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Die Gartenlaube (1870)/Heft 34

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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum: 1870
Erscheinungsdatum: 1870
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[529]

No. 34. 1870.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen. Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.


An unsere Leser!
Erst in dieser Nummer ist es uns vergönnt, mit directen Mittheilungen unserer Kriegsberichterstatter zu beginnen. Wenn wir nun, trotzdem jede Nummer drei Mal gesetzt wird, mindestens drei Wochen hinter den Tagesblättern und acht Tage hinter allen übrigen Wochenschriften zurückbleiben, so kennen unsere Leser die Ursache dieser Verspätung, wissen aber auch, daß wir bestrebt sein werden, durch gute Auswahl und künstlerische Ausstattung unserer Artikel diesen Uebelstand namentlich dadurch auszugleichen, daß wir auch für die Zeit nach dem Kriege und für die künftige Generation und die Geschichtschreibung nur Wahres und Werthvolles in unserem Blatte niederlegen. Neuigkeiten, wie sie uns durch den Draht längst bekannt sind, werden nach alledem die Leser von der Gartenlaube nicht beanspruchen – wir beginnen mit den Anfängen des Krieges und lassen die Hauptactionen in den Schilderungen unserer Special-Berichterstatter folgen.
Die Redaction.


Die Thurmschwalbe.
Von Levin Schücking.
(Fortsetzung.)


Unter dem Einfluß der Art und Weise, wie Graf Ulrich Maurach die ganze Sache aufnahm, schien der Richter ein wenig irre geworden; er zögerte zu antworten; aber Melusine, die mit einem Gesicht, auf dem sich die heftigste Bewegung spiegelte, ihre Augen auf seine Züge geheftet hatte, fiel ein: „Es spricht Alles, Alles dafür, daß Sie und nur Sie der Mörder sind, Graf Ulrich! Und nicht allein der armen Frau, sondern vielleicht auch der Tochter … wo ist die Tochter der Frau Wehrangel … das Mädchen ist verschwunden – spurlos verschwunden … wo ist sie?“

„Immer besser,“ rief Graf Ulrich aus … „sie ist verschwunden – und also kann Niemand anders als ich sie entführt haben! Oder ebenfalls ermordet!“

„Der Verdacht liegt auf Ihnen, Herr Graf,“ versetzte kalt Melusine.

Graf Ulrich sah auf Melusine mit einem Blicke verzehrender Wuth. Es schien ihn ein furchtbarer Zorn zu erfassen, daß man ihm so ruhig und kalt diese Worte in’s Gesicht zu schleudern wagte. War es vielleicht der Zorn, daß just diese Lippen es waren, die den Verdacht wider ihn aussprachen? Er richtete wenigstens von nun an seine Antworten nur noch an Melusine.

„Und welches sind die Gründe dieses Verdachts, meine gnädige Cousine?“ sagte er mit bleicher, bebender Lippe.

„Wo waren Sie während dieser Nacht?“ entgegnete sie rasch und heftig.

Er fixirte sie einen Augenblick, dann sagte er: „Sie sahen mich selbst eben aus meinem Schlafzimmer treten.“

„Allerdings zu unserer Ueberraschung,“ fiel hier der Richter ein, „denn da Ihr Pferd im Stalle fehlte, mußte angenommen werden, Sie hätten sich nach der That auf demselben geflüchtet. Der Reitknecht sagte zwar aus, Sie hätten sich mit demselben gestern Abend zwischen acht und neun Uhr entfernt, jedoch da der Mord nach allen Inzichten um diese Stunde noch nicht vollzogen sein kann, so erschien es wahrscheinlich, daß Sie den Reitknecht bestochen hatten; diese Aussage zu machen. Sie behaupten jetzt also, die Nacht in Ihrem Schlafzimmer zugebracht zu haben?“

Melusine schien voll Spannung auf seine Antwort an seinen Lippen zu hängen. Aber er antwortete nicht, er schlug nur die Arme über der Brust zusammen und rief herausfordernd: „Ich wünsche die weiteren Gründe des Verdachts zu hören. Ich war also nicht in meinem Schlafzimmer während der Nacht – ist das Alles?“

„Sie waren nicht in Ihrem Schlafzimmer,“ entgegnete der Richter, „nein, denn Ihr Diener Joseph sagt aus, daß er es zwischen zwölf und ein Uhr betreten, und daß er Sie nicht gefunden hat.“

„Und der zweite Grund,“ fiel hier Melusine ein, „ist der, daß Sie der einzige Mensch sind, der ein Interesse bei dem Morde hatte, aus dessen Verhältniß zu der Ermordeten er erklärlich ist.“

„Das ist richtig,“ sagte Graf Ulrich mit höhnischem Tone; „Sie haben darin vollkommen Recht, meine gnädige Cousine. Ich habe am gestrigen Tage; wie Sie wissen; eine Unterredung mit Frau Wehrangel gehabt …“

„Frau Wehrangel hat Ihnen gesagt, daß sie die einzige, rechtmäßige Erbin der Herrschaft Maurach sei,“ fiel Melusine ein.

„Das hat sie mir gesagt,“ versetzte mit demselben Trotz Ulrich und, mit einem Seitenblick sich zu dem Beamten wendend, [530] fügte er hinzu: „Ueberlassen Sie so nun das ganze Verhör meiner gnädigen Cousine hier, und Sie werden sehen, wie sie mir ein vollständiges Geständniß abgewinnt. Fragen Sie weiter, meine gnädige Cousine. Sie haben, da wir auf diesen Punkt kommen, ja ohnehin wohl ein wenig das Recht, hier das erste und entscheidende Wort zu führen. Denn wenn Frau Wehrangel todt, ihre Tochter verschwunden ist, dann sind Sie, denk’ ich, hier auf Schloß Maurach jetzt wohl so etwas wie die Herrin, Gebieterin und Dame Châtelaine et haute Justiciére. Und wenn das auch nicht wäre, es thut nichts, ich erkenne Ihre richterliche Autorität über mich vollkommen an und unterwerfe mich Ihrem Urtheilsspruch. Sie werden mich also köpfen oder guillotiniren lassen, meine Gnädigste?“

Melusinens Augen leuchteten zornig auf, als sie auf diese mit größter Bitterkeit hervorgestoßenen Worte mit einer ganz ungemäßigten Heftigkeit antwortete: „Wenn Sie sich nicht besser zu verteidigen vermögen, als Sie es bis jetzt gethan, Herr Graf, so könnte das allerdings Ihr Schicksal sein. Es wäre besser, Sie gäben eine Auskunft, wo Sie die Nacht waren ...“

„Meine gnädige Cousine,“ versetzte Graf Ulrich, „ich werde Ihnen darüber keine Auskunft geben. Niemals. Ich werde mich zehnmal lieber guillotiniren lassen, als Ihnen diese Auskunft zu geben!“

„Also Sie gestehen ein, in der Nacht abwesend gewesen zu sein; Sie gestehen ein, von der Ermordeten erfahren zu haben, daß sie, Frau Wehrangel selbst, die verschollene nächste Verwandte des letzten Grafen von Maurach, daß sie Ernestine Maurach war; daß Sie also an dieselbe dies Ihr Schloß und den ganzen Nachlaß des Grafen Walram herauszugeben gehabt hätten; Sie gestehen auch ferner Ihre früheren offenen Erklärungen, daß Sie niemals gutwillig einem anderen Prätendenten auf Ihren Besitz weichen, daß Sie ihn eher erwürgen würden …“

„Welches Letztere in dieser Nacht geschehen ist!“ unterbrach Graf Ulrich sie ruhig.

„In der That, diese Bekenntnisse lassen an Offenheit nichts zu wünschen übrig,“ fiel hier der Richter ein. „Der Pfarrer Lohoff hier, der mit den Verhältnissen der ermordeten Frau Wehrangel genau bekannt war, und den sein naheliegendes Interesse an der Sache bei der ersten Nachricht von dem Vorgefallenen hierherzog, hat in der Wohnung der Frau Wehrangel uns aufgefordert, nach deren Papieren zu forschen – nach Papieren, welche deren Geburtsrechte und die Verheirathung der Ermordeten constatiren müßten. Wir haben solche Papiere nicht gefunden. Wenn Sie, Herr Graf, die That begangen haben, so mußte Ihnen dabei zunächst daran liegen, sich dieser Papiere zu bemächtigen. Sind dieselben in Ihrem Besitze? … Wir würden eine Nachforschung hier in Ihrem Zimmer danach anstellen müssen –“

„Dann,“ sagte Graf Ulrich ruhig, „würden Sie sie hier in diesem Zimmer finden. Um Ihnen die Mühe der Nachforschung zu ersparen, will ich sie Ihnen geben!“

Graf Ulrich zog einen Schlüssel hervor und trat an seine auf dem Spiegeltisch zwischen den Fenstern stehende Cassette, die er öffnete. Er zog zwei zusammengefaltete Papiere daraus hervor, die er vor den Richter auf den Tisch warf.

Der Beamte nahm sie und entfaltete sie; es waren Urkunden mit Stempeln und Siegeln.

„Das hier ist ein Taufzeugniß für Ernestine Adelgunde Felicitas, eheliche Tochter des hochgeborenen Grafen Wenzel Eginhard von Maurach-Maurach und der Freiin Therese Hildegarde von Westerheim aus dem Hause Lorfeld … und dies hier …“

„Es ist von mir selber ausgestellt,“ unterbrach hier den Richter, der die zweite Urkunde zu lesen begann, der Pastor Lohoff, sich erregt vordrängend; „es ist die Bescheinigung der von mir als Cooperator zu Alsterstätten vollzogenen Trauung der Comtesse Ernestine Adelgunde Felicitas von Maurach mit meinem Bruder Ignaz Wilhelm Lohoff, dazumal Procuraturgehülfen und nebenbei Musiklehrer zu Maurach … es muß noch ein drittes Document da sein,“ fuhr der Pastor fort, „der Taufschein der aus dieser Ehe geborenen Annette Lohoff …“

„Das, wie Sie sehen, habe ich nicht,“ sagte Graf Ulrich lakonisch.

„Die beiden vorliegenden genügen,“ bemerkte der Richter.

„Allerdings,“ entgegnete Graf Ulrich, „sie genügen, um mich vollends zu vernichten! Ich war in der Nacht abwesend. Ich bin auch – meine gnädigste Cousine hier bezeugt es – ein Mann, von dem man sich der That versehen kann. Ich hatte das dringendste Interesse, diese Ernestine Maurach und ihre Tochter aus der Welt zu schaffen, um im Besitze des Erbes des Grafen Walram Maurach zu bleiben. Diese Urkunden hier, die Beweise, daß ich nicht der rechtmäßige Besitzer bin, werden in meinen Händen gefunden. Herr Pastor Demeritus wird auch wohl bereits die Erklärung abgegeben haben, daß er am gestrigen Morgen zu mir kam, um mich zu warnen, um mir zu sagen, daß ich in meinem Besitze bedroht sei; daß er mir den Anstoß, den Wink gegeben, nicht zu zögern, wenn ich handeln wollte. In der Nacht darauf ist der Mord erfolgt. Es würde sehr thöricht von mir sein, wenn ich noch leugnen wollte! Die ganze Reihe der Indicien greift in der schönsten Weise ineinander; es liegt Alles klar vor Augen, mit einer Klarheit, die für einen guten Juristen, wie wir in dem Herrn Richter zu verehren haben, vollständig ärgerlich sein muß, da sie ihm nichts übrig läßt, zu entdecken, zu combiniren, aufzuhellen und durch eigenen Inquisitorscharfsinn an’s Licht des Tages und der Wahrheit zu bringen.“

„Sie irren, Herr Graf,“ versetzte der Richter kühl, „wenn Sie voraussetzen, es sei mein Wunsch, mich durch inquisitorischen Scharfsinn in dieser Angelegenheit bemerklich zu machen. Es ist das meines Amtes nicht. Meines Amtes ist nur, die ersten Erhebungen zu machen. In der Wohnung der Ermordeten ist das geschehen. Ich werde jetzt ein Protokoll über den Befund der Sachen und das hier soeben Stattgefundene aufnehmen, sodann einen Verhaftsbefehl wider Sie ausfertigen lassen. Damit hören meine Functionen auf, das Uebrige geht die Herren vom großherzoglichen Hofgerichte an, die mit dem Gerichtsarzt wohl im Laufe des Tages hier eintreffen und das Weitere anordnen werden. Ich, was mich angeht, habe Ihnen nur noch eine Frage vorzulegen, das ist die nach der verschwundenen Tochter der Frau Wehrangel. Was haben Sie über sie für Aufklärungen zu geben?“

„Keine, Herr Richter.“

„Sie weigern sich, nachdem Sie den Mord der Mutter eingestanden über die Tochter ...“

„Ich warte ab, bis man mir eine solche Reihe niederschmetternder Beweise, wie für meine Schuld am Tode der Mutter, auch dafür giebt, daß ich die Tochter getödtet habe oder irgendwo in einem Verließe dieses Schlosses geborgen halte. Dann, wenn man mir diese Beweise giebt, werde ich reden.“

„Bleiben Sie bei dieser Antwort, auch wenn ich Ihnen sage, daß man nach dem armen Mädchen eifrig und unablässig suchen wird, bis man es gefunden hat – todt oder lebendig – und daß ein Wort von Ihnen viel Mühe ersparen könnte, wenn Sie mit derselben Offenheit …“

„Ich bleibe bei der Antwort,“ unterbrach ihn Graf Ulrich, sich ungestüm abwendend, „machen wir ein Ende, schreiben Sie Ihr Protokoll, Ihren Verhaftsbefehl, und unterdeß erlauben Sie mir, mir mein Frühstück in meinem Schlafzimmer serviren zu lassen, wo ich Toilette machen werde, um würdiger Ihre erwarteten Gerichtsherren empfangen zu können.“

Der Graf winkte gebieterisch Joseph, der ihm in sein Schlafzimmer folgte. Der Richter trat mit ihm auf die Schwelle, um sich zu überzeugen, daß das Gemach keinen andern Ausgang hatte. Als er sich wieder gewendet und zurückbegeben, schloß Graf Ulrich hinter ihm das Zimmer. Und nun, wie mit einem Male, hatte ihn alle seine trotzige Kraft verlassen. Er brach wie unter einer plötzlich auf ihn fallenden Wucht zusammen. Er setzte sich auf das Ende seines Bettes. Seine Züge waren todtenbleich geworden. Und während seine Hände krampfhaft neben seinen Knieen das Holz seiner Bettstatt umfaßten, während sein Auge sich stier auf die gegenüberliegende Wand richtete, sagte er mit bebender Lippe leise für sich hin: „Ein Gottesgericht, ein Gottesgericht! Aber mögen sie mich zehn Mal guillotiniren, ehe ich ihr, ihr gestehe, wo ich war, was ich gethan in dieser Nacht!“



14.

Es war in der frühen Morgenstunde gewesen, als die in der Gesindestube auf Schloß Maurach um das Frühstück versammelte Dienerschaft durch die Nachricht aufgeschreckt worden war, daß sich in der verflossenen Nacht ein so entsetzliches Ereigniß zugetragen, daß ein Mord begangen worden, ein Mord an der Frau Wehrangel, [531] und vielleicht auch an ihrer Tochter, der armen, Allen an’s Herz gewachsenen Thurmschwalbe, an diesen beiden hülflosen, in ihren Thurmzimmern da oben von den anderen Schloßbewohnern so entfernten und so schutzlosen Frauen. Eine Stallmagd, die Morgens den Thurm zuerst zu betreten und der Frau Wehrangel frisch gemolkene Milch zu ihrem Frühstück zu bringen pflegte, war schreckensbleich und schreiend mit dieser Nachricht in die Gesindestube gestürzt gekommen, es war dann Alles aufgesprungen und auf dem kürzesten Wege draußen über die Terrasse in den Thurm gerannt, um hinaufzusteigen, die Männer voran, die Mägde angsterfüllt mehr und mehr zurückbleibend, je höher sie auf den steilen Stiegen hinaufkamen. Sie hatten gefunden, was, vor Schrecken und Entsetzen halb besinnungslos, die Stallmagd stotternd und ohne Zusammenhang berichtet: die in das Wohnzimmer der Frau Wehrangel führende Thür halb offen, die Frau selbst in diesem Zimmer, in ihren Nachtkleidern, auf dem Boden, auf einem Teppich vor dem Tische liegend, ermordet mit drei Wunden, aus denen das Blut das weiße Nachtkleid überströmt hatte. Es herrschte Unordnung im Zimmer, die Möbel standen verschoben, aber weitere Spuren von Kampf und Gewaltthätigkeit waren nicht sichtbar; auf dem Tische war die Lampe eben im Verqualmen begriffen gewesen. Von der Thurmschwalbe war keine Spur zu entdecken. Bei näherer Nachforschung hatte sich ergeben, daß ein Eckspind erbrochen offen stand und daß der Hut und der Mantel der Thurmschwalbe fehlten.

Während die Mägde nach diesen Kleidungsstücken sich umgesehen, hatte der Gärtner ausgerufen: „Zum Herrn, zum Herrn! Lauf’ doch Einer zum Herrn hinüber!“

„Der Herr,“ war Joseph hier mit bestürzter Miene eingefallen, „der Herr war diese Nacht nicht in seinem Bette.“

„Nicht in seinem Bette?“ hatten die Anderen, sich bei dieser merkwürdigen Versicherung um Joseph drängend, ausgerufen.

„Nein, ich habe zwischen zwölf und ein Uhr nach ihm sehen wollen; er war nicht da!“

„Er ist fort,“ sagte hier ebenso bestürzt der Reitknecht; „er ist mit dem schwarzen Gaul davongeritten; als ich in der Frühe in den Stall kam, war der Stall noch leer.“

Die Leute sahen sich mit großen Augen an; in Aller Gehirn war nur noch Ein Gedanke! Der Gärtner sprach zuerst wieder und sagte:

„Nun, dann laufe Einer nur rasch in’s Dorf zum Richter; das ist das Nöthigste. Und bis der kommt, laßt Alles hier ganz so, wie es liegt und steht; rührt nichts an, Leute; verrückt nicht das Mindeste – lauft zum Richter, sage ich!“

Der Gärtnerbursche und der Stalljunge waren zum Richter im Dorfe gelaufen; unterwegs in der Allee hatten sie den Pastor Demeritus gefunden – ihm war das Messelesen untersagt, so konnte er die Morgenstunden zum Spazierengehen verwenden – er ging mit dem aufgeschlagenen Breviere in der Hand; als die beiden Boten ihm zuriefen, was geschehen, erblaßte er und starrte sie stumm an.

„Nicht möglich!“ sagte er dann, schwer aufathmend, „nicht möglich … wer sollte das gethan haben?“

„Der Herr ist diese Nacht nicht in seinem Bette gewesen und ist mit seinem Rappen auf und davon!“ rief der Stalljunge aus.

In des Pastors verkniffene Züge kehrte die Farbe zurück.

„Ah!“ sagte er, wie unter einer Last aufathmend. „Der Herr! Ja, ja, ja … der Herr!“

„Wir holen den Richter!“ fuhr der Gärtnergehülfe fort.

„Ja, thut das, thut das!“ rief der Pastor in zitternder Erregung aus … Lauft nur, lauft, ich folge Euch; ich kann dem Richter über die Sache Licht geben!“

Er war den Jungen gefolgt; er war mit dem Richter dann zum Schlosse geeilt; er hatte auf dem Wege dahin dem Beamten Licht geben können, ein merkwürdiges Licht und genug jedenfalls, um den Richter im Voraus nicht im Zweifel zu lassen, von wem dies schreckliche Verbrechen ausgegangen und was das Motiv desselben gewesen.

So war der Beamte zum Schlosse gekommen und hatte in dem Zimmer der Ermordeten den unterdeß durch die Aufregung der Leute herbeigezogenen Vicomte de la Tour und seine Tochter gefunden und ausgefragt, untersucht und inquirirt und aus des Vicomte und Melusinens Munde Bestätigung dessen, was der Pastor Demeritus ihm enthüllt, erhalten, insofern sie es eben bestätigen konnten, bis weder er noch diese letzteren irgend einen Anstand nehmen durften, offen ihre Ueberzeugung auszusprechen, wer der Mörder sein müsse! Und dann hatte sich der Friedensrichter, um seine Erhebungen schriftlich abzufassen und zu einem regelrechten ersten Verhöre der Anwesenden zu schreiten, in das Wohn- und Schlafzimmer des Grafen Ulrich Maurach begeben – keineswegs gefaßt darauf, dort so plötzlich durch die Erscheinung des Grafen gestört zu werden, den Alle für flüchtig und längst weit entfernt hielten.

Während der Richter sich jetzt mit der Fassung seines Protokolls beschäftigte, war der Vicomte, sich auf den Arm seiner Tochter stützend, in sein Zimmer zurückgekehrt. Der durch seine Schicksale, durch alle die Erlebnisse seiner wechselvollen Vergangenheit mürbe gemachte Mann war in einer Gemüthsbeschaffenheit, daß ihm das Gehen, ja das Aufrechtsitzen schwer wurde. Er sank in einen Armsessel zusammen und begann laut zu jammern und sich anzuklagen. Er, er war ja der gewesen, der die nächste Veranlassung zu der entsetzlichen That geworden. Er hatte durch seine Reden den Grafen Ulrich aufgehetzt; er hatte ihm gezeigt, was für ihn auf dem Spiele stehe, wenn jene Verwandte Ernestine noch lebe; er hatte ihn veranlaßt, mit der Frau Wehrangel darüber zu reden, und nun hatte diese Frau, mit der Graf Ulrich sonst vielleicht noch jahrelang in friedlichster Eintracht zusammengelebt, diesem gestanden, bewiesen, daß sie, Niemand anders als sie, die verschollene Verwandte sei, welcher das Erbe des letzten Maurach gehöre; hatte sie bisher darüber zu schweigen Gründe gehabt, so hätte sie wahrscheinlich auch noch jahrelang darüber geschwiegen … wenn nicht er, er, der Vicomte, diese unselige Unruhe über die Sache an den Tag gelegt und den Graf Ulrich angetrieben …

Melusine unterbrach hier mit einer ganz leidenschaftlichen Heftigkeit ihren Vater. Sie war, ohne, wie es schien, auf ihn zu hören, in dem Zimmer auf- und niedergeschritten, hastig mit gespannten, bald bleich, bald roth werdenden Zügen, mit allen Zeichen einer gar nicht zu bemeisternden Erregung. Jetzt rief sie aus: „Ich bitte Dich, schweig, Vater, schweig und halt inne mit diesen thörichten Anklagen gegen Dich, gegen uns. Der Graf ist gar nicht durch uns zu seinen Nachforschungen gedrängt worden, das hat er uns ja selbst gesagt, sondern er hat von anderer Seite her Warnungen erhalten, durch jenen Herrn Lohoff, der, wie wir jetzt erfahren haben, der Mann der Ermordeten und der Bruder des Pastors, der dies Licht in die Sache brachte, ist … und, Vater, ich bitte Dich –“ Melusine blieb, als sie dies hinzufügte, plötzlich vor ihrem Vater stehen wie beschwörend die Hände erhoben, fast drohend, und so fuhr sie fort: „Und, Vater, ich bitte Dich, läßt denn auch Du Dich so von dem Anscheine täuschen; hast denn auch Du den einfältigen Glauben, Graf Ulrich habe diese Frau Wehrangel ermordet?“

Der Vicomte fuhr bei dieser überraschenden Anrede aus seiner ruhenden Stellung empor. Er riß weit die Augen auf, und seine Tochter anstarrend, sagte er: „Anschein? Einfältiger Glaube? Aber ich meine, Du selbst zeigtest Dich doch sehr überzeugt von dem, was Du jetzt einen einfältigen Glauben nennst! Die Umstände zeugen mit mehr augenscheinlicher Klarheit wider diesen Mann, als irgend nöthig ist; und wenn er anfangs auch mit bewundernswerther Schauspielerkunst den Ueberraschten, Nichtswissenden spielte, so legte er ja selbst bald darauf ein unumwundenes Geständniß ab.“

Melusine wandte ihrem Vater den Rücken und schritt, wie zu zornig, um nur antworten zu mögen, dem Fenster zu.

„Graf Ulrich mag sein, was er will,“ versetzte sie dann die Worte unwillig hervorstoßend, „ein Schauspieler ist er nicht!“

„Aber ich bitte Dich, sein eigenes offenes Geständniß …“

„Sein Geständniß! Als ob der offenbarste Hohn zu verkennen gewesen wäre, der durch das Geständniß hindurchklang – die schneidendste Ironie!“

Der Vicomte sah einige Augenblicke wie hülflos und aus allen Geleisen geworfen auf seine Tochter, die fortfuhr, ihm den Rücken zuzuwenden, und jetzt ihre Stirn gegen die Fensterscheibe neigte. Endlich hub er wieder an: „Aber Melusine, ich begreife Dich nicht; die arme Frau da oben ist doch ermordet; wir haben doch selbst den schrecklichen Anblick gehabt; wir haben sie in ihrem Blute schwimmen sehen – wer anders sollte es gethan haben als er? Wir, die Einzigen die auch ein Interesse bei dem Leben oder Tode dieser Frau hatten, wir haben es nicht gethan; wir ahnten nicht einmal, daß sie …“

[532] „Nein, wir haben es nicht gethan,“ fiel, sich wendend, jetzt heftig Melusine ein; „aber noch weniger hat es der Graf gethan, der gar kein eigentliches Interesse bei ihrem Tode hatte. Denn ich bin vollständig überzeugt, daß er längst die eigentliche Lage der Dinge begriffen hatte, daß er sehr gut wußte, wie nach dem Erbrechte der Ermordeten nicht sein. sondern unser Erbrecht folgte … er müßte sehr einfältig und kurzsichtig sein, wenn er, nachdem wir seine Gedanken so wiederholt darauf gelenkt, nicht darüber nachgedacht hätte und zu dieser sehr naheliegenden Entdeckung gekommen wäre …“

„Er hat das durch nichts verrathen!“ rief der Vicomte aus.

„O doch, doch – er hat es mir verraten. Er hat Worte zu mir gesprochen, deren Bedeutung ich erst jetzt ganz verstehe. Er hat mir einen Heirathsantrag gemacht.“

„Dir einen Heiratsantrag?“

„Ja, gestern!“

„In der That? Den Du zurückwiesest natürlich …“

„Natürlich!“

„Aber dann liegt ja sein Plan ganz offen da – er hat die erste Erbin ermorden, die zweite heiraten wollen …“

„Nein, nein!“ rief Melusine zornig aus, „das Erste ist nicht wahr, nur das Zweite. Diese Frau Wehrangel hatte ihm Aufklärungen über ihr Recht gegeben, aber zugleich auch die Bürgschaft, daß sie ihr Recht nie werde wider ihn geltend machen, wie sie es bisher nicht wider ihn geltend gemacht hatte und sich unter einem ganz fremden Namen hier barg … mir aber hat er in seinem tollen Uebermuthe alsdann seine Hand geboten, um so auch der zweiten Prätendentin sicher zu sein und sie unschädlich zu machen …“

Melusine sprach diese Worte mit unsäglicher Bitterkeit.

„Aber dann,“ sagte der Vicomte, „begreife ich weder diesen Mord, noch das Geständniß des Grafen Maurach; dann begreife ich weder, wo er die Nacht war, noch wie die Papiere der Ermordeten in seinem Besitz gefunden werden konnten.“

„Wenn die Frau Wehrangel so sehr in Zwist und Hader mit dem Manne lebte, mit dem sie getraut war, daß sie sich von ihm geschieden hatte, daß sie unter einem angenommenen Namen fern von ihm hier wohnte – so liegt es nahe genug, zu denken, daß dieser Mann sie ermordet hat. Ein Fremder, der nach uns sich erkundigt hat, ist hier gestern aufgetaucht. Wer war es anders als dieser Mann? Hat nicht der Graf seinen Namen genannt, gestern noch, und nach ihm gefragt? …“

„Aber Du sahst doch, daß der alte Geistliche, der Pastor Demeritus, nicht im Entferntesten daran dachte, daß dieser Mann, sein Bruder, der Mörder sein könne, daß er vollaus von der Schuld des Grafen überzeugt war.“

„Ich sollte gesehen haben, was dieser Mann dachte, was sich hinter diesen verschmitzten Zügen für Vorsätze und Absichten bargen? Ich denke, es wäre sehr schwer, das zu sehen! Gerade weil er seinen Bruder für den Schuldigen hält, mag er desto eifriger darauf aus sein, den Grafen für den Schuldigen gelten zu machen. Und kurz und mit einem Worte, Vater: Graf Ulrich ist völlig unschuldig an der That, völlig, und er, er bekennt sich dazu, nur um uns, um mich zu höhnen, um uns seine Verachtung zu zeigen …“

„Melusine!“ rief hier der Vicomte, „aber das ist ja eine wahnsinnige Idee – das ist ja ganz absurd, ganz toll … der Graf sollte einen Mord eingestehen; er sollte mit der furchtbaren Schwere des Verdachts, der ihn belastet, sein Spiel treiben, indem er geradezu bekennt – er sollte sich verhaften lassen, er sollte der Gefahr, verurtheilt zu werden, hingerichtet zu werden, trotzen, und das Alles nur, um uns zu höhnen, aus wildem Uebermuth, in der Leidenschaft der Verachtung?“

„Eben in dieser Leidenschaft, in der Leidenschaft der Verachtung,“ entgegnete Melusine, „das ist der rechte Ausdruck! Und die Leidenschaft ist eben zu Allem fähig, und es ist nichts als Tücke, als Trotz, als Rachsucht gegen uns, was ihn so handeln läßt!“

Der Vicomte sah seine Tochter einen Augenblick ganz verwirrt und verloren an. Plötzlich sagte er mit einer ganz eigenen Betonung seiner Stimme:

„Ma foi, wenn es Rachsucht ist, so hat sie, scheint es, zum richtigen Mittel gegriffen!“

„Was willst Du sagen?“

„Daß Du in der That durch die Reden des Grafen merkwürdig aus dem Geleise geschleudert bist, mein Kind!“

„Nun ja, das bin ich!“ erwiderte Melusine bestimmt und rund heraus. „Dieser Mensch besitzt die Kunst, mich aus allen Geleisen zu schleudern. Er versteht es, mir die ganze Seele um und um zu wenden. Erst durch seinen Uebermuth. Ich bitte Dich, Vater, was gab ihm das Recht zu diesem Uebermuth uns gegenüber – zu diesem Wesen, das fortwährend sagte: ‚ich achte Dich nicht genug, nur etwas zu unterdrücken, was mir durch den Kopf fährt, etwas zu verschweigen, was mich Dir im übelsten Lichte zeigt?‘ Was gab ihm[WS 1] den Muth, mir seine schlechten und tollen Jugendstreiche zu gestehen, und endlich gar um meine Hand zu werben, als sei ich ein verlassenes Geschöpf, ein charakterloses, subalternes Wesen, so ein Stück Vagabundin wohl gar, das Gott danken müsse, wenn ein so hoher, erlauchter Herr sich zu mir herablasse? Aber derselbe Hochmuth, der mich so grenzenlos verletzt hat, hat ihm jetzt sein Benehmen eingegeben. Er sagt uns: ‚Ihr seid elende Menschen. Ihr seid unter falscher Vorspiegelung hierher gekommen, um mein Vertrauen zu mißbrauchen. Ihr kommt als Schlangen, die sich an meiner Brust nähren wollten. Ihr mit Eurem Recht wolltet mich verdrängen, verderben. Und jetzt frohlockt Ihr, daß Ihr mich als einen Mörder ausschreien könnt. So werde ich rasch beseitigt, wird Euch aller Kampf mit mir erspart, wird mein Mund stumm; meine Hand, die ich wider Euch erheben könnte, sehr bald kraftlos gemacht. Ihr wißt recht gut, daß ich nicht der Mörder bin. Aber Ihr wollt, daß ich es sei! Wohl denn, gut, ich bin es. Ich bin der Mörder, ja, ja, hundert Mal ja! Ich bin zu stolz, gegen Euch nur ein Wort darüber zu verlieren. Ich bin zu stolz, mit Euch zu streiten, gegen Euch mich zu rechtfertigen! Und wenn ich nicht zu stolz wäre, nicht zu groß, nicht zu adeligen Sinnes, um mit Euch darüber zu streiten, was könnte es mir helfen, mich zu rechtfertigen, Leuten gegenüber, die mich in ihrer erbärmlichen und gemeinen Habsucht nun einmal schuldig sehen wollen?‘“

(Fortsetzung folgt.)




Im Lager unserer Heere.

Von A. von Corvin.
Erster Brief.
Frankfurt a. M., Anfang August 1870.

Ihr mir nach Coblenz gesandter Brief mit Ihren Instructionen in Bezug auf meine Correspondenz für die Gartenlaube ist noch nicht in meinen Händen; da Sie indessen schleunigst Nachricht zu haben wünschen, so schreibe ich Ihnen augenblicklich, was ich seit meiner Abreise von London sah und beobachtete, was aber der Natur der Sache nach nicht viel sein kann, da der Krieg eigentlich noch nicht begonnen hat, wenn auch schon kleine Vorpostengefechte stattfanden und sogar schon eine kleine Anzahl von Verwundeten hier eingebracht wurde. Ich gehe jedoch morgen nach der baierischen Pfalz, und es ist sehr wahrscheinlich, daß mein nächster Brief reichhaltiger sein und interessantere Schilderungen bringen wird. Vorbereitend, wie alle bis jetzt stattgehabten Bewegungen, kann auch nur dieser erste Brief sein.

Die Aufregung, welche in London durch die Nachricht von dem sich so plötzlich zusammenziehenden Kriegsunwetter hervorgebracht wurde, war eine ungewöhnlich große, nicht nur an der Börse, sondern auch unter dem Publicum. Die Zeitungen erschienen täglich in mehreren Auflagen, und man sah überall auf der Straße Menschen, die eifrig lasen. Man wollte jedoch nicht recht an den Krieg glauben, und als die Nachricht kam, daß der Prinz von Hohenzollern auf seine Candidatschaft zum spanischen Throne verzichtet hatte, glaubte man den Frieden vollständig außer Frage. Sogar der Redacteur der „Times“ schrieb mir an jenem Morgen: „Die heutigen Nachrichten lauten so friedlich, daß ich es nicht für nöthig halte, Anordnungen in Bezug auf Kriegscorrespondenz [533] zu treffen“. Nach dem Vorfall in Ems zwischen dem Könige Wilhelm und dem französischen Gesandten zweifelte indessen kein verständiger Mensch in London mehr am Kriege, wenn sich auch manche von der Vermittlung Englands viel versprachen.

Viele englische Familien, welche beschlossen hatten, am Ende der Londoner Saison (Ende Juli) nach Deutschland in die Bäder zu gehen, änderten ihren Plan und man hörte die abenteuerlichsten Gerüchte über die Hindernisse und Schwierigkeiten, welche sich einer Reise nach Deutschland entgegenstellen würden. Am zwanzigsten, Morgens fünf Uhr, fuhr ich von London nach Ostende ab, wo wir nach etwa zwölf Stunden ankamen, und fuhr um sieben Uhr weiter nach Köln. In Brüssel war es sehr lebhaft. Die Bierhäuser saßen voll junger Leute, die zur Armee einberufen waren und ziemlich viel Lärm machten; das heißt sie sangen aus vollem Halse patriotische Lieder, die ich aber leider nicht verstehen konnte, da sie in vlämischer Sprache gesungen wurden, die kein civilisirter Mensch außerhalb eines Theils von Belgien versteht.

Die Pferdeaushebung von Düsseldorf.
Nach der Natur aufgenommen von Chr. Sell in Düsseldorf.


Wir hatten unterwegs gehört, daß Köln in Kriegszustand erklärt sei, und waren auf allerlei Scherereien gefaßt; allein wir wurden höchst angenehm überrascht. Die Zollbeamten waren ganz ungewöhnlich höflich, und von dem Kriegszustande wurden wir auf dem Bahnhofe nichts gewahr. Alles ging in der gewöhnlichen Ordnung. Es war allerdings eine Militärwache auf dem Bahnhofe, und eine Menge reisefertiger Officiere gingen ab und zu; allein sie hinderten in keiner Weise das Publicum. Einige Züge mit jubelnden Kriegsreservisten gingen ab; allein Alles geschah mit solcher Ordnung, daß einige englische Reisende, die nach Hause eilten und sehr ängstlich waren, sich nicht genug verwundern konnten. Ein kleiner Abstecher rheinabwärts führte mich noch in nämlicher Nacht nach Düsseldorf, wo ich am nächsten Morgen einer höchst interessanten Pferdeaushebung beiwohnte. Die vornehmsten Häuser der Stadt und Umgebung hatten dazu ihre schlanken schönen Thiere von den Equipagen weg hergeben müssen, und neben diesen Vertretern edler Rosse stampften die plumpen Ackerpferde der umliegenden Dörfer ungeduldig den Boden; in rascher Folge aber wurden auch sie vor die Augen der Musterungscommission geführt, um unter dem Druck einer kräftigen Husarenhand das Zeugniß ihrer Tüchtigkeit in Form eines ungewohnten und schwerfälligen Galopps abzulegen. Das von Herrn Maler Sell entworfene Bild giebt eine sehr lebendige Vorstellung von diesem muntern Treiben.

Noch am nämlichen Tage fuhr ich nach Coblenz ab. Vor Köln sah ich die ersten Opfer des Krieges, die Leichen schöner Bäume, die man auf dem Glacis der Festungswerke da niedergehauen hatte, wo sie in der Schußlinie standen. Man hat nämlich sehr gut gefunden nicht alle auf den Glacis stehenden Bäume und Gesträuche zu entfernen, wie es nach früheren Annahmen geschehen mußte, und behauptet im Gegenteil, daß es vortheilhaft sei, Bäume und Buschwerk so viel als möglich stehen zu lassen, da sie die Werke maskirten und ein Recognosciren derselben verhinderten. Ueberall waren Arbeiter beschäftigt, die Werke mit Palissaden zu versehen, die in Friedenszeiten niemals gesetzt werden.

In Coblenz wollte ich mich orientiren und meine Bewegungen regeln. Ich wußte, daß hier Prinz Felix Salm ein Bataillon im vierten Garde-Grenadier-Regiment befehligte, ging sogleich mit Sack und Pack zu ihm und blieb, bis er mit dem Regiment am 26. Juli abmarschirte.

Das Leben auf den Straßen in Coblenz war bewegter als in Köln. Man sah überall eben angekommene Kriegsreservisten, ihre Kriegsmedaillen auf den Röcken und Blousen und reges militärisches Treiben. Die Reservisten warteten zum Theil gar nicht die Aufforderung ab, sich zu stellen, sondern stießen zu ihren Regimentern, sobald die Nachricht von der Kriegserklärung zu ihnen kam; unter anderen thaten das diejenigen aus dem Gebiete von Saarbrücken, und die Regierung ließ ihnen ihren Gehalt für drei Monate vorausbezahlen, damit sie Sorge für ihre Familien treffen könnten.

Prinz Salm hatte natürlich das Kriegsfieber. Er zählte die [534] Stunden bis zum Abmarsch, jubelte aber, daß die Franzosen, die man vorbereitet glaubte, noch nicht angriffen, ehe die zur Mobilisierung der ganzen preußischen Armee erforderlichen elf Tage verstrichen waren. In Coblenz war man indessen in manchen Regimentern schon am neunten Tage fertig. Die Artillerie hatte über tausend Mann mehr, als sie brauchen konnte, und dasselbe war der Fall mit dem vierten Garde-Grenadier-Regiment, dessen Reserve-Bataillon vierhundert Mann über den Etat hatte. Man sprach von der Bildung eines fünften Bataillons, da die Leute sich nicht nach Hause schicken lassen wollten. Leute, die irgend einen Fehler hatten, der sie zum Felddienst untauglich machte, verbargen ihn mit größter Sorgfalt und waren untröstlich, wenn man ihn entdeckte und sie zurückwies.

Eine so allgemeine Begeisterung des Volkes ist in der Geschichte noch nicht da gewesen, wenigstens nicht in solcher Ausdehnung und Plötzlichkeit. Andere Nationen werden staunen und am meisten darüber, daß die Deutschen, die dafür leider bekannt sind, daß sie beständig untereinander zanken und hadern, wie Ein Mann sich erheben, sobald ihre nationale Unabhängigkeit als Deutsche bedroht wird. Alle Parteien suspendiren sogleich ihre Zänkereien; aller Particularismus schweigt gegenüber der Gefahr, die von dem französisch redenden Nachbar droht. Der Baier, der Sachse, der Hannoveraner und sogar der unversöhnlichste Frankfurter vergißt das Jahr 1866 mit seinen Bitterkeiten und reicht dem tapfern Preußen die deutsche Bruderhand. Jeder hilft, daß dieser Krieg ein gerechter, ein nationaler ist.

Wir stehen am Eingange der deutschen Periode der Weltgeschichte. Das große intelligente deutsche Volk ist endlich im Begriff, die Stelle in der Reihe der europäischen Nationen einzunehmen, die ihm von Rechtswegen gebührt; eine Stelle, die es schon lange eingenommen haben würde, wenn alle seine Stämme vereinigt gewesen wären und die Politik der alten Zeit sie nicht gegeneinander gehetzt hätte. Daß freilich die frühere Zersplitterung Deutschlands andererseits wieder das deutsche Volk zum gebildetsten und intelligentesten der Erde gemacht hat, indem jeder der hundert kleinen fürstlichen Höfe als Centralpunkt Bildung und Intelligenz ausstrahlte, ist bekannt. Und wenn trotz alledem manche Nationen, unter denen die häufig genug durch die Schuld ihrer Fürsten in alle Welt gejagten Deutschen lebten, diese mit einer halb spöttischen, halb mitleidigen Geringschätzung behandelten, – so geschah dies nur wegen der politischen Unbedeutendheit und Ohnmacht einer so großen Nation, die eine Sprache redete, allein deren Stämme sich gegenseitig als Fremde, wo nicht als Feinde betrachteten.

Ich war im Jahre 1866 in Amerika und weiß, welchen Eindruck der Heldenmuth der Preußen auf die Amerikaner machte und mit wie günstigem Auge sie die Bestrebungen des Grafen Bismarck betrachteten. Die Deutschen gewannen augenblicklich in ihrer Achtung. Das Wort dutchman, womit jeder Deutsche in den Vereinigten Staaten verächtlicherweise bezeichnet wurde, hörte auf ein Schimpfwort zu sein.

So schmerzlich auch der Localpatriotismus mancher Deutschen in 1866 verletzt sein mochte, so freute sich doch jeder über die gesteigerte politische Bedeutung der Deutschen, und die Sehnsucht nach vollkommener Bereinigung aller Stämme wurde mit jedem Jahre dringender und allgemeiner. Die mehrmals versuchten Einmischungen Napoleon’s in deutsche Angelegenheiten und das verrückte Rheingelüste der Franzosen – verrückt, weil die Rheinufer von deutschredenden Menschen bewohnt werden – hatte die deutsche Nation schon längst ungeduldig gemacht, und die Frechheit, mit welcher Napoleon gegen das Oberhaupt des Nordbundes auftrat, verletzte nicht nur die Angehörigen dieses Bundes, sondern alle Deutsche. Jeder fühlte sich persönlich beleidigt und bedroht, und die Kriegserklärung Frankreichs wurde überall mit Jubel angenommen; man war allgemein froh, daß das Ungewitter endlich zum Ausbruch kam, und empfand, dieser Krieg werde geführt um die nationale Ehre und Existenz der deutschen Nation, – um den Frieden. Siegt Deutschland, so darf keine Nation Europas es wagen, den Frieden zu stören ohne den Willen Deutschlands, und Deutschland will nie Krieg aus bloßer Kriegs- und Eroberungslust. Der Störenfried aber, der Feind des Friedens, ist der alternde Abenteurer in Paris. Um sich und seine Familie zu halten, stürzt er die Welt in Krieg; die Rheingrenze und Belgien würde ihm wahrscheinlich dieses Ziel sichern. Spielt Napoleon auf diese Weise nur um seine Krone, so kämpft Deutschland um seine politische Existenz. Dem ersteren folgt ein von Ehrgeiz und Muth beseeltes Heer, aber hinter demselben steht ein Volk, welches den Räuber seiner Freiheit so ziemlich durchschaut und trotz alles Ehrgeizes einsieht, daß ein Sieg seine Ketten nur fester schmiedet, da es ein Sieg des Cäsarismus wäre.

Ich wurde in Coblenz eingeladen, einem Exerciren des vierten Garderegiments beizuwohnen. Das Regiment, ohne Reserve dreitausend Mann stark, hatte nahe an fünfzehnhundert Kriegsreservisten bekommen, die noch ein paar Tage vorher das Feld pflügten, und der Oberst, Graf Waldersee, wollte vor dem auf den Sechsundzwanzigsten festgesetzten Ausmarsch sein Regiment zusammen sehen. Ich ging also auf den schönen Exercirplatz auf der Centhause, wo ich das Regiment versammelt fand. Nach einigen Bewegungen in den Compagnien und Bataillonen wurde das Ganze zusammengezogen und ein regelmäßiger Angriff gemacht, der mit einer Bajonnetattaque endete. Das nur kurze Exerciren schloß mit einem Vorbeimarsch in Compagniefront, zweiundsiebenzig Rotten stark. Auf dem Heimweg wurde ich dem Obersten vorgestellt, der fragte, wie mir sein Regiment gefallen habe. Ich sagte ihm meine Meinung und mit Vergnügen, da sie eine in jeder Hinsicht lobende war. Ich habe sehr viele Truppen aller Nationen in meinem Leben gesehen, allein bei keiner Armee der Welt würde es möglich sein zu erreichen, was ich hier sah. Trotz der fünfzehnhundert neueingetretenen Leute ging jede Bewegung mit einer Präcision und Fertigkeit, als sei sie wochenlang vorher eingeübt worden. Ich sah hier mit Interesse zum ersten Mal das Feuern in vier Gliedern, bei welchem die zwei vorderen Glieder niederknien. Was mir bei dem Feuern der Tirailleure sowohl als im Gliede besonders überraschend auffiel, war die bedächtige Ruhe, mit welcher die Soldaten zielten, was ihnen eine große Ueberlegenheit über die schnell puffenden Franzosen geben muß, die immer hitziger werden, je mehr sie knallen.

Die Bajonnetattaque wurde mit Feuer und dennoch mit wunderbarer Ordnung ausgeführt, und der Vorbeimarsch zum Schluß war trefflich. Das Regiment sah außerordentlich schmuck aus, denn sie hatten Alle nagelneue Uniformen an, wie es beim Mobilmachen der Armee in Preußen Regel ist.

„Ja, ja,“ sagte Graf Waldersee, „ich glaube auch, daß mit solchen Leuten etwas zu machen ist.“

Ich glaube das in der That auch, und da die anderen Regimenter, die ich in Coblenz sah, hinter dem Garderegiment nicht zurückstanden, so ist mein Vertrauen in den Sieg unserer Armee befestigt worden, besonders da der Geist der Leute nicht besser sein kann, als er es ist.

Die Festungswerke von Coblenz boten ungefähr denselben Anblick, wie die von Köln. Man hatte bis dahin noch die schönen Promenaden am Rhein verschont und wird sie verschonen, so lange es möglich ist. Am frühen Morgen marschirte das 4. Grenadierregiment nach dem Hundsrück zu ab und langte am 28. Abends in Kirn an, wo es am 29. einen Ruhetag hatte. Ich fuhr um zehn Uhr mit dem Dampfschiffe „Hohenzollern“ nach Mainz ab, da nur ein einziger Zug am Tage ging. Die Truppen brauchten alle Züge, denn fünf Tage lang passirten täglich sechsunddreißigtausend Mann Coblenz, um zur Front zu eilen, wo in erster Linie allein dreihundertundfünfzigtausend Preußen stehen.

Ich sah in Coblenz General Herwarth von Bittenfeld, dem man einen Ehrenposten gegeben hat, während man sein achtes Armeecorps einem jungen General, v. Goeben, anvertraute, der sich 1866 in Süddeutschland auszeichnete. Ueberhaupt hat die preußische Regierung dem Grundsatz gemäß gehandelt, daß es besser sei, die Eitelkeit oder selbst das Ehrgefühl eines einzelnen Mannes zu verletzen, als ihm das Wohl und Wehe von vielen Tausenden anzuvertrauen, wenn sie seinen körperlichen oder geistigen Fähigkeiten mißtraut. Eine bedeutende Anzahl aller verdienter Generale, die dem Könige sehr lieb und teuer sind, sind aus diesem Grunde übergangen worden.

Auf dem Dampfschiffe traf ich mehrere Officiere, die bis Boppard gingen, und unter ihnen einen Obersten, der früher beim Generalstabe gestanden hatte und im vorigen Jahre im Lager von Chalons gewesen war. Er lobte im Allgemeinen die Infanterie und auch die Artillerie, obwohl er manche Mängel an den französischen Geschützen nachwies, mit denen sich zum Beispiel kein wirksamer Kartätschschuß erzielen ließ, zu welchem Ende man die [535] Mitrailleuse erfunden habe. Er legte keinen besondern Werth auf dies als Popanz benutzte Geschütz, da es nur auf sechs- bis achthundert Schritt wirklich wirksam sei. Von der Bespannung der Artillerie und der Cavallerie hielt er sehr wenig und am allerwenigsten von der veralteten Taktik der Franzosen. Ihre Aufstellung in Schlachtordnung sei noch dieselbe wie ungefähr im siebenjährigen Kriege.

Man hatte ganz bestimmte Nachrichten aus Frankreich, daß die französische Armee an einem bestimmten, sehr frühen Tage über die deutschen Grenzen rücken wolle, und fürchtete das insofern, als man mit dem Mobilisiren der Armee noch nicht fertig war. Nun war jedoch alle Besorgniß vorüber und blieben die Franzosen, hieß es, nur vier bis fünf Tage ruhig, dann sei die ganze Armee in Position.

Ein Nachtschmetterling, ein sogenanntes Ordensband, setzte sich zufällig auf die Uniform eines Adjutanten des Obersten, eines Capitains. „Ein gutes Omen!“ rief ich; und der Capitain schien es so anzusehen und versprach, sich Mühe zu geben, das von dem Könige für diesen Krieg wieder auferweckte Eiserne Kreuz zu verdienen.

Die Reise nach Mainz ging ohne Störung vor sich. Der Rhein ist außerordentlich seicht, und die Schiffer lachten sehr über die Idee, Panzerschiffe auf den Fluß zu bringen. Vor Mainz ist eine zweite Schiffbrücke geschlagen worden. In Mainz war es außerordentlich lebhaft. Es gelang mir noch spät Abends mit einem Zuge nach Frankfurt zu kommen, was ein Glück war, da die großen Militärzüge bereits begonnen hatten. Am 27., dem Bettage, kamen unendlich lange Züge den Main entlang durch die Stadt und wurden von den Einwohnern mit Jubel begrüßt, was den Soldaten sehr zu gefallen schien. Heute ist es Dienstag und seit jener Zeit sind ununterbrochen, Tag und Nacht, Militärzüge hier durchgegangen Vorgestern und gestern das zwölfte Armeecorps, Sachsen.

Man spricht hier von allerlei Vorpostengefechten und Soldatenbriefe enthalten auch mancherlei wahrscheinlich unrichtige Nachrichten. Die Turcos sollen Hunde bei sich haben, welche den Pferden an die Nase springen. Sie werden wohl nicht lange springen. Gegen katholische Geistliche auf dem Lande hier in der Nachbarschaft, die für Napoleon gesprochen haben, hat das Volk Justiz geübt und sie verjagt. Der Geist ist überall trefflich, wenn man auch mit Sorge der kommenden Schlacht entgegen sieht. Ich denke, sie muß in ein, zwei Tagen stattfinden. Ich zweifle nicht an dem Siege.

Entschuldigen Sie diesen flüchtigen Brief; allein ich bin im Begriff, in einer halben Stunde nach Bingen und von da so weit als möglich vorzugehen.




Der Schutz unserer deutschen Küsten.
Von M. E. Plankenau.
Die Franzosen in den deutschen Meeren. – Panzerschiffe im Kampfe mit Strandbatterien. – Sperrung der Häfen. – Torpedos. – Einrichtung und Füllung derselben. – Selbstthätige Torpedos. – Das Explodiren. – Aussichten der französischen Flotte in der Ostsee.

Unsere sanguinischen Erbfeinde, deren militärischer Spaziergang nach Berlin schon im Aussetzen so jämmerlich mißglückte, schwärmten in gleicher Selbstüberhebung für eine den Krieg entscheidende Spazierfahrt nach der deutschen Küste. Die französische Seemacht ist allerdings sehr bedeutend und vortrefflich organisirt; jedenfalls ist ihr auch eine wichtige Rolle zuertheilt; dennoch wird sie die Entscheidung dieses Kampfes nicht wesentlich beeinflussen können, so lange nicht Dänemark aus seiner Neutralität heraustritt. Würde sich dieser Fall ereignen, so wäre für Frankreich ein Stützpunkt gefunden, von dem aus es uns sehr ernstlich bedrohen könnte, und deswegen wurde Alles aufgeboten, um das uns benachbarte Inselvolk zur Betheiligung am Rachezuge gegen alles Deutschthum aufzureizen. Bis jetzt sind diese Versuche gescheitert, und wir stehen dem Feinde zur See unmittelbar gegenüber. Im Folgenden soll versucht werden, den Lesern der „Gartenlaube“ einige Anhaltepunkte zu geben zur Beurtheilung irgend welcher unseren Küsten drohenden Angriffe.

Diese können in zweifacher Weise unternommen werden. Der Feind benutzt entweder seine Transportflotte, um eine Invasions-Armee zu landen, oder er versucht mit seinen Panzerschiffen die Einfahrt in die Kriegshäfen zu erzwingen, um die daselbst angehäuften kostbaren Kriegsmaterialien zu zerstören. Der Angreifer ist insofern im Vortheil, als ihm die Wahl freisteht und er seine ganze Macht auf den augenblicklich schwächsten Punkt werfen und durch Ueberraschung große Erfolge erringen kann. Doch hat er wiederum auch große Schwierigkeiten zu überwinden.

Welche Vorkehrungen getroffen werden müssen, welche zeitraubende Arbeit es ist, eine größere Anzahl Truppen aller Gattungen zu Lande fortzuschaffen, davon hat sich neuerdings Jedermann überzeugen können. Diese Truppen bleiben überdies mit ihren rückwärtsliegen Hülfsquellen in directer Verbindung, sind also einer dauernden Unterstützung gewiß und stets beliebig verwendbar. Anders verhält es sich mit einer Armee, welche zu Schiffe transportirt wird: Selbst im günstigsten Falle vergehen Wochen, ehe Infanterie, Cavallerie, Artillerie nebst Gepäck, Munition, Pferden, Geschützen, Wagen und allem sonstigen Zubehör versammelt und eingeschifft ist, ehe sie am endlichen Bestimmungsorte eintrifft und angriffsweise vorgehen kann.

Die Frankreich zu Gebote stehenden Transportmittel zur See mögen großartig sein, immerhin wäre es aber ein ungeheueres Unternehmen, ein Armeecorps von hinreichender Stärke an unsere Küsten zu werfen. Am Rhein wird Frankreich von einem gewiß ebenbürtigen Gegner bedrängt; kann es dort überhaupt so viele seiner besten Truppen entbehren, sie für lange Zeit der Action entziehen, um endlich einen Schlag zu führen, dessen Gelingen nichts weniger als gesichert ist?

In der Nordsee ist es fast gar nicht möglich, eine solche Armee auszuschiffen. Durch Untiefen und weite marschige Küstenstrecken, auch durch starke Ebbe und Fluth und Witterungsverhältnisse hat die Natur uns wohlgeschützt, während die wenigen Zugangsstraßen durch menschliche Kunst vortrefflich befestigt sind. In der Ostsee dagegen sind verschiedene Stellen, welche eine Landung begünstigen.

Angenommen, unser Panzergeschwader liege in der Nordsee oder – wie wir mit richtigem Selbstgefühl sagen sollten – im deutschen Meere. Geht die französische Transportflotte, wie zu erwarten, nach dem Osten, so läßt sie den Feind zur See hinter sich und findet den Feind zu Lande vor sich. Bei den vorherrschenden Westwinden ist es leicht, nach der Ostsee zu segeln, aber doppelt schwierig, zurückzukehren, und die Zugänge zu ihr sind mit Recht berüchtigt. Die unsere Küsten umspülenden Meere sind schlimme Gewässer, sie bergen manches Geheimniß in ihrem Schooße, und ein Sturm müßte einer so großen Flotte bei so engem Seeraum äußerst gefährlich werden. Napoleon hat sich unter Menschen vergebens nach Verbündeten umgesehen, sollte er sie in den Naturgewalten finden?

Die Franzosen waren als Seeleute niemals bewundernswerth, während die deutschen Seeleute an Tüchtigkeit den besten anderer Nationen nicht nachstehen. Die deutsche Flotte ist nicht zahlreich, aber vortrefflich. An der heimischen Küste findet sie jederzeit Zuflucht und kann bei überraschendem Angriffe durch ihre Geschütze und durch Niederrennen den unbehülflichen, menschengefüllten Transportschiffen unberechenbaren Schaden zufügen, während sie einen Kampf mit Panzerfahrzeugen auch nicht zu scheuen braucht. Sollte Frankreich nicht des Schicksals der spanischen Armada eingedenk sein?

Angenommen, die Transportflotte entginge allen Gefahren und erschiene endlich an der Küste, um eine Landung zu erzwingen, so würde sie doch dort deutsche Männer zu ihrem Empfange gerüstet finden. Nicht die Uebermacht allein entscheidet. Bei Eckernförde ruhmreichen Andenkens wurde auch ein übermächtiger siegesgewisser Feind furchtbar bestraft.

Gelänge es aber trotz tapferster Gegenwehr, oder an einem unbeschützten Punkte, die Invasionsarmee auszuschiffen, dann würde [536] der Waffentanz zu Lande beginnen. Schon die ersten Nachrichten vom Rhein beweisen, daß der miltärische Popanz der Franzosen, von dem Europa sich täuschen ließ, für die deutschen Waffen nichts weniger als unüberwindlich ist, und die angebahnte Entscheidung wird den Franzosen hoffentlich alle ferneren Gelüste nach deutscher Erde auf immer benehmen.

Der Vortheil der Wahl und Ueberraschung, welchen der Feind bei einem Landungsversuche an langgestreckten Küsten für sich hat, ist um vieles beschränkt, wenn er einen Angriff auf die Kriegshäfen unternimmt. Einige derselben kann der Vertheidiger durch versenkte Schiffe derartig versperren, daß jedes Einlaufen natürlich aber auch jedes Auslaufen, unmöglich wird. Die Häfen aber, von welchen aus die eigene Flotte operiren soll, müssen den befreundeten Schiffen zugänglich bleiben, dem Angreifer jedoch das Eindringen möglichst erschweren. Die Erfahrungen der Neuzeit haben nun gezeigt, daß selbst die gewaltigsten Befestigungen von Stein und Erde dem Feuer von Panzerfahrzeugen nicht widerstehen, also auch deren Passage nicht hindern können. Zur Genüge wurde dies im amerikanischen Bürgerkriege bewiesen, während dessen in Bezug auf Angriff und Vertheidigung zu Wasser und zu Lande die großartigsten Versuche gemacht wurden. Darum bekleidet man jetzt auch die Wälle der wichtigsten Fortificationen mit Eisen. Wo aber diese Panzerung noch fehlt, da zertrümmern die kolossalen Geschütze der jetzigen Kriegstechnik in kurzer Zeit die stärksten Granitwälle und verwandeln selbst die Erdwerke in formlose Haufen. Durch die mit so bedeutender Sprengladung versehenen Riesengeschosse wird, wenn sie crepiren, die Erde in solchen Massen aufgeworfen, daß einzeln Geschütze theilweise verschüttet und außer Gefecht gesetzt werden.

Gepanzerte Fahrzeuge im Kampfe mit Strandbatterien können sich frei bewegen, mit Uebermacht auftreten und ihr Feuer beliebig concentriren; sie können sich ihre Entfernungen wählen, so daß sie, während ihre Geschosse noch zerstörend wirken, bei der größeren Widerstandsfähigkeit ihres Panzers fast unverwundbar sind. Bei Nacht und Nebel können sie sich in die Häfen einschleichen oder auch am hellen Tage tollkühn an allen Befestigungen vorüberdampfen und trotz der tapfersten Gegenwehr die vor Anker liegenden Schiffe, die Arsenale und andere Bauten mit ihrem kostbaren Inhalte zerstören und so vernichten, was in langen Jahren durch mühsame Arbeit geschaffen worden war.

[Carl Wilhelm]
Der Componist des Liedes „Die Wacht am Rhein“.

Einen solchen Sturmlauf werden selbst gepanzerte Forts nicht aufhalten können, wenn sie auch dem Angreifer eine zehnfache Anzahl von Feuerschlünden entgegenstellten. Die Riesenkanonen der Neuzeit sind aber sehr theuer (zehn- bis zwanzigtausend Thaler), und zu ihrer Aufstellung ist großer Raum erforderlich. Ihre Anwendung kann also nur eine beschränkte sein, und man wird doch nie so viele aufstellen können, daß nicht der Feind mit einer noch größeren Anzahl erschiene. So vorzüglich auch unsere kolossalen Hinterladungsgeschütze sind, so werden sie auf ein bewegliches Ziel in fünf bis acht Minuten doch nur einmal feuern können. Gegen französische Panzer werden sie vielleicht bis auf fünftausend Fuß Entfernung wirksam sein. Angenommen ein Fahrzeug dampft mit zehn Knoten – der Knoten (fünfundzwanzig Fuß) verhält sich zur Viertelminute wie die Seemeile (sechstausend Fuß) zur Stunde – Fahrt vorüber, so legt es die zehntausend Fuß, welche jedes Geschütz nach beiden Seiten bestreicht, in zehn Minuten zurück. Von jedem Geschütz erhält es folglich zwei, höchstens drei Kugeln. Nun vermag allerdings eine einzige unserer Spitzgranaten ein Fahrzeug außer Gefecht zu setzen, vielleicht aber werden zwanzig oder fünfzig oder hundert derselben erst dieses Resultat erzielen. Ein gut construirtes Panzerfahrzeug kann unglaublich viel aushalten. Dennoch hat es eine schwache Stelle – sein Deck. Geschosse, welche von oben herab auf dasselbe niederschmettern, werden ihm äußerst gefährlich. Hochgelegene Batterien sind deswegen am wirksamsten; wenn aber die Bodengestaltung ihre Anlegung nicht gestattet, so muß man sich durch Mörser, und zwar durch gezogene, zu helfen suchen. Diese werfen Geschosse in hohen Bogen und auf bekannte Entfernungen mit großer Genauigkeit.

Um aber dem Angreifer das schnelle Passiren der Batterien unmöglich zu machen und ihn im wirksamsten Feuerbereich der Geschütze festzuhalten, bedient man sich beweglicher Sperrmittel. Eine Art derselben ist ein Netzwerk von starken Tauen und Stricken, welches derartig unter Wasser angebracht ist, daß es sich in die Schraube eines Dampfers verwickelt, deren Umdrehungen verhindert und das Fahrzeug lahm legt, so daß es einem concentrirten Feuer zum Opfer fällt. Andere Hindernisse sind mächtige verankerte Flöße, gewissermaßen schwimmende Inseln, oder eingerammte Pfähle, oder starke Ketten, welche von verankerten mit Luft gefüllten Tonnen oder Kähnen in der erforderlichen Tiefe unter Wasser gehalten werden. Der Sicherheit wegen bringt man in gewissen Abständen zwei oder drei solcher Ketten an. Zersprengt nun auch der Anprall in voller Fahrt dagegenlaufender Dampfer die erste Sperrung, so reicht ihre Kraft doch nicht aus, um sofort auch die nächste zu überwinden; sie müssen zurück und einen neuen Anlauf nehmen, kommen vielleicht mit noch anderen Hindernissen in Berührung und sind so für längere Zeit im Bereiche des Vertheidigers, welcher sie übel zurichten kann.

Diese Sperrmittel sind einer totalen Verrammelung des Hafens insofern vorzuziehen, als sie an genau bezeichneten Punkten offen gelassen oder doch mit Leichtigkeit unterbrochen werden können, um der eigenen Flotte das Aus- und Einschlüpfen zu gestatten.

Um aber die Zurückweisung des Angreifers noch sicherer zu machen, verbindet man mit allen diesen Sperrmitteln noch unterseeische Minen, die sogenannten Torpedos, wahrhaft furchtbare Ungeheuer, welche verborgen in der Tiefe lauern und den arglos nahenden Feind im Nu vernichten.

Diese Vertheidigungswaffe ist übrigens nicht neu. Vor beinahe einem Jahrhundert schon soll sie ein Amerikaner, Bushnell, während des Unabhängigkeitskampfes angewendet haben. Nach ihm, zu Anfang dieses Jahrhunderts, stellte ein anderer Amerikaner, Robert Fulton, der berühmte Erbauer des ersten Dampfschiffes, Versuche damit an und nannte sie Torpedo, nach dem spanischen Namen des unförmlichen Zitterrochens, welcher ihn berührende Menschen und Thiere durch elektrische Schläge eine Zeit lang zu lähmen vermag. Später wurden die Torpedos von den Russen vor Sebastopol, von den Oesterreichern im italienischen Kriege, von [537] den Dänen im Alsensund benutzt, doch hatten sie entweder keine Gelegenheit zu wirken, oder sie bestanden die Probe schlecht. Die im Alsensund liegenden wurden von den Preußen kurz vor ihrem berühmten Uebergang im Wasser aufgesucht und unschädlich gemacht. Die ausgedehnteste und vielseitigste Verwendung fanden sie im amerikanischen Bürgerkriege. Sie bewährten sich so vorzüglich, – die kämpfenden Parteien verloren durch sie allein, trotz aller Vorsichtsmaßregeln, einige dreißig Schiffe, darunter ein Dritttheil Panzerfahrzeuge – daß seit jener Zeit die Torpedos als Angriffs- und Vertheidigungswaffen die größte Beachtung gefunden haben. Sogar auf dem Lande sind sie in Gebrauch genommen worden, und ich selbst habe ihre entsetzlichen Eigenschaften in nächster Nähe kennen gelernt.

Stürmer von Weißenburg, Truppen des zweiten baierischen Armeecorps auf dem Bahnhof in Darmstadt.
Nach der Natur aufgenommen von unserm Specialartisten F. W. Heine.

Der Torpedo besteht gewöhnlich aus einer Tonne oder Kiste von starkem Blech oder aus einem gußeisernen Behälter von der Form einer Spitzgranate. Je nach Bedarf ist er geräumig genug, um von zwanzig Pfund bis zu zwanzig Centner feinkörniges gutes Pulver, Dynamit oder Dualin, zu fassen. Er wird an einem Holzrahmen befestigt entweder auf den Grund flacher Gewässer gelegt oder an die Sperrungen des Hafens gehängt, oder auch einfach so verankert, daß er in gewünschter Tiefe verharrt; ungefähr fünf bis zwanzig Fuß unter dem Wasserspiegel.

Die Entzündung ist entweder selbstthätig oder sie hängt von dem Willen eines fernen Beobachters ab. Die selbstthätigen Torpedos sind mit Fühlern versehen, mit empfindlichen Hebelwerken, welche, vom Stoß oder Druck eines anlaufenden größeren Körpers in Bewegung gesetzt, die Explosion bewirken. Die Art der Zündung ist sehr verschieden. Sie kann auf mechanischem Wege durch Reibung, Federkraft, durch den Schlag einer in einer Röhre fallenden Kugel auf ein Zündhütchen erfolgen, oder auf chemischem Wege durch in leicht zerbrechlichen Glasröhren befindliche Mischungen hervorgerufen werden. Natürlich explodiren diese selbstthätigen Torpedos auch durch den Anstoß irgend eines anderen schweren Gegenstandes, wie zum Beispiel durch Treibholz, welches die Strömung mit sich führt, und werden auf diese Weise Freund und Feind gleich gefährlich. Ihre Anwendung ist deswegen vorzugsweise auf stille Gewässer beschränkt und auf solche Theile der Hafensperrung, von denen der Vertheidiger selbst sich fern hält. Dort aber werden sie sehr gern verwendet, weil sie keiner Ueberwachung bedürfen und zugleich wohlfeil sind.

Die Fahrstraßen, welche der Vertheidiger für seine eigenen

[538] Schiffe offen hält, wird er durch unterseeische Minen von solcher Construction sichern, daß er sie ganz nach Wunsch aus großer Entfernung und zu beliebiger Zeit springen lassen kann. Zu diesem Zwecke bedient man sich des elektrischen Funkens. Gut isolirte Leitungsdrähte, welche unbeschadet ihrer Eigenschaft lange unter Wasser liegen können, sind hierzu unbedingt nothwendig.

Von größter Wichtigkeit ist es, die Lage jedes einzelnen dieser Torpedos genau zu kennen, um den günstigen Augenblick zur Sprengung nicht zu verfehlen. Man hat Stäbe in langer Reihe eingeschlagen und mit ihren Enden so auf den bezüglichen Punkt eingestellt, daß man über sie hin visiren konnte; diese Methode erwies sich aber nicht sicher genug. Eine sinnreiche Benutzung der Camera obscura versprach größere Genauigkeit. Die Stellen, wo Torpedos ruhten, wurden am Lande auf dem in der Camera obscura sichtbaren Miniaturbilde des Hafens markirt, und sobald ein feindliches Fahrzeug einen dieser Punkte deckte, schloß man die betreffende Leitung und zertrümmerte es. Maury, der berühmte Pfadfinder des Meeres, wandte eine dritte nicht weniger genaue Methode an; er stellte an verschiedenen Orten Beobachtungsposten auf, deren Fernrohrvisirungen sich auf den Ankerplätzen seiner Torpedos kreuzten.

Während der Nacht suchte man durch elektrisches Licht oder brennende Holzstöße und Theerfässer die nöthige Beleuchtung zu erlangen, bei Nebel aber war auch diese nicht ausreichend. Ueberdies ereignete es sich verschiedene Male, daß derartige unterseeische Minen während eines Gewitters durch den Blitz entzündet wurden. Um diesen Uebelständen abzuhelfen, ersann der Erfinder der elektrischen Zündung für Torpedos, der österreichische Ingenieur-Officier Baron Ebner, eine Verbesserung, welche seiner Erfindung fast die Unfehlbarkeit errang. Er verband die selbstthätige und die elektrische Zündung auf eine solche Weise, daß sie getrennt niemals, vereint aber stets die Explosion bewirkten. So ist selbst der Blitz jetzt dem Torpedo ungefährlich, wenn nicht gleichzeitig ein schwerer Körper gegen letzteren stößt, und wiederum kann ein Schiff dreist gegen ihn laufen, so lange am Lande die Kette nicht geschlossen ist.

Torpedos dieser Art sind im Innern mit einer complicirten Maschinerie versehen, deren verständliche Beschreibung hier zu weit führen würde. Sie gewährt auch noch den Vortheil, daß die verschiedenen Beobachter in Stand gesetzt sind, durch den Torpedo selbst auf telegraphischem Wege miteinander zu verkehren, ohne eine unzeitige Explosion befürchten zu müssen. Nähert sich aber ein Feind der Mine, so schließt man auf jedem Posten die Leitung; berührt jener dann das Hebelwerk, so ist er verloren. In jedem gut vertheidigten Hafen ist jetzt der ungesperrte Theil des Einganges durch diese Art Torpedos geschützt und zwar so, daß dieselben in mehreren Reihen hintereinander in Entfernungen von fünfzig bis hundert Fuß schachbretartig verankert werden. So besitzt man eine wahrhaft furchtbare unterseeische Batterie. Gleitet der Freund über sie hinweg, so läßt man sämmtliche Leitungen offen und die Ungeheuer sind harmlos; versucht aber der Feind zu folgen, so werden die Ketten geschlossen und er findet sein Verderben.

Außer den obenbeschriebenen festliegenden giebt es auch noch bewegliche Torpedos. Man läßt sie entweder mit der Strömung treiben, oder befestigt sie an kleinen Booten, welche, durch Menschen- oder Maschinenkraft getrieben, den feindlichen Fahrzeugen sich nähern. Diesen wird dann der an der Spitze eines langen beweglichen Mastes befindliche Torpedo unter den Bauch geschoben; er ist natürlich selbstthätig und explodirt bei der Berührung. Die Dunkelheit und Mangel an Wachsamkeit von Seiten des Gegners begünstigen einen solchen Angriff, doch ist die Sprengung zuweilen auch für die im Boote befindlichen Männer verderblich. Während des amerikanischen Bürgerkrieges wurden solche kühne Unternehmungen mehrmals mit glücklichstem Erfolge ausgeführt.

Ein Torpedo vermag nicht nur das stärkste Panzerfahrzeug schwer zu beschädigen und zum Sinken zu bringen, sondern er zertrümmert es zuweilen so vollständig, daß Theile desselben – in einem Falle sogar das losgerissene Mittelschiff nebst der kolossalen Maschinerie – hoch über Wasser geschleudert werden und die ganze Mannschaft ihren Tod findet. Die Wirkung nach der Seite erstreckt sich nicht über einen Radius von zwanzig bis dreißig Fuß; nach oben ist sie aber um so kräftiger. Es ist dies natürlich. Das Wasser selbst bildet im Augenblick der Explosion gewissermaßen ein Geschützrohr mit einem der Sprengladung entsprechenden Kaliber, denn nach unten und seitwärts finden die sich im Nu entwickelnden Gase den meisten Widerstand, treiben also die auf ihnen ruhende Flüssigkeit nach oben hinaus.

Derartige Sprengversuche gewähren ein prächtiges Schauspiel. Mit Donnergetöse, oft auch nur mit einem einzigen dumpfen Schlage, steigt eine Wassersäule von zwanzig bis fünfzig Fuß Durchmesser weit über hundert Fuß Höhe empor, steht einen Augenblick hoch aufgerichtet in ihrer ganzen Majestät und stürzt dann, wie ein Niagara Alles zermalmend, zurück.

Hieraus läßt sich ermessen, ein wie furchtbarer Feind der Torpedo selbst für das mächtigste Panzerschiff ist. Und so groß ist schon seine moralische Wirkung, daß der Angreifer schwerlich Muth genug besitzt, den Eingang in einen mit unterseeischen Minen vertheidigten Hafen zu erzwingen. Dem schwersten Geschützfeuer würde er kühn die Stirn bieten, aber der verborgen lauernden Gefahr gegenüber ist selbst der Seemann furchtsam.

Zu diesen gewissermaßen abwartenden und auch auf bestimmte Orte beschränkten Vertheidigungsmitteln gesellt sich noch ein sehr wichtiges actives, die eigene Seemacht. Im Hafen wird sie bei einem stattfindenden Angriffe nicht nur so manövriren, daß sie die Strandbatterien auf das Wirksamste unterstützt, sondern sie wird auch, wie schon früher angedeutet, dem Feinde auf die hohe See entgegengehen und ihn von den Küsten abzuhalten suchen.

Ist nun auch die französische Panzerflotte bedeutend zahlreicher als die unsrige, so besteht sie doch nur zum Theil aus Fahrzeugen, welche seefähig sind und in unseren Gewässern wirklich kreuzen können. Um die Blokade wirksam aufrecht zu erhalten, müssen sie sich auf verschiedene Strecken vertheilen und so mehrere Geschwader bilden. Das zahlreichste derselben und aus den stärksten Fahrzeugen bestehend wird sich natürlich da aufhalten, wo entweder der Angriff auf einen Kriegshafen beabsichtigt wird, oder wo man unsere Panzerschiffe in Schach halten will.

Die feindliche Flotte kreuzt nun aber an unseren Küsten unter immerhin schwierigen Verhältnissen. Jederzeit muß sie eines überraschenden Angriffs unserer Seemacht gewärtig sein; sie ist den berüchtigten Stürmen unserer Meere ausgesetzt und Zufluchtshäfen, in denen sie sich dauernd aufhalten und beliebig ausrüsten kann, findet sie in den von neutralen Ländern umschlossenen Gewässern nicht, sondern nur in Frankreich. Kriegsdampfer aber müssen sich nach je zehn bis zwölf Tagen – einige früher, andere später mit Kohlen versehen, deren Zufuhr keine Kleinigkeit und doch eine Lebensfrage ist.

Das noble England befreit Frankreich von dieser Sorge und liefert dem Feinde vor unseren Häfen jetzt die nöthigen Kohlen – in diesem Falle ein nothwendiges Kriegsmaterial – und obgleich neutral, unterstützt es doch die eine Partei zum Schaden der andern. Noch schwebt die berüchtigte Alabamafrage, dieser Rostfleck auf Albion’s Ehrenschild, und schon läßt es sich auf ein anderes Geschäft ein. Führten wir dem unsere Küsten bedrohenden Feinde unsere eigenen Kohlen zu, wir könnten uns nicht ärger schädigen, als England es thut.

Aber noch weht die deutsche Flagge von der Gaffel unserer Kriegsschiffe, und sie wird auch mit Hülfe englischer Kohlen nicht besiegt werden. Unsere Seemacht ist noch jung, aber schon gewaltig; Englands Eifersucht ist ein vortreffliches Zeugniß für sie. In diesem Kriege wird sie ihre Feuertaufe empfangen, denn sie wird von Männern geführt, welche nicht geschaffen sind, eine passive Rolle zu spielen. Und deutsche Seeleute werden selbst die Uebermacht nicht scheuen, wenn es gilt, auf dem deutschen Meere die ersten Lorbeern zu erringen.

Unsere Geschütze sind in jeder Beziehung den feindlichen überlegen, Frankreichs „Eisenwällen“ aber werden die Leistungen des Krupp’schen Gußstahls mustergültig in ihre Panzerplatten eingegraben werden. Der „König Wilhelm“ dagegen ist für französische Geschosse nahezu unverwundbar. Seine überlegene Geschwindigkeit, seine furchtbare Armirung – wie sie kein zweites Schiff der Welt besitzt – wird sich auch den meistberufenen französischen Panzerschiffen gegenüber glänzend bewähren.

So sind Deutschlands Küsten hinreichend geschützt, und König Wilhelm wird nicht nur an dem deutsche Flusse, sondern auch auf dem deutsche Meere ein Schrecken der Feinde sein.



[539]
Im Lager unserer Heere.
Von A. von Corvin.


Zweiter Brief.
Saarbrücken, den 9. August 1870.

Am 2. August Abends gegen zehn Uhr traf ich in Bingen ein und stieg im Victoria-Hôtel ab. Das Hôtel war mit Officieren und Aerzten angefüllt, die alle eifrig die Karte studirten, um die kleinen auf Seitenstraßen liegenden Dörfer aufzufinden, wohin sie am nächsten Morgen marschiren sollten. Ich ging zum Etappencommandanten, Hauptmann Lenz, welcher mir, nachdem er meine Papiere geprüft hatte, mit liebenswürdiger Bereitwilligkeit eine Fahrkarte auf meine eigene Visitenkarte schrieb, kraft welcher ich mit dem Militärzuge, welcher von Bingerbruck abgehen sollte, nach Birkenfeld reisen konnte.

Als ich das Hôtel verlassen wollte, sah ich einen Herrn in den Speisesaal treten, welcher mir ein Engländer zu sein schien, meine Vermuthung wurde vom Oberkellner bestätigt, ohne daß dieser mir indessen seinen Namen anzugeben wußte. Mir kam das Gesicht jedoch bekannt vor; ich sah genauer hin und erkannte William Howard Russell, den berühmten Correspondenten der London Times, mit dem ich manchen vergnügten Abend in Washington zugebracht hatte.

Herr Russell ist ein Mann von mittlerer Größe mit einem angenehmen, sorgfältig gepflegten Gesicht, welches durch einen etwas ergrauten militärischen Schnurrbart geschmückt ist. Er war ganz in helles Grau gekleidet und trug eine elegante Art von Blouse von demselben hellgrauen Wollenstoff und ein wollenes Hemd ohne Kragen und Halsbinde, was mit meinen Ansichten so vollkommen übereinstimmte, daß ich – wenn die schnellen Bewegungen der deutschen Armee dem Schneider Zeit lassen – mir einen ganz ähnlich zweckmäßigen Anzug machen lassen werde. Der berühmte College ist eine sehr gewinnende Erscheinung und hat die Manieren eines Mannes angenommen, der sich viel in der Gesellschaft hochgestellter Personen befindet. Er spricht sehr ruhig und mit fast weiblicher Zartheit und mild freundlichem Gesichtsausdruck. Für einen Deutschen liegt darin ein klein wenig Affection, allein sie macht keineswegs einen lächerlichen, sondern im Gegentheil einen sehr angenehmen Eindruck.

Herr Russell freute sich, mich wiederzusehen, und wir tauschten unsere Karten aus. Er war im Begriff, zum Hauptquartier des Kronprinzen abzugehen, und wartete nur auf seinen Wagen, an dem der Sattler noch etwas machen mußte. Er kam von Berlin oder Potsdam, wo er eine Audienz bei dem Könige gehabt hatte, der ihn sehr liebenswürdig empfing. Herr Russell hatte einen jungen Lord bei sich, der sich den Krieg ansehen wollte und den er unter seinen Schutz genommen hatte. Ich hatte leider keine Zeit mehr, mit Herrn Russell zu reden, und wir schieden mit der Hoffnung, später irgendwo auf einem Schlachtfelde zusammenzutreffen.

Ich hatte in Bingen Glück. Der Bahnhofsinspector, der geplagteste Mann in jener Zeit, war die Liebenswürdigkeit selbst, ich erhielt ein Coupé zweiter Classe ganz allein für mich. Der Zug beförderte ein Bataillon vom einundvierzigsten Regiment, welches zum ersten Armeecorps gehört und von Königsberg kam. Es bestand aus meinen Landsleuten, denn ich bin ein Gumbinner, und ich wurde bald populär mit Officieren und Soldaten. Die Reise bis Kreuznach ging sehr schnell, allein von da ab hielten wir an verschiedenen Stationen lange und häufig an. Diese Aufenthalte waren indessen keineswegs unangenehm, denn überall hatten sich große Volksmengen versammelt, welche die Soldaten mit jubelnden Zurufen nebst enthusiastischen Würsten und patriotischen Bierkrügen empfingen. Die Musik stieg gewöhnlich aus und ergötzte die Menge durch patriotische Lieder und Märsche und lustige Melodien aus „Pariser Leben“ und „schöne Helena“. Die Ostpreußen waren in der allerbesten Laune, denn ihre Reise durch ganz Deutschland glich einem Triumphzug. Sie brannten vor Begierde, sich mit den Franzosen zu messen.

Ich gab meinen Nachtsack einem jungen Manne, der mit dem Zuge gekommen war und der sich meldete, als ich fragte, wer etwas verdienen wolle. Er war ein Porcellanmalergehülfe von Andernach, dessen Geschäft durch den Krieg stockte, denn wer hätte jetzt Lust, sich etwas malen zu lassen. Er ging nach Birkenfeld, um den Versuch zu machen, als Krankenpfleger oder Träger auf dem Schlachtfelde anzukommen.

Bald hinter mir im vollen Regen kamen denn auch die Einundvierziger an, deren zwei andere Bataillone gleichfalls noch denselben Abend eintrafen. Obwohl die Birkenfelder auf eine Einquartierung von dreitausend Mann gar nicht vorbereitet waren (die Stadt hat noch nicht ganz dreitausend Einwohner) und die Soldaten ohne Verpflegung einquartiert waren, also kein Essen zu beanspruchen hatten, so gab es doch keinen Hauswirth, der, was er hatte, nicht mit den Soldaten getheilt hätte.

Im Gasthofe logirte auch eine junge Dame, die mit dem Militärzuge von Bingerbruck gekommen war, sich aber unterwegs nicht gezeigt hatte. Sie war eine ebenso liebenswürdige als verständige und entschlossene junge Frau, die ihrem Bruder nachreiste. Sie hatte ihn seit beinahe zwei Jahren nicht gesehen und war nun eben angekommen, als er gerade mit seiner Compagnie ausmarschirt war. Kein Mensch konnte ihr Auskunft geben, wo das Corps des Hauptmanns stand; allein sie verlor den Muth nicht und kam von Pommern bis Birkenfeld glücklich durch. Sie war eine Frau Ellen v. ***, eine junge Wittwe, und es versteht sich von selbst, daß Corvin augenblicklich bereit war, die Dame in ihrem Vorhaben nach Kräften zu unterstützen. Als ich sie jedoch am nächsten Morgen gar nicht zu sehen bekam, überwog correspondenzliches Pflichtgefühl die Galanterie, und ich fuhr mit dem Postomnibus nach Station Birkenfeld ab. Unterwegs begegnete mir „Excellenz Bentheim“, der Divisions-Commandeur mit seinem ganzen Stab, der in der Nacht der Gefahr, zerschmettert zu werden, glücklich entgangen war. In Bingerbruck rannte nämlich eine wildgewordene oder angekneipte einzelne Locomotive in den Militärzug, zertrümmerte ein paar Coupés und richtete einigen Schaden an, der aber hätte bei weitem noch größer sein können. Zwei Soldaten wurden beschädigt und ein Pferd getödtet.

Militärzüge gingen nur nach Türk’s Mühle, von wo die Post nach Trier am Nachmittag vier Uhr abfahren sollte. Ich beschloß daher, die paar Stunden zu Fuß zu gehen. Mit einem Manne aus der Gegend, der meinen Nachtsack trug, stiefelte ich wohlgemuth den reizenden Weg entlang. Dicht bei Türk’s Mühle, am letzten Hause, stürzte ein etwas angesäuselter Soldat heraus, dem mein Gesicht nicht gefiel, was offenbar schlechten Geschmack verräth. Er witterte etwas Spionartiges und wünschte meine nähere Bekanntschaft zu machen. Er wollte mich „irgendwo“ in Königsberg gesehen haben. Als der Mann unangenehm wurde, wurde ich ungeduldig und bat ihn, sich nicht unnütz wichtig zu machen. Er sei nicht im Dienst und habe mich gar nichts zu fragen. Sei er neugierig, so möge er an den Bahnhof gehn und seine Vorgesetzten fragen, wer ich sei; er brauche es nicht zu wissen. Er ging brummend ab.

Als wir in der Nähe des Bahnhofes bei Türk’s Mühle ankamen, fuhr eben ein Zug nach Birkenfeld ab, auf dem sich sieben französische Gefangene befanden, die nebst drei anderen, die nachkamen, gebührend von den Eingeborenen angestaunt wurden. An der Post sah ich zwei Herren, von denen der eine jüngere den durchaus englischen Typus hatte. Schönes Gesicht, etwas langen Hals und lange Beine und einen blousenartigen wollenen Rock, ähnlich dem Russell’s. Ich hielt die Herren für Correspondenten englischer Blätter und machte bald mit ihnen Bekanntschaft. Der ältere war ein Künstler, der die ganze Welt bereist hatte und acht Sprachen fließend sprach. Er redete deutsch wie ein Deutscher, während sein junger Gefährte, ein englischer Husarenofficier, unsere Sprache nicht verstand. Beide Herren kamen von Saarbrücken und hatten das dort am Zweiten stattgehabte Gefecht sehr nahe mit angesehn, was natürlich mein großes Interesse erregte.

Erst gestern Abend bekam ich den Bericht des Generals Frossard an Napoleon in dem „Temps“ zu sehen. Ich sah nie ein lustigeres Lügendocument, welches ich der Aufmerksamkeit aller Leser empfehle. Sie werden den wahren Hergang der Sache bereits kennen und ich kann mich kurz fassen. Hinter Saarbrücken erheben sich verschiedene Hügelketten und zunächst der Winterberg und der Exercirplatz. All’ diese Berge und die weiter dahinter liegenden [540] Speicherer Berge waren von mehr als drei Divisionen Franzosen besetzt, während sich in Saarbrücken nur ein Bataillon vom 40. Regiment und eine Schwadron Ulanen befanden. Da unsere Armee noch nicht fertig war, so war es die Aufgabe des Commandanten von Saarlouis und des in Saarbrücken befehligenden Officiers, die Franzosen glauben zu machen, daß hinter ihren wenige Mann bedeutende Corps stünden, und sie fortwährend zu necken, ohne jedoch ein Gefecht herbeizuführen. Es gelang vortrefflich, sie zu täuschen. Die Ulanen verwandelten sich durch Wechseln ihrer Kleider bald in Dragoner (sie setzten nur Infanteriehelme auf) und durch Anziehen ihrer Stalljacken in Kürassiere, so daß selbst die zahlreichen Spione irre geführt wurden. – Am Zweiten also beschloß General Frossard, die große Schlacht zu schlagen, und seine drei Divisionen krabbelten wie Ameisen vorwärts gegen die Heeresmassen der Preußen. Diese Heeresmassen bestanden aus drei Zügen vom vierzigsten Regiment, Ulanen, die man in dem Train nicht gebrauchen konnte, also zurückschickte, und einer Batterie, die zu zwei und zwei Geschützen geteilt war. Diese drei


Aus den Vorpostenneckereien preußischer Cavallerie.
Nach der Skizze eines rheinischen Künstlers.

Züge hielten die dreißigtausend Mann vier Stunden lang fest und erschossen mehr Franzosen, als sie selbst stark waren. Ein Feldwebel, der eine vortheilhafte gedeckte Stellung einnahm und welcher als der beste Schütze im Regiment bekannt ist, ließ zwei Soldaten hinter sich beständig Gewehre laden und ihm reichen. Er soll allein achtzig Franzosen erschossen oder verwundet haben. – Der französische General warf Granaten in die Stadt und zerschoß ein paar Häuser, namentlich verwüstete er den schönen neuen Wartesaal im Bahnhof. Der General fragte den Bürgermeister, wo denn die Heeresmassen seien, welche seine große Armee zum Weichen gebracht haben, und wollte es durchaus nicht glauben, als ihm gesagt wurde, daß seine Macht gegen drei Züge verschwendet worden sei, bis es ihm der Bürgermeister auf das Ernsthafteste betheuerte. „Ist das so,“ rief Frossard aus, „dann wehe Frankreich; jeder Mann dieser drei Züge ist ein Held.“

Die Franzosen begingen allerdings hin und wieder Diebstähle und Gewaltthätigkeiten. Ein Bürger klagte dem General, daß er bestohlen worden sei. „Es giebt in jeder Armee Lumpen,“ sagte der General, allein der Bürger erwiderte: „In unserer Armee, Herr General, giebt es keine Lumpen.“ Die Soldaten mußten antreten und ihre Tornister öffnen; in dem einen fand man noch vier der gestohlenen Hemden und – einen schwarzen Frack.

In dem kleinen Postamt Türk’s Mühle waren die wenigen Beamten ganz aus dem Häuschen, denn sie erstickten unter der Unmasse von Soldaten-Paketen und Briefen. Dadurch verzögerte sich denn auch unsere Abreise um eine gute Stunde. Ich hatte beabsichtigt einen Wagen zu nehmen und nach Saarbrücken zu fahren, allein es kam die (falsche) Nachricht, daß die Franzosen Dudweiler besetzt hatten, und ich zog es daher vor, über Trier und Saarlouis die Front zu erreichen.

Als wir in Hermeskeil ankamen, fanden wir die Leute sehr aufgeregt und begierig vom Kriegsschauplatze zu hören, und auch die junge Wittwe „Ellen, die ihren Bruder suchte“. Durch Geld und gute Worte hatte sie Extrapost von Birkenfeld bekommen, was mir nicht gelungen war. Der Zuwachs einer lebhaften und gescheidten Frau zu unserer Gesellschaft war sehr angenehm. Es war halb zwei Uhr Nachts, als wir endlich in Trier ankamen. Die beiden Engländer gingen in die „Stadt Venedig“, wo sie Sachen zurück gelassen hatten, und „Ellen, die ihren Bruder suchte“, und ich nach dem uralten trefflichen „Rothen Haus“. Der uns auf mein Läuten öffnende Hausknecht überraschte uns gleich sehr angenehm durch die Nachricht von dem brillanten Sieg des Kronprinzen bei Weißenburg.

Ich war noch nie in Trier gewesen und schlenderte vor dem Frühstück durch die Straßen, um mir die Physiognomie der Heiligen Rock-Stadt anzusehen. Als ich in den Gasthof zurückkam, erhielt ich ein mit Bleistift geschriebenes Billet von den beiden Engländern: „Wir sind in größter Verlegenheit und möchten Sie gern sehn, wenn Sie nicht beschäftigt sind. Einige betrunkene Beamte drangen gestern Abend in unser Zimmer, indem sie uns für Spione hielten, und wir dürfen das Hôtel nicht verlassen.“ Ich ging sogleich hin. Einige Intendantur-Beamten feierten bei ihrer Ankunft den Sieg bei Weißenburg und der siegestrunkene Mehlwurm faßte einen plötzlichen Verdacht gegen die fremden Zungen sprechenden Menschen. Ihr Paß nutzte nichts, sie wurden bis auf die Haut ausgeschält [541] und ihre Sachen wurden durchwühlt. Endlich setzte man ihnen einen Polizeidiener in’s Zimmer und meldete die Sache im Hauptquartier. Ich ließ mich sogleich bei Generallieutenant von Marlotki melden, der mich dem Namen nach gut kannte und sehr artig empfing. Ich erzählte ihm, was ich von den beiden Herren wußte, und er kam zu der Ueberzeugung, daß sie unschuldige Personen seien, aber thöricht, ohne Erlaubnißschein zwischen den Vorposten herumzulaufen, wie sie es in Saarbrücken gethan. Ein Correspondent der „Irish Times“ war verwundet worden. Der General befahl die Herren frei zu lassen, aber nicht zu gestatten, daß sie zurück auf den Kriegsschauplatz gingen.

Als ich eben meinen Zeitungsbericht begonnen hatte, ließ mir „Ellen, die ihren Bruder suchte,“ sagen, daß um zwölf Uhr Mittags


Preußische Ulanenvorposten sprengen den Viaduct bei Hagenau.
Nach der Skizze eines rheinischen Künstlers.


wieder ein Zug nach Saarlouis gehe. Ich war augenblicklich reisefertig und nach zwei, drei Stunden langten wir in der mir von alten Zeiten her so wohl bekannten Gegend an, in welcher ich seit fünfunddreißig Jahren nicht gewesen war. Durch den Bau der Eisenbahn hatte sich die Localität natürlich verändert. Da ich keine Lust hatte, mich durch Zufall in Saarlouis belagern zu lassen, so ging ich in das dicht bei der Station gelegene große Dorf Frauenlautern, wo ich als hungriger Lieutenant manchen Eierkuchen verzehrt hatte. In einer großen Wirtschaft mit Garten, Kegelbahn, Tanzsaal und Logirzimmer kehrten wir ein. „Ellen, die ihren Bruder suchte,“ hatte am Bahnhof einen Jäger von ihres Bruders Compagnie gesehen und erfuhr von ihm, daß das Bataillon in Hüttersdorf, etwa drei Meilen von Saarlouis, liege. Ein Bauer, der zwei tüchtige Pferde und einen guten Leiterwagen hatte, wurde auch gefunden und die suchende Witwe und ihr correspondirender Ritter setzten sich auf dasselbe Bund Stroh und kutschirten ab. Ueberall Truppen und auf den Wegen Wagen mit Soldaten, die Proviant zuführten. Alle waren guter Laune und unsere beiden lachenden Gesichter machten sie nicht trauriger. Da ich in den letzten sechs Monaten unter Londoner Fütterung wenigstens fünfundzwanzig Pfund schwerer geworden bin, so war meine Nachbarin wohl berechtigt, mir unpassende Schwere vorzuwerfen; denn ich wurde immer kleiner und die Wittwe gerieth in Gefahr mir nach in den Abgrund gezogen zu werden.

In heiterster Laune kamen wir in Hüttersdorf an, wo ungefähr fünftausend Mann beisammenlagen. Wir sahen auf einer Wiese neben dem Wege den schmerzlich gesuchten Bruder sehr eifrig seine Compagnie Jäger exerciren und fuhren schnell vorüber, da er überrascht werden sollte. Wir begaben uns in das Haus, welches uns als das Quartier des Hauptmanns bezeichnet wurde, und als die Dame nach dessen Zimmer fragte, zeigte der resignirte Hauswirth mit dem Daumen rückwärts in eine offene Stube ebener Erde, auf deren Boden eine Streu ausgebreitet war, worauf sich Husarenjacken mit Infanterieröcken unterhielten. In diesem Zimmer schliefen (des Nachts und nicht als wir es ansahen) fünfzehn Officiere; außerdem waren noch fünfundsiebenzig Mann und fünfzehn Pferde im Hause einquartiert. Es war hübsch, die Freude des Geschwisterpaares zu sehen. Der Hauptmann zankte die Schwester, allein es freute ihn doch so recht von Herzen, daß sie den Muth und die Energie gehabt hatte und die Liebe zu ihm, diese Reise zu machen, um ihn noch einmal an’s Herz zu drücken, ehe er vielleicht in den Tod zog.

[542] Es war halb neun, als wir zur Rückkehr aufbrachen. Ein Gewitter stand am Himmel, und bald strömte es vom Himmel herab, wie es nur konnte. Meine Dame hatte einen grauen wasserdichten Ueberzieher und ich hatte mir einen von London mitgenommen, der wasserdicht sein sollte. Als sonstige Waffe gegen des Himmels Segen (der Regen war wirklich ein großer Segen) diente uns beiden ein „Antuchkahche“, wie die Frankfurter sagen, denn ich leichtsinniger Mensch hatte meinen Regenschirm in Lautern gelassen. Natürlich tröpfelte das von dem Schirm ablaufende Wasser in meinen Schooß, dann gerieth es in den linken exponirten Stiefel. Meine Nachbarin machte mitleidiger Weise ihr Kleid breit, so daß es meinen Schooß bedeckte; Alles vergebens, wir wurden immer nasser und der Regen immer ärger. Unter solchen Situationen hört manches auf und das noli-me-tangere-System ist nicht mehr durchzuführen. Wir lachten wie närrisch, wenn irgend eines von uns wieder eine neue kühle Ueberraschung an einem bisher trocknen Körperteil entdeckte. Unsere nasse Seligkeit wurde durch die Frage eines wachsamen Postenbefehlshabers unterbrochen, was der Bauer geladen habe. „Eine nasse Dame,“ sagte meine Nachbarin; „das Donauweibchen,“ sagte ich. Kurz, ich habe nie eine nassere, aber auch nie eine lustigere Partie gemacht.

Endlich gegen zwölf Uhr kamen wir in Frauenlautern an, gerad’ als der Regen aufhörte, der alle Wege in Ströme verwandelt hatte. Ich sprang aus dem Wagen in die bequemste Pfütze und trug das „feuchte Weib“ in’s Haus, wo die Leute uns noch erwarteten. Hand in Hand rannten wir lachend an ein durch Läden geschlossenes Fenster – das den abwesenden Spiegel ersetzen mußte, um unsere seltsame Erscheinung bewundern zu können – heißer Kaffee und Abendessen waren bald vorhanden, und als wir uns am Morgen nach unserm gegenseitigen Befinden erkundigten, entdeckten wir mit Vergnügen, daß wir weder Hals-, noch Zahnschmerzen, noch Schnupfen, noch Rheumatismus hatten.

Gegen zehn Uhr Morgens reiste meine liebenswürdige Wittwe nach Trier ab, und wir schieden als sehr gute Freunde und beide um eine Lebenserinnerung reicher. Nachdem ich meinen vielfachen Correspondenzpflichten etwas Genüge geleistet hatte, ging ich nach Saarlouis hinein, was nur eine kleine halbe Stunde entfernt ist. Eine neue Schanze war vor dem Brückenkopf nach den Rhodener Höhen zu gebaut; die Bäume aus dem Glacis, die zum Theil niedergehauen waren, waren fünfunddreißig Jahre älter geworden, seit ich sie als junge Schößlinge kannte, und die Gräben und Umgegend waren überschwemmt. Die Thore und Barrieren waren geschlossen, allein die Wache ließ von Zeit zu Zeit die Brücke ein und aus, ohne nach einer Legitimation oder dergleichen zu fragen. „Da bin ich denn wieder im alten Neste etc.,“ dachte ich, allein daß die Sehnsucht danach „mir das Herz zerpreßte,“ kann ich eben nicht sagen. Die Eisenbahncultur hatte Saarlouis nämlich auch beleckt. Am Markt waren statt eines Kaffeehauses drei und statt des Buchbinders, der sonst die Saarlouiser Welt mit der literarischen Welt in Verbindung brachte, existirt nun eine Buchhandlung, die ein tägliches Blättchen herausgiebt und hundert Arbeiter beschäftigt.

Die alten Knaster in der Stadt kannten mich alle noch! Ich muß mich also doch famos gehalten haben. Wenn man so sechs Jahre im Bruchsaler Essig einsam und tugendhaft gelegen hat, so muß man gestehen, daß derselbe Körper und Geist ganz ausgezeichnet conservirt, wenn man nämlich zuvor nicht daran stirbt oder verrückt wird.

Nach einer Legitimation hatte ich mich noch nicht umgesehen; da mich aber manche Officiere und Soldaten mit mißtrauischen Augen ansahen, so hielt ich es für besser zum Commandanten zu gehen, dem Obersten de Barry, der noch nicht lange Commandant war. Als ich zu ihm hineintrat, sah er mich mit seinen schwarzen Augen sehr lange und scharf an; dann sagte er: „Es ist lange, seit wir uns nicht gesehen haben.“ Der Oberst war junger Officier im fünfunddreißigsten Regiment, während ich im sechsunddreißigsten diente, und wir kannten uns natürlich. So finde ich überall alte Cameraden und auch sonst bin ich in Deutschland noch viel mehr bekannt, als ich mir einbildete, und man behandelt mich zuvorkommend und freundlich. Der Oberst erzählte mir, wie es seine Aufgabe gewesen sei, den Feind zu amüsiren und irrezuführen, zu welchem Zwecke er mit der Besatzung von Saarbrücken in Verbindung und Fühlung trat. Der Zweck wurde brillant erreicht und der französische General und der Herr Empereur nebst Lulu sind einmal gründlich bismarckirt worden – was man so über den Löffel barbiren nennt.

Nachdem der Commandant, der von allen Leuten sehr gelobt wurde, meine Briefe etc. gesehen hatte, gab er mir einen Paß, der mich dem Schutz der Militär- und Civilbehörden empfahl. Die Festungswerke von Saarlouis sind dadurch bedeutend verbessert worden, daß man die innern Wälle casemattirt hat. Der Ort hat vom deutschem zum französischen Thor nicht so viel Durchmesser wie der Great Eastern lang ist, auf dem ich dreihundert Schritt in jeder Richtung spazieren gehen konnte. Ich unterhielt mich vor einem der Kaffeehäuser mit sehr liebenswürdigen Officieren, von denen mir einige kleine Abenteuer mit den Franzosen erzählten. Gegen eine Patrouille von ein paar Mann hatten sie ganze compacte Massen entwickelt und wie wahnsinnig drauf los gefeuert, während manchmal das Erscheinen eines einzigen Cavalleristen genügte, um eine ganze Menge zum Ausreißen zu bringen, obgleich sie à l'attaque! schrieen. Die Vierziger haben sich bei ihnen in solchen Respect gesetzt, daß sie beim Ueberschreiten der Grenze stets sehr vorsichtig danach fragen. Ein Hauptmann, am Ende, erzählte mir, daß er am Morgen bei einem seiner Doppelposten gehalten habe, als er auf etwa vierhundert Schritt eine Abtheilung von circa dreißig Cavalleristen erscheinen sah. Er ließ den Posten auf sie feuern, und kaum war der Schuß gefallen, so riß die ganze Gesellschaft aus. Am Abend des 6. sagte mir der Bahnhofsinspector, daß am nächsten Tage die Züge nur bis Burbach bei Saarbrücken gehen würden, doch ich fuhr mit einem derselben bis Saarbrücken; die Eisenbahncolonne hatte die Schiene gleich wieder gelegt, da durch das große, siegreiche Gefecht bei Forbach die Gefahr vor einer Rückkehr der Franzosen verschwunden war.

Im Coupé traf ich Herrn Ernst Beyer, norddeutschen Consul in Mobile (Alabama) der vom Hauptquartier in Lebach kam und sich den Krieg ein wenig ansehen wollte. Er hatte den Krieg in Amerika mitgemacht und war in fünfzehn Schlachten und vielen Gefechten gewesen. Wir beschlossen zusammen zu bleiben. In St. Johann, der Vorstadt von Saarbrücken, welche diese Stadt bereits überflügelt hat und mit ihr durch die Saarbrücke verbunden ist, sahen wir die uns beiden so wohl bekannten Zeichen des Krieges, nämlich den durch Granaten zerstörten Wartesaal des Bahnhofs. Schade darum; man sieht noch, wie gut und elegant die Einrichtung war.

Es wimmelte in Saarbrücken von lauter Truppen und war in großer Aufregung wegen des am Sechsten stattgehabten Gefechtes – dasselbe hatte eigentlich am Siebenten stattfinden sollen, war aber durch Zufall verfrüht worden.

Wir gingen beide in das nahe dem Bahnhof gelegene Hôtel Hagen, welches wir mit Officieren und besonders mit Johannitern überschwemmt fanden, die es sich bei Essen und Wein wohl sein ließen. Dabei hörten wir, daß die deutschen Truppen bereits Forbach in Frankreich besetzt hätten, und beschlossen nach einem substantiellen Frühstück unsere Lenden zu gürten und zu Fuß so weit wie möglich vorzudringen, jedenfalls aber nach Forbach zu gehen. – Eben im Begriff meine Habseligkeiten in den allerkleinsten Compreß zu zwängen, sah ich im Hof eine Menge Aerzte der Armee zu Pferde ankommen und mit ihnen auf einem Pony Prinzessin Salm hoch zu Roß.

Als die Prinzessin mich sah, ließ sie die Herren stehen, rannte auf mich zu und umarmte mich – horribile dictu! zum Entsetzen sämmtlicher neidischen Courmacher, mich – der ich mehr einem Räuberhauptmann – einem Diebe – als einem civilisirten Menschen ähnlich sah – als ihren alten treuen Freund vorstellend, der ich auch wirklich bin, denn ich bekümmere mich nicht um Lumpereien und schätze ihre Charakterstärke und Energie. Sie kam mit dem berühmten Geheimrath Dr. Busch, hatte das Johanniterkreuz am Arm und ärgerte sich über die Bordeaux schlürfenden ritterlichen Bummler, die mitgehen – Niemand begreift, warum.

Der Consul und ich gingen mit den Truppen nach dem Exercirplatz, einer von den Franzosen Tags vorher, in solcher Eile geräumten festen Position, daß sie Proviant und andere Dinge zurückließen. Weiß Gott, welche Nachricht sie dazu veranlaßte.

Am Siebenten hatten die Preußen, wie gesagt, angreifen wollen und die Dispositionen waren demgemäß getroffen. Ehe ich Ihnen nun das Gefecht beschreibe, wie es möglich ist, ohne es selbst gesehen zu haben, muß ich Ihnen eine möglichst verständliche Skizze von dem Schlachtfelde geben, was wegen des coupirten Terrains gar [543] keine Kleinigkeit ist und weil ich Ihre Leser nicht durch unnütze Details confus machen darf.

Nehmen Sie zunächst die Karte zur Hand und folgen Sie mir. Sie werden da ein gleichschenkeliges Eisenbahndreieck finden, dessen nördliche Spitze Saarbrücken ist. Im rechten, östlichen Schenkelpunkt liegt Saargemünd, im linken ein Ort Namens Cocheren. Aus dem linken südwestlich laufenden Schenkel, etwa drei Stunden von Saarbrücken, liegt der französische Ort Forbach. Die alte Kaiserstraße nach diesem Ort läuft etwas abweichend davon und geht über Forbach hinaus nach St. Avold (das Volk sagt St. Aford) und weiter nach Metz.

Die nächste Station auf dem Schenkel nach Forbach ist bei einem Dorfe Namens Stieringen, nächst welchem auch die Kaiserstraße dicht vorbei geht. Westlich von dieser Kaiserstraße liegt eine ziemlich hohe, von Schluchten durchschnittene Hügelkette, welche die Speicherer Berge genannt wird, nach einem auf der Höhe liegenden Dorf Speichern. Näher nach Saarbrücken, rechts von der Landstraße, also zwischen dieser und der Eisenbahn, liegen der Winterberg und der Exercirplatz, eine starke Position, die eben von den Franzosen so plötzlich geräumt wurde. Dem Exercirplatz gegenüber, auf der andern Seite der Kaiserstraße, liegt ein vorspringender steil (30 Grad) aufsteigender Hügel, dessen durchklüftete Fortsetzung bis nach Stieringen und noch darüber hinaus läuft. Hinter diesem vorspringenden Hügel, unmittelbar hinter demselben eine Art Bucht bildend, liegt eine bewaldete Höhe. Nahe bei Stieringen, dicht an der Eisenbahn nach Forbach und südwestlich von derselben, liegt ein großes Eisenwerk, Stiring de Wendel. Dicht an derselben, vom Fuße des Exercirplatzes aber zieht sich eine bewaldete, durch eine Schlucht getrennte Höhe, deren südwestliche Hälfte von den Franzosen, während die nordwestliche von den Preußen besetzt war. Zwischen dem von Franzosen besetzten Wald, begrenzt nördlich von der Fabrik und Stieringen, nach der Landstraße hinüber, hatten die Franzosen ein Lager auf einer Hochebene. Sie hatten aber ebenfalls die Speicherer Höhen besetzt und namentlich die bewaldete Höhe hinter dem obengenannten steilen Hügel.

Ueber den Anfang des Gefechts cursiren abweichende Erzählungen. Nach Einigen wurde der Kampf provocirt durch zwei Escadrons Cavallerie – Husaren, Ulanen und Kürassiere –, die zwischen Eisenbahn und Kaiserstraße, respective Speicherer Hügel, bis nach Stieringen zu vordrangen. Als das Gefecht begann, waren in dem Walde an der Eisenbahn (in der Nähe der Fabrik) nur etwa zweitausend Preußen. Diese drangen über die Schlucht, von Gersweiler kommend, im Walde vor, wo sich ein lebhaftes Gefecht entspann, in Folge dessen die Preußen nach ziemlich hartnäckiger Vertheidigung auf die Ebene vordrangen, auf der, in der Nähe der Fabrik (nordwestlich), die Franzosen sich leicht verschanzt hatten. Die Franzosen wurden über diese Ebene und über die Landstraße gejagt, woran sie sich in die Speicherer Berge zurückzogen, deren Fortsetzung sie, wie oben bemerkt, ebenfalls besetzt hatten. Die Position, die sie dort einnahmen, war eine formidable und so stark, daß selten eine Truppe, außer Preußen, es unternehmen würde, sie anzugreifen. Es ist schwierig, hinauf zu kommen, selbst wenn man ohne Hindernisse hinaufsteigen kann.

Nahestehende Regimenter wurden von verschiedenen Seiten in’s Gefecht gezogen und man kann annehmen, daß den dreißigtausend Franzosen auf der schroffen, zum Theil felsigen und zerklüfteten Höhe zehn- bis zwölftausend Preußen am Fuß derselben entgegen standen. Die Berge mußten genommen werden, und das neununddreißigste Regiment, Musik voran, schickte sich zum Sturm an gegen den ziemlich kahlen, schroffenreichen Berg, den ich als vorspringend bezeichnet habe. Das vierundsiebenzigste Regiment nahm ebenfalls an dem Sturm Theil, der vier Mal zurückgeschlagen wurde. Unterdessen nahmen andere Regimenter die dahinter auf dem rechten Flügel der Franzosen liegenden bewaldeten Höhen, wodurch sie den auf dem vorspringenden steilen Berge stehenden Franzosen, die ebenfalls Brustwehren aufgeworfen hatten, in die rechte Flanke kamen. Zugleich unternahmen die Truppen gegen den vorspringenden Hügel den kühnsten Sturm. Der Verlust war hier bedeutend, wäre aber noch größer gewesen, wenn der Hügel nicht so steil war, woher es kam, daß die Franzosen viel über die Stürmenden hinausschossen. Sie waren theilweise, und besonders auf einem Absatz des Berges, im todten Winkel.

Der Berg wurde genommen und der Kampf entbrannte noch heftiger auf der Hochebene. Das zwölfte Regiment und andere, die ich nicht nennen will, um Verwirrung zu meiden, griffen zugleich die Speicherer Höhen weiter rechts, nach Stieringen zu, an. Das Terrain ist da sehr schwierig und der Kampf war hart; allein sie nahmen die Höhen, kamen den Franzosen in die linke Flanke und zwangen sie zum Rückzug, unterstützt von Artillerie, welche aus einer hinter dem vorspringenden Berge laufenden Straße auf das oben liegende Plateau rückte.

Die Truppen sind alle darüber einig, daß die Franzosen brav fochten – aber! – die Preußen fochten eben tapferer und jagten die dreißigtausend Mann, daß es eine Lust war. Sie flohen in der Richtung nach Forbach, wo eine berühmt starke Position ist, die sie aber nicht lange halten konnten; noch Abends wurden sie vertrieben und flohen nach St. Avold zu.

Auf einer Anhöhe trafen mit gefälltem Bajonnet ein Bataillon Preußen und ein Bataillon Franzosen zusammen; sie rückten bis fünfzehn Schritte an einander – da machten die Franzosen Kehrt.

Die Verluste der Deutschen sind sehr groß und vielleicht größer, als die der Franzosen, wie das ganz natürlich ist; sie werden an Todten und Verwundeten auf viertausend Mann angegeben. Es ist unmöglich, allen den braven Truppen einzeln Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, denn aus den auf dem Schlachtfelde gesammelten Angaben kann man nicht recht klug werden. Ich habe Soldaten aller Regimenter gefragt, und jeder erzählt seine eigene Geschichte. Ich muß mich mit aphoristischen Angaben begnügen, deren exacte Richtigkeit ich nicht verbürgen kann, die ich aber jedenfalls annähernd für wahr halte.

Ein Vierziger am Bahnhofe sagte mir, sein Regiment habe (am 2. und 6. zusammen) gegen fünfzehnhundert Mann eingebüßt. Der Mann war sehr aufgebracht darüber, daß die Franzosen ihm seinen Helm so schändlich zugerichtet hätten. Ein Granatstück, sagte er, hätte erstlich ein Loch hineingeschlagen, ohne den Kopf zu verletzen, und eine Chassepotkugel hätte die Spitze weggenommen. Die Achtundvierziger verloren ebenfalls viel und die braven Neununddreißiger noch mehr; am meisten vielleicht die Vierundsiebenziger. Deren Füsilier-Bataillon war auf vierhundert Mann reducirt (von circa tausend) und sechszehn Officiere fehlten. General von François empfing vier Kugeln und starb. Der Oberst des zwölften Regiments ist schwer verwundet.

Ich kehre nun zu dem zurück, was ich persönlich sah.

Der Consul und ich gelangten zunächst auf den Exercirplatz. Vor uns sahen wir die Truppen, die an dem Gefecht Theil genommen hatten, und hinter uns sahen wir auf verschiedenen Wegen immense Colonnen nach Saarbrücken zu marschiren. Die ganze Nordarmee unter General Steinmetz hatte eine Bewegung nach Süden gemacht und sich mit der Mittel-Armee in Verbindung gesetzt. Man sagt uns, General Frossard habe einen Waffenstillstand von zwei oder drei Tagen begehrt, allein Steinmetz habe lakonisch geantwortet: „Ist nicht.“ –

Nachdem wir uns eine gute Weile in dem unbewaldeten Terrain aufgehalten und mit den Soldaten verschiedener Truppentheile gesprochen hatten, gingen wir wieder in den Wald, der sich von einem Wiesengrunde bis nach dem Eisenwerke bei Stiering hinzieht. Die Franzosen hatten hier sich kreuzende Wege gehauen, um nach allen Richtungen feuern zu können. Wir trafen auch in diesem Walde einen Telegraphen. Im Walde lagen Preußen und Franzosen todt, obwohl nicht sehr dicht, wie sie eben bei einem Tirailleurgefecht fallen. Sowohl der Consul als ich hatten Schlachtfelder gesehen und hielten uns bei den Todten nicht zu lange auf. Ich nahm mir ein Stück Granate, welche einen französischen Sergeanten erschlagen hatte, zum Andenken mit, und ein ihm zugehöriges Notizblatt. Ein Feldwebel, der es sah, sagte mir, es sei verboten, Civilisten in den Wald zu lassen, und ich ging auf die Hochebene heraus, wo man eben gegen 40 todte Preußen mit drei Salven begraben hatte. Zwei Feldgensdarmen kamen uns nach, wovon der eine mich scharf examinirte, was ich mit dem aufgehobenen Papier wolle. Die Vorzeigung meiner Legitimation machte der Schwierigkeit ein Ende. Das Verbot, in den Wald zu gehen, war ganz vernünftig. Marodeure hatten die Leichen geplündert, und wir sahen etwa ein Dutzend, dabei anständig gekleidete Leute, mit Stricken zusammengekoppelt, auf der Chaussee transportiren, ebenso Gefangene, von denen man in Saarbrücken etwas über tausend sah.

Das Schlachtfeld auf der Hochebene zwischen Wald und Chaussee sah wie ein Trödelmarkt aus. Wer das nicht gesehen [544] hat, hat keinen Begriff davon. Die Todten lagen dort ziemlich dicht, sowohl Preußen wie Franzosen. Jenseits der Straße war französische Cavallerie ins Gefecht gekommen, und eine Anzahl Pferde lagen da. Aber auf der Ebene standen vier demolirte französische Geschütze. Auch sagten mir die Siebenundsiebziger, daß sie drei Mitrailleusen genommen hätten. Die Dinger sind Spielerei. Drei Kugeln sind in jeder der grünen Patronen. Eine Section mit Nadelflinten oder Chassepots, die zielt, ist gefährlicher als jede Mitrailleuse, welche Kugeln wie Erbsen streut – auf gut Glück. Ich konnte leider keine Mitrailleuse zu sehen bekommen.

Wir gingen nun bei Stieringen vorbei und kamen an ein Wirthshaus, welches die goldne Brehm (Ginster) heißt. Es steht hart an der Grenze schon auf französischem Boden. Im Haus war Alles zertrümmert; von den Kugelmarken sah es aus, als habe es die Pocken.

Dort begegneten wir einem sehr schön beladenen Wagentrain, welchen die Düsseldorfer Husaren erbeutet hatten und in sehr guter Laune einheimsten. Sie hätten nun Hafer, sagten sie, für die ganze Campagne. Wein, Zucker etc. wurden auch in Menge erbeutet. Dabei trafen wir einen gefangenen Franzosen mit dem rothen Kreuz. Er nannte General Frossard einen Verräther. Dessen Schlachtbericht vom 2. August beweist auch in der That, daß er ein französischer Windbeutel ist.

Die Leute in Forbach waren in großer Angst; man hatte ihnen Scheußliches von den Preußen erzählt. Allein sie beruhigten sich bald wieder und machten gute Geschäfte. Einzelne Soldaten hatten Requirir-Gelüste; doch die Officiere paßten scharf auf.

Wir stiegen im Chariot d’or ab. Die Leute sprechen alle Deutsch. Im Hause war auch das Hauptquartier einer Cavallerie-Division, Prinz von Mecklenburg.

Ich muß gestehen, daß das Schreiben viel am Sehen hindert. Die Preußen laufen so schnell, daß man sie ohne Pferd gar nicht einholt, und Pferd und Wagen sind nicht zu haben. Ich wäre gestern Morgen gern gleich weiter nach St. Avold, allein ich mußte schreiben, während der Consul recognoscirte. Er beschloß in Forbach zu bleiben, während ich nach Saarbrücken zurückging, in der Hoffnung von dort aus Fuhrwerk nach Metz zu finden. Einige Saarbrücker schlossen sich mir an und wir schlugen bei der goldenen Brehm den Weg in die Berge ein, welcher die Grenze bildet. Wir fanden bald überall auf den Bergen und Beiwegen todte Preußen und Franzosen. Einen vom zwölften Regiment hatte die Kugel mitten ins Herz getroffen; er sah aus, als ob er schliefe und angenehme Träume habe. An einer Stelle fanden wir zwei Franzosen und zwei Preußen, welche sich mit Kolben bearbeitet hatten und nun friedlich dicht neben einander lagen. Chassepots und Nadelflinten, Helme und Mützen, Tornister und Säbel bedeckten das Schlachtfeld und überall Blutlachen. Es war ein sehr scharfes Gefecht. Auf der Ebene, die auf der Höhe des erstürmten, vorspringenden Hügels liegt, sah es am wildesten aus. Man hatte bereits eine Menge Todte begraben, allein viele lagen noch heute unbeerdigt und die gesammelten Effecten zeigten an, wo die Schlacht am härtesten war. Auch zwei demontirte Geschütze, die Protzkasten noch gefüllt, sahen wir. Wir stiegen mit Mühe den Berg hinunter, den die Neununddreißiger und Vierundsiebenziger gestürmt hatten. Ich wollte, Sie könnten das sehen! Es ist schon vier Uhr und ich will versuchen nach Metz zu kommen, damit ich die Schlacht nicht versäume, die nach meinem Dafürhalten in dem Dreieck geschlagen werden wird, welches zwischen Metz, Thionville und Saarlouis liegt. Vielleicht gehe ich nach Saarlouis per Eisenbahn und erreiche von da das Schlachtfeld leichter. Hier marschiren zu viele Truppen durch, und Fuhrwerk ist, wie gesagt, nicht zu haben. Ein Pferd, ein Pferd, ein Königreich für ein Pferd! Das war in Amerika besser, da hatte ich stets mehrere zu meiner Disposition. Jetzt sitze ich seit heut Morgen und schreibe, und damit verläppert man seine Zeit, wie sein Geld mit Schuldenbezahlen.

Frossard soll bei St. Avold verwundet sein. Hurrah für den Sieg des Kronprinzen bei Wörth, wo sich die Süddeutschen wieder so brav geschlagen haben! Das ist die rechte Brüderweise.

Saargemünd ist in unsern Händen, ungeheure Vorräthe wurden erbeutet, die zurückgelassen wurden; dabei ein ganzer Eisenbahnzug. Prinz Friedrich Karl war in Saargemünd. Der König wurde gestern hier erwartet. Die ganze Stadt ist beflaggt und bewimpelt, allein auch heute ist der König noch nicht hier und es heißt nun auch schon, er komme überhaupt nicht.

Quartier in Hôtels gar nicht zu haben. Die Saarbrücker thun Alles, was sie können. Ich hatte eine Karte an Bankier Simon[WS 2], der mich mit der größten Liebenswürdigkeit und Freundschaft aufnahm. Eben bringt mir derselbe die Nachricht, daß der König und Graf Bismarck nun doch angekommen sind.

Mein nächster Brief meldet und beschreibt Ihnen hoffentlich einen großen Sieg; wenn ich ihn nur nicht versäume! Die Preußen werfen mit ihrer „Affengeschwindigkeit“ – so hieß es ja wohl 1866 – alles Althergebrachte über den Haufen und ein armer Correspondent weiß sich nicht mehr zu helfen. Immer langsam voran! Das war bequem. – Durchlesen kann ich meinen Brief unmöglich; corrigieren Sie gefälligst etwaige Wiederholungen. Jetzt fort nach Metz!




Aus den Tagen des Kampfes.

Wochen-Rapport Nr. 1.

Gäb’ es eine Höhe, auf welcher man das ganze Deutschland übersehen könnte, welch einen Anblick hätten wir erlebt in der ersten Woche dieses August! Ein Fahnenschwingen vom Nordrand am deutschen und baltischen Meere bis zu den Alpen, ein Händeheben und Jubelrufen vom Memelflüßchen bis zum Moselstrome und rings um unser kampf- und siegesstolzes Vaterland den bald lauten und ehrlichen, bald verschämten, noch scheu versteckten, bald gezwungenen und bald verbissenen Neutralitätsbeifall aller unserer Nachbarn! –

Wie blutig auch die Ehren von Weißenburg, Wörth und Forbach errungen werden mußten, die Opfer dafür sind nicht zu groß, denn nicht zu theuer bezahlt ist die die ganze friedliche Volksarbeit daheim mit neuem, belebendem Vertrauen erfüllende Zuversicht auf die Erfolge unserer Waffen. Eben darum ist es aber auch in diesem Augenblicke gewagt, schon mit einem geschichtlichen Rückblick bis zu den einfachen Anfängen des Krieges zurückzugehen. Die Vollständigkeit eines solchen Ueberblicks erfordert dies jedoch durchaus, und so müssen selbst unsere siegjubelndsten Leser sich mit in diese Nothwendigkeit fügen.

Gern ließen wir der kurzen Darlegung des bisherigen Kriegsverlaufs eine Schilderung des größten Meisterstücks vorangehen, das je die Kunst der Massenbeförderung zu vollenden hatte. Mehr als eine Million Soldaten, anderthalbtausend Kanonen und hunderttausend Pferde sammt Tausenden von Munitions- und Proviantwagen mußten in der Zelt von wenigen Wochen von der dänischen, russischen und österreichischen bis an die französische Grenze geschafft und in dem Bogen zwischen Straßburg und Luxemburg aufgestellt werden. Und diese Riesenarbeit ward vollbracht ohne irgendwelche Ueberstürzung und bei dem Locomotivenrasseln Tag und Nacht mit nur zwei Unfällen auf den sämmtlichen deutschen Eisenbahnen. Zum Einblick in dieses Netz von Weberschiffchen des Dampfverkehrs, in dieses ewige Her und Hin von Zügen fehlt jedoch bis heute noch alles Material; wir können nur bewundern, wie pünktlich die einzelnen Männer zu ihren Sammelorten gebracht und wie minutengenau die Bataillons-, Schwadronen- und Batterie-Züge in den Stationen der Eisenbahnen ankamen und weiter befördert wurden. Wir dürfen wohl jetzt schon verrathen, daß auf den Bahnhöfen von Leipzig allein all die durchpassirenden Soldaten etwa eine halbe Million Cigarren vertheilt worden sind, um damit die Zahl der Mannschaften nur anzudeuten. Ueber diese Beförderungszüge hoffen wir später Ausführliches bringen zu können; sie sind noch nicht ganz zu Ende. Während derselben vollendete der Generalstabschef sein zweites Meisterstück: die Aufstellung der Heeresmassen, und wie jene Beförderungsweise, so erkennen wir auch dieses Vorwärtsgehen der Aufstellung an ihren Früchten, d. h. an den erst einzelnen und kleinen Zusammenstößen, die den größeren Schlägen vorangingen, deren Donner bereits betäubend über Sieger und Besiegte hereingebrochen ist.

Der neunzehnte Juli, der sechszigste Todestag der Königin Louise, mit deren Namen das „Eiserne-Kreuz-Jahr 1813“ ewig verknüpft ist, ist auch der Tag des Anfangs unseres „letzten Krieges um den Rhein“. An diesem Tage ward in Berlin die französische Kriegserklärung überreicht und vom greisen König Wilhelm die Erneuung des „Eisernen Kreuzes“ verkündet, während in Saarbrücken zur selben Zeit als der erste feindliche Besuch ein Chasseur-Regiment zu Pferde die deutsche Grenze überschritt. Als auf den Alarm unserer Vorposten drei Escadrons Rheinischer Ulanen und ein Bataillon Hohenzollerscher Füsiliere sich den Franzosen entgegenstellten, machten sie Kehrtum und wurden von den Ulanen noch weit in’s französische Gebiet hinein verfolgt.

Neben diesem unblutigen Versuch darf nicht verschwiegen werden, daß den Franzosen an demselben Tage noch eine That gelang, die den Beginn des Krieges von ihrer Seite für immer würdig schmückt: sie eroberten das Solsterhöher Zollamt und führte die zwei Grenzzollbeamten als Gefangene mit fort. Beide Männer sind später, nachdem sie einen Gang mit verbundenen Augen durch das feindliche Lager ausgestanden, gesund und wohl zurückgekehrt.

Für den Krieg ein wichtiges Ereigniß waren am zwanzigsten Juli die einmüthigen patriotischen Antworten der Regenten von Baiern, Würtemberg und Baden auf die königliche Botschaft aus Berlin, welche den [545] Kronprinzen von Preußen als Befehlshaber der süddeutschen Armeen ankündigte. Am selben Tage gewann bei dem Vorpostengefechte von Saarbrücken ein preußischer Jäger eine der mancherlei zur Belohnung der Tapferkeit von deutschen Vaterlandsfreunden ausgesetzten Prämien, nämlich die für den ersten gefallenen Franzosen.

Kaum war am Zweiundzwanzigsten, in Folge der badischen Kriegserklärung, der französische Gesandte von Karlsruhe abgereist, als die Deutschen einen Pfeiler der von Kehl nach Straßburg führenden neuen Eisenbahnbrücke sprengten. Es mochte dies nothwendig erscheinen, weil damals die süddeutschen Rüstungen noch nicht vollendet, folglich nicht Truppen genug vorhanden waren, um einem etwaigen Einbruch französischer Uebermacht von Straßburg her widerstehen zu können. Jetzt würde man schon wieder der Ansicht sein, daß diese Brücke nicht blos zum Herüber-, sondern auch zum Hinüber-Marschiren tauge.

Die am Dreiundzwanzigsten erlassene Proclamation des Kaisers Napoleon an das französische Volk wurde nicht blos von den Deutschen, sondern in England, Amerika und von den Deutschen Oesterreichs als das schamlose Programm des Kaiserthums der Lüge erkannt. Die Franzosen verherrlichten es abermals durch Vorpostengefechte, die an diesem und auch am folgenden Tage ihnen keine Lorbeeren trugen. Es gelang ihnen weder die Brücke bei Wehrden unweit Saarlouis, noch das Dorf Gersweiler bei Saarbrücken zu besetzen, und nur die Zerschießung eines Mistwagens mittels Granaten, die Tödtung der beiden Pferde desselben und eines Weinbergarbeiters gehören zu ihren Ehren dieses Tages. Dagegen nahm eine Compagnie von Rheinländern (8. Rheinisches Infanterie-Regiment) Rache für das Solsterhöher Zollhaus, indem sie die Casse aus dem französischen Zollhause in Schrecklingen heimführte.

Von nachhaltigerer Bedeutung, als diese Vorpostenscherze, war die Zerstörung eines Viaducts der Saargemünd-Hagenauer Eisenbahn, welche rheinischen Ulanen gelungen und der wir heute eine Illustration widmen, sowie die kühnen Streifzüge badischer und bairischer Reiterabtheilungen zur Zerstörung der Telegraphenleitungen hinter Lauterburg.

Während zwischen Rhein und Mosel der kleine Krieg den großen einleitete, bereitete General Vogel von Falckenstein die Vertheidigung unserer Nord- und Ostseeküsten gegen die französische Flotte vor. Wie schon am Tage vorher der König eine Ordre zur Errichtung einer freiwilligen Seewehr erlassen hatte, so datirt vom Fünfundzwanzigsten ein Aufruf des Generals an die Bewohner der Küstenländer zur Bewaffnung aller wehrhaften Männer zur Bewachung der gesammten deutschen Küsten.

Eine der kühnsten Recognoscirungen wagte am Sechsundzwanzigsten der würtembergische Generalstabsofficier Hauptmann Graf Zeppelin mit drei badischen Officieren und vier Dragonern. Leider trafen die Tapferen unweit Niederbronn auf ein feindliches Husarenregiment, dessen Uebermacht Sieben der Männer erlagen. Nur Graf Zeppelin schlug sich durch; die Beobachtungen aber, die er über die Umgegend von Hagenau und Wörth mit in’s Hauptquartier gebracht, sollten die ehrenvollsten Früchte tragen.

Die Vorpostenplänkeleien gingen bereits in Scharmützel und kleine Gefechte über. So an der Brücke von Rheinheim an der Blies (nordöstlich von Saargemünd), wo Preußen und Baiern mit den Franzosen zusammentrafen, und am folgenden Tage bei Völklingen, wo feindliche Infanterie und Reiterei gegen Forbach zurückgetrieben wurde. Am Achtundzwanzigsten trafen die Unseren bei den Recognoscirungen von Saarbrücken aus jenseits der Grenze schon überall auf den Feind, und am Nachmittag flogen die ersten Granaten in die Stadt. Hier jedoch, wie bei der Station Perl, wo Husaren und Infanterie hereingebrochen waren, zogen sie sich, nachdem sie die Luft mit unnützem Schießen erschüttert hatten, bald wieder zurück. Dasselbe geschah am folgenden Tage bei Neuhornbach den Baiern gegenüber, und am 30. Juli abermals bei Saarbrücken, das als ein „Gloire-Ziel“ bereits ausersehen zu sein schien.

Als ein Zeichen für die Reife der Vorbereitungen zum großen Beginn konnten die Proclamationen der Kriegsfürsten gelten, die am Ende des Juli veröffentlicht wurden. Der Franzosenkaiser richtete sie an seine „Rheinarmee“ und an seine Flotte; jener sagt er, daß das Weltall seine Augen auf sie gerichtet habe, und dieser, daß das dreifarbige Banner ihrer Schiffe in seinen Falten überall die Ehre und den Genius Frankreichs trage. König Wilhelm verkündete seinem Volke eine Amnestie für politische Verbrechen und Vergehen und schloß sein kurzes Wort mit der ehrlichen einfachen Versicherung: „Mein Volk weiß mit Mir, daß Friedensbruch und Feindschaft wahrhaftig nicht auf unserer Seite war; aber herausgefordert, sind Wir entschlossen, gleich unseren Vätern und in fester Zuversicht auf Gott den Kampf zu bestehen zur Errettung des Vaterlandes!“

Und mit diesem festen und treuen Willen trat Heer und Volk der Deutschen in den großen, vielleicht entscheidungsvollen August hinein.

Leider eröffnete die Reihe der kriegerischen Ereignisse ein imperialistisches Gladiatorenstückchen. Wie wir angedeutet haben, war die schwache Besetzung Saarbrückens den Franzosen sicherlich kein Geheimniß mehr; die offene, der Grenze so nahe Stadt bot deshalb die füglichste Gelegenheit, dem großen Kinde Paris eine wohlfeile Siegesnachricht und dem kleinen Kinde Lulu den Anblick eines französischen Triumphs zu verschaffen. Und so marschirten etwa vierzigtausend Franzosen mit dreiundzwanzig Geschützen von Forbach her gegen einen Feind, der aus einem Bataillon des vierzigsten Regiments, drei Schwadronen Ulanen, etwa zwanzig Husaren und vier Vierpfünder-Kanonen bestand. Und wirklich gelang es, bei persönlicher Anwesenheit des Kaisers und des kaiserlichen Prinzen, nach vierstündigem Kampfe der offenen Stadt Herr zu werden.

„Metz, 2. August, 4 Uhr 50 Minuten Abends. Sieg bei Saarbrücken. Die Division Frossard hat drei preußische Divisionen über den Haufen geworfen und niederkartätscht. Der Kaiser ist im Triumph nach Metz zurückgekehrt.“

So lautete die kaiserliche Depesche nach Paris, und dieser angemessen explodirte dort der Jubeldampf. In Deutschland aber wirkte die Nachricht allerdings verstimmend auf die Gemüther, namentlich weil dem ungeschickten Nachsatz der ersten Depesche: „Details noch unbekannt“ die Erklärung nicht sofort gefolgt war.

Indessen lag nur ein Tag zwischen diesem tragikomischen Triumphspiel und der ersten deutschen Siegesnachricht. Von den drei deutschen Armeen dieses Feldzuges, von denen die erste unter Steinmetz, die zweite unter dem Prinzen Friedrich Karl und die dritte unter dem Kronprinzen von Preußen steht, ist die letztere zuerst zum Angriffskriege übergegangen und hat mit der Erstürmung von Weißenburg und der Schlacht am Gaisberg die große deutsche Woche begonnen. Nicht nur, daß dies der erste Sieg war, erhob ganz Deutschland zu einem unermeßlichen Jubel, sondern daß gerade die süddeutschen Soldaten im Vereine mit preußischen den neuen Bruderbund so heldenhaft besiegelten. Das gab diesem Sieg erst seine rechte Bedeutung und Weihe. Eine baierische Division unter Graf Bothmer hatte den Kampf begonnen und war stürmend in die stark verschanzte und von alter Zeit befestigte, ehemalige freie deutsche Reichsstadt Weißenburg eingedrungen, und die rasche Hülfe vom fünften und elften preußischen Armeecorps vollendete den Sieg, der besonders blutig durch das Gefecht wurde, das sich nach dem Sturme der Stadt nöthig machte, und die Hauptmasse der Franzosen von dem eine halbe Stunde davon entfernt liegenden Gaisberg zu vertreiben. Früh gegen vier Uhr hatte der Aufmarsch der deutschen Truppen begonnen, um acht Uhr begann das Feuer, um halb vier Uhr Nachmittags war der Sieg entschieden und gegen Abend standen die Sieger schon drei Stunden hinter Weißenburg. Dieser Schlag hatte einen Theil des Armeecorps Mac Mahon’s getroffen, der mit demselben die Zuversicht der Franzosen gewesen war. Gegen achthundert Gefangene, darunter viele der Wau-Wau-Turcos, und eine Kanone traten als Zeugen des Sieges den Weg nach Deutschland an. Aber auch lange Züge unserer Verwundeten folgten ihnen und dämpften den Jubel und mahnten die Herzen an die Pflicht neuer Opfer und neuer Thatkraft.

Abermals nur ein Tag war dieser Siegesfreude vergönnt, um sich über ganz Deutschland auszubreiten, – da wurde sie von einer zweiten, noch größeren überholt, und diese lebt in der Geschichte am schönsten fort in dem Telegramme, mit welchem der greise König sie der Mutter des Siegers kund that:

„An die Königin Augusta, Berlin. Welches Glück dieser neue große Sieg durch Fritz! Preise nur Gott für seine Gnade! Genommen einige dreißig Geschütze, zwei Adler, sechs Mitrailleusen, viertausend Gefangene. Mac Mahon war verstärkt aus der Hauptarmee. Es soll Victoria geschossen werden. Wilhelm.“

Das Telegramm des Kronprinzen lautete: „Siegreiche Schlacht bei Wörth; Mac Mahon von dem größten Theil meiner Armee vollständig geschlagen. Die Franzosen sind auf Bitsch zurückgeworfen. Auf dem Schlachtfelde halbfünf Uhr Nachmittags bei Wörth.“ –

Die eingehenderen Schilderungen dieser Thaten unserer Heere werden die Arbeit unserer Berichterstatter sein. Hier stehe nur, was zur Vervollständigung der kurzen Telegrammnotizen gehört. An der französischen Niederlage nahmen mit Mac Mahon auch die Armeecorps von Failly und Canrobert Theil. Der französische Verlust wurde bis jetzt auf wenigstens zehntausend Todte und Verwundete und sechstausend Gefangene mit über hundert Officieren angegeben. Die Armee Mac Mahon’s floh so eilig, daß sie die ganze Bagage, viele Geschütze, zwei Eisenbahnzüge mit Proviant und die Feldlager von zwei Divisionen zurückließ. Aber theuer, sehr theuer ist auch dieser Sieg erkauft: wir beklagen den Verlust von nahe an viertausend Todten und Verwundeten.

Die nächste Folge dieses Sieges war die eilige Räumung von Saarbrücken durch die Franzosen. Leider konnten sie dieser Nothwendigkeit nicht folgen, ohne eine Schandthat gemeinster Rache zu verüben. Sie steckten nicht nur die Stadt in Brand, sondern unterhielten auch noch beim Abzug von den Höhen aus ein anhaltendes Granatenfeuer, um aus sicherer Ferne ihr Werk der Zerstörung zu vollenden. – So schieden die würdigen Nachkommen der Brand- und Mordhelden von der Pfalz von dieser einzigen deutschen Stadt, die sie in diesem Kriege betraten. Wir nehmen diese Unthat als ein Zeichen, daß dies auch die einzige und letzte Stadt gewesen sein soll, die von französischer Civilisation mißhandelt ward. Aber auch das ist sicher, daß Frankreich diese Stadt uns bei Heller und Pfennig bezahlen wird.

Gerechterweise folgte der Schandtat die Strafe auf dem Fuß. Der sechste August 1870 war die Wiedervergeltung für den 14. October 1806: Jena und Auerstädt sind vergolten durch die Doppelschlachten von Wörth und Forbach. Der Kanonendonner unserer dritten Armee vereinigte sich mit dem von fünf Divisionen der ersten, mit welchen der alte Steinmetz die Franzosen zwischen Saarbrücken und Forbach packte und sie mit ihrem berühmten Marschall Frossard über Spicheren und den Kreuzberg hinausschlug.

Ein Telegramm vom 9. August aus Saarbrücken berichtet: „Das Gefecht vom 6. August bei Spicheren, unweit Saarbrücken, hat größere Dimensionen und Resultate, als bisher bekannt geworden. Das französische Corps Frossard ist in demselben fast gänzlich aufgelöst worden, die Verluste desselben an Todten und Verwundeten sind außerordentlich bedeutend. Das Lager der 1. Division und verschiedene bedeutende Magazine sind genommen, außerdem eine sehr große Menge Gefangene eingebracht, deren Zahl sich noch stündlich vermehrt. Bis jetzt bereits über zweitausend! – Aber auch der diesseitige Verlust ist groß, bei der fünften Division allein circa achtzehnhundert Mann. Die französische Armee weicht auf allen Punkten zurück, St. Avold von unseren Truppen besetzt, Patrouillen streifen bis zwei Meilen vor Metz.“ Und daß sogar dem Feinde ein vollständiger Brückentrain von etwa vierzig Wagen abgenommen werden konnte, ist wenigstens ein starkes Symptom der bereits im französischen Heere eingerissenen Demoralisation – des mächtigsten Verbündeten jedes Feindes.

[546] So sind denn von Napoleon’s acht Armeecorps, mit denen er Mainz stürmen und in Berlin den Frieden dictiren wollte, fünf bereits erlegen: das erste unter Mac Mahon (Hauptquartier Straßburg), das zweite unter Frossard (Hauptquartier St. Avold), das fünfte unter Failly (Hauptquartier Bitsch), das sechste unter Canrobert, und das siebente unter Douay. Unbesiegt, weil unangegriffen, blieben nur noch das dritte unter Bazaine (Hauptquartier Metz), das vierte unter Ladmirault (Hauptquartier Diedenhoven), und das achte, die kaiserliche Garde als Reservecorps, unter Bourbaki (Hauptquartier Nanzig).

In Paris aber, im Gesetzgebenden Körper, hat sich die Stimme der verhöhnten Nation bereits so weit erhoben, daß sie die Absetzung Napoleon’s als Oberfeldherrn, ja sogar die Abdankung desselben als Kaiser fordern konnte. – Das sind die Erfolge unserer ersten großen Woche. Die Nemesis hat gesiegt!




Blätter und Blüthen.


Festungsbriefe aus Mainz. Das goldene Mainz ist zu einem ehernen Mainz geworden; es starrt von Bajonneten und Kanonen. Zwölfhundert Feuerschlünde sind bereit, ihre todbringenden Geschosse auszuschleudern; Wall um Wall, Graben um Graben sammt einem Halbdutzend kleiner Malakoffs umschließt die ehemalige Residenz der Reichs-Erzkanzler von Deutschland, die nunmehr als einer der bedeutendsten oder als der bedeutendste Waffenplatz Europas gilt, und Mainz, unsere eigentlichste „Wacht am Rhein“, ist auch jetzt wieder bereit, den Schrecken einer Belagerung, deren es seit dem Jahre 1792 so manche an sich hat vorüberziehen sehen, zu begegnen.

Doch die Festung ist heute, da wir diese Zeilen schreiben, wohl gerüstet, den alten Erbfeind zu empfangen; ihre Armirung ging mit einer wunderbaren Schnelligkeit vor sich, in kaum drei Tagen war die Riesenarbeit vollendet. Wie erstaunten die guten Mainzer, als man Thore und Zugbrücken, welche seit 1866 nicht mehr geschlossen und aufgezogen worden waren, „probirte“! Schon glaubten die ängstlichsten der ängstlichen Gemüther an einen allzunahen Ueberfall des Feindes. Freilich, zu den schönen Zeiten des seligen Bundestages, da noch Oesterreich sich mit Preußen in die treue Behütung der Festung theilte, waren die Thore der ganzen Stadt, selbst nach dem zu der Stadt gehörigen und von drei- bis viertausend Menschen bewohnten Gartenfelde zu, mit dem Glockenschlage Zehn geschlossen worden, und wer nicht so glücklich war, einen Thorpaß zu besitzen (leider wurde derselbe stets nur für Einen Tag gegeben), mußte im Freien campiren, wenn es ihm nicht gerade gelang, dem der deutschen Sprache meist ganz unkundigen Landsknecht aus Böhmen oder Italien ein beliebiges Stück bedruckten Papieres als Thorpaß unter die Nase zu halten und sich auf diese Weise durchzuschwindeln.

Ja, man trieb in früherer Zeit die Gamaschenknöpferei so weit, die Brückenthore von Mainz und Castel um zehn Uhr Abends – und das Alles, wohl gemerkt, im tiefsten Frieden – zu sperren, daß sich häufig genug Leute in die Nothwendigkeit versetzt sahen, die Nacht hindurch auf der Brücke zu campiren. So passirte es einst einem hiesigen Arzte, daß er, – von Castel kommend, das Brückenthor von Mainz geschlossen fand.

„Herr Corporal von der Wache,“ rief der Arzt, „wollen Sie mir nicht das Thor öffnen?“

„Das kann i mach’n wie i will,“ antwortet ihm lakonisch der Böhme.

„Nun, wenn Sie das können, so öffnen Sie die Thür, ich bin der Doctor N.“

„Das kann i thun und kann’s bleiben lassen,“ brummt es jenseits.

„Aber, lieber Freund, ich muß unbedingt in die Stadt,“ ruft unser Arzt, dem bereits die Geduld auszugehen beginnt, „ich komme soeben von Castel.“

„Das kann i glauben und a nit,“ erwidert der unerschütterliche Krieger.

Verzweifelnd entschließt sich Doctor N., in Castel zu übernachten; doch, o Hand des Verhängnisses, auch dort ist das Thor unterdessen geschlossen worden und kein Parlamentiren hilft.

Noch einmal rennt unser Freund über die Brücke zurück, einen neuen Sturm auf das Mainzer Thor zu versuchen aber seiner eindringlichen Suade wird nun die Antwort: „Wenn’s jetzt nit glei a Fried gebe, wern’s eingesperrt a no.“

Dem Jünger Aesculap’s bleibt keine Wahl; er muß, vor dem strömenden Regen Schutz suchend, in ein Brückenschiff hinabklettern, von wo er am kommenden Morgen zum nicht geringen Erstaunen der inzwischen angekommenen Brückenknechte, bis auf die Haut durchnäßt, schimpfend und fluchend emportaucht.

Das eben Erzählte klingt, wie gesagt, nun bald wie ein „Märchen aus alter Zeit“, und heute fällt es Niemandem mehr ein, selbst jetzt in der Kriegszeit, die Thore der inneren Umwallung zu schließen.

Das ist eine Wohlthat, welche unsere „braven Landleute“ nicht genug schätzen können; denn von allen Seiten strömen sie Tag für Tag in die Stadt, theils Lebensmittel einzukaufen, theils Neuigkeiten zu hören, theils von ihren eingezogenen Söhnen Abschied zu nehmen, zu deren Auffindung [547] freilich oft genug ein Gang zu den umfangreichen und weitgedehnten Festungswerken nothwendig ist. Denn dort sind Tausende von Soldaten beschäftigt, Kanonen auf die Wälle zu bringen, Schanzkörbe aufzurichten, zwischen den verschiedenen Forts Palissaden aufzustellen und Erdschanzen aufzuwerfen. Officiere sprengen hin und her, Befehle bringend und austheilend; lange Wagenzüge schaffen aus den vor der Stadt gelegenen Friedensmagazinen Pulver in die Stadt. Mit ihnen kreuzen sich da und dort Abtheilungen Artillerie, welche schweres Festungsgeschütz transportiren; daneben baut man Baracken für die Kriegsbesatzung; Hunderte von Pferden werden vorbeigeführt, um auf dem benachbarten Felde von der Militärcommission gemustert zu werden – das Geschrei der Fuhrleute, das Wiehern der Pferde, das Knarren der Wagen, der Gesang der arbeitenden Soldaten, dazwischen rechts und links Horn- und Trommelsignale bilden ein wahrhaft betäubendes Concert, und doch greift auch in diesem scheinbaren Wirrwarr jedes Rad des gewaltigen Mechanismus schnell und richtig ein.

So drängen sich vor einem Thore wie vor dem anderen Wagen, Reiter und Fußgänger; Musik voran marschirt ein Bataillon in die äußeren Forts, unter dem brausenden Jubelruf der Zuschauer, die plötzlich aufschreiend rechts und links zur Seite weichen – ein endloser Provianttrain sperrt die Passage; ihm folgen ganze Heerden von Schlachtvieh, welche in den Wallgräben der oberen Festung untergebracht werden. Auch in der Stadt selbst herrscht ein überaus reges Leben. Die Bevölkerung, mit allen Eventualitäten des Kriegszustandes vertraut, weiß zu gut, daß ihre Hauptsorge auf die Beschaffung des Proviantes gerichtet zu sein hat, und jeder Einwohner muß sich, wenn der Belagerungszustand erklärt wird, auf vier Monate verproviantiren. Wer dieser Maßregel nachzukommen nicht im Stande ist, wird unnachsichtig aus der Stadt gewiesen.

Unter solchen Umständen ist es natürlich, daß die Verkaufsläden im ersten Momente geradezu gestürmt wurden. Reis, Kaffee, Chocolade, Hülsenfrüchte, Fleischextract, Mehl, Rum, Zucker wurden in einem Athem verlangt, doch zur Verzweiflung der ehrsamen Hausmutter, des sorgenden Hausvaters und der keifenden Köchin waren den auf solchen Andrang nicht vorbereitet gewesenen Händlern schon in den ersten Tagen die Vorräthe ausgegangen. Die Bauern aber, die den Markt mit ihrem Besuche beehren, machen sich die Umstände zu Nutzen und verlangen horrende Preise. So wird das Pfund Butter mit zwanzig bis fünfundzwanzig Silbergroschen bezahlt.

Den Anblick größten Tumults bietet natürlich der Ludwigsbahnhof, auf dem die ankommenden Militärzüge mit tausendstimmigem Hurrah empfangen und die durchziehenden Truppen mit Erfrischungen bedacht werden. Hier geht es Tag und Nacht fort in wildem Treiben, reich an heiteren, aber auch an tief ergreifenden Scenen, aus denen ich nur eine herausgreifen will, die ich nie vergessen werde.

In einer der letzten Nächte wartete ein blutjunger Fähnrich auf dem Bahnhofe. Er erzählte uns, daß er von seinem Vater, der mit seinem Regimente die Stadt passirte, Abschied nehmen wollte. Der Zug kam und der Vater, der Obrist des Regiments, ein alter Soldat mit schweeweißem Haar, schloß den Sohn in die Arme. Während die anderen Officiere sich an einem Glase feurigen Rheinweins stärkten, gingen Beide, sich eng umschlungen haltend, doch ohne zu sprechen, auf und nieder. Man sah es ihnen an, ihre Herzen sprachen zu einander, aber die Erregung erstickte ihre Stimme. Da tönt das Signal zur Abfahrt – Einen heißen Kuß drückt der Vater auf des Sohnes Lippen, nicht fähig ein Wort des Abschieds zu sprechen; einen letzten Blick wirft er dem Sohne zu – eine Welt von Wehmuth lag in diesem Blicke; da tönt das zweite Signal. Hastig springt der Greis zurück, noch einmal das Kind zu umschlingen. Er küßt ihm Mund und Stirn und preßt es an seine Brust – so heiß und innig.

Seiner selbst nicht mehr mächtig, sprang der alte Mann in den Wagen, die quellenden Thränen zu bergen. Das war ein Abschied von Männern, so stumm und doch so unendlich beredt. Wir Alle verstanden die Sprache dieser Herzen und uns Allen ward das Auge feucht.

Die Armirung der Festung ist, wie ich schon am Anfang dieser Zeilen sagte, vollendet. Die Gymnasien und Schulen sind zu Casernen umgewandelt, und wo vor wenig Tagen noch der Gelehrte die alten Classiker interpretirte, docirt jetzt der stramme Feldweibel seinen handfesten Hörern unter derben Soldatenflüchen die ultima ratio regis.

Noch sind die Wälle und der Festungsrayon nicht rasirt. Der Gouverneur der Festung, Prinz Woldemar von Schleswig-Holstein, welchem die Stadt zu großem Danke verpflichtet ist, hat erklärt, daß er die Rasirung bis zum letzten Augenblick aufschieben wolle, wenn ihm die Stadt für diesen Fall dreitausend Arbeiter und dreihundert Wagen zur Verfügung stelle, und Alt und Jung, Arm und Reich, der Kaufmännische Verein voran, eilten herbei, sich als Arbeiter für die Demolirung einschreiben zu lassen, um so die schönen Villen, die Fabrikgebäude und die herrlichen Anlagen vor dem sichern Verderben vielleicht zu retten.

Wir zweifeln nicht, daß sie auch werden erhalten bleiben; wie es aber auch immer gehe, was uns das Kriegswetter auch bringen möge:

Lieb’ Vaterland, magst ruhig sein,
Fest steht und treu die Wacht am Rhein.

F. B.


„Die Wacht am Rhein“. Das Lied, welches gegenwärtig in allen Gauen Deutschlands zum Ausdruck flammender Begeisterung geworden ist und das rasch dieselbe politische Bedeutung erhalten hat, wie sie früher [548] schon das Becker’sche „Sie sollen ihn nicht haben“ besaß, wurde zum ersten Male auf dem Rheinischen Sängerfeste im Jahre 1854 ausgeführt und schon damals mit dem größten Beifall aufgenommen, freilich, ohne daß Jemand ahnen konnte, daß sechszehn Jahre später unter seinen siegreichen Klängen die deutschen Heere den Rhein überschreiten würden. Der Dichter des Liedes, das sich zum ersten Male von J. Mendel, Organist und Gesanglehrer in Bern, um 1842 componirt findet, ist leider unbekannt; sein Name ist in der Leipziger Ausgabe des genannten Jahres mit den Buchstaben M. Sch. angedeutet. Im Jahre 1854 übergab der Herausgeber der bekannten „Männerlieder“, W. Greef in Moers, den Text des Liedes mit einigen ihm nöthig scheinenden Aenderungen seinem Freunde Karl Wilhelm in Crefeld mit der Bitte eine neue Weise zu componiren. Dies geschah, und so wurde die „Wacht am Rhein“ von M. Sch., componirt von Karl Wilhelm, in das neunte Heft der „Männerlieder“ (Essen, Bädecker 1854) aufgenommen. Möglicher Weise bedeuten die Buchstaben M. Sch. „Müller, Schullehrer“, denn auch ein solcher wurde als der Dichter des Liedes bezeichnet; immerhin aber steht zu hoffen, es werde unseren Tagen gelingen, den Namen des bescheidenen Dichters zu ermitteln, daß dieser fortan mit gleichen Ehren neben Nikolaus Becker und Matthäus Friedrich Chemnitz genannt werde.

Der Componist des Liedes, Karl Wilhelm, dessen Portrait wir heute bringen, lebt gegenwärtig in Schmalkalden, seiner Vaterstadt, wo er im September 1820 geboren wurde. Seine erste musikalische Ausbildung erhielt er von seinem Vater, seine weitere bedeutungsvolle Entwickelung verdankte er namentlich Ludwig Spohr, mit welchem er während eines mehrjährigen Aufenthalts in Kassel in regem Verkehre stand. Nachdem er noch bei Schmitt in Frankfurt und André in Offenbach Unterricht im Clavierspiel und im Contrapunkt genommen, ließ er sich 1840 in Crefeld nieder, wo er als Musikdirector auch die dortige Liedertafel mit rühmlichstem Erfolge dirigirte. Aus diesen Jahren stammen seine populärsten Compositionen für Männergesang, sowie ein Cavalleriemarsch, der namentlich durch die Aufführungen des Generalmusikdirectors Wieprecht bekannt wurde.

Gegenwärtig lebt Wilhelm, wie gesagt, wieder in Schmalkalden in stiller Zurückgezogenheit, indeß sein Name und sein Lied, das wie im Sturm die Würde eines Nationalgesangs errungen hat, auf allen deutschen Lippen sind. Von verschiedenen Seiten ist die „Gartenlaube“ aufgefordert worden, eine nationale Ehrengabe für den verdienten Componisten zu veranlassen; bereits sind namhafte Beiträge für dieselbe eingegangen, und es bedarf kaum der Versicherung, daß wir weitere Spenden zu diesem Zwecke mit Freuden von unseren Lesern entgegennehmen werden.




Das wackere Reiterstückchen, welches unsere Abbildung Seite 541 bringt, wurde von Ulanen des siebenten Regiments ausgeführt, um die auf der Bahn von Saargemünd nach Hagenau und Straßburg unausgesetzt fortdauernden französischen Truppentransporte unmöglich zu machen. Unter Leitung des Lieutenants von Voigt machten sich am 16. Juli von St. Johann-Saarbrücken etwa dreißig Ulanen auf in der Richtung nach Zweibrücken, wo sich ihnen ein Techniker und ein Bauführer anschlossen, mit deren Unterstützung der in der Nähe befindliche Viaduct der genannten französischen Bahn gesprengt werden sollte. Um des Erfolgs ganz sicher zu sein, nahm man in Neunkirchen noch eine Anzahl entschlossener Bergleute, sowie im Sprengen geübte Arbeiter mit, und nun ging es in der folgenden Nacht, in Begleitung von Wagen, welche die nöthigen Utensilien mit sich führten, durch das baierische Gebiet an die französische Grenze. Die Wachsamkeit der feindlichen Posten vereitelte in dieser wie in der folgenden Nacht den Versuch, und man gewann die Ueberzeugung, daß die Expedition viel leichter auszuführen wäre, wenn die Wagen zurückbleiben und sämmtliche Theilnehmer beritten sein würden. Aber die Civilisten konnten nicht reiten. Was war zu thun? Im Kriege gilt kein lang Besinnen, und so benutzten die wackeren Ulanen die beiden folgenden Tage, um den theilnehmenden Civilisten frischweg einen Reitunterricht zu geben, der sie befähigte, ein Pferd nothdürftig leiten zu können, und nun ging es in der Nacht vom Sonnabend auf den Sonntag mit frischem Muthe neuerdings an’s Werk. Unerschrocken wurde darauflosgeritten; die französischen Posten wurden glücklich überrumpelt und unschädlich gemacht. Während dieses Vorgangs machte sich der Techniker mit seinen Arbeitern an die Sprengvorrichtungen, und in kurzer Zeit war Alles so weit fertig, daß man die Zündfäden anzünden und den Erfolg abwarten konnte.

Dieser Erfolg war denn auch ein glänzender, denn nach kurzer Zeit schon flog der ganze Etagen hohe Viaduct unter furchtbarem Gekrache in die Luft; es war hiermit ein Werk zerstört, das dem Feinde zur Communication diente auf einer für ihn hochwichtigen Straße, und zu dessen nur nothdürftiger Wiederherstellung er mindestens sechs bis acht Wochen nöthig hatte. Außerdem fand man so viel Zeit, eine gehörige Strecke weit die Bahnschienen vermittelst der bekanntlich so verheerenden Dynamit-Patronen zu zerstören. Als das Werk vollbracht war und durch das furchtbare Getöse, das die Explosion verursachte, die Franzosen munter wurden, zog sich das deutsche Corps rasch zurück, jubelnd, ein echtes deutsches Reiterstückchen vollbracht und sein Wagstück so glänzend durchgeführt zu haben.




Ein Blatt zur Erinnerung an Theodor Körner. In der Autographensammlung des Unterzeichneten befinden sich drei noch ungedruckte Gedichte Körner’s, dessen Lieder in dem heiligen Kriege gegen Napoleon den Ersten bekanntlich das Organ der vaterländischen Jugend waren. Heute, wo die gesammten deutschen Lande gegen die elende Perfidie eines Napoleon des Dritten männiglich sich erheben, mag auch unser Theodor Körner durch nachstehendes Gedicht, das so entschieden an seinen „Aufruf“ erinnert und wie alle seine Schlachtgesänge, gehoben von einem hochheiligen Zorn, von der Gluth des Feuers, das in seinem großen Herzen loderte, beredtes Zeugniß ablegt, geistig in den ersten Reihen unserer Vaterlandsvertheidiger stehen.

F. Naumann  
Oberlehrer an der Annen-Realschule zu Dresden.


  Das Mausoleum.

Zuerst müßt ihr von allen tausend Schädeln
Der patriotischen, von ihm gewürgten Edeln
Ein prächt’ges Mausoleum bauen.
In dessen Mitte steh’ grotesk in Stein gehauen
Der größte Tiger mit gekröntem Haupt,
In seiner Klau’ ein Lamm, nach dem sein Blutdurst schnaubt.
Ringsum die Knochenwand, ein grausenvoller Kreis,
Laßt dann von Wittwenmark und ausgepreßtem Schweiß
Zehntausend düstre Lampen brennen:
So wird die Nachwelt ihn auch ohne Inschrift kennen!

 Theodor Körner.




Soldatenlied.
Nach der Melodie: „Nach der neu’sten Mode“.

Unser Königssohn von Preußen
– Friedrich Wilhelm thut er heißen –
Schlug bei Wörth den Allerwerth’sten,
Der Franzosen Hochgeehrt’sten:
Mac Mahon! Mac Mahon!
Fritze kommt und hat ihn schon.

Seine groben Kugelspritzen
Konnten ihm doch all’ nicht nützen;
Seine feinen Mitrailleusen
Sind das reine Blech gewesen:
Mac Mahon! Mac Mahon!
Fritze kommt und hat ihn schon.

Seine Turcos, seine Zuaven,
Des Tyrannen rohe Sclaven,
Seine wilden Söldnerschaaren
Trieb das deutsche Schwert zu Paaren:
Mac Mahon! Mac Mahon!
Fritze kommt und hat ihn schon.




Für die Frauen und Kinder unserer unbemittelten Wehrleute
gingen wieder ein: Marie Wannieck in Brünn 2 Thlr.; F. Möbius in Dresden 5 Thlr.; zwei Schwestern aus Lemberg 4 Thlr.; ein Deutscher in Reichenbach, mit einem Gedicht 1 Thlr.; einige Patrioten bei Weißleder in Thüringen 4 Thlr.; F. Kompfe in Männedorf am Zürichersee 5 Thlr. 10 Ngr.; zur Abrundung dieser Sendung vom Postbeamten O. W. dort 20 Ngr.; drei arme, aber echt deutsche Schwestern in Btz. 3 Thlr.; A. Cappenberg in Antwerpen 10 Thlr.; Bürger Schulze 1 Thlr.; E. L. 10 Thlr.; A. B. Ossig 6 Thlr.; Max und Thekla Grillich in Neupersdorf 4 Thlr; Vollbeding 2 Thlr.; Buchhalter L. Schmidt in Wien 5 Thlr; N. in Graz 2 Thlr.; Metzler in Carlsbad 5 Thlr.; H. W. in Mannheim 3 Thlr.; vom Unsinn brütenden Rath in Havre 6 Thlr. 12 Ngr.; C. B. in Lübeck 5 Thlr.; Doctor Paufler: Gott segne das Wenige 10 Thlr.; V. R. in R. 2 Thlr.; Gesellschaft Nepperwitz in Leipzig 10 Thlr.; Wochenbeitrag des Personals der Buchdruckerei von W. Drugulin in Leipzig 3 Thlr. 7 Ngr.; Carl Reuter 1 Thlr.; Guido Reusche 5 Thlr.; B. K. aus Neubockow in Mecklenburg 5 Thlr.; vom Kegelclub, Stamm im Engel, Ressource Teutonia und der ersten Mädchenschule in Zwönitz, durch Herrn R. E. Höhme 25 Thlr.; Hillermann 5 Thlr.; in Adam’s Park in Wien, ges. von Marie T. 7 Thlr. 22 Ngr.; von Frau Julie Fertsch in Frankfurt 5 Thlr., Gegengruß an den alten Kriegscameraden; Gewerbeverein in Hainichen 10 Thlr.; von einem echten Deutschen in Oesterreich 3 fl.; A. Nagel in Stade 3 Thlr. 1 Ngr.; Apotheker F. Fischer in Siebenbürgen 10 fl.; Dr. Fr. Goebbel in Kronstadt 10 fl.; Guido von Bautzneren in Hermannstadt 10 fl.; Grundbesitzer Fr. Schuster in Mediasch (Siebenbürgen) 20 fl.; von zwölf Einwohnern von Arad, durch R. Zinkeisen 25 fl.; Resultat eines Aufrufs im Frohburger Wochenblatt durch Carl Thieme 78 Thlr.; Josef Vieler in Karlsburg 1 Ducaten; Wochenbeitrag des Personals von Schelter u. Giesecke in Leipzig 23 Thlr. 12 Ngr.; F. W. Sch–r in St. Petersburg 100 Rubel Silber; Maler H. Bey 3 Thlr.; vom deutschen Turnverein in Brüssel 27 Thlr.; Zw. L. in Hoyer 2 Thlr.; B. E. in M. Gladbach 10 Thlr.; ein Leipziger Kind in Carlsbad 1 fl.; G. M. in Oberleutersdorf 1 Ducaten.
Die Redaction.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: ibm
  2. Vorlage: Snude; vergl. S. 643