht: Die Sache ist rund und abgemacht! An Portraitähnlichkeit ist hier nicht zu denken, wo nur die poetisch-novellistische Situation gegeben werden sollte.

Bedeutender ist sein Mitschüler:

Ferdinand Bol aus Dortrecht.

Wir sehen hier von ihm

die Scene mit dem Uriasbriefe,
Joseph mit seinem Vater vor Pharao,
die Flucht nach Aegypten.

Seine Bilder haben einen grünlichen Goldton, welcher dem Auge wohlthut. Die einfache, naive Darstellung der Begebenheiten macht den Eindruck, den eine legendenartige Erzählung im Volkstone hervorbringt. Im Uebrigen erklären sich diese Bilder von selbst.




Je mehr sich das Gemüth in sich selbst und auf die Natur zurückzog, desto mehr mußte von selbst die Landschaft sich in die idyllische und novellistische Darstellung hineindrängen. Unter diesen novellistischen Landschaftsmalern oder landschaftlichen Novellisten stehen die beiden Brüder
Johann und Andreas Both[7]

aus Utrecht voran. Sie lebten großentheils in Italien. In ihren Bildern herrscht häufig die Gruppe der Figuren vor. Beide sind ausgezeichnet durch die Haltung und Harmonie des Ganzen. Wir finden hier von Johann Both eines seiner vorzüglichsten Bilder, freilich unter Glas gesetzt –

Kurze Rast auf dem Wege.

Zwei Reiter halten an einer Waldecke. Der eine, welcher uns den Rücken zukehrt, läßt sich von einem Jäger den Steigbügel höher schnallen, während der andere, welcher uns zugewendet ist, sein Pferd am Wege grasen läßt. Ein dritter Reiter ist voraus der Brücke im Mittelgrunde zu geritten.

Die Töne des Bildes sind so warm und innig in einander verschmolzen, daß es dem Beschauer als eins der schönsten Meisterwerke in diesem Genre unvergeßlich bleibt.

Groß und bezeichnend in der novellistischen und idyllischen Richtung der Malerei ist

Nicolaus Berghem[8],

der Mitstrebende des Johann Both. Er ist in Harlem 1624 geboren und 1683 gestorben.

Er arbeitete mit großer Leichtigkeit und singend seine vorzüglichsten Gemälde. Zart ist seine meisterhaft impastirte Touche, fein sein Geschmack in der Anordnung und genau seine Zeichnung; mit diesen Mitteln ist die Wirkung seiner Gemälde klar und kräftig. Dresden besitzt von ihm sehr vorzügliche Werke. Betrachten wir zuerst sein schönstes novellistisches Bild:

Der Mohr und die Tochter des Patriciers.

Ein vornehmer Handelsherr sitzt vor seiner prachtvollen Villa, die Beine nachlässig übereinander geschlagen, unter seinen Füßen einen persischen Teppich; in der linken Hand hält er nachlässig an einer rothseidenen Schnur, welche durch eine Kette geschlungen ist, den daran gefesselten Lieblingsaffen. Zwischen dem Affen und dem Schooßhunde herrscht, wie zwischen den Hausschmarozern der Großen gewöhnlich, Mißgunst und Neid. Die Rechte des Handelsherrn ruht auf dem Knie des bequem heraufgeschobenen linken Beines. Oben von der Brüstung der Treppenwand herunter läßt ein Virtuos sich auf der Laute hören. Vielleicht besitzt sein Instrument die Zauberkraft, reichen Leuten den Kunsttribut in klingender Münze abzuzwingen. Das Fräulein vom Hause steht weiter vorn an der Treppenwand in gelbseidenem Gewande, welches sie emporhebt, so daß man das weißatlasene Unterkleid sieht. Vor ihr steht ein mohrischer Feldherr, hinter ihm sein Fahnenträger. Er spricht mit besonderer Hingebung zu dem vornehmen Fräulein, welches auf ihn mit dem Federfächel deutet und lächelnd zum lachenden Papa hinüberblickt. Der Hund des Hauses kennt die Gesinnung seines Herrn, er begleitet mit seinem Gebell die heißen Worte des Mohren. Ueber dem Fräulein auf dem Gesimse der Treppenwand steht eine großmächtige Luxusvase, darauf sitzt ein prächtiger Pfauhahn, welcher ebenso, wie das Fräulein auf ihren Vater, auf die Pfauhenne hinter demselben stolz zurückblickt.

Von selbst treten die Bilder des Mohren von Venedig, Desdemona’s und Brabantio’s von unsere Seele und die Situation in den Worten des Mohren:

„So sprach ich denn von manchem harten Fall,
Von rührender Gefahr zu See und Land;
Wie ich um’s Haar dem droh’nden Tod entrann,
Wie mich der stolze Feind gefangen nahm
Und mich als Sclav verkauft; wie ich erlöst,
Und meiner Reise wunderbare Fahrt,
– – – – – – – – – –
– – – – – – – – – –
Sie liebte mich, weil ich Gefahr bestand.“

 (Shakespeare.)

Die Idylle im Felsengrunde.

Es ist eins seiner schönsten landschaftlichen Bilder, welchem der Charakter seiner Manier am deutlichsten aufgeprägt ist. Er suchte in seinen Landschaften gern steile Felswände im Gegensatz zur idyllischen Staffage anzubringen. Es scheint, als habe ihm dabei eine Gegend vorgeschwebt, welche Aehnlichkeit mit dem Plauen’schen Grunde bei Dresden hat. Hier haben wir eine solche Partie vor uns. Eine Felsenwand stürzt steil herunter, an welcher ein breiter, klarer und seichter Bach vorüberzieht. Am Ufer geht eine Straße hin; – Alles wie bei Grassi’s Villa. Im Bache wadet Vieh herum, auf dem Wege am Ufer herauswärts steht ein Hirtenknabe mit einem Hunde, hinwärts reitet auf einem Esel ein Bauerweib, welches von einer Zigeunerin mit einem Kinde auf dem Rücken und einem zweiten an der Hand aufgehalten und angebettelt wird. Am Wege sitzt ein junger Bursche bei einem spinnenden Mädchen, Ziegen und Schafe umher. Die Aussicht verliert sich in die Ferne einer bergigen Landschaft.




Zu den Idyllen und Novellenmalern gehört auch

Cornelis Poelenburg[9],
aus Utrecht, von welchem sich auf der Dresdener Galerie die schönsten Werke befinden. Er ist im Kleinen anmuthig, zart und lieblich. Seine Bilder erinnern an die Idyllen Geßner’s. In mehren seiner kleinen Bilder belauscht man ein
Nymphenbad.

Er ist der Maler heiterer, spielender Sinnlichkeit. Uebrigens erklären sich diese Cabinetsstücke von selbst aus der angedeuteten Richtung, welcher er mit anderen Meistern folgte.




Tritt bei der Idylle die vegetabilische Natur schon in ein größeres Recht, als die menschliche Figur und Begebenheit, so muß auch die thierische Natur ihre volle Berechtigung erlangen.

Wer Holland, seine grasreichen Wiesen und die darauf weidenden prachtvollen Rindviehheerden gesehen hat, begreift von selbst, wie die naturcontemplative Malerei die wiederkäuenden Thiere zu Helden ihrer Darstellung wählen konnte.

Paul Potter[10]

war ausersehen, diese Seite der holländischen Natur in der Kunst zu verklären. Er wurde in Enkhuissen im Jahre 1625 geboren, genoß bei seinem Vater, einem unbedeutenden Maler, Unterricht, welcher noch unbedeutender war, und wurde dennoch schon im vierzehnten Jahre der Lieblingsmaler seiner Nation. Sein höchstes Meisterwerk ist eine Kuh, welche er in zu natürlicher Stellung für eine Gräfin von Solms gemalt hatte. Er starb mitten in der Fülle seines Ruhms, 29 Jahr alt, in Amsterdam.

Die Kenntniß der Gliederung, Wendung und Art der Rinder kann er vielleicht mit anderen Mitstrebenden gemein haben, keiner aber mit ihm die Andacht und Liebe des Genies, mit welchem er das liebe Vieh zu seinem künstlerischen Rechte brachte. Die Galerie besitzt von ihm zwei seiner kleinen vorzüglichsten Gemälde:

den Weg zur Weide
und
das Wiederkäuen.

Auf dem ersteren treibt der Hirte die Heerde über einen morastigen Dorfweg aus, oder er schlendert vielmehr hinterdrein, während der Heerdochse breithüftig und stolz wie ein Dorfschulze voranschreitet und die Seinen zum Ziele führt.

Im zweiten Bilde ist das Werk der Sättigung vollbracht, es geht an das Wiederkäuen, vorher reibt sich aber noch ein Stier den juckenden, mastigen Nacken an einem Pfahle, welcher zu diesem Comfort fürsorglich eingeschlagen zu sein scheint.




Doch vor Allem sollte das ritterliche Pferd, besonders der Schimmel, seinen genialen Darsteller finden. Dieses edle Thier steht den menschlichen Begebenheiten schon näher, es theilt mit seinem Reiter Leid und Freud, Kampf und Gefahr, Sieg und Triumph. So hat es von selbst ein Recht, in der Novelle des menschlichen Lebens eine große Rolle zu spielen.

Der romantische, vielbewegte und reichste Novellenmaler der Holländer,

Philipp Wouvermann,

hat es zu seinem Lieblinge erkiest.

Er ward zu Harlem 1620 geboren und ist 1668 gestorben. Er ist vorzugsweise der romantischen Seite jener vielbewegten Zeit zu Ende des dreißigjährigen Krieges zugeneigt. Jedes seiner Bilder ist eine Novelle. Es gehört keine große Thätigkeit der Phantasie dazu, um an jedes eine Geschichte zu knüpfen. Sein Vortrag ist immer elegant und reizend, die Oertlichkelt, in welcher seine Scene spielt, ist stets interessant und höchst malerisch. Kein anderer Künstler hat so, wie er, das Sichgehaben der Cavaliere seiner Zeit auf Reisefahrt, Jagden, in Schlachten, vor Wirthshäusern, in Marställen oder vor Schmieden zu schildern gewußt. Man kann aus seinen Bildern die ganze damalige Welt des Junkerlebens kennen lernen. Wir gerathen bei dem Beschauen derselben in eine Stimmung wie bei der Lectüre von Gil Blas, der Insel Felsenburg oder des Simplicissimus. Er ist unterhaltend, wie kein anderer Maler. Dazu ist die Dresdener Galerie vor Allem reich an seinen Meisterwerken. Seine Pferde sind meisterhaft gezeichnet und kommen in allen möglichen Stellungen und Wendungen vor. Da er zum Mittelpuncte seiner Bilder gern einen Schimmel nimmt, so kann man füglich eine willkürliche Geschichte dazu erfinden, welche den Betrachter wie an einem Ariadnefaden durch seine Bildergalerie führt.

Hier reitet Junker Hans in rothem Mantel auf dem Schimmel am Nordseestrande in die Welt hinein, dort fragt er eine Wäscherin um den rechten Weg, bald kommt er zu einer Wiedertäuferpredigt im Freien, auf einem anderen Bilde nimmt er zärtlichen Abschied von der Wirthstochter, denn er hat sich von den Kaiserlichen anwerben lassen, jetzt steht er in

Wallenstein’s Lager.

Da ist ein luftiges Markedenterzelt mit wehenden Fahnen, hoch vorn auf der Zeltstange das grüne Reis, darunter ein Kranz aufgehängt. Vor dem Zelte hat die flinke Markedenterin dem Carabinier zu Pferde ein Gläsel Melnecker eingeschenkt. Im Vordergrunde sitzen und knieen Landsknechte und spielen. Aber wo ist Junker Hans? Lachend steht er neben seinen beiden Pferden, dem Schimmel und dem Braunen, welche aus einer Krippe fressen, den rechten Arm aufgestemmt, in die tolle Lagerwirthschaft hineinschauend. Ein Kamerad zeigt ihm den leeren Krug, der Trompeter zu Pferd blickt herab zu ihm. Vor dem zweiten, daranstoßenden Zelte tanzt ein Tiefenbacher mit der Gustel von Blasewitz. Und was ist der Humor von der Sache? Im Vordergrund reitet ein Kind sein Steckenpferd und sein Spielkamerad neben ihm läßt seine kleine Windmühle im Winde sich drehen.

Auf einem anderen Bilde hält Hans mit einer Reiterabtheilung auf dem Marsche Rast. Dann finden wir ihn nach manchen Abenteuern wieder im

Gefecht bei den Windmühlen.

Hans ist zu den Schweden übergegangen. Wir sehen ihn mit der blauen Binde als Hauptmann wieder auf einem prächtigen, vor dem Gewehrfeuer emporspringenden Schäcken. Der Rappe des feindlichen Führers ist gestürzt, dieser aber selbst, mit dem linken Beine auf festen Boden tretend, das rechte Knie auf dem gefallenen Pferde, hält unserem Hans die Pistole entgegen, welcher zum Todesstreiche ausholt. Auf dem Hügel steht eine Windmühle im Brande und segnet mit feurigen Armen das Mordgewühl um sich her ein.

Nach verschiedenen Wechselfällen des Krieges wird Hans in die Rheingegenden verschlagen. Dort lernt er vor einer Schmiede, wo er sein Pferd beschlagen läßt, eine schöne reiche Gräfin aus Holland kennen. Eine Zigeunerin hat ihm ja Liebesglück auf dieser Fahrt aus der Hand geweissagt. Ihr Spruch trifft zu. Er bietet sich der Gräfin zum Reisecavalier an und findet Aufnahme. Sie haben Reiseabenteuer aller Art zu bestehen.

Sein Pferd hat die Gewohnheit, vor jedem Wirthshause stehen zu bleiben, sein Reiter aber die, sich einen Krug herauslangen zu lassen. Wie viel Gelegenheit hat der lustige Maler, dieses Anhalten zu schildern! Man lernt auf dieser Fahrt die meisten romantischen Wirthshäuser jener Gegend kennen. Endlich sind sie auf der Herrschaft der Gräfin angelangt. Nun geht das lustige Jagdleben an. Sie liebt die Reiherbeizen. Wie lustig ist das Falkenspiel bei Pauken- und Hörnerschall! Seine geliebte Adelgunde wird ihn nur interessant finden, daß er nebenbei ein Pistolenduell zu Pferde mit einem Nebenbuhler besteht.

Mit allen ritterlichen Diensten gewinnt er die Hand der Gräfin, denn in einer Scene vor dem Schlosse reitet die gräfliche Hauptmännin mit einem Kinde auf dem treuen Schimmel. Eine vierspännige Kutsche fährt voraus. So phantastisch und lustig geht Alles in diesen Novellenscenen durcheinander. Ein kleines, weniger bedeutendes Bild mag die Schau beschließen.

Die Pensionirten.

Der westphälische Friede ist geschlossen. Schimmel und Brauner werden vom Stallknechte an den Zäunen herumgeführt. Der alte Landsknecht erzählt den Leuten von seinen Heldenthaten. Weiter zurück oben auf dem Feldraine hält ein Landmann mit Ackern inne, auf den Rücken des frommen Stiers den Arm aufstützend;

Denn der Krieger zäumt ab, der Bauer spannt an!

Wouvermann hat nur einen Fehler; er ist zu reich! – – Seinen Landsleuten, den Holländern, war er zu romantisch und zu edelmännisch in seinen Bildern; er mußte für Kunsthändler arbeiten, welche seine Werke in das Ausland verkauften. Der Geschmack war bereits auf das Zierliche im bequemen, gemüthlichen Kleinbürgerlichen gerichtet. Auch war er zu schüchtern und blöde, um durch seine Person seine Leistungen geltend zu machen, ihm fehlte die Charlatanerie, welche er von berufenen Aerzten hätte lernen können. Er starb in Noth und Sorge vor der Zeit.

Glücklicher war

Gerhard Terburg[11]

welcher sich aus der historischen Portraitmalerei einen Weg zur Darstellung feiner, malerischer Momente aus dem bürgerlichen Leben in Conversationsstücken gebahnt hatte. Er war im Jahre 1608 in Zwol geboren. Nachdem er in Harlem seine Kunst erlernt, machte er Reisen nach Deutschland und Italien. Auf dem Friedenscongreß in Münster malte er die meisten anwesenden Botschafter und Gesandten in einem Bilde, – später in Madrid viele Hofleute, ebenso beliebt wurde er in London und Paris. Er starb als Bürgermeister in Deventer im Jahre 1681.

Brouwer, Ostade und Teniers gegenüber ist er ein Maler der Aristokratie. Keiner verstand wie er, die eleganten Formen des feinen, geselligen Lebens zu so delicater Erscheinung in der Kunst zu bringen. Dabei ist er einer der größten Meister in der musikalischen Stimmung und Harmonie der Farben in ihren zartesten Silbertönen, deren feinste Nuancen er in der Luftperspective antönen und ausklingen läßt. Er ist ein Virtuos, mit welchem in seiner Kunst vielleicht der Pianist Thalberg zu vergleichen ist.

Weiß und Roth.

Wir blicken in das reinliche Schlafgemach eines niederländischen Fräuleins. Vor einem hochrothverhangenen Himmelbette und Tische steht die blonde Schöne in weißem, herabfließenden Atlaskleide. Sie hat uns den Rücken zugekehrt. Wir genießen so den reinen Eindruck beider Farben in ihren verschiedenen Abtönungen wie ein Duett zweier verschiedener Instrumente.

Weiß und Olivengrün.

Dasselbe weißatlasene Fräulein hat sich zur Profilansicht herumgedreht und wäscht sich die Hände in dem Becken, welches die Zofe ihr mit der Linken vorhält, während sie mit der Rechten aus einem Kruge Wasser aufgießt. Es ist die Musik der weißen Farbe des Fräuleins in der Scala abtönend zum Grünlichen und Bräunlichen in der Zofe und der Umgebung mit Grazie im Adagio gegeben.

Der Trompeter.

Ein prächtiger Trompeter im Pelzbarette mit hoch über die Kniee hinaufgezogenen Reiterstiefeln steht vor einem Tische, hinter welchem ein junger Offizier sitzt, dem er die Aufforderung, sich zu ergeben, überbracht haben mag. Diesem ist die Thonpfeife aus dem Mund und das Herz im Coeur-As symbolisch vor die Füße gefallen. Er unterzeichnet die Punctation seiner Uebergabe. Der feindliche Trompeter lacht in heller, blauer und brauner Farbe, welche im schreibenden Offizier ihren silbergrauen Gegensatz hat.




Ein anderer, wenn auch mehr einseitiger Virtuos ist
Peter de Hooghe[12]

im Sonnenlicht und im Helldunkel. Ausgezeichnet ist hier in dieser Manier

das im Sonnenlichte lesende Mädchen.

Ein langer, grüner Vorhang, welcher an einem obenhinlaufenden Stäbchen in Ringen geht, ist zurückgezogen. Queervor sieht man auf einem teppichbelegten Tische in einer blaugezeichneten Porcellanschüssel Pfirsichen. Links dahinter ist der Flügel vom Fenster und der Vorhang darüber zurückgeschlagen. Heller Sonnenschein fällt blendend herein auf das Mädchen vor dem Fenster, welches einen Brief liest. Die Sonne beleuchtet ihr blühendes Gesicht, ihre grün- und schwarzgestreifte Jacke und den lang hinter ihr herunterhängenden grünen Vorhang und spielt noch in Reflexlichtschimmern leuchtend an der Wand. Ihr Gesicht spiegelt sich im Fenster.




Das kleinbürgerliche Leben hat seinen Reiz in den kleinsten Besonderheiten desselben. Wie im drängenden Gewerbleben die Mittel, welche zur Wohlhäbigkeit nöthig sind, nur mit Mühe errungen oder bewahrt werden, so muß auch die Poesie derselben in dem häuslichen Comfort durch denselben ausführlichen Fleiß in der Kunst wiedergegeben werden.

Das feinste Gefühl und den unsäglichsten Fleiß in der Darstellung dieses Lebens im Detail hatte

Gerhard Douw.

Er war 1613 in Leyden geboren und bildete sich seine eigene Manier bei seinem Meister Rembrandt aus. Er lieferte Wunderwerke der Ausführung im Kleinen; er ist der Meister des Behaglichen und Gemüthlichen.

Die meisten seiner Bilder sind wie ein kleines Theater, dessen Vorhang aufgezogen oder zurückgeschlagen ist. Eine zierliche, kleine Begebenheit stellt sich auf der Scene dar. So

der Schreibemeister.

Wir blicken in seine Stube hinein durch ein offenes Bogenfenster. Der Concessionsschein des Schreibemeisters liegt auf der Brüstung, darauf steht das Stundenglas. Er ertheilt seine Lection nach Stunden. Am Fenster steht sein Schreibepult, er davor im Begriffe, die Feder zu schneiden, sorgsam, angestrengt mit allen Verstandeskräften. Wer doch einen solchen Federschneider zur Hand hätte! – Sein zartes Gesicht mit den feinen Fältchen ist ebenso zierlich leserlich wie seine Handschrift. Tiefer im Zimmer sieht man seine kleinen Schüler und Schülerinnen sitzen, ein wenig plaudernd; sie müssen die Pause benutzen, welche das Federschneiden ihnen läßt; ein verspäteter Schüler kommt die kleine Treppe in das Zimmer herunter. Das Vogelhäuschen vor dem Fenster des Stilllebenden durfte nicht fehlen. Vielleicht steckt ein Gimpel darin, welchen er im Pfeifen unterrichtet; denn der gute Mann muß immer Unterricht geben, immer nützen, und wäre es zuletzt nur einem Vögelchen.

Der Zahnarzt.

Das Gegenstück vom Schreibemeister. Er ist gleichfalls patentirt. Die Concession liegt auf der Fensterbrüstung, von der Bartschüssel gehalten, neben seinen Instrumenten und der Zahntinctur, welche er vermuthlich erfunden hat. Wie ein Häschen unter der Kralle des Geiers steht der arme Junge, welchem er den Zahn ausgezogen hat, unter der linken aufgelegten Hand. Er hat ihm den lockeren Milchzahn mit zwei Fingern der rechten Hand herausgenommen, der Junge fährt mit dem Zeigefinger der Rechten in die Lücke, der Charlatan in dem roth-sammetnen zobelbesetzten Barette hält den Zahn triumphirend empor. Was hat er für pfiffige Augen und den ganzen Mund voll feiner, spitzer Rattenzähne! Er gebraucht gewiß nie seine eigene Tinctur.

So ist jedes Bild eine niedliche Scene aus einem kleinbürgerlichen Lustspiele. Hier trifft unser Blick auf ein altes Mütterchen, welches vom Psalmenbuche, in dem es gelesen, eben emporblickt, dort auf ein Mädchen, welches zur Nacht noch zum Fenster mit der Kerze und davon angeflammtem Gesichte herausblickt, um die Blumenstöcke in den Scherben zu begießen, da spähen wir in einen Weinkeller hinein, wo der Sohn des Hauses mit der Magd bei Licht von dem Weinfasse nascht, dort in die Stube einer alten Spinnerin, welche beim Lichte den abgerissenen Faden an der Spule sucht und uns dabei ihr altes, liebes, mährchensinniges Gesicht in vollster Beleuchtung zeigt, oder wir sehen den Meister selbst,

Gerhard Douw mit der Violine.

Er ist von seiner Staffelei, welche man durch den Fensterbogen in der Tiefe des Zimmers stehen sieht, aufgesprungen und geigt zum Fenster heraus, denn ihm ist der letzte Strich am Bilde gelungen. Auf der Brüstung liegt das Notenbuch und an der Ecke blitzt das Gefäß seines Ehrendegens heraus. Unter der Fensterbrüstung sehen wir im Relief einen Amorettenscherz. Oben vom Fenster zurück auf die eine Seite hinüber ist ein prächtiger, wunderfein ausgeführter Vorhangteppich zurückgeschlagen.

Gerhard’s Studien.

Hier sehen wir den Künstler in seinen Studien. Er zeigt uns ein gebildetes, ernstes, vornehm-anmuthiges Gesicht. Er ist berühmt geworden und wird den Ruhm mit Fleiß und Talent behaupten. Er studirt Geographie am Globus, Antike an einer Herculesgruppe, er zeichnet fleißig, – und immer liegt noch die geliebte Geige mit dem Notenbuche ihm zur Hand auf dem Fenster.

Man trennt sich ungern von ihm. Der unendliche Fleiß, welchen er auf seine Gemälde verwendete, hat keine Spur der Aengstlichkeit hinterlassen; Alles ist leicht wie hingegossen in entzückender Harmonie und Anmuth.




Bedeutender noch als der Meister ist dessen Schüler:

Franz van Mieris,

Sohn eines wohlhabenden Goldschmiedes in Delft, geboren 1635, gestorben 1681. Er kam bei seiner Neigung zum Zeichnen zuerst zu dem Glasmaler Abraham Toornevliet, einem guten Zeichner, später zu Gerhard Douw in die Lehre, welchen er bald in correcter Zeichnung, elegantem Vortrag und brillanter Farbe übertraf. Seine Gemälde sind seltene Stücke in jeder Galerie. Dresden erfreut sich der schönsten Auswahl derselben. Man lernt den liebenswürdigen Meister hier genau kennen, um ihn nie wieder zu vergessen.

Wer die Reize des holländischen „Ons Begnoegen“ verstehen lernen will, der hefte den Blick recht lange in ein Bild von Mieris, bis ihn daraus das heimlich „begnoegte“ Angesicht des holländischen Genius anblinzelt. Wie zierlich und gescheuert, blank geputzt und abgestäubt ist Alles in den Gemächern, in welche hinein uns ein Blick vergönnt ist, selbst bis auf das „Quispeldorrtje“ und die Gipspfeife. In eine solche gemüthliche Heimlichkeit wollen wir hinein blicken. Hier sitzt

der Trompeter nach der Parade.

Das saubere Zimmer ist erhellt von dem vorderen Fenster, vor den zwei anderen sind die Gardinen herabgelassen. Man sieht auf dem Tische vor dem Fenster den Bierkrug, das Stundenglas, die irdene Pfeife, Taback, das berühmte Quispeldorrtje und französische Spielkarten. Der Inhaber des Zimmers, der Stabstrompeter, ist von der Parade zurückgekommen. Ueber den zweiten Stuhl hat er seinen violetten, mit goldenen Franzen besetzten Mantel gehängt und den Staatsdegen darangelehnt, in die andere Ecke gegenüber seine Trompete und den mit goldenen Knöpfen besetzten Küraß gestellt, sich aber selbst in seiner Hausmütze auf den Stuhl dem Fenster gegenüber an die schmale Seite des Tisches gesetzt, von welchem er sorgsam den feinen grünen Teppich zurückgestreift hat. Nun raucht er in gemüthlicher Ruhe seinen Taback und denkt mit stolzem Bewußtsein an die Figur, welche er bei der Parade gespielt hat. Er hat die rechte Hand, welche noch den Handschuh trägt, in die Seite und die Linke mit der geliebten Thonpfeife auf den Tisch gestemmt. So raucht er, so blickt er überselig heraus! – Wo in der Welt ist ein bedeutenderer Mann als er? Er ist sich seines Werthes bewußt, aber dabei gut, wirklich gut, wenn er gehörig titulirt wird: Herr Stabstrompeter! – Mit welcher unendlichen Sorgfalt ist aber auch Alles an und bei ihm zur Erscheinung gebracht! Selbst auf der Diele kann man die Holzadern in den Bretern zählen, man sieht die Fäden an dem Seidenzeuge, die Härchen am Sammet. Vielleicht würde er gedemüthigt, wüßte er, daß der Maler fast noch größere Mühe auf den

Kesselflicker

verwendet hat. Die Scene ist vor einer Erbschenke. Ueber der vorderen Wand und dem Hausthürbogen winkt der Arm des Schenkzeichens heraus. Bei der Hausthür hängen die obrigkeitlich-polizeilichen Verordnungen, auf welche besonders streng gehalten werden soll, z. B.:

1) Kesselflicker und anderes Gesindel werden sofort arretirt und über die Grenze gebracht;
2) Knaben, welche bei dem Abfangen der Singvögel betroffen werden, haben Ruthenstrafe zu verbüßen.

Gleich darunter sitzt aber in süßer Gemüthsruhe der kleine Slavonier und Kesselflicker und sieht seinem Vater und Meister zu, welcher sein Urtheil der vor ihm stehenden Scheuermagd über ihren Kessel abgiebt. Er hält ihn gegen das Licht, so daß der Schein davon in sein Gesicht fällt, als wäre es vom Trinken alkoholischer Flüssigkeiten roth. Hinter der Magd haben zwei Jungen eine Grasmücke oder einen anderen Singvogel in der Falle gefangen. Es ist zu verwundern, daß sich bei allen den ewig neuen Contraventionen die Polizei noch nicht todtgeärgert hat!

Der Gelehrte.

Er hat ein edles, feingebildetes Gesicht. Am Fenster steht ein Globus im Gestelle, helles Licht fällt darauf. Er schneidet sich die Feder, vielleicht um seine nächtlichen Beobachtungen niederzuschreiben. Wer fleißiger war, ob der Gelehrte in seinen Forschungen, ob der Maler, welcher sein Bild der Nachwelt überliefert hat, in der Ausführung desselben, ist unentschieden. Doch wir müssen den Blick abwenden von der messingenen Schüssel mit klarem Wasser in der Ecke des Fensterbogens, welche zu sehr blendet.

Der Maler im Atelier.

Da sitzt der Maler selbst in seinem zierlichen Arbeitszimmer. Zwischen ihm und der Staffelei steht eine Dame in weißem Atlaskleide, den Rücken uns zugekehrt, während uns ihr Portrait von der Leinwand auf der Staffelei anblickt. Die Magd kommt zur Thür herein und bringt Backwerk und Wein.

Wir dürfen ja den prächtigen Vorhang, welcher über das große Atelierfenster zurückgeschlagen ist, mit den hinanspielenden Lichtern in den farbigen Fäden und Blumenmustern nicht übersehen.




Der Reichthum seiner kleinen Meisterwerke ist hier so groß, daß man sich Tage lang mit ihnen unterhalten kann. Bald bemühen wir uns, die Novellenscene zu errathen, welche zwischen dem liebeschmachtenden Fräulein vor dem Tische mit der Laute und dem alten, vermittelnden Weibe hinter ihr spielt, – bald möchten wir dem Mädchen in dem mit weißem Pelzwerke besetzten Kleide bei dem Papagei plaudern helfen, – bald wollen wir wieder dem alten Mütterchen in weißem Häubchen und rother Jacke am hölzernen Tische zusehen, wie sie in den Blumentopf sorgsam einen Nelkenstock pflanzt, – bald wünschen wir ihrem alten Hausherrn, der sich bei der Tabackspfeife und der hölzernen Bierkanne begnoegt“ hat, Gesellschaft zu leisten.

Mieris weiß mit seinen holländischen, sauberen Lebensbildern uns immer von Neuem zu fesseln. Man kehrt immer wieder zu ihm zurück. Sein Sohn und Schüler,

Willem van Mieris,

ist ausgezeichnet in kleinen Basreliefs, mit welchen er seine Gemälde zierte. Er malte in derselben Manier, doch erreicht er seinen Vater nicht. Wer seine Werke näher kennen will, findet hier Gelegenheit dazu.




Selbstständig ist dagegen:

Gabriel Metzü,
geboren in Leyden 1615 und gestorben 1658. Er übertrifft in correcter Zeichnung seinen Meister Douw, seine Behandlung ist leicht und naturwahr, in der Freiheit der Ausführung wetteifert er mit seinen Mitstrebenden. Er ist ein großer Liebling der Kunstkenner; mir kommt er trotz seiner hohen, technischen Vorzüge in seinen Lebensbildern ein wenig langweilig vor. Die Scenen aus der kleinbürgerlichen Welt scheint er eben nur wieder treu abgespiegelt zu haben, ohne darin den poetischen Hauch fühlen zu lassen, welcher über die ähnlichen Zustände Douw’s und Frans van Mieris immer noch gegossen ist. Seine vorzüglichsten Werke find hier folgende:
Der Wildprethändler,

welcher tabackrauchend auf einem Fasse sitzt, den Bierkrug neben sich, vor sich eine zahme Taube, zur Seite eine junge Verkäuferin, ihm gegenüber eine alte, feilschende Köchin.

Der Geflügelverkäufer,

welcher einer feinen, jungen Bürgerfrau einen Hahn zum Kaufe anbietet. – In gleicher Art wirkt das Bild:

Die Wildprethändlerin,

mit der Schüssel auf dem Schooße, eine Taube rupfend, vor ihr eine Köchin, welche um einen Haasen feilscht. Ein Beutelschneider stiehlt ihr unterdessen den Schnappsack.

Der Holländer am Kamin.

Es ist Nacht; die Beleuchtung bestreitet eine Lampe. Der Stammgast in breitkrämpigem Hute sitzt am Kamine, die Feuerzange mit der Kohle in der einen, die irdene Pfeife in der anderen Hand. Er hat sich bemüht, die Pupillen in die rechten Augenwinkel zu drehen, indem die lachende Kellnerin ihm den Bierkrug auf den Tisch setzt. So ist sie ihm eine unwiderstehliche Schönheit.

Die Klöpplerin

ist eine alte, feine Jungfer in blauem Ueberwurfe, welcher mit Kaninchenfellen gefüttert und aufgeschlagen ist. Vor ihr sitzt ihr einziger Freund und Geliebter, der graue Kater. Sie hat ein äußerst tugendhaftes Gesicht, aber einen Mund zum Lästern geschaffen. Vielleicht hat sie erfahren, daß ihre Nachbarin von ihrem Geliebten in einer Restauration mit Erdbeeren und Champagner tractirt worden ist, und ihre Freundin, eine junge Wittwe, einen Liebesantrag erhalten hat. „Wie sündlich es in der Welt hergeht!“

Von der Kunstkritik weniger verehrt ist der Conversationsmaler und Schüler Douw’s

Peter van Slingeland,

geboren in Leyden 1640. Uebertrifft er alle Meister an Geduld und mühseliger Ausführung, so soll er es doch nur zu einer geistlosen Vollendung gebracht haben. Die beiden Werke, welche die Galerie von ihm besitzt, zeigen jedoch, daß er durchaus des feinen Lustspieltons, welcher dieses Genre zur Kunst erhebt, mächtig war.

Die Musikstunde.

Der liebenswürdige Musiklehrer hat die Violine auf den Stuhl gelehnt und ist hinter den Sessel der schönen Schülerin getreten, welche vielleicht zu ihrem Schutze das Hündchen auf den Schooß genommen hat. Der schalkhafte Lehrer neckt es mit dem Flötenpfeifchen über ihre rechte Schulter herein, so daß aus der Neckerei eine ganz unschuldige Umarmung wird. Fast schmiegt sich die kleine Blondine zu hingebend an ihn und sie wehrt wirklich zu sanft der sich auf der anderen Seite dem Hündchen neckend nähernden Hand. Ihre Augen sind liebeblinzelnd, ein feststehendes Lächeln zuckt schmachtend in den Mundwinkeln. Die Notenbücher sind auf die Diele gefallen; die Musikstunde ist in Gefahr eine Schäferstunde zu werden. Die Moral davon ist, daß Aeltern ihren Töchtern keine jungen Lehrer, zumal in der Musik, halten sollen! –

Die Spitzenklöpplerin.

Sie sitzt am Fenster, zu welchem herein die Hausfrau einen todten Hahn zeigt. Wie sauber sitzt die Schöne da, jedes Fältchen an ihr ist berechnet. Sie hat den Klöppelsack auf dem Schooße stehen, die beiden Füße, deren rothe Pantoffelspitzen man sieht, auf ein niedliches Schemelchen gestützt. Vor Schrecken beim Anblick des todten Haushahns sind ihr die Klöppel aus den Händen gefallen. Wenn man nur wüßte, was der neben ihr einsam trauernde Männerpantoffel und das männliche Portrait über ihrem Kopfe bedeutete? Ist sie vielleicht eine junge Wittwe? Der fliehende Gipsamor auf dem Gesimse ist gewiß ein Allegorie. Doch wer kann die Geheimnisse einer Frauenseele ergründen! – –

Ein anderer Schüler Douw’s,
Godfried Schalken,

zeichnet sich aus als Virtuos in der künstlichen Beleuchtung kleiner Figuren und Gesichter durch Lampen, Kerzen, Fackeln oder glühende Kohlen. Seinen kleinen Bildern hat er mit der sorgfältigsten Ausführung die größte Vollendung gegeben. Die Galerie besitzt von ihm vier vorzügliche Stücke in dieser Manier:

das Mädchen, welches einen Brief am brennenden Lichte liest,
ein Mädchen mit einem Lichte in der Hand,
der Maler, welcher eine Venusbüste beleuchtet,
ein Mädchen, welches ein Ei gegen das Licht hält.

Es sind kleine lyrische Nachtlampengedichte! Sie haben den Reiz eines Blickes, welchen man bei nächtlicher Weile durch eine Fensterladenritze in die lampenerleuchtete Stube einer Freundin oder eines Bekannten von der Straße herein thut. –

Schalken ist in Dort 1643 geboren und im Haag 1706 gestorben.




Gleiche Kunstrichtung hat

Caspar Netscher.

Sein Vater war der Bildhauer Johann Netscher in Heidelberg, wo er 1639 geboren wurde. Er sollte Medicin studiren, Neigung und Talent führten ihn aber zur Malerei, wo er sich Terburg zum Vorbild nahm und Conversationsstücke malte. Er kleidete seine Damen gern in weißen Sammet, den er sehr schön zu malen verstand. Die Kunst hatte bereits zu seiner Zeit immermehr sich mit technischer Fertigkeit geltend zu machen gesucht. Selbst Caspar Netscher neigt sich zum Rococo der kalten Eleganz hin. Ausgezeichnet ist er dabei in delicater Behandlung seiner Farben und in der entschiedenen Beleuchtung seiner Bilder. Wir finden hier eine schöne Auswahl derselben, welche uns den Meister in seiner Vollendung kennen lernen.

Der Künstler selbst.

Netscher mit reichherabwallendem Haupthaar, in schwarzsammetnem, kurzärmeligen Burnus, welcher das feine, reich vorbauschende Hemde um die Armgelenke sehen läßt, sitzt hier, nachdenkend den Kopf in die linke Hand gestützt, in der anderen Hand die Schreibfeder, vielleicht im Begriffe, einen Liebesbrief zu stylisiren. Sein Gesicht ist fein, gebildet und vornehm wie seine Manier in der Malerei. Vielleicht sehen wir den Gegenstand seiner Flamme bei der

Morgentoilette.

Uns zugekehrt sitzt das Fräulein in ihrem Zimmer. Sie trägt über das gelbseidene Kleid den reichen, rothseidenen Morgenüberwurf. Das prächtige Wachtelhündchen hat sie auf dem Schooße, während ihr Kammermädchen beschäftigt ist, ihr die Haarschleife zu stecken. So ist die junge Dame mit ihrer Toilette fertig bis zum Frühstücke, welches der Page herbeibringt. Sie wird später ausgehen, vielleicht zum Morgenbesuch an des Künstlers Wohnung vorbei; denn ihr prächtiger, blauer, mit Atlas gefütterter Mantel liegt bereits auf dem Armstuhle, ihr zur Seite. Das Liebesverhältniß zwischen dem Künstler und seiner Dame scheint Fortschritte gemacht zu haben im

Duett.

Die Schöne ist ein Kind vornehmer Aeltern. Wir sehen sie hier in einem fürstlichen Gemache, oder hat nur des Künstlers Phantasie eine solche Umgebung um sie her gezaubert? Sie steht mit ihrem blonden Lockenköpfchen am Clavier, hinter ihr in reichem, blauseidenen Gewande, den Arm auf die Stuhllehne gelegt, ihre noch hübsche Mutter. Der Anbeter der Clavierspielerin sitzt vor ihr an der Ecke des Claviers mit dem Notenbuche und singt ihr herzschmelzend vor, von ihr vielleicht im Duett und mit Clavierbegleitung unterstützt. Sein Mund spitzt sich zu Flötentönen zusammen; man sieht es der Nase an, daß sie Hoboenklänge vorbringen hilft. Und wie hat er sich herausgeputzt, unwiderstehlich! Und wie elegant einnehmend sitzt er da! Wie zierlich sind die Füße über das Kreuz und der Hut coquett auf den Schooß gelegt, so daß die Federn noch schmachtend vorn herabfließen! Er muß siegen; das Blondinchen blickt sich schmachtend um.

Ein Pendant dazu ist

das Guitarrenspiel am Fenster;

nur sind die musikalischen Liebenden so kühn geworden, daß sie nicht die Nachbarschaft und ihr Gerede scheuen. Hier singt sie, und er begleitet. Die Toilette ist auch hier, wie immer, elegant; die Liebe aber hat einen modern sentimentalen Anstrich, wobei die Guitarre die Kupplerin macht.

Und nun gelangen wir endlich zum Lieblinge des großen Damenpublicums, zu

Adriaan van der Werff[13].

Seine Werke lernen uns einen Meister kennen, wie man ihn in der Salonwelt liebt; Schade, daß er nicht einen schmelzenden Namen, z. B. Antonio, hat, um ein vollkommenes Ideal für die kunstsinnige Damenwelt zu sein. Dazu ist auch sein Geburtsort kein wohllautendes Paese bei dem Monte Rosa, sondern Kralingerambacht. Dort wurde er im Jahre 1659 geboren.

Je mehr die Seele aus der Kunst entweicht, desto glänzender wird ihre äußere Erscheinung, desto größer die Wirkung auf das seelenlose Auge nur durch die Eleganz der Form. Kein Meister ist noch so verehrt, bewundert und bezahlt worden, wie Adriaan van der Werff, welcher ganz darin aufging. Er ist der Carlo Dolci der Rococozeit. Seine Gemälde machen den Eindruck, als wären sie auf Meißener Porzellanteller hingehaucht. Sein schönstes Bild,

die Schäferscene,

darf ich nicht beschreiben, und seine übrigen Bilder erklären sich von selbst, weil sie eben Nichts in sich haben, und Alles, was sie sind, äußerlich in der delicatesten Ausführung, besonders im Helldunkel sattsam zur Schau stellen. Er ist vorzugsweise der Cabinetsmaler. Seine Werke gleichen den Gedichten Matthison’s. Er hatte sich in Rotterdam niedergelassen, wo er 1722 starb.

Wie jene Zeit in äußerem Schein aufging, so mußte sie sich auch in der Malerei ausprägen. Wenn im Herbst der Saft in den Bäumen zurücktritt, so färben sich die Blätter, ehe sie abfallen, in den Glanz aller Farben. Wie die historische Kunst mit dem Leben selbst zur Conversation wurde und endlich nothwendig in höfische Eleganz aufgehen mußte, ist im Einzelnen nachgewiesen worden. Kein Dichter, kein Künstler kann etwas Anderes sein, als die feinste Spitze seiner Zeit. Daß dieser Ausgang der Kunst nicht durch die zufälligen Talente ihrer Meister herbeigeführt worden ist, beweist, daß in jeder anderen Richtung derselbe Geist vorherrschte; denn nicht in Conversationsbildern, sondern in der

Blumenmalerei,

welche ihren selbstständigen Weg nahm, hatte sie bereits ihre Vollendung in Farbe und Glanz erreicht; denn die Welt der Blumen ist der Begriff des schönen Scheines. Einer der ausgezeichnetsten Blumenmaler ist

Johann David de Heem,

im Jahre 1600 in Utrecht geboren und im Jahre 1674 in Antwerpen gestorben. Er übertraf seinen Vater David, welcher ebenso Blumenmaler war, in jeder Hinsicht. Der Zauberglanz in seinen Blumen und Gefäßen ist von keinem seiner Mitstrebenden erreicht worden. Besonders charakteristisch ist seine

Glorification des Rheinweins.

Wie andächtige niederländische Künstler sonst das Bild der Madonna mit einem bunten Kranze von Blumen und Früchten umgaben, so hat dieser Künstler hier in einer Kellernische einen Römer Rheinwein zu seiner Verklärung mit Blumen und schwellenden Früchten, in Vollsaft aufgesprungenen Pfirsichen, Rosen, Feigen, Pomesinen, Quitten und Mohrenpflaumen, Weizenähren, Mais, Wall- und Lampertusnüssen, Kirschen und Trauben, von Schmetterlingen umflattert, rings umkränzt.

So ist an die Stelle der religiösen Andacht die zum Weinglase getreten.




Der größte Blumenmaler ist jedoch

Johann van Huysum[14],

in Amsterdam geboren 1682 und gestorben 1749. Nur Fürsten und sehr reiche Liebhaber vermochten den Preis seiner Werke zu bezahlen. Er malte und lassirte mit unendlicher Sorgfalt. Seine Blumensträuße mit Thautropfen sind Wunderwerke in ihrer Art. Ein solches ist hier

das thautriefende Bouquet

in einem gelbirdenen Blumentopfe mit Genien im Relief, an welchem Kennzeichen dieses Blumenstück sich leicht auffinden läßt.

Bei dem Untergange der christlichen Malerei in dem modernen Heidenthume haben wir gesehen, daß das alte christliche Element in einzelnen Gemälden noch schmerzenvoll sich herausrang, wie der Seufzer aus der Brust eines Sterbenden. Auch die zweite Richtung der Malerei, welche ihre Vollendung bei den Niederländern erreichen sollte, zuckt mitten aus der Eleganz ihres Sterbebettes zuweilen noch empor, in keinen aber schmerzlicher, als in den Blumengemälden des

Otto Marcellis,

welcher uns einen schaudernden Blick in die Nachtseite der Natur werfen läßt. Der geflügelte Tagfalter, die Psyche, betäubt vom Dufte giftiger Blumen, wird im Schlafe von mordenden Amphibien und Nachtthieren überrascht. Zwei solche Nachtbilder der brütenden Melancholie bestricken hier unser Gemüth mit vampyrischem Schrecken. Auf dem einen wächst aus der mit grünem Moder bedeckten Erde zwischen giftigen Schwämmen Nachtschatten, von Winden umschlungen, empor. Träumende Schmetterlinge sitzen auf den Blumen. Eidechsen und Kröten kriechen heimlich heran und holen sie herunter. Auf dem zweiten Bilde sehen wir wieder betäubte, schlafende Schmetterlinge mit zusammengeschlagenen Flügeln. Zwischen den Blättern der Blumenstaude ist ein Grasemückennest voll Junge eingebaut; eine häßliche Viper hat den Kopf heraufgeschoben und holt ein Junges am Kopfe aus dem Neste; die Grasemückenmutter stürzt kreischend herbei – vielleicht zum Fraße einem anderen Unthier, dem Wiesel, welches unten gierig heranschlürft.

Marcellis, geboren 1613, starb in Amsterdam im Jahre 1673.

Um nicht mit diesen düsteren Bildern die heitere Kunstschau zu beschließen, durfte ich die großen Meisterwerke

der Landschaftsmalerei,

welche sich mit und neben den anderen Richtungen heranzieht und zur größten Selbstständigkeit ausgebildet hat, bis hierher aufsparen. Einige Worte darüber mögen im voraus gegönnt sein.

Die Natur erhielt erst, wie die Undine im Mährchen, eine Seele im Kampfe mit dem Geiste des Christenthums. Sie kam dadurch dem menschlichen Gemüthe zuerst, im Gegenüberstehen zu demselben, zum Bewußtsein. Ihre Seele, wie sie sich in den Gebilden der Gebirge und Flächen, in Pflanzen und Bäumen aussprach, objectivirte sich dadurch von selbst in der Kunst desto siegreicher, je mehr die christliche Transcendenz darin unterging. So drängt sich schon in die Gemälde der Venetianer die Gegend mächtig herein. Zugleich mit der Abstumpfung der Conflicte des Gemüthes im pathologischen Leben gewann die Naturseele für die Aeußerung ihrer Träumereien den lyrisch-musicalischen Ausdruck in der Landschaftsmalerei.

Die Landschaftsmalerei und die Musik haben eine gleiche Quelle, – das Traumleben der Natur, wo das historische untergegangen ist. In ihren letzten Wurzeln sind beide die sinnlichsten Künste in der unschuldigsten Form.

Große Kunstästhetiker halten die Landschaftsmalerei für die Blume des christlichen Kunstgemüthes; sie wissen nicht, was sie wollen. Die Seele der romanisch-italienischen Natur jedoch hat Claude Gelée, genannt Lorrain, die hohe nordische Natur Everdingen, die holländische Jacob Ruisdael in der Kunst zur Darstellung gebracht.

Claude Gelée, Lorrain[15],

welcher von 1600 bis 1682 lebte.

Wer je in Italien einen Sonnenmorgen auf dem Wege durch das Thal von Fuligno nach Perugia, oder auf einem Ausfluge von Tivoli aus zur blandusischen Quelle, die Thäler des Teverone hinauf, erlebt hat, oder sich eines Augustabends an der Küste von Sicilien erinnern kann, der kennt auch Claude Gelée; denn in seinen Landschaften hat die Seele der italienischen Landschaften ihren bestimmtesten Ausdruck gefunden. Ihr Auge blickt uns daraus tief und klar mit sonnigem Blicke an. Wunderbare Harmonie bei der größten Bestimmtheit des Einzelnen herrscht in ihnen mit classischer Ruhe. Sie sind nur mit sich selbst, mit den schönsten italienischen Gegenden zu vergleichen. Der Zauber ihrer Beleuchtung ist unwiderstehlich. Das Wasser, „dieses Auge der Landschaft“ in ihnen ist tief, klar und bewegt. Es ist das feuchte Element selbst. Wir bewundern hier zwei seiner vorzüglichsten Gemälde:

Der Morgen.

Ein breitfließender Strom, welcher im Mittelgrunde sich durch ein grasiges Felsenlager Bahn gebrochen hat und in Wasserfällen zwischen den Blöcken, von welchen der größte mit Busch und Baum, die anderen mit Gras überwachsen sind, herunterrauscht, schimmert im Scheine der goldenen Vormittagssonne. Am linken Ufer erblicken wir die Ruinen eines Tempels und dahinter die ersten Häuser eines italienischen Ortes; weiter zurück in der Ferne liegt eine Stadt und eine vorübergehende, altrömische Wasserleitung. Auf dem rechten Ufer zwischen reichen, schönen Baumgruppen sieht man Joseph und Maria mit dem Kinde auf der Flucht. Vorn eilt zu einer Quelle, welche aus einer Röhre herunterfließt, eine Viehheerde. Dort bläst ein Hirte seiner Hirtin auf der Flöte vor, während ein zweites Mädchen, über die Quelle gebückt, aus dem Rohre Wasser in den Krug laufen läßt. Welcher Himmel, welche Erde! Man sieht, ja man wähnt das Wasser rauschen zu hören. Wie wasserfrisch, wie erquickend ist es an dem Flusse mit den silbergesäumten Wellen selbst noch bei der begonnenen Hitze des vorrückenden Tages! Eine unendliche, süße, schwelgende Heiterkeit ruht über dem lachenden Bilde! Es ist eine Virgil’sche Ecloge, vor welcher die christliche Mythe in der Ferne entflieht, indem sie dem alten Pan Raum macht.

Später Nachmittag.

Wir stehen an der Küste von Sicilien und blicken hinaus in das unendliche Meer, dessen Ferne noch geheimnißvoller wird durch eine dort emporragende Insel; rechts steigen Felswände empor, an welchen die Wellen sich spielend zu üben scheinen, dahintervor sieht eine Stadt, und oben herein der Gipfel des Aetna. Im Westen sinkt die Sonne in das Meer, welches bei ihrem Scheideblick zu dunkeln beginnt. Am Ufer unter einem Zelte scherzen Acis und Galatea mit einander, während Polyphem auf dem Felsen, umgeben von der Heerde, die Flöte bläst. Weich und warm wogt das Meer, es leuchten die silbernen Spitzen der brandenden Wellen im dunkeln Schlagschatten der Felsen. Duftig glühen der Himmel und das sich kräuselnde Meer.

Man kann bei dem Anblicke eines solchen Bildes in ein süßes musicalisches Dahinträumen gerathen, aus welchem scheu, leise und lächelnd die schaumgeborene Göttin mit den ewig jungen Reizen emportaucht, herz- und sinnbestrickend.

Das ist die Seele der romanischen Welt! – Wieviel düsterer spricht sich die nordisch-skandinavische aus in

Aldert van Everdingen[16].

Er war zu Alcmaer 1621 geboren und starb 1675. Er ist ausgezeichnet groß als Maler stürmender Meere, tosender Wasserfälle und friedlicher Fichtenwaldungen, von Sonnenlichtern durchstreift mit Durchblicken in die Ferne. Seine Studien machte er am baltischen Meere. Wir finden hier von ihm eins seiner größten Bilder:

Der Wasserfall.

Der Hintergrund ist geheimnißvoll von Föhrenwald und Felsen geschlossen. Ein tosender Wasserfall hat sich felsenzersprengend Bahn gebrochen. Mächtige Blöcke mit zersplitterten Baumstämmen sind mitten im Strudel abgelagert. Der Strom kommt zwischen einem Felsen herunter, auf dessen einer Seite oben ein Blockhaus romantisch hinausgebaut ist. Ein schwankender Steg geht über eine Kluft, und darauf wandeln Bewohner des Hauses theils hinüber, theils herüber. Friedlich hat sich unten auf dem Felsen am Wasser eine Ziegenheerde gelagert, und oben hinter Ahornbäumen blickt der Thurm mit der Glocke aus dem nahen Dorfe.

Welche Contraste und welche Poesie, – es ist skandinavisches Gemüth!

Näher tritt dem Norddeutschen der vielleicht größere Landschaftsmaler

Jacob Ruisdael[17],

in Harlem 1635 geboren und 1670 gestorben. Seine Bilder, die Natur in den Gegenden der Nordseeküste und niederdeutsches Gemüth fallen in Eins zusammen. Ein tiefes melancholisches Naturgefühl ist der Grundton seiner Gemälde. Wie sich dieses Gemüth gern von der Ferne abzieht, um sich in sich selbst zu versenken, so verschließen sich auch die Hintergründe in seinen Bildern durch Baumpartieen und genügen sich selbst in träumerischer Einsamkeit und im Walddunkel bei dem monotonen Rauschen der Bäche und Wasserfälle. Zuweilen leuchtet kaum noch das Tageslicht aus dem wolkenverhüllten Himmel herein in das unheimliche dunkle Wasser und die düstere Waldung. Wer traurig, der ist bald allein. Diese Melancholie steigert sich noch durch die Naturwahrheit jedes Einzelnen im Bilde und durch den kräftigen und frischen Ton, in welchem die Bilder gehalten sind. Die Galerie ist reich an seinen schönsten Werken. Sie machen alle mehr oder minder denselben Eindruck. Bewundert wird vor allen sein

Judenkirchhof.

Ein Gewitter zieht wolkenquirlend am Himmel vorüber; die Sonne hinter Wolken und Bäumen sich verbergend, sendet einen sterbenden Blick auf einen Judenkirchhof bei den Ruinen eines alten Gebäudes. Der Kirchhof wird von einem wilden Waldbache durchschnitten, welcher über Steinblöcke herunter im Vordergrunde einen Wasserfall bildet. Ein knorriger Baumstrunk ist vom Ufer in die Wellen gestürzt und steht darin mit zwei riesigen, rauhen Beinen. Der Stamm, von dem ihn der Blitz herabgeschmettert hat, steht weiter zurück über dem Wasserfalle. Unfern davon steht ein zweiter verdorrter Baum, wie von Alter und Gram gebeugt, die dürren Arme zum gewitternächtigen Himmel emporstreckend. So sehen wir hier Israel und Juda bei einander. In der Mitte des Kirchhofes steht ein weißes, steinernes Grabmonument, dessen Vorderseite vom matten Tageslichte bestrahlt wird, in weißbläulichem Scheine. Rings umher ist Verwüstung, und Todesruhe nach ihr; nur der ewige Wanderer, der Gießbach, geht dazwischen durch, ruhelos, rastlos.

Die Jagd.

Vor uns liegt ein klarer Spiegel eines breiten, seichten Wassers mit darin und daran stehenden und sich spiegelnden Buchen und Pflanzen mitten im Walde. Die Morgensonne bricht durch die kräuselnden Wolken, welche man im Wasserspiegel vorüberziehen sieht. Eine Hirschjagd geht durch Wald und Wasser hindurch, deren Figuren van de Velde gemalt, jedoch dadurch die Poesie der Ruysdael’schen Waldeinsamkeit gestört hat. Friedlich zur Tränke hereinschreitende Rehe würden entsprechender gewesen sein.

Die einsame Fichte

am rauschenden Waldbache diesseits, eine einsame Hütte jenseits! Auch hier ist der Hintergrund abgeschlossen. So finden wir hier wie in allen übrigen Bildern des großen Meisters das träumerisch in sich selbst versenkte Gemüth in der Waldeinsamkeit. Ihre Poesie hat nur er so ganz empfunden und wiedergegeben. Seine Bilder machen den so frischen und doch träumerischen Eindruck eines durch den Wald austönenden Waldhorns, begleitet vom Tosen der Waldbäche, indem obenhin die Wolken ziehen.

In diesem Sinne wird man alle seine übrigen Gemälde verstehen, welche hier und anderwärts dem Auge begegnen.




So haben wir das Buch mit der Bilderschrift langer Jahrhunderte durchblättert und aus ihr die wahre Geschichte gelesen. Novalis beschreibt eine Vision, in welcher er vor der Gottheit der Wahrheit die Geschichte und die Fabel stehen sieht; die Gottheit prüft die Wahrheit derselben, indem sie die Blätter, welche von Beiden ihr abwechselnd gereicht werden, in die Flüssigkeit einer Urne taucht. Die stolze Geschichte erhält ihre Blätter reingewaschen zurück, denn kein Wort bestand die Probe, nur die Schriften der Fabel kommen aus der Urne in farbigglühenden Bilderschriften wieder heraus; denn diese Bilderschriften sind die wahre Geschichte.




Doch auch das Schöne und der Genuß desselben ermüdet uns, wir sehnen uns nach leiblicher Erquickung. Lassen Sie, meine Freunde mit ihren Damen, von dem schönen

Wiener Chocolatenmädchen,

dem berühmten Pastellgemälde des Jean Etienne Liotard, an der Eingangs- und Ausgangswand, sich zu einer Erfrischung einladen. Auf Wiedersehen!

Verzeichniß
der Maler und Gemälde.
Galerie-
nummer.
Seite.
Albano, Francesco 67
      Venus 891
      Galathea 892
Alllegri, Antonio 13
      Der h. Franciscus vor der Madonna 1077 14
      Der h. Sebastian 1078 16
      Die heilige Nacht 1080 17
      Magdalena 1079 20
      Der h. Georg 1081 21
Barbarini, Gio. Francesco. (Guercino da Cento) 66
      Semiramis 908
Barbarelli, Giorgio 47
      Jacob und Rahel 645 48
Berghem, Nicolaus 152
      Der Mohr und die Tochter des Patriciers 346 153
      Die Idylle im Felsengrunde 344 154
Bol, Ferdinand 151
Galerie-
nummer.
Seite.
      Der Uriasbrief 1625 151
      Flucht nach Aegypten 1624
      Joseph mit seinem Vater vor Pharao 1623
Both, Johann 152
      Kurze Rast auf dem Wege 1803
Bronzino, Angelo 11
      Eleonore, Cosimo’s I. Gemahlin 1068
Brouwer, Adrian 119
      Die Spieler 1376 121
Cagliari, Paolo 50
      Die Findung Mosis 689
      Die Anbetung der heiligen drei Könige 700 53
      Die Hochzeit zu Kanaan 702 54
      Der Convertit 730 58
      Die Kreuztragung 729 60
      Maria unter dem Kreuze 731 61
      Pendant davon 687 62
Carracci, Annibale 64
      Genius des Ruhms 827
      Die thronende Maria 828 65
      Der almosenspendende h. Rochus 829
      Das Portrait des Malers 830
      Die Himmelfahrt Maria’s 846
Carracci, Lodovico 64
      Der Heiland mit der Dornenkrone 825
      Ruhe auf der Flucht nach Aegypten 844
Caravaggio, da, Michel Angelo Amerighi 72
Galerie-
nummer.
Seite.
      Das falsche Spiel 852 72
Dolci, Carlo 23
      Die h. Cäcilie 1071
      Tochter der Herodias 1072
Dosso Dossi 590–596 30
Douw, Gerhard 166
      Der Schreibemeister 1336
      Der Zahnarzt 1334 167
      Gerhard mit der Violine 1343 168
      Gerhard’s Studien 1337 169
Dyk, Anton van 101
      Danaë 399 104
      Carl I. von England 429 105
      Henriette von Frankreich 427 107
      Carl, Jacob und Anna Henriette 428 108
      Der Hofmann 409 109
      Großwürdenträger 410
      Der alte Mylord 414
      Der Mißvergnügte 397 110
      Die Himmelskönigin 404
      Der h. Hieronymus 430 111
Everdingen, Aldert van 190
      Der Wasserfall 290
Franceschini, Marco Antonio 69
      Die büßende Magdalena 918 70
Garofalo 582–587 30
Gelée, Claude (Lorrain) 187
      Der Morgen 30 188
Galerie-
nummer.
Seite.
      Später Nachmittag 31 189
Gennari 71
      Die Dilettantin in der Malerei 917
Heem, Johann David de 183
      Glorification des Rheinweins 1327
Holbein, Hans d. J. 25
      Die Jungfrau Maria (Jacob Meyer’s) 530 26
      Weibliches Portrait 526 28
      Portrait des Londoner Goldschmiedes 1051 29
Hooghe, Peter de 165
      Das im Sonnenlichte lesende Mädchen 334
Huysum, Johann van 184
      Der thautriefende Blumenstrauß 220
Jordans, Jacob 96
      Alt und Jung 321 97
      Diogenes mit der Laterne 322 98
      Der verlorene Sohn 323
      Darstellung im Tempel 320 99
      Gang zum heiligen Grabe 318
Laar, Peter van 1810–1813 118
Leonardo da Vinci’s Schule 9
      Herodias mit dem Haupte Johannis 1052
Liotard, Etienne 194
      Das Chocolatenmädchen 22
Marcellis, Otto 1407–1408 185
Metzü, Gabriel 174
      Der Wildprethändler 1387 175
      Der Geflügelverkäufer 1388
Galerie-
nummer.
Seite.
      Die Wildprethändlerin 1389 175
      Der Holländer am Kamine 1390
      Die Klöpplerin 1391
Mieris, Franz van 169
      Der Trompeter nach der Parade 1317 170
      Der Kesselflicker 1321 171
      Der Gelehrte 1320 172
      Der Maler im Atelier 1322 173
Mieris, Wilhelm van 1461–1472 174
Morales, Louis de, (el Divino) 112
      Ecce homo 113
Murillo, Bartolome Esteban 114
      Die Obstverkäuferin 111
      Madonna 110
Netscher, Caspar 178
      Der Künstler schreibt 1347 179
      Morgentoilette 1346
      Duett 1348 180
      Das Guitarrenspiel 1350 181
Ostade, Adrian van 121
      Die Stammgäste 1367 122
      Der Künstler im Atelier 1366 123
Palma Vecchio, Jacobo 44
      Die drei Schwestern 649
      Venus 650 45
      Die lesende Madonna 651 46
      Madonna, welche ihr Kind stehen lehrt 652 47
Pauditz, Christoph 150
Galerie-
nummer.
Seite.
      Margaretha von Parma 1526 150
Pippi, Giulio, (Romano) 12
      Maria bei dem Waschbecken 1031
Poelenburg, Cornelis 158–168 155
Potter, Paul 156
      Der Weg zur Weide 208 157
      Das Wiederkäuen 209
Raphael Sanzio 5
      Madonna di San Sisto 1020 6
Raibolini, Francesco, (Francesco Francia) 30
      Maria mit dem Kinde 580
Rembrandt van Ryn, Paul 133
      Die väterliche Mühle 1570 134
      Die Rohrdommel 1571 138
      Der alte Fürst 1573 139
      Der Legitimist 1550 140
      Der Wassergueuse 1549 141
      Der siegreiche Tiers-état 1553 142
      Rembrandt und seine Frau 1554
      Rembrandt’s Tochter 1552 143
      Rembrandt’s Frau im Alter 1578 144
      Die Geistererscheinung 1577 145
      Die Hochzeit 1329 146
      Der Dichter und sein Werk 1538 148
Reni, Guido 68
      Bacchus, als Knabe 871
      Venus 875
Galerie-
nummer.
Seite.
      Ninus und Semiramis 876 68
      Haupt des sterbenden Christus 874 69
Ribera, Giuseppe (Spagnoletto) 73
      Jacob, der Hirte Laban’s 929
Romano, Giulio, s. oben Pippi.
Rubens, Paul 78
      Der trunkene Hercules 358 81
      Paris mit dem Apfel 377
      Weinlese 1727
      Liebesgarten 389
      Bathseba 354 86
      Heimkehr von der Jagd 387 u. 1726 87
      Löwenjagd 374 88
      Eberjagd 376 89
      Merkur und Argus 362 90
      Wüstenruhe 441
      Escurial 373 91
      Meleager und Atalante 388
      Quos ego 375 92
      Carl V. von der Victoria gekrönt 1730 116
      Helene Forman 370 93
      Rubens’ Söhne 317
      H. Hieronymus 349 95
      Das jüngste Gericht 371
Ruysdael, Jacob 191
      Der Judenkirchhof 187 192
      Die Jagd 197
      Die einsame Fichte 196
Galerie-
nummer.
Seite.
Sanzio, s. oben Raphael
Schalken, Gottfried 178
      Das Mädchen mit dem Briefe 1355
      Das Mädchen mit dem Lichte 1356
      Der Maler vor der Venusbüste 1357
      Das Mädchen mit dem Ei 1358
Schriek, O. M. van, s. Marcellis
Slingeland, Peter van 176
      Die Musikstunde 1395
      Die Spitzenklöpplerin 1394 177
Snyders, Franz 99
      Die Schweinsjagd 400 100
Spagnoletto, s. Ribera
Teniers, der Jüngere, David 124
      Petrus im Gefängnisse 244 125
      Unterricht im Rauchen 245
      Das Alchymistenlaboratorium 249 126
      Antonius Versuchung 256 127
      Dorfkirchweih 254 129
      Der Schwarzkünstler 243 131
      Der Hexenritt 239 132
Terburg, Gerhard 162
      Weiß und Roth 212 163
      Weiß und Olivengrün 211 164
      Der Trompeter 210
Tiziano Vecellio 31
      Der Zinsgroschen 631 32
      Die Gesegnete 632 35
Galerie-
nummer.
Seite.
      Lucrezia Borgia 633 36
      Die Verklärung des Fleisches 639 38
      Portrait des Mädchens mit dem Blumengefäße 634 41
      Portrait der Geliebten Tizian’s 640 42
      Portrait der Cornara 653
      Portrait des Inquisitors 637
Werff, Adriaan van der 221–228 181
Wouverman, Philipp 158
      Lagerscene 1679 159
      Gefecht bei den Windmühlen 1612 160
      Die Pensionirten 1611 161
Zurbaran 113

  1. Dieses Bild befindet sich im Raphaelzimmer.
  2. handschriftlich korrigiert: H. Hieronymus
  3. Es befindet sich im Saale vor dem Guidozimmer unter den Bildern der Schule von Bologna, an der fünften Wand.
  4. Befindet sich im Zimmer A.
  5. Befindet sich im Zimmer 5.
  6. Die Bilder dieses Meisters findet man im Saale des Rubens und seiner Schüler auf der entgegengesetzten Seite der äußeren Galerie. S. oben die Anmerk. bei Teniers.
  7. Die Bilder unter Both’s Namen befinden sich in Zimmer A.
  8. Seine Bilder befinden sich in dem Saale Rubens’ und seiner Schüler. S. oben bei seinem Namen.
  9. Seine Bilder befinden sich im Zimmer der spanischen Schule. S. oben.
  10. Seine Bilder befinden sich im Saale Rubens’ und seiner Schüler an den Fensterwänden. S. oben.
  11. Seine Bilder befinden sich im Saale Rubens’ und seiner Schüler.
  12. Das Gemälde dieses Meisters befindet sich im großen Saale des Rubens und seiner Schule. S. oben bei seinem Namen!
  13. Die Bilder dieses Meisters befinden sich im Saale Rubens’ und seiner Schüler. S. oben bei seinem Namen!
  14. Das hier besprochene Bild J. v. Huysum’s befindet sich im Saale des Rubens und seiner Schüler. S. oben bei seinem Namen.
  15. Seine Bilder befinden sich gleich bei dem Eingange in die Galerie an der Wand links, in der französischen Schule. S. oben bei seinem Namen.
  16. Seine Gemälde befinden sich im Saale Rubens’ und seiner Schüler. S. oben.
  17. Seine Gemälde befinden sich an den Fensterwänden im Saale Rubens’ und seiner Schüler. S. oben.