Die Felsenbrücke
Die Felsenbrücke.
Mündlich, aus Oberwallis. |
Ein Hirt wollte Abends spat seine Geliebte besuchen
und der Weg führte ihn über die Visper, da
wo sie in einer tiefen Felsenschlucht rauscht, worüber
nur eine schmale Bretterbrücke hängt. Da sah er, der
Chilthbube, was ihm sonst niemals widerfahren war,
[277] einen Haufen schwarze Kohlen mitten auf der Brücke
liegen, daß sie den Weg versperrten; ihm war dabei
nicht recht zu Muthe, doch faßte er sich ein Herz
und that einen tüchtigen Sprung über den tiefen Abgrund
von dem einen Ende glücklich bis zu den, andern.
Der Teufel, der aus dem Dampf des zerstobenen
Kohlenhaufens auffuhr, rief ihm nach: „das war
dir gerathen, denn wärst du zurückgetreten, hätt ich
dir den Hals umgedreht, und wärst du auf die Kohlen
getreten, so hättest du unter ihnen versinken und
in die Schlucht stürzen müssen.“ Zum Glück hatte
der Hirt, trotz der Gedanken an seine Geliebte, nicht
unterlassen, vor dem Capellchen der Mutter Gottes
hinter St. Niklas, an dem er vorbeikam, wie immer
sein Ave zu beten.