Die Entwickelung der Kriegsflotten

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Autor: R. Werner
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Titel: Die Entwickelung der Kriegsflotten
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aus: Die Gartenlaube, Heft 38, S. 623–626
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1882
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Die Entwickelung der Kriegsflotten.

Von Contre-Admiral a. D. R. Werner.

Die Geschichte und ihre Denkmäler künden uns, daß die Schifffahrt eines der ältesten Gewerbe der Menschheit ist. Die vor nicht langer Zeit aufgedeckten ägyptischen Tempelgräber von Sakara zeigen in ihren Wandsculpturen Fluß- und Seeschiffe aus dem dritten und zweiten Jahrtausend vor Christo. Sie sind von verhältnißmäßig so hoher technischer Vollkommenheit, daß bei den damaligen Culturzuständen schon andere Jahrtausende verflossen sein mußten, bevor sie sich aus den Uranfängen der Schifffahrt, aus dem roh zusammengefügten Floß und dem vom Feuer ausgehöhlten Baumstamme, so weit entwickeln konnten.

Wir finden in ihnen Ruder- und Segelkraft vereint, zweckmäßige Form des Rumpfes und Elasticität bei genügender Stärke, um dem Anprall der Wogen gewachsen zu sein, sowie eine große Zahl jener einfachen und doch kunstreichen Hülfsmittel zur Erleichterung der Arbeit, wie wir sie noch jetzt in wenig veränderter Gestalt an Bord benutzen.

Diese Fahrzeuge dienten friedlichen und kriegerischen Zwecken zugleich; Handel und Seeraub gingen zu jener Zeit Hand in Hand; denn während die ersten Seefahrer, die Phönicier, auf kühnem Kiel zu den verschiedenen Inseln und Gestaden des Mittelmeeres schifften, um deren Bewohnern ihre Landesproducte feilzubieten, füllten sie auf der Heimreise die entleerten Räume mit geraubten Menschen für die Sclavenmärkte von Sidon und Tyrus. Ihr Beispiel reizte zur Nachahmung, und bald bedeckte sich das Meer mit Tausenden von Raubschiffen, die es beutegierig durchfurchten. Es wurde ein Krieg Aller gegen Alle; der Seehandel ging zu Grunde, und den Anfängen der Cultur drohte Vernichtung.

Da griff Minos von Kreta mit fester Hand ein, säuberte den griechischen Archipel von der Pest der Seeräuberei und schuf wieder gesicherte Bahnen für den friedlichen Verkehr, um dafür nach seinem Tode von dem dankbaren Volke auf den Richterstuhl der Unterwelt erhoben zu werden.

Wenn auch in mythischem Gewande, begegnen wir in diesen den Seeräubern feindlichen Schiffen des Minos der ersten Kriegsflotte, und zwar wurde sie nicht geschaffen, um den ruhm- und beutesüchtigen Gelüsten eines Fürsten zu dienen, sondern um Handel und Wandel zu schirmen und damit der Welt einen civilisatorischen Dienst zu leisten. Nur die Thatsache ist uns berichtet, über die Schiffe selbst und ihre Verwendung fehlen alle Angaben.

Jahrhunderte vergehen; dann tritt uns im Zuge der Griechen nach Troja die zweite Kriegsflotte entgegen, poetisch verherrlicht durch die Gesänge Homer’s. Doch die Schiffe, welche Achill, Ulysses und die andern griechischen Helden trugen, sind, wenn wir sie des dichterischen Nimbus entkleiden, wenig fortgeschritten gegen die der ägyptischen Königin Thutmosis auf den Grabwänden von Sakara. Wie jene führen sie eine Reihe Ruder, einen Mast, ein Segel; sie dienen nur zum Transport der Krieger, aber liefern keine Kämpfe auf dem Wasser.

Wieder entschwindet ein halbes Jahrtausend, von Sage umwoben, bis mit den gewaltigen Heereszügen des Darius und Xerxes die Geschichte in ihr Recht tritt, um fortan die Weltereignisse mit ehernem Griffel zu verzeichnen und für uns zu bewahren. Marathon und Salamis sind die Marksteine dieser Periode, in der sich historisches Licht von mythischem Dunkel scheidet, und ihnen ist es zu danken, daß nicht asiatisches Barbarenthum unseren Welttheil überfluthete und die aufblühende Cultur Europas wieder auf Jahrtausende erstickte.

Vor Allem aber ist es eine Kriegsflotte, welche diese Wendung herbeiführt und damit bestimmend in die zukünftigen Geschicke der ganzen Welt eingreift. Wie ein begnadeter Seher hat Themistokles nach Marathon den Griechen zugerufen: „Baut Trieren!“ und glücklicher Weise sind sie seinem Rathe gefolgt. Die Schlacht bei Salamis wird geschlagen, die gewaltigste, welche der Ocean gesehen, 336 peloponnesische Schiffe stehen gegen 800 persische – 70,000 Griechen gegen 160,000 Meder.

Der Kampf ist wild und blutig; er dauert bis zur Nacht, und Xerxes schaut ihm vom Fuße des Aegaleos aus zu. Doch bald wird sein Blick trübe und starr. Die regellose Masse seiner Schiffe wird von den Griechen decimirt; ihre ehernen Schiffsschnäbel bohren sich mit tödtlicher Sicherheit in die wehrlosen Flanken der [627] nautisch untüchtigen Gegner, um diese in Hekatomben zum Hades zu senden. Ihnen hilft keine Tapferkeit; ihre Pfeile prallen von den Rüstungen der Hopliten, der griechischen Fußtruppen, ab, aber deren Waffen treffen die ungeschützten Leiber der Perser stets blutig.

Als die Nacht ihre dunklen Schatten herniedersenkt, da bedecken nur Schiffstrümmer und Leichen das wogende Schlachtfeld, der siegesjubelnde Päan (Schlachtgesang) der Griechen erfüllt die Luft, und sein Echo hallt an den Bergen wieder.

Sie haben die Schlacht gewonnen, und Xerres verhüllt zorn- und schmerzerregt das Antlitz. Die Seinen fliehen; der Ruhm seiner Waffen ist dahin – doch Europa ist vor den Barbaren gerettet. 200 persische Schiffe sind zerstört, 40,000 Mann ihrer Besatzungen von den Fluthen verschlungen, während die Sieger noch nicht den fünften Theil eingebüßt haben.

Was Themistokles bei Salamis begonnen, das vollendeten Xanthippus und Cimon in den nächsten dreißig Jahren bei Mykale, am Eurymedon und bei Cypern. Die griechische Kriegsflotte schwang sich in diesem Zeitraume zur alleinigen Beherrscherin des Mittelmeeres auf, um unter Perikles ihren Höhepunkt zu erreichen. Ihr Typus ist das Dreireihenschiff, die Triere, über welche die Geschichte so genaue Data hinterlassen hat, daß wir uns ein ziemlich erschöpfendes Bild von ihr machen können.

Der Bau der ersten Trieren wird den Korinthern zugeschrieben. Ihre Techniker leisteten damit Vorzügliches, und schon die äußere Erscheinung dieser Fahrzeuge verräth den hohen Standpunkt der damaligen Schiffsbaukunst. (Bild 1.)

Sie waren von schlanker eleganter Form, welche ihnen Schnelligkeit sicherte, während der feine Schnitt ihres Rumpfes gleichzeitig die Manövrirfähigkeit begünstigte. In diesen beiden Eigenschaften gipfelte der kriegerische Werth der Trieren, deren Taktik hauptsächlich nicht in dem Kampfe von Mann gegen Mann, sondern von Schiff gegen Schiff bestand, indem sie mit einem vorn in der Wasserlinie angebrachten Sporn die Seite des Gegners zu durchbohren und denselben zu vernichten suchten.

Die zu diesem Zwecke erforderliche Beweglichkeit wäre durch Benutzung des Windes als Motor zu sehr beschränkt worden; deshalb bediente man sich in der Schlacht nur der Ruder, auf deren möglichst geschickter Handhabung der Sieg beruhte.

Die Mannschaft solcher Trieren bestand aus 200 Köpfen. Davon waren 170 Ruderer, 12 bis 15 Soldaten, und den Rest machten die Officiere, Handwerker und Diener aus. Die Ruderer arbeiteten in drei Reihen über einander, und das Arrangement war ein sehr sinnreiches, sodaß sich der Rumpf des Schiffes verhältnißmäßig nicht hoch über das Wasser erhob und die Ruder der oberen Reihen nicht zu lang und schwerfällig wurden.

Die Herrschaft der Trieren behauptete sich fast ein Jahrhundert lang. In der letzten Hälfte des fünften Jahrhunderts v. Chr. besaß Athen allein nicht weniger als 400 Trieren, von denen Perikles 300 stets seebereit und 60 zur Wache und Uebung ununterbrochen im Aegäischen Meere hielt. Es war der Glanzpunkt der griechischen Seemacht; bald sollte sie jedoch im unseligen peloponnesischen Kriege sich gegenseitig vernichten.

Mit dem Beginn des vierten Jahrhunderts wurde die Triere durch ein größeres Modell verdrängt. Nachdem die Karthager bereits mit Vierreihenschiffen vorgegangen waren, baute Dionysius der Erste von Syrakus die ersten Fünfreihenschiffe, die Penteren, welche fortan die entscheidenden Factoren in den Seeschlachten wurden. Sie waren bedeutend größer als die Trieren; ihre Länge betrug etwa 52 Meter bei 8 Meter Breite, 4½ Meter Tiefgang und 500 Tonnen (1000 Centner) Gehalt. Die Besatzung belief sich auf 400 Köpfe, worunter sich 300 Ruderer befanden, während die Zahl der Soldaten allmählich wuchs, da sich auch die Kampfweise der Schiffe veränderte.

Die Römer gaben den Impuls zu dieser Aenderung. Ihr Kampf mit den Karthagern konnte nur auf dem Meere ausgetragen werden; doch sie waren kein Seevolk; deshalb suchten sie ihre Landkampfweise auf die Schiffe anzuwenden. Nachdem sie eine Flotte von 120 solcher Fahrzeuge gebaut, besetzten sie die selben mit einer großen Zahl Schwerbewaffneter und rüsteten sie mit Enterbrücken aus, d. h. mit Brücken, welche mit Haken versehen waren, um sie auf die nahenden feindlichen Schiffe fallen zu lassen und diese festzuhalten.

Damit trat an die Stelle des Kampfes von Schiff gegen Schiff der von Mann gegen Mann, und die Entscheidung der Schlacht beruhte nicht mehr wie bisher auf dem nautischen Geschick der Ruderer, sondern auf der Masse und militärischen Schulung der eingeschifften Soldaten. Die Folge dieser neuen Taktik war der Sieg der Römer über die Karthager gleich in der ersten Seeschlacht bei Mylae im ersten punischen Kriege und der baldige Zusammenbruch der karthagischen Seeherrschaft, welche nunmehr Rom antrat, um sie fast ein halbes Jahrtausend zu behaupten.

Die veränderte Kampfweise beeinflußte naturgemäß den Bau der Kriegsschiffe. Ihre hauptsächlich auf den Spornstoß berechnete Leichtigkeit und Beweglichkeit wich größeren und schwereren Formen, und unter den Epigonen Alexander’s des Großen entstanden nicht nur Zehn- und Sechszehn, sondern unter Ptolemaeus Philopator sogar ein Vierzigreihenschiff.

Die Construction so gewaltiger Schiffe stellte an die Technik ungemein hohe Anforderungen, sodaß die Schiffsbaukunst sich nothwendig sehr vervollkommnen mußte, und besonders war es Syrakus, das sich darin auszeichnete.

Indessen fanden diese Vorgänge keine allgemeinere Nachahmung; im Gegentheil wurde der Schiffsbau vernachlässigt, als die Herrschaft der Römer sich mehr und mehr ausbreitete, sie in den unbestrittenen Besitz des Mittelmeeres gelangten und mit keiner andern Nation mehr zu rivalisiren hatten. Sie begnügten sich mit Fünfreihenschiffen, und die bis zum Beginn unserer Zeitrechnung noch vorkommenden größeren Seekriege gegen Mithridates von Pontus, zwischen Cäsar und Pompejus, sowie die Schlacht von Actium wurden mit jenen Fahrzeugen ausgefochten.

In dem letzten Jahrhundert v. Chr. vollzog sich jedoch wiederum eine die Bau-Art der Kriegsschiffe beeinflussende Taktik. Während seit Salamis bis zu den punischen Kriegen der Spornstoß die Hauptrolle spielte und darnach die Enterung in den Vordergrund trat, machte sich jetzt das Bestreben geltend, sich mehr aus der Ferne zu bekämpfen.

Man versah die Schiffe mit Wurfmaschinen verschiedener Art, um schwere Pfeile, Speere, Balken, Steine und brennende Stoffe schleudern zu können, und ebenso errichtete man auf den Verdecken Thürme, in denen Bogenschützen postirt wurden, um die Mannschaften auf den feindlichen Verdecken auf weitere Distanzen unschädlich zu machen. Diese Belastung der Schiffe zwang zum Aufgeben der feinen Linien, der schlanken und gefälligen Formen, durch welche sie sich bisher ausgezeichnet hatten.

Nach Aufrichtung des römischen Kaiserreiches fanden bis zu dessen Auflösung keine größeren Seeschlachten statt, und die Flotte beschränkte sich auf die Reinhaltung des Mittelmeeres von Seeräubern. Dreihundert Jahre herrschte Ruhe auf dem Meere, und wie das Kaiserreich überhaupt, verfiel in dieser Zeit auch seine Flotte. Die größeren Schiffe verschwanden; die Schiffsbaukunst stieg reißend schnell von ihrer einstigen Höhe herab, und bis zum zehnten Jahrhundert nach Chr. bestanden die Flotten des Mittelmeeres nur aus kleinen Fahrzeugen mit einer Ruderreihe ohne maritime Bedeutung.

Indessen verlegte sich der Schwerpunkt des Seewesens nach dem Norden Europas; dort waren es die Angelsachsen und Skandinavier, welche in ihrem wagenden Muthe den Anstoß dazu gaben. Im Beginne unserer Zeitrechnung noch hatten sie nur Einbäume und schwache Fahrzeuge aus Weidengeflecht, mit Thierhäuten bezogen, aber sie bekämpften damit nicht nur Sturm und Woge ihrer ungastlichen Küsten, sondern griffen selbst die Trierenflotten der römischen Eindringlinge an, wenn ihre Tapferkeit auch an der feindlichen Kriegskunst scheiterte.

Doch sie verloren nicht Muth und Selbstvertrauen; sie verbesserten ihre Fahrzeuge, und das vor einiger Zeit im Nydamer Moor im Schleswigschen aufgefundene und wunderbar erhaltene dreißigruderige Boot aus dem dritten Jahrhundert nach Chr. giebt Zeugniß, welche erstaunliche Fortschritte unsere Vorfahren in der kurzen Zeit im Schiffsbau gemacht hatten. Der Zug von Hengist und Horsa nach England auf solchen Tschulen, wie diese Boote hießen, erscheint nicht mehr gefährlich.

Als die Angeln und Sachsen in Britannien eine neue Heimath gefunden, da entsagten sie für Jahrhunderte dem Meere und wandten sich dem friedlichen Ackerbau zu, doch die Einfälle der wilden nordischen Seekönige rüttelten sie wieder aus ihrer Ruhe auf und riefen die alten Erinnerungen in ihnen wach. Ihre Könige Alfred und Edgar schufen neue Flotten, schlugen die Dänen und die Wikinger und jagten sie über die Nordsee zurück.

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Kriegsschiffe aus alter und neuer Zeit. Originalzeichnung von Fritz Stoltenberg.
1. Triere, Alterthum. – 2. Wikinger Schiff, XI. Jahrhundert. – 3. Kriegsschiff Heinrich’s des Achten von England, XVI. Jahrhundert. – 4. Venetianische Galeere, XVII. Jahrhundert. – 5. Holländische Kriegsschiffe salutirend, XVII. Jahrhundert. – 6. Englisches Linienschiff, XVIII. und XIX. Jahrhundert. – 7. Panzerschiff „König Wilhelm“, XIX. Jahrhundert. – 8. Torpedodampfer „Ziethen“, XIX. Jahrhundert.

[630] Nummer 2 unserer Bilder veranschaulicht ein solches Wikinger Schiff aus dem neunten Jahrhundert, wie es kürzlich in Norwegen gefunden wurde; es ist zum Segeln und Rudern eingerichtet und mit Kriegern gefüllt, deren Schilder sich längs der Bordwand zeigen.

Zweihundert Jahre später sehen wir in den Schiffen Wilhelm’s des Eroberers, deren treue Abbilder uns die Gobelins von Bayeux aufbewahrt, einen bedeutenden Fortschritt in der Schiffsbaukunst; die Ruder sind fortgefallen; drei Masten mit Raasegeln haben sie ersetzt, und die feste runde Bauart verräth das Hochseeschiff, welches jetzt in den nordischen Meeren die Ruder zu verdrängen beginnt, um für seine Bewegung nur noch mit den Winden zu rechnen.

Bis zum Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts vervollkommnete sich das Seewesen wenig, dann aber gaben zwei zeitlich nahe liegende Momente ihm einen bedeutenden Aufschwung: die Einführung des Compasses und die ihr bald folgende Erfindung der Schußwaffen. Von beiden Neuerungen machten zuerst die Schiffe der damals auf dem Höhepunkt ihrer Seemacht stehenden Hansa Gebrauch, und sie zogen wesentliche Verbesserungen im Schiffsbau nach sich. Der Compaß gestattete die bisherige Küstenfahrt zu verlassen und die Handelsverbindungen bedeutend weiter auszudehnen, wodurch sich das Seewesen nothwendig heben mußte. Bisher einander fremde Nationen kamen sich näher, tauschten ihre Erfahrungen aus und zogen daraus für ihre Schifffahrt Nutzen, der Norden jedoch am meisten. Seinen Seeleuten wohnte der höhere Unternehmungsgeist bei; sie gingen nach dem Mittelmeere, während dessen Küstenbewohner sich auf ihre ruhigen Gewässer beschränkten. Durch die längeren Reisen wurden Jene gezwungen, ihre Schiffe besonders stark und seefest zu bauen, und die Armirung mit Geschützen erforderte ebenfalls sowohl starken Bau, wie veränderte Form.

Merkwürdiger Weise wuchsen die Schiffe nicht so an Größe, wie man hätte annehmen sollen. Ihr durchschnittlicher Raumgehalt belief sich auf 300 Tonnen, wie ihn die hölzernen Kanonenboote unserer Marine haben, und 500 Tonnen (eine Größe wie die unserer kleinen Segelbriggs für Schiffsjungen) war während des ganzen Jahrhunderts eine Ausnahme. Selbst die Schiffe des Columbus hatten nur etwa 300 Tonnen Gehalt, und sein Wagniß, damit den atlantischen Ocean zu kreuzen, erscheint dadurch nur noch bewundernswerther.

Mit dem sechszehnten Jahrhundert erweiterten sich jedoch die Dimensionen der Schiffe; ebenso schieden sich um diese Zeit die Kriegsflotten von den Handelsmarinen und begannen eigene militärische Körper zu bilden. Bis dahin wählten nämlich die Regierungen für Seekriege die größten Handelsschiffe aus, um sie zu bewaffnen, und Heinrich der Achte von England schuf zuerst die Grundlage einer nur für den Krieg bestimmten Flotte, worauf die übrigen Mächte allmählich seinem Beispiele folgten.

Das Zeitalter der Entdeckungen überzeugte die Seestaaten, daß nur tüchtige Kriegsflotten ihnen einen Antheil an den durch die Zeit gebotenen Vortheilen sichern und ihnen Macht und Reichthum schaffen könnten, was die Anregung zu weiterer Vervollkommnung des Schiffsbaues gab; man erbaute nunmehr namentlich größere Fahrzeuge und vermehrte die Geschützzahl bedeutend. Die ersten Versuche nach dieser Richtung hin fielen allerdings noch nicht sehr glücklich aus, und der um 1513 erbaute „Henry Grace à Dieu“ mit seinen beiden unförmlichen Castellen, den unser Bild Nr. 3 darstellt, zeigt eine geradezu ungeheuerliche Figur. Er führte 80 Geschütze und hatte doch nur einen Raumgehalt von 1000 Tonnen, also so viel wie unsere kleinsten Dampfcorvetten von 10 Geschützen. Allerdings befanden sich unter jenen 80 Kanonen nur etwa fünfzig 18- bis 9-Pfünder, während die übrigen aus 6- bis 1-Pfündern bestanden.

Doch schon drei Jahrzehnte später änderte sich die Sache. Die thurmartigen Aufbaue wurden ganz bedeutend reducirt; die Takelage stieg symmetrisch in die Höhe, und von dieser Zeit an schritt der Schiffbau in stetiger Vervollkommnung vorwärts. Die niederländischen Kriegsschiffe aus dem siebenzehnten Jahrhundert (Bild Nr. 5) zeigen bereits den Uebergang zu den ebenso zweckmäßigen wie eleganten Formen der Fregatten und Linienschiffe des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts.

Im Mittelmeere, der Wiege des Seewesens, blieb man jedoch in dieser Beziehung zurück und ließ sich von dem energischen Norden in jeder Beziehung überflügeln. Mit der verwüstenden Völkerwanderung war mit anderen geistigen Gütern auch die einst so hochstehende antike Schiffsbaukunst verloren gegangen. Die Galeere, wie sie Bild 4 aus dem Jahre 1600 zeigt, war zwar eine Nachahmung der alten Triere, jedoch lange nicht so vollkommen wie sie und nur mit einer Reihe Ruder versehen, welche nicht Seeleute, sondern Verbrecher und Sclaven führten. Mit ihren 5 Geschützen, ihrer niedrigen Lage über Wasser und ihrer leichten Bauart war sie den starken Hochbauschiffen nicht gewachsen und verschwand in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts aus der Reihe der Kriegsflotten.

Während des siebenzehnten Jahrhunderts entwickelten sich die Letzteren ganz ungemein: England, Holland, Frankreich und Spanien rangen fast ein halbes Jahrhundert in zahllosen blutigen Kämpfen um die Herrschaft des Meeres, und die Kriegsschiffe wuchsen an Zahl und Größe. Mit dem englischen „Royal Sovereign“ trat 1640 das erste Linienschiff (Dreidecker) auf, um fortan als Schlachtschiff die Stärke der Flotten zu bilden und den Ocean zwei Jahrhunderte lang zu beherrschen. Mit ihm fand diese Form einen ungefähren Abschluß und änderte sich bis zur Anwendung der Dampfkraft auf die Schifffahrt verhältnißmäßig nur wenig, wie dies der Vergleich zwischen den Bildern 5 und 6 zeigt, obwohl beide Typen über 150 Jahre aus einander liegen, jener dem siebenzehnten und letzterer unserem Jahrhundert angehört. Die hauptsächlichsten Veränderungen während dieses Zeitraumes beschränken sich auf das Verhältniß von der Breite zur Länge des Rumpfes, das von 1:3 in 1:4 übergeht, um sich auf diesem Punkte bis zur Einführung der Dampfkraft zu erhalten.

Ebenso vollzog sich allmählich eine Wandlung in der Bewaffnung der Schiffe. Man verringerte die Zahl der Geschütze und die Vielfältigkeit ihrer Kaliber, um die letzteren dafür zu vergrößern, und strebte dahin, die Technik der Geschützfabrikation zu vervollkommnen. Bei Erfindung der Kanonen stellte man diese aus Schmiedeeisen her; später ging man zum Guß über, aber daß derselbe sehr zu wünschen übrig ließ, geht aus der Thatsache hervor, daß während einer Seeschlacht zwischen Engländern und Holländern 1666 auf den Schiffen der Letzteren nicht weniger als 118 Geschütze sprangen.

Seit Mitte des siebenzehnten Jahrhunderts begann man auch der Taktik größere Aufmerksamkeit zu schenken; denn wenn man bis dahin dieselbe wenig beachtete und ohne sichtbare Ordnung kämpfte, so entstanden jetzt feste Regeln für die Bewegungen der einzelnen Schiffe wie der Geschwader, und die Manövrirkunst wurde zu einem wichtigen Factor, um in der Schlacht Vortheile über den Gegner zu erringen.

Mit der zunehmenden Größe der Schiffe und der Geschütze wuchs auch die Zahl der Bemannung. Während man im siebenzehnten Jahrhundert ungefähr 5 Mann auf ein Geschütz rechnete, stieg dieses Verhältniß im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert bis zu 10, sodaß z. B. die Linienschiffe unserer Zeit von 90 Kanonen, welche lange 32-, 24- und 18-Pfünder führten, 900 Mann Besatzung – statt wie früher die Hälfte – zählen. Andererseits verringerte sich die Zahl der Schlachtschiffe in der Flotte, da die Bau- und Unterhaltungskosten ja bedeutend größer wurden. 1646 kaufte Frankreich von Schweden 4 ausgesuchte und voll ausgerüstete Kriegsschiffe von 36 bis 44 Kanonen, wie sie damals das Gros der Schlachtschiffe ausmachten, für 72,000 Thaler; ein einziges dreideckiges Linienschiff von 90 bis 100 Kanonen kostete dagegen zu Anfang des Jahrhunderts über 1 Million Thaler.

So kam es, daß wir 1673 98 holländische gegen 110 englische Kriegsschiffe sehen, während die großen Schlachten von St. Vincent, Abukir und Trafalgar um den Beginn unseres Jahrhunderts nur mit einem Dritttheile jener Zahlen und weniger geschlagen wurden. Man kann sagen, daß um diese Zeit die Kriegsflotten den Höhepunkt ihrer Leistungsfähigkeit erreicht hatten und die Segelschifffahrt kaum noch Verbesserungen wesentlicher Art erfahren konnte. Die Manövrirkunst und die Taktik waren hoch ausgebildet und litten nur an einem Mangel: an der Abhängigkeit vom Winde.

Der Einführung der Dampfkraft auf den Schiffen war es vorbehalten, diesen Mangel zu beseitigen, aber sie eröffnete für die Kriegsflotten auch gleichzeitig eine neue Aera in Bezug auf Bauart, Taktik, Zusammensetzung und Bewaffnung.

1807 baute Fulton den ersten Flußdampfer. Schon 1815 lief in den „Vereinigten Staaten“ der erste Kriegsraddampfer, die Fregatte „Fulton“, mit 32 Kanonen vom Stapel, und sehr bald folgten die übrigen Seemächte dem gegebenen Beispiele. [631] So bedeutende Vortheile indessen der neue Motor für Kriegszwecke besaß, indem er den Schiffen eine unbegrenzte Manövrirfähigkeit verlieh, beschränkten andererseits verschiedene Mängel seine Wirksamkeit: für Linienschiffe war der Radkasten zu unförmlich; bei den kleineren Schiffen lagen Maschinentheile über Wasser; ein einziger Treffer konnte sie zerstören und damit das ganze Schiff kampfunfähig machen. Die Radkasten boten ein großes Ziel, hinderten die Aufstellung von Geschützen und beeinträchtigten die nautischen Eigenschaften der Schiffe.

Man suchte deshalb nach einem besseren Motor und fand ihn in der Schraube. Ihre Vorzüge waren so bedeutend, daß sie sich sehr bald einführte, die kaum seit zwei Jahrzehnten bestehenden Raddampfer als Schlachtschiffe vollständig verdrängte und seit 1840 in den Flotten zur Alleinherrschaft gelangte. Die geschützte Lage aller Maschinentheile unter Wasser, die Möglichkeit, die frühere Segel- und Geschützkraft in ihrem vollen Umfange beizubehalten, im Gefecht dagegen sich vom Winde unabhängig zu machen, waren zu große Vortheile, als daß man sie nicht sofort allseitig hätte erkennen sollen.

Es begann sich deshalb eine allgemeine Umwandlung der Kriegsschiffe in Schraubendampfer zu vollziehen, und mit ihr trat wieder eine Aenderung der Form auf. Um den durch Maschine und Kohlen eingenommenen, aber nicht entbehrlichen Raum wieder zu gewinnen, wurde das Verhältniß der Breite zur Länge bis auf 1:6 und 7 erhöht und damit zugleich eine größere Geschwindigkeit erzielt. Kaum war jedoch diese für alle Marinen mit ungemein großen Kosten verknüpfte Aenderung vollzogen, als das Kriegsseewesen nothgedrungen schon wieder in eine neue Phase treten mußte, die abermals eine vollständige Umgestaltung der Schlachtschiffe nach sich zog.

Das Linienschiff, der Stolz des Oceans, das ihn länger als zweihundert Jahre beherrscht und so viele Schlachten entschieden hatte, trat seit 1860 von dem Schauplatze seiner ruhmvollen Thätigkeit ab, um den Panzerschiffen den Platz zu räumen.

Letztere verdanken ihren Ursprung den Verbesserungen der Artillerie und namentlich den Bombenkanonen, welche 1822 von dem Franzosen Paixhans erfunden wurden und sich allmählich auf deren Flotten einbürgerten.

Die darauf folgende lange Friedenszeit bot keine Gelegenheit, die Wirksamkeit der neuen Geschütze zu erproben, und erst die Schlacht bei Sinope, sowie der Angriff der alliirten Flotten auf Sebastopol während des Krimkrieges gaben ein erschreckendes Zeugniß davon; denn in ersterer vernichteten die Granaten russischer Schiffe in nur wenigen Stunden einen großen Theil der türkischen Flotte, und während des letzteren richteten die gleichen Geschosse der Festungswerke einen verheerenden Schaden auf den englisch-französischen Schiffen an.

Diese Erfolge sprachen das Todesurtheil über die hölzernen Schlachtschiffe aus, und man gewann die Ueberzeugung, daß nur eine angemessene Eisenpanzerung Schutz gegen solche furchtbare Wirkungen bieten könne.

Napoleon der Dritte gab dieser Idee praktische Gestaltung, indem er noch während des Krieges schwimmende Batterien mit Eisenplatten decken und sie zur Beschießung von Kinburn verwenden ließ. Der Ausgang des Kampfes entsprach den gehegten Erwartungen: die schwimmenden Batterien litten sehr wenig und blieben Sieger gegen die Festung.

Mit dieser Thatsache begann eine vollständige Umwälzung der ganzen Seekriegführung, und im Jahre 1860 wurden die gepanzerten hölzernen französischen Fregatten „La Gloire“, „Invincible“ und „Normandie“ fertig gestellt, denen das rivalisirende England alsbald zwei bedeutend größere eiserne, den „Black Prince“ und „Warrior“ gegenüberstellte.

Während die schwimmenden Batterien von Kinburn jedoch nur einen Panzer von 10 Centimeter Dicke besaßen, welcher gegen die Granaten der achtundsechszigpfündigen Bombenkanonen völlig genügte, erhielten die genannten Fregatten schon eine Stärke von 12 Centimeter; denn inzwischen war ein anderer wichtiger Factor aufgetreten, mit dem man zu rechnen gezwungen war: die gezogenen Geschütze mit ihrer so viel größeren Durchschlagskraft waren in’s Leben getreten, und mit ihnen begann der Kampf zwischen Panzer und Kanone, der in den letzten zwanzig Jahren die Techniker zu Leistungen anspornte, welche früher für absolut unmöglich gehalten wurden, der den Seestaaten viele Tausende von illionen gekostet und bis zum heutigen Tage noch keinen Abschluß gefunden hat.

Die ersten gezogenen Schiffsgeschütze hatten einen Seelendurchmesser von 15 bis 16, die ersten Panzer eine Stärke von 10 Centimeter; jetzt ist man für erstere schon bei 45, für letztere bei 60 Centimeter angelangt.

Das Gewicht solcher Eisenmassen stellte Anforderungen an die Tragkraft der Schiffe, für welche neue Formen gefunden und die Dimensionen bedeutend vergrößert werden mußten. Es ent standen daher Kolosse von 120 bis 130 Meter Länge und 20 bis 25 Meter Breite, gegen welche die früheren Linienschiffe in den Schatten traten.

Dieser Wechsel ging ungemein schnell vor sich; eine Erfindung jagte die andere; in fieberhafter Hast überboten sich die Nationen, namentlich England und Frankreich, in Neuconstructionen, und während z. B. unser „König Wilhelm“ (siehe Bild Nr. 7) zur Zeit seiner Erbauung (1865 bis 1868) mit 20 Centimeter Panzer und 18 Stück 24 Centimeter-Geschützen für das größte und stärkste Kriegsschiff galt, war er nach wenigen Jahren aller Orten überholt und würde jetzt im Kampfe mit einem der neuesten englischen Panzerschiffe, z. B. „Inflexible“ (40 bis 60 Centimeter Panzer und 4 Stück 45 Centimeter-Geschütze) bald vernichtet sein.

Die Versuche, Panzer und Kanonen zur bestmöglichen Verwerthung in der Schlacht zu bringen, rief eine Reihe verschiedener Schiffstypen in’s Leben, Breitseit-, Casematten- und Thurmschiffe, welche letztere wieder in solche mit drehbaren, oben geschlossenen, und festen, oben offenen Thürmen zerfallen, in denen die Geschütze über Bord feuern, und die sämmtlich auch in unserer Marine vertreten sind. Bei den ersten („Friedrich Wilhelm“) sind die Geschütze auf dem größten Theile der Breitseiten vertheilt, auf den Casemattschiffen in einer besonders stark und ringsum gepanzerten Casematte in der Mitte des Schiffes concentrirt. In den Thürmen stehen nur je 2, aber dafür desto schwerere Geschütze. Man zieht in neuerer Zeit die Thurmschiffe ohne Bemastung vor, und ebenso scheint man jetzt nicht mehr über 100 Meter Länge und 22 bis 24 Meter Breite hinausgehen zu wollen, um das Manövriren nicht zu hindern.

Lezteres ist mehr als je für die Seekriegführung in den Vordergrund getreten, um die furchtbare Waffe des Sporns, mit dem jedes Panzerschiff ausgerüstet wird, möglichst gut zu verwenden, da ein gelungener Stoß den Gegner versenken oder wenigstens kampfunfähig machen kann. Man hat zwar versucht, der Gefahr des schnellen Sinkens in solchem Falle („Ré d’Italia“ bei Lissa, „Großer Kurfürst“) durch Construction eines doppelten Schiffsbodens mit Hunderten von wasserdichten Abtheilungen vorzubeugen, bezüglich sie zu vermindern, hat aber bis jetzt noch keine Garantie dafür, da entscheidende Proben der verschiedenen Systeme natürlich ausgeschlossen sind.

Eine Folge des Sporns ist die gänzliche Umkehrung der früheren Taktik. Die Stärke der Segel- und Schraubenschiffe lag in ihrer Breitseite. Für den Angriff entwickelte sie mit ihrer gesammten Geschützzahl die größte Kraft, und für die Vertheidigung schadeten die feindlichen Geschosse dort am wenigsten, während sie in der Längsrichtung die größten Verheerungen anrichteten. Bei den Panzern liegt die größte Stärke jedoch vorn im Bug, für den Angriff im Sporn und schweren in der Kielrichtung schießenden Kanonen, für die Vertheidigung in der scharfen Form des Vordertheils, wo die feindlichen Geschosse den Panzer nur unter einem spitzen Winkel treffen können und dadurch ungemein an ihrer Kraft einbüßen.

Man sieht, die Kriegführung der Jetztzeit ist so ziemlich wieder dort angelangt, von wo sie auf griechischer Seite in der Schlacht von Salamis ausging. Hier wie dort der Sporn und das Bestreben, ihn im Nahkampfe zur Geltung zu bringen; hier wie dort Unabhängigkeit vom Winde beim Manövriren, wobei das frühere Ruderwerk durch die Dampfmaschine ersetzt ist; jetzt wie damals vorwiegend Einzelkämpfe von Schiff gegen Schiff, statt des Zusammenwirkens von größeren Abtheilungen.

Wer weiß jedoch, welche kurze Lebensdauer dem neuesten Schlachtschiffe beschieden sein mag? Den Goliath „Panzer“ bedroht bereits der David „Torpedo“, jene schrecklichste und unheimlichste aller Waffen, welche menschlicher Zerstörungssinn hat erdenken können. Schon früher – zu den verschiedensten Zeiten – ist der Torpedo aufgetaucht, aber erst das letzte Jahrzehnt [632] hat ihn in der Gestalt des Fischtorpedos soweit verbessert, daß er an Bord der Kriegsschiffe eingeführt worden ist. Er wird aus Röhren mit comprimirter Luft ausgestoßen und bewegt sich bis auf etwa 1000 Meter mit einer durch dieselbe Kraft in Thätigkeit gesetzten Schraubenmaschine vorwärts. Wenn er sein Ziel trifft, so ist seine Wirkung geradezu gewaltig, und kein Panzerschiff der Welt kann dann der Vernichtung durch ihn entgehen.

Noch ist die Kriegsbrauchbarkeit des Torpedos nicht vollständig, sein berechneter Weg nicht sicher; er kann noch plötzlich einen Bogen machen und sich gegen das Schiff derjenigen wenden, die ihn geschleudert haben. Aber es ist kaum zu bezweifeln, daß seine Verwendung für Kriegszwecke früh oder spät eine gesicherte werden wird, und in dieser Voraussicht ist er auf allen Marinen eingeführt worden. Zu seiner Forcirung bedarf es nur kleiner Fahrzeuge, der Torpedoboote von kaum 30 Meter Länge und wenigen Mann Besatzung, wie sie sich täglich in den Marinen mehren und von denen sich für die Kosten eines Panzerschiffes 50 bis 100 bauen lassen (siehe Bild Nr. 8). Man erhöht ihre Geschwindigkeit auf 20 Knoten und mehr, während für Panzer 14 Knoten ein Maximum ist. Wie will ein solcher Koloß sich des Angriffs von 10 bis 20 dieser Fahrzeuge erwehren? Er mag mehr als drei Viertheile von ihnen zerstören und ist doch verloren.

Welch furchtbares Bild gegenseitiger Vernichtung wird die nächste Seeschlacht bieten? Möge sie noch in recht weite Ferne gerückt sein!

Die Wandelung des Seekriegswesens seit Einführung des Dampfes hat aber – um dies zum Schlusse nicht unerwähnt zu lassen – auch in anderer als kriegerischer Beziehung bedauerlich gewirkt. Sie hat den poetischen Nimbus verscheucht, der das Segelschiff umgab. Wenn dieses mit seinen schlanken schönen Formen über die Azurfläche des Meeres graziös dahinglitt und der Wind sanft die Segel schwellte, deren schneeige Leinwand sich in Pyramidenform symmetrisch hoch aufbaute, dann bot es eine Erscheinung, die Herz und Sinn erfreute. Zwischen ihm und dem Seemanne, der sich Jahre lang auf ihm schaukelte, Freud’ und Leid auf ihm durchlebte, wob sich ein Band der Zusammengehörigkeit, das Jenen mit magischer Kraft an sein Schiff fesselte. Er hielt es hoch wie eine Geliebte; er fühlte sich wohl und behaglich auf ihm, mochte es ihn in Stille oder Sturm, im Frieden oder im Kampfe tragen. Dagegen das Schiff von heute – der Dampfer! Schwarzer Rauch ringelt sich in dichten Wolken aus den Schloten und verfinstert die Sonne, die sonst freundlich und friedlich auf die Segelfläche herabschien. Gejagt vom Geiste der Zeit, saust es ohne Ruhe und Rast dahin – es mag dem berechnenden Verstande genügen, dem Herzen nicht. Nach wie vor wird der Seemann auf dem Panzerschiffe seine Pflicht thun, aber jenes zarte Band ist für immer zerrissen – er wird es nie lieben können.