Um die Erde. Elfter Brief: Eine Fahrt durch die Prairie Dacotahs

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Textdaten
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Autor: Rudolf Cronau
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Titel: Um die Erde. Elfter Brief: Eine Fahrt durch die Prairie Dacotahs
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aus: Die Gartenlaube, Heft 38, S. 623–626
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1882
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Um die Erde.
Von Rudolf Cronau.
Elfter Brief:0 Eine Fahrt durch die Prairie Dacotahs.

Westlich vom Red River of the North liegt ein Land, so groß wie manches Königreich, größer als Preußen. Bis vor Kurzem ward dieses 141,000 englische Quadratmeilen umfassende Territorium in den geographischen Handbüchern kurz abgethan, etwa mit den Worten: „gehört zu den wildesten Theilen der Vereinigten Staaten, ist zum größten Theile unbekannt, wenig bevölkert und die Heimstätte kriegerischer Indianerstämme.“ Im Westen reicht dieses Gebiet bis zur Mündung des Gelbsteinflusses, im Süden bis zum Keya-Paha und dem Niobrara; durch den wilden Missouri wird es von Nordwest nach Südost in zwei Hälften getheilt. Ungeheure Länderstrecken der östlichen Hälfte und der gesammte Westen dieses Gebietes sind noch ödes Wüstenland, bald endlose flache Prairien, wogenden Grasseen gleich, bald welliges Land, sogenannte „rollende Prairie“, die sich nach Südwesten hin zu immer höheren, wilderen Zügen emporschiebt, um endlich in den aus buntfarbigem Thon gebildeten, nur für den Naturfreund und Geologen interessanten „bad lands“ und in den nadelholzbekleideten goldberühmten „Schwarzen Bergen“ ihre höchste Erhebung zu finden. Baumlos ist dieses endlose Gebiet, nur an den zahlreichen Seen und größeren oder kleineren Strombetten finden wir spärliche Waldungen von Eichen, Baumwollen- und Hickoryholz; sonst ist alles Prairie, bestanden von dem langen, wogenden Büffelgrase, unter welches sich bunte sternförmige Astern und seltsame Sonnenblumen, die eine Höhe von acht Fuß erreichen, malerisch mischen. Das ist Dacotah, das Territorium, welches dereinst dazu berufen sein wird, eine große Rolle in der Reihe der Staaten der Union zu spielen.

Das hochinteressante Land reizte besonders meine Neugierde, und flugs bestieg ich in St. Paul, der Hauptstadt Minnesotas, einen Eisenbahnzug zur Fahrt nach dem Westen. Bei Einbruch der Nacht erreichten wir die Stadt Bismarck, von wo aus ich am nächsten Morgen per Stage meinen Ausflug nach der sechszig englische Meilen südlich am Ufer des Missouri gelegenen Standing-Rock-Agentur anzutreten gedachte. Die „Stage“ war ein kleiner viersitziger Wagen, offen und ohne Verdeck, mehr zum Transporte des Gepäcks als zur Beförderung von Passagieren bestimmt, deren es in jener Gegend freilich auch kaum zwei bis drei im Jahre geben mag.

Gegen Zahlung von 7 Dollars erstand ich von dem Agenten der „Stage-Gesellschaft“, der zugleich einen Handel mit Oefen und sonstigen Eisenwaaren unterhält, das Recht, auf diesem Vehikel einen Tag lang durch die wilden Prairien zu fahren. Als wir Bismarck verließen, lag dasselbe noch still und todt; nur hier und da eine übernächtige Gestalt von zweifelhaftem Aussehen. Der Strich Landes zwischen Ort und Fluß ist mit wüstem struppigen Gebüsch bewachsen, das den dürren, sonnverbrannten Bergen im Hintergrunde als besonders effectvoller Vordergrund dient. Oeder noch ward die Scenerie, als wir den „big muddy“, den „Großen Schlamm“, das heißt den Missouri, erreichten, dessen Fluthen gelb dahinschossen, gelb wie die Berge dort, an und auf denen sich die Gebäude des Forts Lincoln lagern. Schwarz und verkohlt ragten jenseits des Forts einige Höhen empor, auf denen das Prairiefeuer gewüthet. Die umherliegenden Steine und Felsbrocken machten den Eindruck von verstreuten Riesenknochen. Ein [624] eisiger Nordwind blies über die öde Steppe, und fester hüllte ich mich in die Büffelhäute, die ich in meinem Wagen vorgefunden hatte; den Farbenspuren auf der Innenseite nach, hatten sie früher einem Indianerwigwam angehört, eine Wahrnehmung, die meine Gemüthsstimmung nicht gerade hob; wilder schwang der Treiber seine endlose, schlangenartige, nur mit einem kurzen Handgriff versehene Peitsche, und die Maulthiere mochten dieses Instrument gar wohl kennen; denn sie griffen nun noch einmal so schnell aus und trugen uns im Galopp den entfernten Hügelketten zu, die in feinem bläulichem Dufte vor uns lagen, bald langgestreckte, sargartige, bald wellenförmige oder zackige Höhen bildend. – Wir überschritten einen Strich, auf welchem wenige Tage vorher ein Prairiefeuer alles Leben vernichtet hatte. Soweit das Auge reichte, war Alles, Alles, selbst die Oberfläche des Bodens verkohlt – nur hier und da dürre, hohläugige Büffelschädel und bläulichweiße Antilopenskelete!

Nach einer halben Stunde hatten wir diese traurige Einöde passirt; um uns sahen wir wieder, wenn auch spärliche Zeichen des Lebens. Ueber den mit struppigem Buschwerk und Cottonbäumen bewachsenen Niederungen des Missouri wiegten sich mächtige Falken und Aasgeier, nach Beute spähend, während uns zu Füßen in dem wogenden Büffelgrase buntgefärbte Schlangen dahinschossen. Wir fuhren den ganzen Morgen, ohne einem menschlichen Wesen zu begegnen; rings um uns her lag der endlose Ocean gelben, wogenden Grases, eine Einöde von großartigem, aber unheimlichem Zuge. Diese baum- und strauchlosen Steppen bildeten das Königreich, auf welchem die Dacotahs, der mächtigste und neben den Apachen und Comanchen der berüchtigtste aller nordamerikanischen Indianerstämme, seine Jagdgebiete hatte.

Je weiter wir in die Prairie gelangten, desto fesselnder wurden die Bilder, die sie uns bot: dunkle Wolkenschatten zogen eiligen Fluges über die Hügel und Thäler dahin, oft einen ganzen Landstrich überschattend, der kurz vorher noch in herrlichen gelben, braunrothen oder röthlichen Tönen geleuchtet. Im Osten erglänzte manchmal der Lauf des Missouri aus tiefblauen, tafelförmigen Hügelketten; an anderen Stellen wieder wand er sich wie ein dunkles Band durch schimmernde Gelände. Nach Mittag erst erreichten wir den „Cannon ball river“, den „Kanonenkugelfluß“, welcher seinen Namen der eigenthümlichen Erscheinung verdankt, daß sich in den Felswänden, die der Fluß durchbrochen, häufig runde Steinblöcke, ähnlich den steinernen Kanonenkugeln des Mittelalters finden, von den Wassern halb bloßgelegt, sodaß sie den Glauben hervorrufen können, als seien die senkrechten Felswände die Zielscheiben einer Artillerie gewesen, deren Steinkugeln aber keine Kraft besessen, ganz in die Felswände einzudringen.

In dem Thale dieses Flusses ist ein Indianerdorf gelegen, und in den Büschen trieben sich Kinder herum, über und über mit Zinnober bestrichen.

Wir hielten vor einem kleinen, inmitten der hohen Bergwände gelegenen Blockhause, um Mittagsmahl zu halten und die Maulthiere zu wechseln. Der Mann, welcher hier seine abgelegene Clause aufgeschlagen und gleich einem Anachoreten lebt, war ein Canadier, französischer Abkunft, trug indianisches Costüm, lederne Beinkleider mit Franzen und Perlstickereien, Mocassins und ein Jagdhemd. Er hatte in seiner Clause ein Essen aufgetischt, bei dessen Anblick alle gutgearteten europäischen Mägen sich umgewendet haben würden, hier aber, inmitten der Einöde, drückte man ein Auge zu und zahlte auch gern mit Hôtelpreisen – 50 Cents gleich 2 Mark deutschen Geldes.

Nach diesem Mittagsmahle ging es weiter, vor dem Wagen ein Maulthier und ein unbändiges indianisches Pony, welch letzteres zum ersten Male als Zugthier benutzt wurde. Nachdem es eine Zeit lang gegen das ungewohnte Joch gewüthet und getobt, schien es sich in sein Schicksal zu fügen; wir fuhren, drei Personen stark, ab, durchschritten zweimal den jetzt ziemlich seichten Fluß und gelangten dann auf ebene Prairie. Der heftige Wind, der den ganzen Morgen uns in den Rücken gepfiffen und mächtige Staubwolken in den Missouriniederungen aufgewirbelt, hatte sich ein wenig gelegt, dagegen aber war der Himmel mit Regenwolken umzogen. Tief einsam war es wieder rings umher – da und dort ein Prairiehuhn, das, durch das Rollen unseres Wagens aufgeschreckt, schwirrend emporflog, sonst aber als Staffage nur ab und zu Büffel- oder Hirschskelete – wer weiß: vielleicht auch das des Jägers, welcher einst diese Thiere gejagt.

Als wir nach einstündiger Fahrt wieder in hügligeres Terrain einlenkten, hielt ein Indianerzug vor uns, ein äußerst malerisches Bild gewährend: in einem kleinen Karren, auf dessen Vorspannpferden zwei riesige in blaue Decken gehüllte Indianer saßen, tummelten sich einige Kinder, deren schwarze, glänzende Augen wie blitzende Beeren aus den dunklen, rothbemalten Gesichtern hervorleuchteten. Dem Karren folgte ein Weib, wie ein Mann rittlings zu Pferde sitzend und tief in ihre Decke gehüllt, zwei Kinder, allerhand Geräth und die grobe Leinwand des Wigwams hinter und neben sich aufgethürmt. Den Schluß des von Ziegen, Hunden und Füllen bunt umschwärmten Zuges bildete ein imposanter Indianer, über sechs Fuß hoch, in rosagewürfeltem Hemde und blauen, bändergezierten Beinkleidern, der mit einem Knüppel ein Pferd vor sich hertrieb; dieses schleifte die in zwei Bündel getheilten und mit den Spitzen zu beiden Seiten des Sattels befestigten fünfzehn Fuß langen Zeltstangen hinter sich her. Finsteren Blickes und ohne Gruß zog die Cavalcade vorüber und war gleich darauf hinter den Hügeln verschwunden.

Noch war ich in Erinnerung des Bildes ganz versunken, als eine neue Erscheinung auftauchte und sich in schier übernatürlich scheinenden Umrissen gegen den ziehenden Wolkenhimmel abhob. Ein Indianer war’s, der in wildem Jagen, einen Tomahawk schwingend, auf seinem struppigen Pony an uns vorübersprengte, eine wahre Enaksfigur. Lang flatterte das schwarze Haar, dessen Zöpfe mit rothen Tuchstreifchen umflochten, im Winde, und lang wehte die mächtige Adlerfeder, welche die Scalplocke des furchtbaren Kriegers zierte. In einem Augenblicke war der Ton der kleinen Schellen, mit denen er seine Beinkleider geschmückt, verklungen.

Auf den Hügeln erblickten wir nun hin und wieder verlassene Indianerhütten, von denen nur noch die aus vielen Stangen gebildeten Gerippe standen, oder wir kamen an einer der seltsamen Begräbnißstellen vorüber, wo die Todten, in ihrem vollen Schmucke und in Blankets gehüllt oder in roh zusammengeschlagene Kisten gelegt, auf hohen Gerüsten aufgebahrt werden. (Vergl. unsere Abbildung S. 625.)

Wir hatten eben den dreiundvierzigsten Meilenpfosten passirt und näherten uns dem Battle Creek, als unser Kutscher mit Peitschenhieben die Thiere anzutreiben suchte. Waren sie durch diese Hiebe oder durch die mit denselben verbundenen fürchterlichen Flüche des Rosselenkers erschreckt – genug, sie wurden unruhig, und das indianische Pony richtete sich kerzengerade in die Höhe, schlug nach vorn und hinten aus und ging dann, das Maulthier unaufhaltsam mit sich reißend, durch. Alle Versuche, das Thier zu bändigen, waren vergebens, steigerten vielmehr die Wuth desselben; es wurde noch mehr erschreckt, als der neben dem Treiber sitzende zweite Passagier, ein in einen hellblauen Soldatenmantel gehüllter Civilist, in einem günstigen Augenblick herauszuspringen suchte, dabei aber mit einem dumpfen Krache zu Boden schlug. Zugleich gerieth dem Pony die Wagendeichsel zwischen die Beine, und nun war keine Rettung mehr.

Immer rasender wurde die Jagd, immer geringer die Aussicht, die Thiere zur Ruhe zu bringen, und so wagte auch ich im letzten Augenblicke, als wir am Rande einer Schlucht anlangten, wo das fernere Geschick des Wagens sich unfehlbar entscheiden mußte, den nothwendigen Sprung. Ich fiel lang auf die Erde nieder, fühlte mich aber unwiderstehlich wie von unsichtbarer Gewalt emporgehoben und zu einem Kunststücke gezwungen, das mir in den Jahren meiner frühesten Jugend darum als Gipfelpunkt der Gymnastik erschienen war, weil ich es niemals auszuführen vermochte. Jetzt gelang es mir; denn ich hob die Beine kerzengerade gen Himmel und schlug rücklings den kunstgerechtesten Purzelbaum meines Lebens. Als sich dann meine unteren Extremitäten nochmals hoben, konnte ich mich eines Lachens kaum erwehren, als mir wie ein Blitz der Gedanke durch den Kopf fuhr, was wohl die ehrsamen Leser der „Gartenlaube“ dazu sagen würden, wenn sie den Correspondenten derselben in solchen Exercitien begriffen sähen. Doch trotz des Gedankens hatte ich auch den zweiten Purzelbaum mit aller Grazie zu vollenden.

Auf wunderbare Weise war der Wagen unterdeß durch die Schlucht gekommen, und sahen wir das Gespann mit demselben den Bergen zueilen. Der Treiber aber war herausgeschleudert worden und lag jammernd und fluchend in einem Strauche. Ich raffte mich auf, dem Wagen nachzueilen, um [625] wenigstens meine Tagebücher zu retten. Da sah ich plötzlich, wie der Wagen hoch in die Luft geschleudert wurde und in zwei Hälften brach, während gleich darauf auch das Maulthier stürzte und durch seine Last das an seinen Cameraden gefesselte Pony zum Stehen zwang.

Aechzend und seufzend kamen jetzt auch meine beiden Unglücksgefährten herbei, und nun gingen wir, unterwegs all die zerstreuten Gepäckstücke zusammenlesend, dem Schauplatz der Katastrophe zu, ich mit einem Tränkeimer, einer Sitzbank und zwei Büffelhäuten beladen.

Ein Indianerlager in West-Dacotah.
Nach der Natur gezeichnet von dem Specialartisten der „Gartenlaube“ Rudolf Cronau.
(Die zur linken Seite sichtbaren Gerüste stellen einen indianischen Begräbnißplatz dar.)

Du großer Gott, wie sah der Wagen aus! Kein Rad mehr an demselben – Deichsel und Achse zerbrochen – Boden und Seitenwände – total zersplittert! Die Postbeutel und den Rest unseres Gepäckes fanden wir im Umkreise von hundert Schritten.

Da saßen wir nun „im romantischen Lande“, mitten in der einsamen Prairie, von unserem Ziele noch siebenzehn lange Meilen entfernt!

Wir beluden das Maulthier mit den Poststücken und dem leichteren Gepäck, schoben einen Stock zwischen die Riemen meines Koffers, nahmen ihn an dieser improvisirten Tragbahre in die Mitte und wanderten so ab, die Thiere hinter uns herziehend. Wir durchwateten den Battle Creek und gelangten beim Einbruch der Dämmerung an den kleinen, etwa zweieinhalb Fuß hoch aus der Erde ragenden Felsblock, von dem die Standing-Rock-Agentur ihren Namen hat. Er steht bei den Indianern hoch in Ehren, im Geruche der Heiligkeit, und keiner der Vorübergehenden versäumt es, ihn über und über mit Fett zu salben oder mit Farben zu bestreichen, wie wir denn auch am Fuße des Blockes Blumen und Maiskolben niedergelegt fanden, wahrscheinlich Opfergaben irgend eines gläubigen Indianermädchens; denn an diesen Stein knüpft sich die Sage, daß eine junge Indianerin, die zu einer ihr widerwilligen Heirath gezwungen werden sollte, auf ihr Flehen hin vom Großen Geiste in diesen Stein verwandelt worden sei, und steht er darum namentlich bei den indianischen Jungfrauen in gutem Ansehen. – Als schon die Hügel bei der wachsenden Dämmerung mehr und mehr in einander verschwammen, erreichten wir ein etwa vierzig bis [626] fünfzig Zelte zählendes Indianerlager. In den weißen, gespenstig aus der Dunkelheit hervorleuchtenden Wigwams, hier „Tipi“ genannt, flammten die Feuer und ließen die Umrisse der im Innern sich bewegenden und kauernden Gestalten als scharfe Silhouetten auf der Zeltwand erscheinen.

Ein ganzes Rudel Hunde stürzte uns entgegen und meldete unsere Ankunft; zugleich erschienen da und dort die dunklen Gestalten der Krieger, deren aus Adlerfedern gefertigter Kopfputz im Winde flatterte.

Mittelst Zeichen und Beigabe einiger indianischer Brocken, die der eine meiner Reisegefährten inne hatte, erklärten wir den Rothhäuten das Malheur, welches uns betroffen, und fragten, ob sie uns gegen eine Vergütung auf einem ihrer Karren zum Fort bringen wollten, da die Beine meiner Unglücksgefährten so angeschwollen waren, daß sie sich kaum noch weiter bewegen konnten. Einer der Indianer erklärte sich auch bereit dazu und ging, sein Pferd zu holen, welches an Stelle des Ponys als Vorspann dienen sollte. Doch warteten wir seiner Rückkunft vergeblich, und da sich die anderen Krieger bei der zunehmenden Dunkelheit immer weniger willig zeigten, so zogen wir endlich unverrichteter Sache ab. Eine oder zwei Meilen wanderten wir, und verloren in der Dunkelheit mehrmals den Weg. Da plötzlich tönte es hinter uns, wie Schakalgeheul, ein langgezogener, gellend endigender Laut, der uns das Blut in den Adern fast erstarren machte. Eine halbe Minute später ertönte der Schrei rechts, in demselben Augenblicke links, und gleich darauf hörten wir es neben uns rascheln, und ein halbes Dutzend Indianer versperrte uns den Weg. Im Nu waren die Revolver heraus; die Hähne knackten; wir standen Rücken gegen Rücken, und mein einiger Brocken der Siouxsprache mächtiger Gefährte forderte energisch die unheimlichen Gesellen auf, den Weg frei zu geben, widrigenfalls wir sofort schießen würden. Wie in den Erdboden versunken, war die Gesellschaft, die uns wohl unbewaffnet geglaubt, verschwunden, und so schritten wir, die Finger beständig am Drücker des Revolvers, vorsichtig weiter und weiter, immer aber hörten wir es im Prairiegrase rascheln und vernahmen das Geräusch unterdrückter Stimmen. So kamen wir, ein zweites vor uns liegendes Indianerlager in weitem Bogen umgehend, an einen kleinen Fluß, durchwateten denselben und schritten dann, als wir unsere ungebetenen Begleiter nun nicht mehr neben uns hörten, so gut uns die Beine tragen wollten, in der Richtung fort, in welcher das Fort liegen mußte. Einen auf der Prairie herumlungernden Indianer schreckten wir noch auf, der sich aber auf unseren drohenden Anruf schleunigst bei Seite drückte.

Es war eine unheimliche Nacht: Regen und Wind strichen über die Prairie, und nur ab und zu unterbrach das Schnauben eines der Thiere das eintönige Klirren ihrer Geschirre. Den Weg hatten wir ganz verloren und irrten auf’s Gerathewohl durch das nasse hohe Büffelgras. Die Riemen meines Koffers rissen, und ich mußte denselben nun, wollte ich ihn nicht zurücklassen, auf die Schulter nehmen. Endlich, endlich, als wir schon verzweifelnd in Berathung zogen, ob es nicht rathsam sei, das nutzlose Suchen aufzugeben und die Nacht auf der Prairie zu verbringen, hoben sich, kaum sichtbar, die Umrisse des breiten Hügelrückens gegen den Nachthimmel empor, hinter welchem, der Aussage des Treibers zufolge, das Fort Yates und die Standing-Rock-Agentur liegen mußten, und mit dem Rest unserer Kräfte schritten wir dem Hügel zu.

Noch eine Stunde harter Wanderung – dann blitzten uns Lichter entgegen; bald darauf sahen wir die Wigwams vor uns; dunkle Häuserumrisse wurden sichtbar; wir hörten Trompetensignale und den Anruf der Soldaten, und nun erreichten wir endlich das als Postamt dienende Gebäude – gerade in dem Augenblicke, als der eine meiner Begleiter ohnmächtig zusammenbrach und die schwere Last des Koffers meinen von Kälte und Regen erstarrten Händen entfiel. Wir waren in Sicherheit.

Damit endete diese abenteuerliche Episode meiner Reise in’s „romantische Land“.