Die Eröffnung der Kemptnerhütte
[131] Die Eröffnung der Kemptnerhütte. (Zu dem Bilde S. 121.) Seit einer Reihe von Jahren sind die verschiedenen alpinen Vereinigungen bestrebt, durch Errichtung von Schutzhütten mitten in der Bergeseinsamkeit das Eindringen in die Herrlichkeiten der großartigen Alpenwelt zu erleichtern. Ausgerüstet mit bequemen Nachtlagern, Eß- und Trinkvorräthen, wohl auch in der guten Jahreszeit förmlich bewirthschaftet, bieten sie gleichsam die weit vorgeschobenen Posten der Kultur, von denen aus der Natur- und Gebirgsfreund seinen Vormarsch antritt in die wundersame Welt der Spitzen und Schrofen, des ewigen Eises und ewigen Schnees. Sie ermöglichen es dem Bergwanderer, die Tagesarbeit, welche ihm die Besteigung eines Gipfels, der Uebergang über ein Hochjoch bringt, von einem Theil des Anstiegs zu entlasten, der ihm sonst kostbare Stunden des Tages rauben und nur zu häufig erhebliche Schwierigkeiten bereiten würde. Denn über ein bereits von der Sonne erweichtes Schneefeld zu pilgern ist keine Kleinigkeit, knietief sinkt der Wanderer ein und auch der Kräftige ermüdet aufs äußerste. Es hängt darum viel davon ab, daß solche Strecken zu einer möglichst frühen Tagesstunde überschritten werden, wo die hartgefrorene Kruste der Oberfläche die Last eines Menschen noch zu tragen vermag.
Der Deutsche und Oesterreichische Alpenverein ist gegenwärtig im Besitze von nicht weniger als 129 solcher Hütten, welche von seinen Sektionen im Laufe der letzten dreißig Jahre erstellt wurden. Eine der jüngsten ist die von der Sektion Algäu-Kempten errichtete Kemptnerhütte am Obermädelejoch, jenem Uebergang vom Trettachthal oberhalb des vielbesuchten Oberstdorf im bayerischen Algäu hinüber nach dem oberen Lechthal. Sie wurde im August vorigen Jahres feierlich eröffnet. Unsere Abbildung giebt uns eine Darstellung der festlich geschmückten Hütte, um die sich die Festtheilnehmer gesammelt haben, Führer und „Herren“ Alte und Junge. Auch einen alten Bekannten, Leo Dorn von Hindelang, entdecken wir unter den Vordersten, und natürlich fehlt auch der Liebhaberphotograph nicht. Die Kemptner Hütte ist von mittlerer Größe. Sie bietet auf sechzehn Matratzen und zwei Heulagern Raum für fünfundzwanzig bis dreißig Personen. Möge ihr fester, wetterstarker Bau viel fröhliche Wanderer beherbergen!