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Die Gartenlaube (1870)/Heft 35

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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum: 1870
Erscheinungsdatum: 1870
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[549]

No. 35. 1870.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen. Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.


Die Thurmschwalbe.
Von Levin Schücking.
(Fortsetzung.)

Der Vicomte war durch diese heftig hervorgesprudelte Rede Melusinens wie vollständig geschlagen. Er hatte nur ein langgedehntes „Ah!“ auszurufen, und mit offenen Lippen, mit gehobenen Händen starrte er sie an. Endlich schöpfte er tief Athem und rief:

„Aber mein Gott, wenn das Alles wahr wäre … wir haben doch das beste Gewissen dem gegenüber; und wenn er in seiner Leidenschaft des Verachtens für gut findet sich gar nicht zu vertheidigen – dann kann es uns ja gleich sein … es ist seine Sache, was er über sich heraufbeschwört!“

„Uns gleich sein?“ fiel Melusine ruhiger und ihre Heftigkeit bemeisternd ein, „uns gleich sein? Nein. Es ist mir in der That nicht gleich – es kann mir nicht gleich sein! Denn unser Gewissen ist nicht ganz so rein, wie Du sagst – unser Auftreten hier muß ihm zweideutig erscheinen, es ist zweideutig … wir haben das selbst ja immer gefühlt, wir litten ja längst unter dem Druck dieses Gefühls und unter der bittern Noth, die uns dazu zwang. Und dann … ich weiß nicht, es mag so weise, so ruhig stolze Menschen geben, die, wenn sie ein gutes Gewissen haben, verachtungsvoll auf die Verachtung hinabschauen und von ihr nicht berührt werden …“

„Spernere sperni!“ sagte der Vicomte, „es ist freilich eine schwere Kunst!“

„Und ich, ich fühle viel zu wenig von dieser stolzen Erhabenheit des Selbstbewußtseins in mir. Ich fühle mich geradezu in Verzweiflung gestürzt bei dem Gedanken, von ihm verachtet zu werden. Es dreht sich mir das Herz in der Brust um in zorniger Empörung über ihn. Er soll, er soll uns nun einmal nicht so zu behandeln wagen, wie er es vom ersten Augenblick an begonnen hat, und wie er jetzt dem Allen die Krone aufsetzt. Er soll es nicht, und er soll sich vertheidigen, er soll sich Mühe geben, und alle seine Kraft anstrengen, uns zu beweisen, daß er schuldlos ist, oder ... oder ich werde wahnsinnig über Alles dieses!“

Sie hatte sich wieder in ihre ganze Heftigkeit hineingeredet, sie stampfte sogar auf den Boden mit ihrem kleinen Fuße, sie war wieder leidenschaftlich, wie ihr Vater sie nie gesehen.

„Beruhige Dich, ich bitte Dich, Kind,“ sagte dieser, sie mit einem eigenthümlichen Ausdruck des Gesichts beobachtend. „Es ist ja möglich, daß Graf Ulrich – vorausgesetzt, er ist wirklich schuldlos – in seinem Stolze nur allen den Menschen gegenüber, die ihn eben umgaben, so trotzig war und sich nicht herablassen wollte, Erklärungen zu geben. Vielleicht schwindet dieser falsche Stolz, sobald man vernünftig zu ihm redet, unter vier Augen zu ihm redet. Ich bin bereit, dies zu thun, wenn Du es wünschest und es zu Deiner Beruhigung dienen kann. Ich habe das Recht dazu, eine solche Unterredung mit ihm zu verlangen. Wir sind, da die Frau Wehrangel todt, ihre Tochter verschwunden ist, ja die eigentlichen Herren hier … der Richter ist unser Patrimonialrichter, denk’ ich – und so …“

Melusine hatte die innere Ueberzeugung, daß ihres Vaters Vermuthung weitab vom Richtigen lag. In ihr war etwas, das ihr nicht den geringsten Zweifel ließ, Ulrich’s Hochmuth gelte nur ihr, sein Betragen wende seine Spitze nur wider sie, sonst wider Niemand. Aber sie verschwieg das, doch erregt rief sie aus:

„Du hast Recht – für’s Erste sind wir die Herren hier, aber nicht Du, laß mich dies Herrenrecht ausüben – ich will mit ihm reden, ohne irgend eines andern Menschen Gegenwart; ich selbst will es, ich will sehen, ob ich ihn bewege, ob ich diesen Uebermuth breche!“

Und damit eilte sie hastig davon, zum Gemache hinaus und in die Zimmer hinüber, wo der Richter jetzt eben beschäftigt war, die Aussagen des Pastor Demeritus, wie er sie sich von ihm wiederholen ließ, seinem Schreiber zu Protokoll zu dictiren. Melusine unterbrach ihn.

„Sie sahen aus den Aussagen des Pastors, daß die Frau Wehrangel die Erbin von Maurach war,“ sagte sie ihm; „sie ist ermordet, und ihre Tochter ist verschwunden. Wer ist jetzt Herr in diesem Hause? Die Herrschaft geht nach der Aufhebung aller Lehn- und Fideicommiß-Verbände auf die nächsten Verwandten des verstorbenen Grafen Walram über. Diese Verwandten sind wir, mein Vater und ich, Herr Richter …“

Der Richter sah sie sehr überrascht an.

„Wenn Sie wünschen, wird mein Vater Ihnen die nöthigen Documente darüber vorlegen und jeden Einwurf, den Sie dawider erheben könnten, beseitigen. Unterdeß, da mein Vater mir dazu mündlich Vollmacht gegeben hat, verlange ich, als die Gerichtsherrin zu Maurach, mit dem Gefangenen allein zu reden – haben Sie einen Grund, sich dem zu widersetzen?“

„Sie gehen rasch zu Werke, Mademoiselle,“ versetzte der Richter, ein wenig aus der Fassung gebracht durch diese plötzliche Eröffnung. „Für’s Erste ist der Herr Graf Ulrich, wenn auch ein Verhaftsbefehl wider ihn erlassen werden muß, doch noch im [550] Besitz dieser Herrschaft, und wenn auch das nicht der Fall wäre, so könnte doch die Justiz Sie noch nicht autorisiren, so ohne weiteres zu einer Besitzergreifung und Ausübung der Patrimonialgerichtsbarkeitsrechte zu schreiten, die …“

„Nun, so schreite ich ohne Autorisation der Justiz dazu, mein Herr Richter,“ rief das aufgeregte junge Mädchen aus und schritt an dem Richter und seinem Schreiber und den sie mit allen Zeichen der Ueberraschung anstarrenden übrigen Anwesenden vorüber auf Ulrich’s Zimmer zu, öffnete die Thür, trat ein und schloß sie wieder hinter sich zu.

Der Richter wagte nicht, oder fand keine Gründe, dies tête-à-tête zu stören; er blickte ihr nur so verdutzt wie die Anderen nach; blos der Pastor Demeritus rief aus:

„Aber ich bitte Sie, Herr Richter, schicken Sie doch dies französische Frauenzimmer zum Henker! Die Herrin von Maurach ist Niemand Anderes als meine Nichte, die Thurmschwalbe! Und sie wird ihr Recht schon zu wahren kommen!“




15.

Graf Ulrich Maurach saß in seinem Schlafzimmer; er saß, wie wir ihn verlassen haben, auf seinem Bette, starr zu Boden blickend. Joseph war vorher dagewesen; er hatte ihm sein Frühstück gebracht, das unangerührt auf einem Nebentische stand; er hatte die Blendläden vor den Fenstern aufgeworfen, so daß jetzt das helle Tageslicht eindrang. Dies Licht fiel auf die Züge des Grafen und zeigte sie bleich. Der Reflex der grünen Bettvorhänge machte sie doppelt bleich, sie sahen aus wie zu Stein erstarrt. Als Melusine so rasch und plötzlich eintrat, erhob er den Kopf; die Versteinerung wich, die Brauen zogen sich zornig zusammen, sein Auge flammte auf, dabei zuckte und gewitterte es um seine sich öffnenden Lippen. Aber die Lippen schlossen sich wieder, und als sie nun so plötzlich wie drohend vor ihn trat, sagte er nur: „Sie?! Was wollen Sie bei – einem Mörder?“

„Mit ihm reden,“ antwortete sie; „noch einmal mit ihm reden, offen, geradeaus, vom Herzen weg!“

„So haben Sie noch nicht Geständnisse genug von mir? Fehlt noch etwas dran? Ach ja! Wohl noch, wohin ich die Leiche der von mir gemordeten Thurmschwalbe geschafft?“

Melusine fixirte ihn eine Weile, ohne zu antworten. Mit hochwogender Brust stand sie vor ihm; dann, als ob plötzlich ihr Muth wieder zusammenbreche, die Hoffnung, mit diesem starren Menschen je fertig zu werden, ihr schwinde, wandte sie sich ab und ließ sich auf einen ihm gegenüberstehenden Stuhl an der Wand sinken.

„Das möchte ich in der That von Ihnen hören,“ sagte sie bleich, die Lippen beißend. „Sie haben also auch das junge Mädchen ermordet? Sie … wirklich … Sie?“

„Wenn es eine Befriedigung für Sie sein kann, dies zu glauben – weshalb nicht?“

„Und bei dieser Weise, sich auszusprechen, wollen Sie bleiben? Sie wollen wirklich sich durch diesen höhnischen Trotz verderben, Sie wollen uns empören dadurch, Sie wollen nichts, gar nichts thun, den Verdacht zurückzuweisen, der auf Ihnen lastet …“

„Nein!“ sagte Graf Ulrich scharf „Entweder bin ich unschuldig, dann bin ich zu stotz, mich zu vertheidigen; oder ich bin schuldig, dann bin ich zu stolz, zu leugnen. Was wollen Sie noch?“

„Ich will aber, daß Sie sich vertheidigen! Hören Sie, ich will es!“ rief Melusine, wieder heftig werdend, aus. „Ich will Ihnen Alles verzeihen, was Sie im Uebermuth Verletzendes, Beleidigendes gesagt haben, was Sie gethan, um mich zu kränken; alle die Geringschätzung, die ich von Ihnen erfahren, will ich vergessen. Aber ich will nicht, daß Sie mir in’s Gesicht sagen: es liegt mir nicht das Mindeste daran, was Du von mir denkst, ich fühle eine Erniedrigung in jedem Worte, das ich sprechen könnte, um in Deinen Augen gerechtfertigt zu sein. Kurz, ich will, daß Sie reden, Graf Ulrich, hören Sie, ich will es!“

„Und wenn ich es nicht thue?“

„Nun dann, dann,“ rief Melusine außer sich vor Zorn auffahrend, „dann werde ich als Zeugin wider Sie auftreten, ich werde Allem die gehässigste Deutung geben …“

„Thun Sie das nicht ohnehin?“

„Ich werde,“ fuhr sie fort, „erzählen, wie Sie gedroht haben, einen etwaigen Prätendenten, der zwischen Sie und ihren Besitz träte, tödten zu wollen. Haben Sie das nicht ausgesprochen? Ja, und ich werde Alles thun ...“

„Um mich hinrichten, hängen, guillotiniren, rädern zu lassen!“ rief Ulrich sarkastisch dazwischen.

„Ja, ja, dreimal ja, ich werde es; ich werde es, wenn Sie mir nicht offen Rechenschaft geben, was Sie in der verflossenen Nacht gethan, wo Sie gewesen, wie Ihre Abwesenheit in den Stunden, wo der unselige Mord geschah, zu erklären ist!“

„Ich werde Ihnen das nicht erklären, und wenn ich auch zehntausend Tode darum sterben müßte. Und wenn ich auch gefoltert würde bis auf’s Blut, ich würde es Ihnen nicht sagen. Eher würde ich die Zunge mir abbeißen, als einen Laut darüber Ihnen zu verrathen!“

„Nun dann, bei Gott, ist’s nicht meine Schuld, wenn Sie verderben, denn Ihr Blut kommt über Sie selbst!“

„Ihre Schuld? Wer spricht von Ihrer Schuld? Sie halten mich für einen Mörder wie alle Anderen es thun. Was für eine Schuld fiele dabei auf Sie? Nein, nein, Sie können jetzt mit sehr ruhigem Gewissen Schloß Maurach, das mir nicht mehr gehört, in Besitz nehmen und …“

„Sie wußten also sehr wohl, daß wir, daß mein Vater und ich die nächsten Erben seien? …“ fuhr Melusine ihm in’s Wort.

„Ich wußte es. Frau Wehrangel hat es gestern mir gesagt; als sie mir mittheilte, daß sie die Anverwandte Walram’s von Maurach sei, die man für todt gehalten … Sie hat mir gesagt, daß nach ihrem Rechte das Ihrige komme …“

„Und dann, noch in derselben Stunde, boten Sie mir Ihre Hand an!“ rief Melusine mit dem Tone bitterer Verachtung aus.

„Ich that es. Sie sehen, wir haben uns einander in einer Weise beleidigt, daß kein Friede mehr zwischen uns möglich ist! Haben Sie mir sonst noch etwas offen und geradeheraus zu sagen?“

„Nein! Nichts mehr!“ antwortete Melusine, außer sich vor Empörung und Zorn.

Sie stand auf und ging.

Mit einem bösen Zucken um die festgeschlossenen Lippen sah Graf Ulrich ihr nach.

„Wahrhaftig,“ sagte er dann, auffahrend und mit dem Fuße auf den Boden stampfend, „ich habe dies nicht um dies Geschöpf verdient! Und das, das ist’s, was mich bei dieser entsetzlichen Geschichte um den Verstand bringt, was mich toll macht, was mich in Versuchung bringt, mich todt zu schießen!“




16.

Es war seltsam, nicht blos die Thurmschwalbe war spurlos verschwunden, auch der junge Caplan war es. Er war nicht zum Morgengottesdienst in die Kirche gekommen; als der Pfarrer aus diesem heimkehrte, fand er des jungen Mannes Zimmer leer. Niemand im Hause wußte, wo er war; Niemand hatte eine Ahnung, wann und wie er so unbemerkt fortgegangen sein könne, wenn er nicht etwa in der Nacht oder frühesten Frühe durch sein offenstehendes Fenster gesprungen. Der Pastor Lohoff, der eben aus dem Schlosse zurückkam, half mit einem ganz auffallenden Eifer und wie erschrocken über diesen Zwischenfall ihn suchen; er durchstöberte auch sein Zimmer, und endlich, da keine Spur zu entdecken war, wollte der Pfarrer zum Schlosse eilen, um dem dort beschäftigten Richter diese Thatsache mitzutheilen, aber der Pastor Lohoff stemmte sich aus allen Kräften dawider.

„Mein Gott, sehen Sie denn Nicht ein,“ rief er aus, „daß daraus nichts Anderes folgen wird, als daß man sagt, Ihr Caplan sei mit dem Mädchen durchgegangen? Mischen Sie doch nicht zwei Sachen durcheinander, die nicht zusammengehören! Denken Sie an das Aergerniß, welches daraus für die Kirche …“

„Ich habe Sie sonst nicht so ängstlich gefunden, Aergerniß auf die Kirche zu bringen!“ sagte der Pfarrer bitter. „Ich glaube, daß es meine Pflicht ist, sogleich die Anzeige zu machen, nach dem, was diese Nacht drüben im Schlosse geschehen! Ohnehin wird es bald genug dem Richter zugetragen werden, und es würde zu dem Aergerniß, welches Sie befürchten, nur noch ein zweites kommen, wenn wir die Sache verheimlichen wollten!“

„Nun dann,“ versetzte der Pastor Demeritus erregt, „dann will ich Ihnen den Weg ersparen und selbst gehen.“

[551] Und ohne des Pfarrers Genehmigung abzuwarten, griff er nach seinem Hute und eilte davon, dem Schlosse wieder zu.

Als er außerhalb des Dorfes und in der Schloßallee war, blieb er stehen, schaute sich um, als ob er sich vergewissern wolle, daß er nicht mehr beobachtet werde, und dann schlug er rasch einen durch das hohe Kornfeld zu seiner Rechten führenden Fußsteig ein, denselben, den gestern der Fremde, welchen wir jetzt als seinen Bruder kennen, eingeschlagen hatte. Er eilte auf diesem Pfade dahin, gelangte auf einen breiteren Ackerweg, der sich südwärts weiter zog, und folgte ihm eine starke Viertelstunde lang.

Am Ende dieser Viertelstunde sah er sich am Ufer des Flusses, den wir als südwärts vom Schloß Maurach dahinführend erwähnt haben. Es war eine Ueberfahrt da; das Haus des Fährmanns stand rechts, ein großes Fährschiff und Nachen lagen am Strande. Pastor Lohoff aber ging nicht so weit. Er bog um das Haus herum und befand sich bald in dem schattigen Gehölz, das sich hier abwärts den Fluß entlang zog. Ein wenig betretener Fußpfad lief durch üppiges Unterholz und unter vereinzelt stehenden Eichen hin; anfangs sah man rechts wie links den Horizont durch die Bäume schimmern, nach und nach wurde das Gehölz breiter und mächtiger, die Wipfel verdichteten sich und den Schreitenden umfing überall dichter Schatten. Endlich wurde ein dunkles Bauwerk hinter dem vorwuchernden und den Pfad bedeckenden Zweigwerk sichtbar. Es war ein ganz kleiner, aus rohem Ziegelbau ausgeführter Jagdpavillon, nur mit einer Thür und einem Fenster versehen; vor dem Fenster war einer der Läden niedergefallen und lag unten am Fuß der Mauer im hohen Riedgrase; der Verfall starrte aus allen Fugen des kleinen Bauwerks, das sich irgend ein früherer Graf von Maurach für sein Jagdvergnügen hierher gebaut haben mochte. Aber verlassen war darum der Ort nicht; die Thür stand halb offen und der Pastor hörte, als er mit leisem Schritte sich dieser Thür genähert hatte, daraus die Stimme eines Redenden, die Stimme dessen, den er hier zu suchen gekommen war; er blickte, sich auf den Zehen erhebend, durch die Thür, welche über ein paar alter moosiger Steinstufen hineinführte, und sah im Innern des kleinen achteckig gebauten Raumes eine Gruppe, bei deren Anblick ein eigenthümlicher Ausdruck in seine ganz unmerklich sich verfärbenden Züge trat.

Es befand sich im Hintergrunde des Raumes ein Kamin. Vor denselben, da er seit Jahren wohl nicht mehr benutzt worden, war ein altes hölzernes Gartenkanapee geschoben; auf diesem, den Kopf auf der Seitenlehne ruhen lassend, lag Annette Wehrangel; der junge Geistliche aber kniete vor ihr auf dem Boden, hielt in seinen beiden ihre rechte Hand und sprach eifrig auf sie ein.

„Nein, nein; nein,“ rief sie heftig dawider aus … „ich kann, ich kann, ich werde es nicht; nie, niemals! Und wenn Du, auch Du mich verläßt, Heinrich, dann – o sag’ es mir, sag’ es mir gleich, – dann mach’ ich diesem unglückseligen Leben ein Ende, dann stürze ich mich in dieser Stunde noch in den Fluß da drüben – dann folg’ ich heut’ noch meiner armen, armen Mutter!“

Eine Fluth von Thränen strömte über ihre Wangen.

Der junge Geistliche wollte antworten, aber das Wort erstarb auf seiner Lippe. Mit einem Ausruf des Erschreckens wandte er sich – der Pastor war auf die Schwelle getreten. Beide fuhren in die Höhe, Annette, als sie den Eintretenden erkannt, legte ihren Kopf wieder auf die Lehne, schloß die Augen und bedeckte ihr Gesicht mit den Händen. Der junge Geistliche trat heftig vor den Pastor.

„Was wollen Sie?“ sagte er drohend.

„Sicherlich nichts Uebles,“ entgegnete der Pastor und setzte sich, tief Athem schöpfend, auf die Bank zu den Füßen Annettens. „Sicherlich nichts Uebles. Ich suchte Euch und finde Euch hier, wo ich Euch suchte. Da … wenn man nicht gefunden sein will, muß man nicht solche Zettel auf dem Boden seines Zimmers umherfahren lassen!“

Der Pastor zog aus der Westentasche ein kleines zerknülltes Stück Papier hervor, auf dem mit Bleistift die Worte gekritzelt waren: „O komm’, komm’ gleich in das Waldhaus. A.“

Der junge Geistliche warf einen Blick darauf und nahm den Zettel an sich.

„Ich habe nicht darauf geachtet,“ sagte er mit seinen todtenbleichen gespannten Zügen den Pastor ansehend, „der Knabe des Fährmanns hat ihn mir in der Frühe gebracht, und nun Sie ihn gefunden haben und uns hierher gefolgt sind, so reden Sie, erzählen Sie, was Sie wissen … ist denn all’ das, was Annette mir sagt, ist all’ dieses Wahrheit, diese ganze entsetzliche Geschichte von Verbrechen und Mord und …“

„Gewiß ist es Wahrheit … aber ich komme nicht, um zu erzählen, ich komme, um zu hören,“ versetzte hastig der Pastor; „sprechen Sie, lassen Sie Annette sprechen; sie muß es wissen, wie Alles gekommen, wie es geschehen ist … sie allein kann es sagen –“

„Sie kann es, sie hat es mir gesagt, und nun,“ rief der junge Geistliche dagegen, „helfen Sie mir, sie überreden, daß sie sich aufmacht von hier, wo sie doch nicht bleiben kann, daß sie, was sie erlebt, kund thue, daß die Gerichte erfahren –“

„Sacht, sacht,“ fiel hier der Pastor rasch ein, „was gehen Sie die Gerichte an? Haben Sie solche Eile, vor das Gericht zu kommen, damit man möglichst bald erfahre, in wessen Schutz die Thurmschwalbe sich geflüchtet hat?“

„Das mag man erfahren,“ sagte der Geistliche, „ich kümmere mich nicht darum, ich werde mich nicht im Mindesten darum kümmern, welche Glossen man darüber macht, und ich werde darum nicht einen Augenblick aufhören, Annetten den Schutz zu gewähren, in den sie sich zu flüchten für gut gefunden hat. Merken Sie sich das, oder …“

Der junge Geistliche sagte dies dunkelroth werdend und mit zornig flammenden Blicken auf den Pastor.

„Ach, es ist die Zeit, Händel mit mir zu suchen!“ rief dieser. „Reden sollen Sie, erzählen, sprechen, das Mädchen da soll sprechen, und dann wollen wir sehen, was zu beschließen ist. Annette, raffen Sie sich auf, ermannen Sie sich, sagen Sie mir Alles, auch das Kleinste, das Geringfügigste, was Sie gehört, gesehen haben in dieser furchtbaren Nacht, die Sie erleben mußten; wie ist Alles gekommen? ich muß, ich muß es wissen …“

Der Pastor sprudelte das mit einer zornigen Heftigkeit hervor, die mit seiner gewöhnlichen spöttischen Ruhe in großem Contrast stand; der junge Geistliche aber trat zwischen ihn und das schluchzende junge Mädchen.

„Quälen Sie Annette nicht,“ rief er aus, „wie kann das arme Mädchen noch einmal Alles erzählen; Sie sehen ja, in welchem Zustande sie ist …“

„Nun, dann erzählen Sie, sagen Sie mir, was Sie von ihr vernommen haben. Ich habe ein Recht, Alles zu erfahren, das heiligste Recht; ich bin, mögen Sie es wissen, wenn Sie es von ihr nicht erfahren haben, der Oheim dieses Mädchens, ich habe ihre ermordete Mutter getraut, ich selbst, mit meinem leiblichen Bruder!“

Annette schlug ihre Augen auf und warf einen erschrockenen Blick auf den alten Geistlichen.

„Das wußt’ ich nicht,“ sagte sie mit bebender Lippe. „Der entsetzliche Mensch, der sich meinen Vater nannte, sagte das nicht!“

„Und doch ist es so,“ fuhr der Pastor fort, „also sagen Sie Alles! Gut, daß Sie wenigstens Ihren Vater kennen, und nun Sie wissen, daß er mein Bruder ist, wissen Sie auch, daß nun ich Ihr Beschützer, Ihr Vormund bin; ich, ich allein habe das Recht, Ihnen beizustehen Ihnen zu rathen, Ihre Schritte zu lenken. Wir haben ein, nur ein Interesse jetzt, das, Ihren Vater zu retten, wenn er der Mörder ist. Er muß gerettet werden, wir müssen ihn schützen vor jedem Verdacht, er muß mindestens vollauf Zeit gewinnen, sich in Sicherheit zu bringen; aber so reden Sie doch, ist er der Mörder, oder ist es der Graf Ulrich, dessen sich das Gericht bemächtigt hat …“

„Der Graf Ulrich?“ riefen hier der junge Geistliche und Annette zu gleicher Zeit aus, – „und dessen hat sich das Gericht bemächtigt?“

„Nun ja,“ entgegnete der Pastor, „und er ist es nicht? Nein, er ist es nicht,“ fuhr er, die Hände zusammenkrampfend, fort, „ich seh’s, ich seh’s an Ihren Mienen, er ist es nicht; vergebens habe ich mir selbst vorlügen wollen, daß er’s doch sein könne … o mein armer Bruder, was hast Du gethan!“

Der sonst so kalte, höhnische, auf alle Creaturen der Welt mit so eisiger Gleichgültigkeit herabblickende Mann zeigte plötzlich eine Erschütterung, einen Schmerz, welcher bewies, daß er wenigstens durch Eine starke Faser mit einem lebenden Wesen auf Erden zusammengehangen – mit seinem Bruder!

„Annette, Annette, Du siehst,“ rief der Caplan dazwischen in seiner Erregung, das fremde ‚Sie‘ vergessend, „Du siehst, wie [552] nothwendig es ist, daß Du mit mir kommen, daß wir zurückkehren müssen, daß Du gestehen mußt, was Du erlebt und wessen Zeuge Du geworden! Du kannst, Du darfst nicht einen Verdacht auf einem Unschuldigen ruhen lassen –“

Der Pastor aber sprang jetzt auf, er stieß den jungen Geistlichen bei Seite, und sich zwischen ihn und Annette werfend, rief er aus:

„Sind Sie toll? – Keinen Schritt geht sie von hier, keinen Schritt – und auch Sie gehen keinen, auch Sie nicht, oder …“

Der junge Geistliche trat, betroffen von diesem plötzlichen Ausbruch des älteren Mannes, aus dem die Aufregung ein ganz anderes Wesen geschaffen zu haben schien, zurück; dann aber sagte er, ruhig den Arm des Pastors ergreifend und diesen mit seiner zehnfach überlegenen Kraft umspannend:

„Sie sind außer sich, Pastor! Ich achte Ihren Schmerz, aber nur so lange Sie nicht den Wahnsinn haben, uns hier Befehle geben zu wollen!“

„Sie wird nicht gehen, um ihren Vater als Mörder anzuklagen, und auch Sie, Sie werden es nicht,“ schrie der Pastor dagegen, „oder ich mache Sie unglücklich für ewig! Trotzen Sie mir nicht, oder ich mache Sie zu dem, was ich selbst bin, zu einem verachteten ausgestoßenen Menschen, zu einem schlechten, sittenlosen Pfaffen, zu dem verachtetsten Geschöpf auf dem Erdenrund! Sie mögen ein Heiliger sein in Ihrem Herzen, jeder Tropfen Blutes in Ihren Adern mag so goldrein, jeder Gedanke Ihres Gehirns mag so edel und groß sein wie die Gedanken des Erlösers, jeder Pulsschlag in Ihrer Brust so warm für die Menschheit glühen wie das Herz Christi – was wird es Ihnen helfen, wenn ich wider Sie auftrete und sage: ‚Sie haben dies Weib hier geliebt! Sie haben gesündigt, Sie haben den Befehl eines Pfaffen, der vor tausend Jahren lebte und die Menschennatur zu verkrüppeln unternahm, übertreten!‘ Jedermanns Hand wird wider Sie sein, man wird Sie ausstoßen aus dem Kreise derer, die sich ehrliche Leute nennen und die, welche gläubige Christen heißen, werden Ihnen ihre Thore schließen, bis Sie, vertrieben und vogelfrei, elend verhungern. Gottlob, diese elende erbärmliche Welt ist so eingerichtet, daß auch unser Eins einmal einen Vortheil davon hat! Sehen Sie nun, daß ich Ihnen befehlen, daß ich Sie zwingen kann, daß ich Ihr Schicksal in meiner Hand habe wie das einer Fliege, die ich zerdrücken kann? Und wenn Sie, Sie selbst sich nicht beugen wollten unter das, was ich Ihnen befehle, Sie müßten es um dieses Mädchens willen! Oder soll die Welt ihr nachsagen, sie sei die Geliebte eines Pfaffen gewesen?“

Der junge Geistliche fiel wie gebrochen auf einen an der Wand stehenden Schemel.

„Sie sind ein böser, schlechter Mensch!“ sagte er mit bleicher zitternder Lippe.

„Böse? Nun ja! Ich vertheidige meinen Bruder. Das ist böse und schlecht, freilich! Wenn ich den Gerichten beistände, ihn zu fangen, ihn zu überführen, wenn mein Zeugniß ihm an den Galgen hülfe, dann wäre ich ein redlicher, gesetzmäßiger Staatsbürger! Aber ich kümmere mich nun einmal den Henker darum, ob man mich so nennt! Ich steh’ diesem elenden Hunde von Mörder bei, der mein Bruder ist, den die Welt und die Menschen zu dem gemacht haben, was er ist, wie sie mich dazu gemacht haben. Mir haben sie die Platte geschoren und mir gesagt: ‚Nun sei ein Heiliger, hab’ kein Blut mehr in Deinen Adern, kein Herz mehr in Deiner Brust, bleibe allein und einsam Dein Lebenlang, und vertreibe Dir den öden Tag damit, der Menschen Dummheit durch Aberglauben zu mehren; finde Dein Glück im Apostolat des Blödsinns!‘ Und ihn, ihn, den Mörder, hat die Welt gehetzt und umhergeworfen, sein Weib hat ihn verlassen, sie hat ihn verleugnet und von sich gewiesen; sie hat sich in den Schutz der Macht und des Reichthums wider ihn, den Darbenden, geflüchtet; und als die Stunde gekommen, wo ihr selber Macht und Reichthum in den Schooß gefallen, da hat sie in ihrer Tücke wider ihn sich und ihr Kind dem Allen entzogen, es von sich gewiesen und es lieber einem wüsten Gesellen, einem fremden Abenteurer in die Hände fallen lassen, als an sich zu nehmen, was ihr gehörte – nur um nicht mit meinem Bruder zu theilen, nur um ihn nicht das Glück erfassen zu sehen, nach dem er schon die Hand ausstreckte, nur um in ihrer Rachsucht wider ihn zu schwelgen, in ihrer unversöhnlichen tückischen Rachsucht, wie nur ein Weib sie hegen kann! Und wenn er nun im Kampfe mit ihr von dem bittern Gefühl dessen, was er durch sie gelitten, von der Leidenschaft übermannt, dies Weib erschlagen, erwürgt, erstochen hat – ist etwas daran, was mich von meinem Bruder reißen kann? Ein Verbrechen ist’s, eine Dummheit, eine schändliche That meinethalb – aber hebt es die Natur auf? Nein, nein, zehn mal nein – mag er einen Mord begangen haben, er bleibt mein Bruder und er bleibt Dein Vater, Mädchen, und eher erdrossele ich Dich, ehe ich zugebe, daß Du die Hand hebst zum Zeugniß wider ihn!“

(Fortsetzung folgt.)




Das Füsilier-Regiment Nr. 39.
Ein Briefauszug mit Abbildung.

„Sie werden,“ schreibt uns am 11. August der geniale Schlachtenmaler Chr. Sell in Düsseldorf, der Schöpfer des bekannten, vom König von Preußen angekauften, großen Bildes ‚die Schlacht von Königgrätz‘, „Sie werden meine letzte Zeichnung empfangen haben. Es stellt den Ausmarsch des Niederrheinischen Füsilier-Regiments Nr. 39 aus Düsseldorf vor, und ich habe den Augenblick gewählt, wo dasselbe, die Musik an der Spitze, das jenseitige Ufer des Rheins betritt, empfangen vom Stabe der vierzehnten Division. Das Regiment stand hier in Garnison und war äußerst beliebt, vor Allem das Officiercorps, das mit den Einwohnern, und namentlich mit uns Künstlern, auf dem besten Fuße stand. Ganz Düsseldorf war deshalb auf den Beinen, als die braven Leute abrückten und jubelnd die Abschiedsgrüße der Menge erwiderten, die ihnen immer und immer wieder ein ‚Frohes Wiedersehn nach dem Siege‘ zujubelte.

Der Sieg ist nun errungen, aber das Wiedersehen dürfte weniger froh ausfallen. Das Regiment hat sich bei Saarbrücken mit unvergänglichem Ruhme bedeckt, doch es hat auch furchtbar gelitten, und wenn die Nachrichten wahr sind, die uns soeben zugehen, sind die Verluste sehr bedeutend. Fast die Hälfte der Officiere ist todt oder verwundet. Der Spicherer Berg, durch viele Klüftungen und steile Abhänge kaum ersteigbar, durch Chassepots und Mitrailleusen zu einer wahren Festung umgewandelt, wurde drei Mal von diesen Wackeren gestürmt. Drei Mal von der Uebermacht zurückgedrängt, stürmten sie trotzdem wieder und behaupteten die Höhen. Ein einziges Bataillon soll bei dieser Gelegenheit zwölf Officiere verloren haben. Unser Vaterland wird mit Stolz auf diese Helden schauen! –

Nächsten Sonntag werde ich endlich zur Armee abreisen und zuerst in Saarbrücken Halt machen. Von dort aus werde ich mich der Armee des General Steinmetz anschließen und Ihnen dann regelmäßig Zeichnungen einsenden. Der Fürst von Hohenzollern hat mir in der liebenswürdigsten Weise die besten Legitimationen und Empfehlungen mitgegeben, so daß ich überall zugelassen werde. Es wird mir eine große Freude sein, für Ihre Gartenlaube die interessantesten und malerischesten Motive und Scenen ausführen zu können.“ –

Wir dürfen also unseren Freunden etwas Ausgezeichnetes versprechen und bitten wiederholt nur um ein wenig Geduld.





Eine Recognoscirung auf der Unter-Elbe.
Von unserem Special-Correspondenten A. Dk.

Von zwei bis sieben Uhr Nachmittags, beinahe zweiundzwanzig Meilen weit, bei der angenehmen Temperatur von circa neunundzwanzig Grad Réaumur im Eisenbahncoupé gebraten, denn dasselbe glich einer Backstube, dann mit dem nämlichen Zuge achtunddreißig weitere Meilen durchflogen, als ob der Gottseibeiuns selber die Locomotive geheizt hätte, traf ich, achtzehn Stunden später, als ich von Ihnen Abschied genommen, in der alten Hansestadt ein. Es war ein wonniger, stiller Sommermorgen,

[553]

Der Ausmarsch des Niederrheinischen Füsilier-Regiments Nr. 39 aus Düsseldorf.
Ein Erinnerungsblatt, nach der Natur aufgenommen von Chr. Sell.

[554] so recht geeignet, die Brust vollzusaugen an der würzigfeuchten Luft, die die prachtvollen Promenaden, mit denen Hamburg umgürtet ist, aushauchen, wenn man sich nicht jeden Augenblick hätte daran erinnern müssen, daß man ausgezogen, um einem Schauplatze nahe zu sein, auf dem die Furien eines blutigen, brutal vom Zaune gebrochenen Krieges jeden Augenblick ihren gräßlichen, markerschütternden Tanz beginnen mußten. Demnach weiter, weiter, nothdürftig gesäubert und erquickt durch eine Bowle des superben Kaffee, süß wie die Liebe, heiß wie die Hölle, schwarz wie der Teufel und stark wie hundertjähriger Malvasier – wie man ihn dort zu trinken gewohnt ist, und das feurige Roß schleppte mich gleich nach sechs Uhr Morgens keuchend vorwärts nach dem idyllischen Blankenese, in dessen weißen, zierlich gebauten Bahnhof wir gleich nach siebeneinhalb Uhr einfuhren. Die Journalistenmappe unter dem Arm, den Waggonquetscher möglichst bequem in’s Gesicht gerückt und in Hemdärmeln, denn die Sonne sandte bereits ihre glühenden Strahlen über die baumlosen, noch zum Theil mit reicher Ernte bestandenen Aecker, die ich querfeldein passiren mußte, trabte ich dem mir wohlbekannten Schleichweg, am Baur’schen Garten entlang, zu, um zu dem in üppigem Grün halb versteckten traulichen Sommerhäuschen meines alten Freundes Jens Hinrichs P-n, am Fuße des Süllberges, zu gelangen; ich hatte ihm von Leipzig aus Avis geschickt und er konnte mich daher stündlich erwarten.

Die hellklingende Strandglocke hob gerade zum Achtuhrschlag aus, als ich vor dem grünangestrichenen Gitter stand; ich öffnete die Thür (an der Niederelbe kennt man das Verschließen der Gatter etc. nicht!) und ließ mit wohlgestärkter Lunge den Ruf erklingen, der einen schon im Sterbe liegenden echten Seemann wieder in’s Leben zurückruft: „Ship ahoi! Alle Hände auf Deck!“ Keine drei Secunden und ein gellender Pfiff aus der mir wohlbekannten silbernen Hochbootsmannspfeife war mir die Quittung, daß meine phonische Depesche richtig an ihre Adresse gelangt war. Zugleich beschnoberte mich Lady Eugenie, die riesige Newfoundländerin, die mich in ihrer Erkennungsfreude beinahe umgerissen hätte, während ihr fast noch größerer Herr Gemahl, Mylord Lulu, sich möglichst graziös auf den Rasen hingelümmelt hatte und jedenfalls das Aeußerste der gastlichen Höflichkeit erfüllt zu haben vermeinte, daß er langsam mit der buschigen schwarzen Ruthe wedelte.

Jetzt trat mir Jens Hinrich entgegen, wie immer in weiten leinenen Pantalons und dito kurzem Rock, ein wahrhaftes Ungeheuer von Panamahut auf dem wollkrausen, rabenschwarzen Haupte. Seine brennenden Augen blitzten mir freundlich aus dem dunkelbraunen Mulattenantlitz entgegen.

„Na, ohle Lannradde, büst Du endlich ankamen?! Gott verd… mi, ück war güstern all up’n Bahnhof buten in Hamburg, hewwt das ohle Pierd anspannt, aber we nich kam, dat was mien ohle Fründ, de Tintenklexer! Na, segg bi, smeet af, mien Jong!“

„Konnte beim besten Willen nicht früher kommen, Jens Hinrich, hatte mit Hrn. Keil noch so allerlei zu klönen, bis uns die Ankunft des Königs Wilhelm in seinem Hauptquartiere an die übernommenen Verpflichtungen gemahnte und mich aus dem gemüthlichen Leipzig forttrieb.“

„Töw ’mal, Leipzig, dat is ja wohl die grote sächsische Seestadt, wo sie die schoinen zweiundzwanzig Verse drup gedichtet haben. Se leggt ja wohl an de Kräg’ oder Elster, oder wie de Vagel heet?!“

„Du hast Recht, doch laß jetzt Deine Späße, die Du mir Abends bei Sagebiel im Fährhause zum Besten geben kannst. Kommen wir gleich zur Sache! Wie steht’s mit Deinem eisernen Renner, ‚the Outrigger‘, ist er seeklar? Maschine, Raum und Deck in Ordnung?“

„All right, mien Jong, neu gewaschen und geputzt, wie eine smucke Pige“ (dänisch, Jungfrau).

„Das ist mir lieb, denn ich hab’s zuerst ziemlich eilig, muß Sonnabend Abend spätestens dem Postkasten etwas in den Schlund schieben.“

„Hm! Dann mööt wir um sieben Uhr hüüt Abend anheizen und gliek nach neun Uhr in See stechen; ick glöw aber kaum, daß wir viel zu sehen krägen, de gottv… Franzos scheint keine rechte Courage zu haben.“

„Bist Du bereits vor mir die Watten hinunter bis hinter Glückstadt gewesen und hast Dich etwas umgethan?“

„Bis Glückstadt? No, mien Jong, aber bis hinter Cuxhaven, bis beinahe an Insel Neuwerk heran.“

„Und hast von der vielbeschrienen Franzenflotte nichts gesehen? Ihre Kanonenboote, so erzählt man sich im Binnenlande, sollen ja in einer förmlich geschlossenen Reihe unsere Elbe schließen.“

Jens Hinrich schlug ein helles Gelächter auf.

„Was man Euch Landratten nicht Alles aufbinden kann! Ich glaube, wenn man Euch erzählte, in der letzten Nacht ist der große Michaelisthurm in Hamburg gestohlen worden – es giebt Leute, welche, wenn auch verstohlen, auslugen, ob’s wahr ist. – Mien Jong, um unsere Elbe zu sperren, dazu gehört mehr als die paar eisernen Rumpelkasten, die die wälschen Hallunken hier sich herumtreiben lassen, damit sie in dem ihnen gänzlich unbekannten Wasser sich gelegentlich gründlich festlaufen können. Habe ja in voriger Woche selbst ein Ding, so ungeschickt gebaut, daß der Werftmeister hundert Ellen Tauende auf den Rücken verdiente, auflaufen sehen und drei andere von seinem Caliber quälten sich ab, den plumpen Gesellen wieder flott zu kriegen, was ihnen denn auch am zweiten Tage gelang. Du mußt nicht vergessen, mien Jong, daß von Cuxhaven nach Brunsbüttel hinüber ein banniges Stück Wasser ist, dem hier und da ein ganz ansehnliches Sandgebirge angeschoppt ist.“

„Wenn es den Franzosen aber gelänge, tüchtige Elblootsen zu ködern? So viel ich weiß, bezahlen sie in schönem, blankem Golde!“

„Lootsen, hm! Nun ja, wenn! … Sieh, mien Jong, unsere Leute hier an der Ebe hinunter sind durchweg ein Schlag aus dem gröbsten Holze, kurz angebunden, aber keiner Hundsfötterei fähig. Dazu sind sie nicht geldgierig genug und haben unseren Herrgott im Leibe. Geh Du durch ganz Süderdithmarschen und sprich mit ihnen, Du wirst Wunderdinge hören über ihre Gesinnungen, hören, daß einem dösköppigen Franzosen, wenn er dabei stünde, die falschen Katzenaugen übergehen würden, so wahnsinnig beliebt ist er dort. Der Einzige, der ihm vielleicht helfen könnte, die Elbe zu forciren, wäre de gammel Hannemann, der Däne, zu dem er auch am besten paßt, denn bis heute ist es noch nicht festgestellt, wer von Beiden der größere schurkische Lump ist.“

„Wie kommen aber gerade die Dänen dazu, hier auf der Elbe, die ihnen doch seit fast sechs Jahren so fern liegt …“

„Will ich Dir auseinanderkalfatern, mien Jong, aber mi ward die Kehle trocken.“

Er zog die silberne Pfeife hervor und ließ einen dreifachen Pfiff gellen. Katrin, die dicke Wirthschafterin mit der schneeweißen Schürze, erschien in der Thür.

„Watt giwwt et; Herr Kaptein?“

„Dummen Snack en lütten Fröhstück, dat heet, nich tau lütt, es künnt jümmers een paar Tons Oeberfracht dabi sien.“

„Weet all, Herr Kaptein!“

In wenigen Minuten stand ein Imbiß auf dem Tisch, wie ihn die „smarteste“ Capitainskajüte nicht besser aufzuweisen vermag. Ein mächtiger rosenrother holsteinischer Schinken, dazu die köstliche Butter aus den Marschen, eine Schüssel mit kalten Beefsteaks, ein fast drei Fuß langer Viertellachs, Chesterkäse von der tadellosesten Isabellfarbe, Spintbrod und frische Rundstücke, und hinter dem Cognacflacon mit silbernem Stöpsel die unvermeidlichen vier Rothspohnflaschen mit der achtbaren Etikette „Chateau Léoville“

„So, mien Jong, alle Hände up Deck.“

Während ich des Leibes pflegte, denn im Norden hat man, namentlich nach flotter Bewegung, stets doppelt so viel Appetit, als im Binnenlande, fuhr, nachdem er sich die Kehle mit einem Römer fränkischen Rebenblutes gereinigt, Jens Hinrich fort: „Sieh, mien Jong, mit den dänischen Lootsen ist das so! Du wirst Dich erinnern, daß von langer Hand her, nachdem sie von Kopenhagen aus die Glückstädter Festungswerke hatten schleifen müssen, bis sie endlich 1864 für immer von der Elbe Abschied zu nehmen gezwungen waren, sie drei Zoll-Wachtschiffe, Lootsenkutter eigentlich, vor Altona, Glückstadt und weiter unten hinter Brunsbüttel aufgestellt hatten, um den Schmuggel von drüben, von der hannoverschen Küste her nach dem holsteinischen Ufer zu hintertreiben, was ihnen übrigens nur zur Hälfte gelang. Hätten sie sich damals ohne Weiteres dem Zoll- oder dem Steuerverein angeschlossen, hätten sie Millionen sparen können, die eine wahre Armee von Zollbeamten verschlang, und wären besser d’ran gewesen. So aber mußte Tag und Nacht zu Wasser und zu Lande patrouillirt und gekreuzt werden. Dabei haben sich denn die Kerle, die poveren [555] Jüten, trotz Holzkorken und Bocksbart, eine so genaue Kenntniß unseres Fahrwassers und seiner Untiefen angeeignet, daß sie den Weg beinahe mit verbundenen Augen zu finden wissen. Die kleinen Veränderungen, die in dem zickzackigen Sandgetriebe durch Springfluthen und Eisgänge auf kurze Zeit entstehen, werden am Ende durch das natürliche Gerinne regulirt und die alte Elbkarte tritt immer wieder in ihre Rechte. Diese verhungerten Kerle sind es, die, wenn sie blankes Silber in Species oder gar Gold sehen, uns allenfalls gefährlich und den wälschen Strandräubern und Mordbrennern sehr nützlich werden können.“

„Ich habe doch aber gehört, daß, auf Grund eines Neutralitätsgesetzes, es allen dänischen Unterthanen streng verboten ist, den kriegführenden Parteien irgendwelche Dienste, namentlich aber Lootsendienste zu leisten!“

„Ohle Dösbaddel, hätt ick binah seggt, streng verboten … ja, so lang sie ihnen noch etwas zu verbieten haben. Wenn der Däne aber nun, ebenso schlau als niederträchtig, auf kurze Zeit die dänische Jacke aus- und die französische anzieht, das heißt jetzt Franzmann und nach dem Kriege wieder Hannemann wird, glaubst Du, daß sie ihm das geringste Hinderniß bereiten werden? Glaubst Du denn, daß die in Kopenhagen nicht bei der ersten bedeutenden Schlappe der deutschen Waffen die Zähne zeigen und die eingezogenen Krallen herausstrecken werden?! Der Bär, dem man Honig zeigt, stürzt sich darauf, gleichviel ob er mit dem Kopfe in der Baumspalte sitzen bleibt. Und im Versprechen und Maulumschmieren ist der Franzose groß, im Halten nachher, wenn die Klemme vorüber, ist er der feilste Galgen-Bankerutteur, den je die gnädige Gottessonne beschienen! Gott verd… mi, ich kenne das, weiß ein Lied davon zu pfeifen, die wälschen Bestien, die mir das Theuerste, was …“

Damit schlug Jens Hinrich mit seiner eisernen Faust auf den Tisch, daß Flaschen und Gläser tanzten und die Hunde sich ängstlich verkrochen, stürzte hastig einen Special hinunter, sprang und lief garteneinwärts.

Schon häufig hatte ich seit Jahren Gelegenheit gehabt, wenn sich die Plaudereien auf diesen Punkt lenkten, den tiefgewurzelten Franzosenhaß dieses sonst so seelenguten Mannes kennen zu lernen; ich habe nie, trotz aller vorsichtigen Ausforschungen, den eigentlichen Grund dafür finden können, auch seine besten Freunde vom Seeleben her konnten mir keinen Aufschluß darüber geben. –

Jens Hinrich P-n’s Vater war, wie er selber, Schiffscapitain gewesen, hatte in St. Pierre auf der französischen Antilleninsel Martinique eine bildschöne (dem noch vorhandenen Pastell-Portrait nach zu urtheilen) Mulattin kennen gelernt und sie nach Europa heimgeführt. Dort ward mein Freund Jens Hinrich 1810 in Itzehoe geboren. Trotz deutscher Geburt erbte er von seiner Mutter das mahagonibraune Colorit, die „schattige Livrei des Südens“ und das krause, rabenschwarze Haar. Auf seinen meist westindischen Reisen nahm der alte P-n häufig Frau und Kind mit, das nach und nach zu einem handfesten Burschen heranwuchs. Eines Tages kehrte, es war im Herbst 1830, Jens Hinrich, damals Bootsmaat auf dem Schiffe seines Vaters, ohne diesen und die Mutter zurück. Wo sie geblieben, oder wie sie gar ein Ende genommen, darüber schwebte ein tiefes, bis heute nicht gelüftetes Geheimniß, das in den ernst-drohenden Zügen des sonst so lebensfrohen muntern Mannes sichtlich begraben lag. – Bald darauf, nach glänzend bestandener Steuermannsprüfung, übernahm er sein eigenes Schiff, das er über zwanzig Jahre in allen Längen- und Breitengraden herumführte, und mit dem er, durch fortdauerndes Glück begünstigt, ein bedeutendes Vermögen erwarb, um sich 1852 am Elbstrande als alter Hagestolz zur Ruhe zu setzen.

Das ist die kurze, bündige Geschichte meines Freundes.

Jetzt kam er langsam zurück, ruhig, als sei nichts vorgefallen.

„Mien Jong, Du mußt mi datt nich öwel nehmen; Du weetst ja … na, en anner Buddel Wiin … so prost! … Also, ick vertellte Di …“

„Wegen der Möglichkeit dänischer Lootsen auf der Elbe …“

All right … Ja, sieh nur, davor brauchen wir keine allzugroße Bange zu haben. So weit von Altona aus die Elbe abwärts geht, ist unser hochgelegenes rechtes Ufer überall wohlbewacht, vom linken zu geschweigen, das zu flach ist. Und doch sind bei Brunshausen, dem Stader Hafen, wie Du Dich überzeugen wirst, die alten Schanzen bis an die Brüstung schwer armirt, und bei Cuxhaven natürlich große imposante Werke geschaffen, deren eiserne Visitenkarten den französischen Kanonenjollen übel behagen würden. Und dabei passen ihre Kerle, die in ihrem Leben nie tüchtige Theerjacken werden, nicht einmal ordentlich auf den Dienst, kommen jedenfalls aus der Bottelier-Cabine nicht heraus, denn sonst ist es nicht zu klaren, wie es möglich gewesen, daß unser Panzer-Widder ‚Arminius‘ unbemerkt von ihnen vom Sund bis hierher hat kommen und sich gestern mitten in der Elbe, zwischen Cuxhaven und dem Neufelder Watt, vor Anker legen können.“

„Ja, das ist freilich stark!“

„Nun liegen sie draußen, maulaffen, natürlich in respectvoller Ferne, das schwarze Ungethüm an und warten, daß Succurs kommt, um den Angriff wagen zu können.“

„Wenn nun aber im schlimmsten Falle ihnen eine Landung dennoch gelingt?“

„Dafür hat der alte Eisenfresser in Hannover, Euer Vogel von Falckenstein, gründlich gesorgt, und wir haben eine tüchtige Portion Senf dazu gegeben. Zwischen Otterndorf, Ritzebüttel und Cuxhaven bis rückwärts nach Dorum wimmelt es von Kriegsleuten aller Waffen, zu denen sich unsere freiwillige See- und Landeswehr gesellt. So ein fünf- bis zehntausend Rothhosen würden einen siedend warmen Empfang finden, wenn sie nicht gleich beim Versuche der Landung, was sicher ist, müßten Seewasser saufen lernen. Unterdessen amüsiren sich die Filous damit, harmlose Küstenfahrer, denen sie nicht nachlaufen können, zu cujoniren, mal auf einen Baumwollensack von lumpigem Engländer – was ihnen aber doch mal theuer zu stehen kommen kann – einen Schuß abzufeuern, weil sie die durch ihre eigenen heimischen Krämerseelen besudelte britannische Flagge nicht gleich erkannten, und überhaupt möglichst viel Kohlen und Pulver zu vergeuden. Ein paar Mal haben sie Parlamentair-Boote mit dem weißen Lappen hereingeschickt und um frische Gemüse und Fische für ihre „Kranken und Leidenden“ gebettelt, wobei sie einen hübschen Sack Geld klingen ließen. Die vom Hadelner Canal und Neuhaus haben ihnen aber geantwortet, daß ihre ‚gesunden Jungen‘ ihre Möhren, Steckrüben, Zuckererbsen, Bohnen, Blumen-, Wälsch- und Rosenkohl allein äßen, und die Blankeneser, daß die Herren Parlezvous, wenn sie Appetit auf Schollen, Seezungen, Steinbutten und Schellfisch hätten, sie sich ja allein fangen könnten. Es wäre das ganz leicht, wenn sie nur Geduld hätten und verstünden, den lieben Thierchen ‚du sel‘ auf Schwanz und Flossen zu streuen! …“

Wir mußten ob dieser echt niedersächsischen Naivetät Beide in ein schallendes Gelächter ausbrechen, in das die Hunde mit freudigem Gebell einstimmten und zu dem der sich am Fenster schaukelnde grüne Brasilianer (Papagei) sein mir wohlbekanntes „Hurrah Kaptein!“ beisteuerte.

Nachdem diese heftige Explosion der Lachmuskeln endlich verhallt war und Mensch und Thier sich beruhigt hatten, fuhr ich fort:

„Du hast Dich vortrefflich informirt, alter Freund, auf der ganzen Niederelbe scheint Deinen Falkenaugen und Deiner Localkenntniß nichts entgangen zu sein; allein wie steht es mit der wohl an fünfundzwanzig Meilen langen Nordküste von Cuxhaven bis Emden und die holländische Grenze? Bieten die davor liegenden zahlreichen Inseln und Inselchen dem Feinde nicht willkommene Terrains, um eine Landung nicht mindestens zu versuchen?“

„Will ich Dir wieder auseinander kalfatern, mien Jong. Du meinst doch vorzugsweise die Strecke von nördlich von Bremerhaven bis hinter die Emsmündung in den Dollart. Der letztere ist nun freilich der exponirteste Punkt, wenigstens scheinbar … aber eben auch nur scheinbar! ... Ganz abgesehen davon, daß, selbst im glücklichsten Falle für seine Waffen, den ich noch sehr bezweifle, der Franzmann sich gar sehr besinnen wird, in einem seichten Wasser zu operiren, dessen Küste zur Hälfte den Mynheers gehört, deren Neutralitätsverletzung denn doch einen Sturm in Europa erregen möchte, so ist gerade dieser Punkt von der Natur außerordentlich geschützt und überdies durch allerlei niedliches Spielzeug, das wir Seekrebse ‚Torpedos‘ benennen, bestens ausgestattet. Uebrigens sind seit Langem schon alle, auch die kleinsten Seezeichen aufgenommen, selbst bis auf die auch nur den eingeborenen Friesen verständlichen Markirstangen an Land und Dünen, so daß den wälschen Windbeuteln selbst die besten Special-, See- und Generalstabskarten nichts nützen werden.“

(Schluß folgt.)



[556]

Im Hauptquartier des Prinzen Friedrich Karl.
Von unserem Berichterstatter Georg Horn.
Erster Brief.

Gegen Abend des 28. Juli war auf dem äußern Potsdamer Bahnhofe in Berlin ein reges Leben und Treiben. Ein langer Zug mit Transport- und nur wenigen Personenwagen, darunter zwei Salonwagen, stand rangirt, an der Seite des Perrons war ein ganzer Fuhrpark aufgefahren, bestehend aus Fahrzeugen jeder Form und jedes Bedürfnisses; davor standen lange Reihen der edelsten und schönsten Pferde mit den entsprechenden Bedienungsmannschaften, dazwischen bewegte sich viel Menschheit in Uniform und Livree; von den Wagen herab wurden Kisten und Koffer in die Gepäckwagen gehoben, die Gefährte selbst auf offene Transportwagen geschoben und die Pferde unter mancherlei Mühen, Antreiben und Rufen in den finsteren Gepäckwaggons untergebracht, vor dessen sie, die Luft und Freiheit liebenden, ein dunkler Instinct zu warnen schien. Während dieser Vorbereitungen war es dunkel geworden. Die Einwohner jenes Stadtviertels, das als ultima Thule Berlins gelten kann, sahen verwundert drein, als sie nach einem Theile des Bahnhofes, der sonst nur für rasselnde Gepäckwagen passirbar ist, eine elegante Equipage nach der anderen rollen sahen, mit älteren und jüngeren Officieren in einfacher Campagnenuniform, und zuletzt sogar eine, wenn auch nur einfache, Hofequipage erschien, in welcher kein Geringerer saß, als der Prinz Friedrich Karl, der Neffe des Königs von Preußen, der Held von Düppel und Alfen und Sadowa.

Man wußte, wenn es auch nicht in den Zeitungen gedruckt werden durfte, daß der Prinz zum Obercommandirenden der Rhein- oder der Zweiten Armee ernannt worden sei. Derselbe hatte nunmehr sein Hauptquartier formirt und brach an jenem Abend mit demselben an den Rhein auf. Welches ist das Ziel der Fahrt? So fragten sich fast Alle, die im Zuge waren, mit Ausnahme des Prinzen und seiner ersten Generalstabsofficiere, jener Herren mit der unscheinbaren Uniform und den strategischen Köpfen. Diese wußten es jedenfalls, denn sie sind die wichtigsten Theile des Ganzen, das wiederum in dem General von Moltke, dem Chef des großen Generalstabes der Armee, in dem großen Schweiger und Schlachtendenker concentrirt ist, der den genialen, von Tag zu Tage klarer hervortretenden Operationsplan entworfen hat; sie sind die Vertrauensmänner und leitenden Kräfte, denen er einen großen und wichtigen Theil der Ausführung seines großen Gedankens übertragen hat. Natürlich kannten diese Herren das Reiseziel, aber sie beantworteten jede Andeutung mit einem liebenswürdigen Gedankenstrich nach einem Fragezeichen. Die Reise ging über Magdeburg und Hannover durch das Bückeburger Land und durch die fetten Triften der rothen Erde. Die großartigen Ovationen, die der Prinz mitten aus dem Volke heraus durch Ansprachen, Gesänge, Hochs und Hurrahs, namentlich vom Westphälingerland empfing, drängten die Begierde, das Ziel der Reise zu erfahren, etwas zurück, bis dieselbe am zweiten Morgen nach der Abreise beim Einfahren in den Bahnhof von Köln nur um so lebhafter wurde. Auch Köln war dieses Ziel noch nicht, jedoch vielleicht Coblenz. Man hatte gemunkelt, daß die Armee zwischen letzterem Orte und Mainz operiren würde – was munkelt man in solchen bewegten Zeiten nicht Alles! – „der alte Löwe“, General von Steinmetz, war zudem um einen Militärzug dem Prinzen vorausgefahren, vielleicht handelte es sich um wichtige Berathungen, Verabredungen, Recognoscirungen; aber General von Steinmetz blieb in Coblenz zurück, und der Zug des Obercommandirenden der Zweiten Armee fuhr durch den Bahnhof von Coblenz hindurch, und weiter ging es nach der linksrheinischen Bahn durch das herrliche Rheinthal, an der Stelle vorbei, wo General „Vorwärts“, Blücher, in der denkwürdigen Neujahrsnacht von 1814 mit dem preußischen Heere über den Rhein gegangen war, um seinen Siegesgang nach Paris anzutreten, und dort dem durch den Uebermuth, die Herrschsucht und den Cäsarenwahnsinn eines Corsen geängsteten und niedergeworfenen Europa den Frieden und den Muth wiederzugeben.

Es ist, als ob mit den Napoleoniden, die nach den Bestimmungen des Wiener Congresses von den Thronen Europas ausgeschlossen waren, als ob mit den Menschen auch die Zeiten wiederkehrten. Die Corsenfamilie mit der ihr eingeimpften Blutrache kann sich auch in dem gegenwärtigen Haupte derselben nicht verleugnen; aber die Deutschen sind in den letzten fünfzig Jahren durch die Bedrängnisse und Erfahrungen der Zeit doch andere geworden. „Einer für Alle, Alle für Einen!“ ist jetzt ihr Schlachtenruf, und wenn dort bei dem goldenen Mainz vorbei einst die Kaiserstraße führte, auf welcher Napoleon der Erste seinen Heeren voran von Paris nach Jena zog, so wird jetzt ein neuer General Vorwärts die Geschichte und den Weg umkehren und den Franzosen ihr Jena heimzahlen! In Mainz hielt auch nach vierzigstündiger Fahrt der Zug, und Mainz war das erste Hauptquartier des preußischen Heerführers Prinz Friedrich Karl. Was ist ein Hauptquartier?

Ein Hauptquartier ist der geistige und geschäftliche Mittelpunkt, von welchem die Fäden über die einzelnen Truppentheile, Corps, Divisionen, Brigaden, Regimenter, ausgehen. Der Heerführer ist der Herrscher; der Generalstabschef, der Generalquartiermeister, der Generalinspecteur der Etappen sind seine Minister, die übrigen Officiere des Generalstabes seine Unterstaatssecretaire. Der Oberbefehlshaber ist Commandeur en chef der Infanterie und Cavallerie, außerdem hat er einen General der Artillerie und einen Oberst der Ingenieure an seiner Seite. Außer dem persönlichen Adjutanten des Prinzen gehören zum Hauptquartier die Commandeure des Hauptquartiers und der Stabswache, die Armeeadjutanten, die Ordonnanzofficiere, die mit den Befehlen an die einzelnen größeren Truppenabtheilungen abgeschickt werden, ein Generalarzt, der Vertreter des Johanniterordens, der Chef des Verpflegungswesens mit seinen Beamten – was eine Armee täglich aufißt, darüber in einem späteren Artikel –, ein Armeepostmeister, die Ingenieurgeographen, welche die Karten entwerfen, die Beamten mit dem Telegraphenapparate, vermöge dessen sie innerhalb zweier Stunden eine Linie von fünf bis sechs Meilen legen können, und zuletzt auch ein Apparat für schwierige künstlerische Zwecke, eine metallographische Druckerei. Rechnet man dazu noch die Corpsschreiber, welche den Bureaudienst verrichten, die Stabswache, welche den Wachdienst im Hauptquartiere thut, achtundzwanzig Mann Infanterie, achtzehn Mann Cavallerie – letztere begleiten den Höchstcommandirenden in die Schlacht – und zählt man dazu den, wenn immer kleinen, persönlichen Dienst des Prinzen, ergiebt diese militärische Umgebung und das persönliche Gefolge eine ganz erkleckliche Anzahl von Menschen, deren Fortbewegung von einem Ort zum andern eine stattliche Cavalcade von Pferden und eine lange Colonne von Wagen bildet.

Vierundzwanzig Stunden vor Abbruch eines Hauptquartiers geht der Quartiermacher nach dem Orte voraus, an welchem das neue aufgeschlagen werden soll. Dort erwartet dieser den Zug und händigt die Quartierbillets aus. Für den Obercommandirenden pflegt in einem seinem hohen Range entsprechenden Hause Wohnung bereitet zu werden, ebenso für die Officiere des Generalstabes, die wegen gewisser Eventualitäten in seiner nächsten Nähe sich befinden müssen, eine Nothwendigkeit, die auch für die Bureaus eintrat, welche in irgend einem amtlichen Locale untergebracht zu werden pflegten; meistenteils wurden dazu die Schwurgerichtssäle in Verwendung gebracht. Eine Viertelstunde nach der Ankunft des Hauptquartiers genügt, um die Kisten mit den Acten, Schreibmaterialien auszupacken, und nach einer halben Stunde arbeitet in dem neuen Etablissement Alles wieder mit jener geistigen Schlagfertigkeit, der die vollendete militärische Organisation Preußens entstammt, und dem diesen Pflicht- und Ehrgefühl, in welchem der gewaltige moralische Halt und das Geheimniß der Sieghaftigkeit seiner Armee sich enthüllt.

Mit dem Geschäftsbureau steht das Arbeitszimmer der Spitzen des Generalstabes des Obercommandos in Verbindung. Hier ist der Sitz der intellectuellen und geschäftlichen Oberleitung, hier gehen alle Befehle von dem großen Generalstabe, und alle Meldungen von den Armeecorps ein, von hier aus beobachtet man die Bewegungen des Feindes, und hier werden denselben entsprechend die Operationen gegen den Feind entworfen, von hier aus geht der Vormarsch und die Aufstellung der Armee vor sich, von hier aus kommen alle Befehle und Anordnungen für die strategischen Operationen für das Verpflegungs- und Sanitätswesen, und werden [557] durch die Armee-Adjutanten allabendlich fünf Uhr an die Ordonnanzofficiere ausgegeben, welche sie an die betreffenden Armeecorps überbringen. In dieser organischen Verbindung des Ganzen mit dem Einzelnen, diesem staffelartigen Aufbau ist allein nur eine zweckdienliche Beherrschung des gewaltigen Arbeitsmaterials möglich. Die Thätigkeit beginnt früh am Morgen und endet oft erst spät in der Nacht. Der Prinz verlangt von seiner Umgebung die höchste Anspannung geistiger Kraft und geht ihr darin mit eignem Beispiel voran. Ruhe ist ein Begriff, den er im Felde selten, Bequemlichkeit, den er gar nicht kennt. Von früh Morgens an bis zum Abend ist er in steter Wirksamkeit, und diese richtet sich stets auf das Große und Ganze, ohne sich in unnöthiges Detail zu zersplittern. Meldungen, Vorträge, Berathungen, Recognoscirungen machen aus seinem Tage achtundvierzig Stunden. Für das Diner ist nur eine Stunde bestimmt; dasselbe ist feldmäßig einfach, besteht nur aus Suppe und einem Gange, dazu wird einfacher Landwein gegeben. Noch einfacher ist das Souper, wenn der Prinz es nicht vorzieht, dasselbe auswärts im Freien einzunehmen. Diese Mittags- und Abendessenszeit sind seine einzigen Erholungsstunden; er sieht hier die Officiere seines Stabes um sich und giebt sich in diesem Kreise mit seinem dem Heitern zuneigenden hohenzollernschen Familienzuge, mit dem regen alles Neue und Geistige umfassenden Interesse, mit seiner ruhigen, einfachen, soldatisch sichern Art. Gegen zehn Uhr pflegt er sich zurückzuziehen. Gegenwärtig ist der Prinz zweiundvierzig Jahre alt, seine körperliche Erscheinung trägt den kräftigen hohenzollernschen Familientypus, und wie alle preußischen Prinzen erscheint er nur in Uniform und zwar in der seines Lieblings-, des Ziethen’schen Husarenregiments, dunkelblau oder roth mit Silber.

Proviant-Colonne in Biebrich, begleitet von preußischen und sächsischen Truppen.
Nach der Natur aufgenommen von unserem Specialartisten F. W. Heine.

Von Mainz aus ging das Hauptquartier auf der großen Kaiserstraße immer mehr nach Westen, in die bairische Rheinpfalz hinein. Alzey, wohin es von Mainz aus zunächst verlegt wurde, weckte eine Erinnerung an eine Nibelungengestalt, an den Spielmann Volker von Alzey, der hier seine Burg hatte, und dessen [558] Fiedel noch in einem alten Wappen zu sehen ist. Kirchheim-Bolanden, Wienweiler, Kaiserslautern, Homburg waren die folgenden Hauptquartiere. Als ich in Homburg Nachmittags meinen Spaziergang nach dem Schloßberge machte, an den gar malerisch die kleine Stadt sich anlehnt – war aus der Ferne, aus der Richtung von Saarbrück herüber, Kanonendonner zu vernehmen. In die Stadt zurückkehrend begegnete ich in den Mienen der Einwohner dem Ausdruck der Angst und Bestürzung – in der militärischen Umgebung des Prinzen war jene Erregung, die der Gedanke an den Kampf in jedem soldatischen Herzen erzeugt, nicht zu verkennen. Man flüsterte sich zu, daß unsere Truppen gegen das zweite Corps (General Frossard) im Feuer ständen. – Die erste Armee war zum größten Theile engagirt, von der zweiten Armee nur eine Division, aber immerhin genug, um den Prinzen zu vermögen, sich auf den Schauplatz des Kampfes zu begeben. Die Locomotive war bereits geheizt, von Viertelstunde zu Viertelstunde kamen telegraphische Meldungen. Aller Augen hingen an den Mienen des Obercommandirenden, in erwartungsvoller Spannung zu erfahren, welche Wendung der Kampf genommen habe, aber diese blieben unverändert, fest und ruhig. – Bald darauf wurde der Eisenbahnzug wieder abbestellt – am Abend erfuhr man die Nachricht von dem Siege der Unseren und der Niederlage des Generals Frossard, vom Vormarsch unserer Truppen auf Forbach.

Am nächsten Tage wurde das Hauptquartier nach Bliescastel, einem rheinbayerischen Städtchen nahe der französischen Grenze, verlegt. Rechts und links war bereits von Kaiserslautern aus die Straße von den preußischen Truppencolonnen wie von einer doppelten sich fortbewegenden Mauer eingefaßt. Die Mannschaften, dem Gardecorps angehörend, bezogen Abends Bivouacs. Das Auftauchen der Wachtfeuer rings auf den Bergen in den abenddunkelnden Himmel hinein war von wunderbarer Wirkung. Der Prinz war mit seinem Gefolge auf einen erhöhten Punkt gegangen, um von da aus das herrliche Bild zu überschauen.

Da meldete sich ein Ordonnanzofficier, ein Lieutenant v. König, von den Siebzehner Braunschweig’schen Husaren. Er berichtete, daß er mit vier Mann zur Recognoscirung über die französische Grenze ausgeschickt worden und unbeanstandet bis vor Saargemünd (französisch Sarreguemines, Département de la Moselle) gekommen sei. Dort sei er auf eine Verbarricadirung durch gefällte Bäume gestoßen, habe von jenseits der Brücke Feuer bekommen und gegeben. Darauf habe er einen Civilisten in die Stadt zum Maire mit seiner Karte geschickt. Auf dieselbe habe er blos „von König“, ohne Angabe seines Officiergrades, geschrieben, um der Sache mehr Gewicht zu verleihen. Bei dem Bürgermeister habe er anfragen lassen, ob Militär in der Stadt liege; wäre dies nicht der Fall, so habe er denselben auffordern lassen, daß die gefällten Bäume entfernt würden, widrigens die Stadt als keine offene, sondern wie ein fester Platz betrachtet würde. Die Antwort des Maires Barre de Geiger lautete, daß die französischen Truppen aus der Stadt abgezogen seien und daß die Hindernisse, welche den Zuzug zur Stadt versperrten, sogleich beseitigt werden sollten. Das geschah denn auch mit gezogenem Revolver und in Begleitung von drei Husaren- der vierte war zur Beobachtung zurückgelassen worden – ritt der recognoscirende Officier in die Stadt ein, wo er sich allsogleich von einer großen Menschenmenge umringt sah und der Maire ihn mit der Bitte empfing, die Stadt als eine offene zu betrachten und schonen zu wollen. Dieses kecke Husarenstückchen wird durch die Illustration dargestellt, welche ich Ihnen zugleich mit diesen Zeilen überschicke.[1]

Am nächsten Morgen brach das Hauptquartier auf. Ging es an diesem Tage über die französische Grenze? Diese Frage stand auf allen Mienen geschrieben, und die Spannung überbot diejenige auf das erste Hauptquartier diesmal noch um ein Bedeutendes. Die Landleute sagten zwar, daß die Straße, die wir zogen, der Weg nach Frankreich sei – aber nach ihren Angaben, daß die Grenze nur zwei Stunden entfernt und nach der Zeit unserer Fahrt zu schließen, die schon an vier Stunden gedauert hatte, waren wir am Ende doch nicht auf dem heißersehnten Wege. Und doch – dort zeigte sich der weißblaue bairische Grenzpfahl und darüber hinaus – der blauweißrothe mit der Ueberschrift: Empire français! Hinüber – hinüber – es ist keine fremde Erde, die wir betreten, es ist Lothringen, altes deutsches Reichsland, dem Mutterlande durch Raub entrissen. Sei es von uns tausendmal mit jubelndem Herzen begrüßt! Hinüber – hinüber! Vor einundzwanzig Tagen an der Spree tiefster Friede, nach einundzwanzig Tagen eine siegreiche Armee an der Saar, und Deutschland einig – einig –; Jahrhunderte haben nach diesem Ziele gerungen – und haben es nicht erreicht. Und wir haben es erlebt – wir sind des großen Gedankens und des übermächtigen Gefühls voll, wir können sagen: Wir sind dabei gewesen!




O Straßburg, o Straßburg, Du wunderschöne Stadt!  
Sendschreiben an meinen Sohn, den preußischen Landwehrmann.


     Mein lieber Alfred!

Die Trommeln wirbelten durch unser deutsches Land, und auch Du zogst mit in den Kampf. Du weißt, daß es sich darum handelt, ob Frankreich, wie seit länger als zweihundert Jahren, so auch künftig das traurige Vorrecht behalten soll, nach Belieben die Ruhe Europas zu stören und eigennützige Zwecke zu erstreben oder ob endlich einmal unter den Staaten ein regelrechtes Verhältniß zur Geltung kommen solle. Schon in diesem Augenblick giebt der Erfolg des Kampfes uns die Zusicherung: Deutschland wird endlich die ihm gebührende Machtstellung erhalten.

Nur durch den Besitz deutscher Lande, welche Kaiser und Reich zur Zeit unserer unglückseligen Kirchenstreitigkeiten schmachvoll hinopferten, ist Frankreich so mächtig geworden, daß seine Stellung für Europa und insbesondere für Deutschland so bedrohlich geworden, und glaube es mir, mein theurer Alfred, es giebt keine Sicherheit und keine dauernde Ruhe für unsern Erdtheil, so lange jene abgerissenen ehemaligen Reichslande sich in den Händen des wetterwendischen Volks der Franzosen befinden, die sich immer von einem Extrem in das andre treiben lassen.

Du erinnerst Dich, wie oft ich Dir von dem erzählte, was ich auf meinen Wanderungen durch das Elsaß gesehen, diesen Garten Europas, welchen kerndeutsche Leute alemannischen Schlags bewohnen.

Ich werde den Tag nicht vergessen, an welchem ich zum ersten Male den Fremersberg bei Baden-Baden bestieg. Es war an einem herrlichen Sommerabend, etwa eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang. Vor mir lag das herrliche, üppige Rheinthal von Worms und Speier bis aufwärts zu den Grenzen des Sundgaus ausgebreitet; der Strom schlängelt sich hindurch wie ein riesiges Band von Silber; die Gipfel der Vogesen und die scharf eingeschnittenen Berge der Hardt wurden von den Strahlen der Sonne vergoldet, und an den Abhängen lagerte ein veilchenblauer Duft, der sich allmählich immer tiefer färbte. Das Auge weidet ach an dieser prächtigen Landschaft, in welcher unzählige Städte und Dörfer zerstreut liegen, aber am Ende bleibt es ruhen auf dem Straßburger Münster, dessen hoher Thurm wie ein gewaltiger Mast in die Lüfte ragt.

Da lag also Straßburg vor mir, einst der Schlüssel zum deutschen Reiche, als Festung eine „Jungfrau“, die nie zuvor einem Feinde die Thore geöffnet, bis sie durch Schwäche des Reichs und durch Verrath in die Gewalt Ludwig’s des Vierzehnten von Frankreich fiel. Ueber mich kam tiefe Wehmuth und ein unbeschreiblich schmerzliches Gefühl. Ich sah die Höhen des Wasgau welche im Südwesten Deutschlands Thermopylen bilden; ich dachte an den Ausspruch Karl’s des Fünften, der kurz und bündig lautet: „Wenn die Franzosen vor Straßburg und die Türken vor Wien stünden, würde ich Wien fahren lassen und Straßburg retten.“ und doch ist die wichtigste Festung Deutschlands, in einer Zeit kläglicher Schwäche und Erniedrigung, preisgegeben worden!

Das war schmachvoll, aber es ist noch unendlich schmachvoller [559] und es treibt einem den Zorn und den Grimm in alle Glieder, wenn man daran denkt, daß eine elende Diplomatie nach des corsischen Napoleon Sturz die geschichtliche Sünde nicht wieder gut machte und, von gegenseitiger Eifersucht angestachelt, von legitimistischem Wahnwitz getrieben, Straßburg sammt dem Elsaß an dieselben Bourbons zurückgab, deren Vorfahren beide dem Reiche geraubt hatten. Diese Rückgabe deutscher, von uns wieder erworbener Lande an die Franzosen gehört zu den historischen Niederträchtigkeiten der abscheulichsten Art. Die deutschen Fürsten haben Vieles wieder gut zu machen, um solche Dinge in Vergessenheit zu bringen.

Nirgends in der Welt giebt es eine Landschaft, welche von der Natur selbst als etwas so ganz und gar Zusammenhängendes geschaffen wurde, wie das Rheinthal zwischen Schwarzwald und Vogesen. Derselbe Menschenstamm, derselbe Boden, dieselben Erzeugnisse und eine gemeinsame geschichtliche Entwickelung von zweitausend Jahren! Diesen historischen Faden durfte Ludwig der Vierzehnte durchschneiden, und die Sünder des Wiener Congresses begingen den Frevel, ihn nicht wieder anzuknüpfen. Während meines zweiten Aufenthaltes in Baden-Baden, 1843, lernte ich dort einen sehr wohlhabenden und hochgeachteten Altbürger von Straßburg kennen; wir schlossen uns näher aneinander und bald wußte ich, daß ein echt alemannisches, kerndeutsches Herz in seiner Brust schlug. Die Lage und die Verhältnisse des Elsasses bildeten täglich einen Gegenstand unserer Gespräche.

„Warum habt Ihr uns 1814 nicht behalten?“ sagte er eines Tages. „Ich bin es gewesen, der damals das deutsche Commando bei der Straßburger Nationalgarde wieder eingeführt hat. Wir waren darauf gefaßt, wieder mit Deutschland vereinigt zu werden, wohin wir gehören. Die Wälschen sind uns Fremde; sie schleppen unsere Leute nach Algier, wo sie am Fieber oder an Kabylenkugeln hundertweise zu Grunde gehen; davon weiß jedes Dorf zu sagen. Wir haben kein Herz zu ihnen; aber Ihr habt uns bei ihnen gelassen. Gott verd –!“ Dabei nahm der alte, greise Mann sein Glas und warf es in tausend Scherben. Das war oben im schattigen Hofe des alten Schlosses von Baden-Baden.

Mich ergriff dieser Auftritt tief. Wir schwiegen eine Weile dann fuhr der wackere Z–f fort: „Es hat nicht sein sollen. Vielleicht ist es auch gut so; denn sehen Sie, an wen hätten wir Elsasser fallen sollen, wem wären wir zugetheilt worden? Einem von Euren Duodezstaaten? Dafür müssen wir danken, das kann uns nicht locken; wir könnten nur zu einem großen Deutschland gehören, weil wir seit zweihundert Jahren einem großen Staate einverleibt sind. Auch lockt uns Eure Censur nicht, Euer Bundestag thut es eben so wenig; aber der Zollverein, wohlan, den lasse ich mir gefallen. Nur so fortgefahren. Sehen Sie, wir haben constitutionelle Verfassung und freie Presse, die doch für gebildete Menschen einen hohen Werth besitzen, und was könntet Ihr Deutschländer uns dagegen bieten? Also jetzt tauschen wir nicht. Ihr habt viel versäumt; nun sind seit 1814 wieder dreißig Jahre verflossen, in denen bei uns das Werk der Verwälschung Fortschritte gemacht hat, denn darauf versteht man sich in Paris, und Monsieur Guizot, der Protestant und Doctrinair, treibt es damit am allerärgsten.“

Ich entgegnete: „Das Alles ist sehr wahr. Aber Deutschland ist im Aufsteigen und es werden Tage kommen, da es wieder stark und mächtig dasteht. Dann wird durch Pflicht, Interesse und Nothwendigkeit vor allen Dingen geboten sein, daß wir wieder nehmen, was uns geraubt worden ist. Wir werden dann nicht lange fragen, ob die Elsasser Sympathien für uns haben und wieder mit uns vereinigt sein wollen. Nur ein Schwachkopf würde sich darum kümmern. Anderthalbhundert Jahre habt Ihr die Euch aufgezwungene Vereinigung mit Frankreich widerwillig ertragen und nur durch lange Gewohnheit und materielle Vortheile Euch mit demselben eingelebt; mit der Wiedervereinigung, dem Beitritt zum alten Haupt-und Stammlande, würde sich die Sache rascher machen; ohnehin weisen ja alle materiellen Interessen vorzugsweise nach uns, nach dem Rheinlande hin.“

„Darin pflichte ich Ihnen bei. Hätten die Deutschländer 1814 das Elsaß behalten, so wäre es bei uns überall wie in Landau, wo man nichts von Wälschen sieht und hört. In Straßburg, Mülhausen, Colmar und anderen Städten hätten wir dann wohl noch an paar tausend Dutzend Franzosen behalten; aber was wollte das sagen gegen die Million Landesbewohner?“

Noch in demselben Herbste besuchte ich meinen würdigen Freund, der ein echter Mann von Schrot und Korn war, in seinem behäbigen Hause, das seit einigen Jahrhunderten im Besitze derselben Familie sich befindet. Ich fühlte mich wohl und heimisch, und in goldgelbem elsasser Wein haben wir auf das Wohlergehen, die Freiheit und die Macht Deutschlands getrunken.

Wenn, mein lieber Alfred, unter Deinen Cameraden sich der Eine oder der Andere befände, der in Sympathie für fremde Nationalitäten schwärmte; so rede Du ihnen vom Elsaß und sage, daß man Theilnahme, Mitgefühl und Thatkraft vor allen Dingen für sein eigenes Land und seine eigenen Brüder haben müsse. Deutschland muß stark und mächtig sein; darauf kommt Alles an!

Bei uns begannen das Unheil und die Verluste, als Kaiser und Reich schwach wurden und der Particularismus obenauf kam; dazu haben die nichtswürdigen dogmatischen Zänkereien und die Religionskriege wesentlich beigetragen. In Folge derselben schnappte Frankreich zu; während es im eigenen Lande die Protestanten mit Feuer und Schwert verfolgte; leistete es den deutschen Protestanten gegen den katholischen Kaiser Vorschub; und so gingen für uns durch den kläglichen Passauer Vertrag und Moritz von Sachsen die drei lothringischen Bisthümer Metz, Tull und Werden (Verdun) verloren. Metz, die alte Reichsstadt, in welcher die sieben deutschen Kurfürsten die goldene Bulle unterzeichneten, wurde dadurch aus einem Schlüssel Deutschlands ein Bollwerk und eine Vormauer Frankreichs gegen uns.

Aber von allen Verlusten, die wir durch die Uneinigkeit und Schwäche unserer paar hundert souveränetätsschwindelkranken Fürsten erlitten haben, ist kein einziger so beklagenswerth und nachtheilig, wie jener des Elsasses. Nicht nur, daß wir unsere allerherrlichste Landschaft und Vorburg einbüßten, sondern unser Reichsbollwerk Straßburg ist zu einem Pfahl in unserem Fleische geworden. Den dürfen wir nicht stecken lassen.

Das Elsaß! Es ist im dreißigjährigen Kriege, im westphälischen Frieden vom Reich abgetrennt worden, zu welchem es vom Anfang der Geschichte an gehört hat. Das sind für Deutschland die Folgen der kirchlichen Zänkereien gewesen, der dogmatischen Streitigkeiten, der abscheulichen Religionskriege, des überwuchernden Pfaffenthums, das so viel Unheil über die Völker gebracht hat. Beim Keifen über „himmlische Dinge“ ging uns unsere irdische Macht, Größe, Blüthe, gingen Wohlstand und Bildung verloren, und unsere Nachbarn vergrößerten sich auf unsere Kosten.

Als schon das Elsaß der französischen Macht gehorchen mußte, blieb doch die alte Reichsstadt Straßburg noch länger als dreißig Jahre bei Deutschland. Aber kein Tag verging, an welchem Ludwig der Vierzehnte nicht Ränke gesponnen hätte, um dieses deutsche Juwel seiner wälschen Krone einzuverleiben.

Laß Dir nun erzählen, wie Straßburg durch innern Verrath und Schwäche des von den Türken bedrängten Kaisers an den Erbfeind kam. Es ist eine lehrreiche und spannende, aber traurige Geschichte, aus der wir auch heute noch Nutze ziehen können.

Auf Straßburgs Bürgern lastet kein Vorwurf; sie haben volle sechszig Jahre lang mit bewundernswürdiger Geduld und Ausdauer auch die größten Opfer getragen und Alles, was in ihren Kräften stand, gethan, um die Reichsfreiheit zu behaupten und im uralten Verbande mit Deutschland zu bleiben. Selbst in dem Unglücksjahre 1681, als sie der Noth und dem Zwange weichen mußten, legte noch die ehrsame, allzeit streitbare Schneiderzunft auf ewig Verwahrung ein gegen die Gewaltthat Ludwig’s. Ja, die Schneider sind in Straßburg die tapfersten Leute gewesen und haben viele Jahre lang unermüdlich auch an den Wällen, Schanzen und Mauern gearbeitet; bei jedem Aufrufe zu den Waffen waren sie allemal, wohlgerüstet mit Wehr und Waffen, unter den Ersten auf dem Sammelplatze.

Auch nachdem 1648 im westphälischen Frieden das Elsaß zum größten Theile an Frankreich verloren gegangen war, war Straßburg noch reichsfrei geblieben, zum großen Verdruß des Pariser Hofes, der fortan unablässig darauf hinwirkte, das „Bollwerk“ in seine Gewalt zu bringen. Ludwig der Vierzehnte unterhielt einen Residenten in Straßburg, dessen Aufgabe es war, eine Partei des Verraths in der Stadt zu bilden und Uneinigkeit unter den Bürgern anzuzetteln. Während er es an Bestechungen und Geldversprechungen nicht fehlen ließ, brach der König jede [560] Gelegenheit vom Zaune, um die Straßburger zu bedrängen und sie fühlen zu lassen, daß er ihnen schaden könne, während sie vom deutschen Kaiser Schirm und Hülfe vergeblich erwarteten. Er wollte sie mürbe machen, die Reichsfreiheit sollte ihnen sauer werden. Dasselbe geschah auch mit den übrigen Landestheilen, welche noch einen Schein von Reichsfreiheit zu retten gewußt hatten. Als am Ende die Bedrängniß zu gräßlich geworden war, erkannten sie 1680 die Oberherrschaft Frankreichs an, und Ludwig hatte sein Ziel erreicht, wenn nun auch das allein noch unabhängige Straßburg ihm huldigte.

Welcher Mittel und Wege bediente sich der „große“ Monarch, um die Elsasser mürbe zu machen?

Ich will Dir einige Beispiele geben. Im Jahre 1673 legte sich der berüchtigte Mordbrenner Louvois, Kriegsminister und Liebling Ludwig’s, mit französischen Kriegsvölkern in das Elsaß und that den Straßburgern zu wissen, er werde sie nächstens besuchen, „um ihre vortrefflichen Festungswerke zu besichtigen“. Bald nachher kam er wirklich; wie die Chronik sagt, „zeigte man ihm aber nur so viel, als man ihm ohne Schaden zeigen konnte.“ Unverweilt stellte sich heraus, worauf die Sache hinzielte. Ludwig der Vierzehnte kam persönlich nach Breisach, das damals eine Festung und in französischer Gewalt war. Ihr gegenüber auf dem linken Rheinufer, im Elsaß, liegt Colmar, das sammt neun anderen Reichsstädten seine Unabhängigkeit auch nach dem westphälischen Frieden gewahrt hatte. Ohne irgend eine Veranlassung lagerten sich vierhundert französische Reiter vor die Stadt; als der Rath und die Bürgerschaft sofort Geschütze auf die Wälle führten und in Waffen traten, um einen Angriff abzuwehren, ließ der französische Commandant melden: „sein mächtiger König werde ein solches Betragen der Colmarer sehr übelnehmen und dasselbe ohne Zweifel rächen, falls man die Kanonen nicht wegfahre. Daran werde Seine Majestät Wohlgefallen haben.“ Der Rath ging in die Falle; am andern Morgen standen fünftausend Franzosen, die Louvois herangeführt hatte, vor der Stadt, und während Abgeordnete mit diesen eine Besprechung hatten, drang sein Kriegsvolk in die Stadt. Colmar war geraubt, die Bürger wurden entwaffnet, die Wälle von den Franzosen besetzt, Geschütze und Kriegsvorräthe weggenommen und nach Breisach hinübergebracht. Die Bürgerschaft mußte die Räuber verpflegen, jedes Haus erhielt sechs bis zehn Mann Einlager und durfte von Glück sagen, daß die Stadt nicht auch förmlich ausgeplündert wurde. Neunzig Kanonen eigneten die Franzosen sich an, sprengten die Thürme, rissen die Wälle nieder, füllten die Gräben aus. „Colmar war in ein offenes, wehrloses Dorf verwandelt; und so ging es auch den Städten Schlettstadt, Kaisersberg, Oberehnheim, Hagenau, Weißenburg, Landau, überhaupt allen zehn Reichsstädten im Elsaß. Bald nachher zog Turenne in die Pfalz, wo die Franzosen mit Raub, Mord und Brand schon 1674 so erschrecklich wütheten, daß die gekränkte Menschheit darob seufzet; sintemalen kannibalische Gräuel von diesem bestialischen Kriegsvolke begangen wurden.“

Seit 1674 hörte für das allein im Elsaß noch reichsfrei dastehende Straßburg die Bedrängniß nicht auf. Rings um das Gebiet der Stadt und auf demselben lagerten sich nach Belieben französische Soldaten; denn von Unantastbarkeit derselben war schon lange keine Rede mehr; und die „bewaffnete Neutralität“, die zu allen Zeiten eine Lächerlichkeit und ein kläglicher Deckmantel für Schwäche oder Unentschlossenheit gewesen ist, half den Straßburgern nichts. Man vermehrte die Besatzung um tausend Mann, nahm außerdem zwei Compagnieen Schweizer in Sold und die Bürgerschaft belastete sich mit Abgaben, welche die früheren um das Vierfache überstiegen. Aber sie brachte auch diese Opfer willig, weil sie um jeden Preis von den Franzosen verschont und beim Reiche bleiben wollte.

Marschall Turenne, welchen Du in unseren ordinären Geschichtsbüchern als einen „Helden“ dargestellt findest, war allerdings ein kluger Feldherr, aber als Mensch nicht viel besser, als der Mordbrenner Louvois. Während er immerfort den Straßburger Rath versicherte, daß er von Freundschaft für Stadt und Bürgerschaft durchdrungen sei, gestattete er, daß seine Soldaten das Straßburger Gebiet ausplünderten, und als dann von den erbitterten Bauern manche Räuber auf frischer That erschossen wurden, beschwerte sich der edle Marschall, daß man unbefugter Weise tapfere Krieger seines Königs ermorde!

Inzwischen hatten die Kaiserlichen unter Montecuculi einige Anstalten getroffen, die Franzosen zu vertreiben; der Feldzug wurde aber lahm geführt, und das Elsaß, in welchem nun zwei Heere lagen, kam nur in noch ärgere Bedrängniß, während nach Abzug der Reichstruppen Straßburgs Lage um desto schlimmer wurde. Das „Mürbemachen“ nahm seinen Fortgang.

Unter den vielen französischen „Mordbrennern“, denn dies ist die geschichtliche Bezeichnung, welche in jener Zeit entstand, war eben so schlimm als Melac, Duras, Louvois und Dutzende von Anderen ein Oberst La Brosse, der eine aus dem ärgsten Gesindel, entlassenen Sträflingen und Gaunern, zusammengesetzte Freischaar befehligte. Dieser La Brosse überfiel 1677 die Stadt Weißenburg, ließ Häuser und Kirchen rein ausplündern und dann die Stadt an allen vier Ecken anzünden. Am folgenden Tage erschien er in Hagenau, schwang selbst eine Brandfackel in der Hand, bezeichnete seinen Rotten die Stelle, wo Feuer angelegt werden solle, und noch ehe der Abend hereinbrach, war die einst so schöne Stadt ein glühender Haufen von Trümmern. Am Selzer Wörth ließ er die Bauern niedermachen, alle Häuser ausplündern, dann in Brand stecken, so daß sie in Rauch aufgingen; „auch hat dieser mordbrennerische Franzos nicht einmal zulassen wollen, daß die Pawern ihre unschuldigen Kinder aus dem Feuer retteten. Aus dem Mund dieses Ungeheuers selbst hat man gehöret, daß er sagte: nichts könne ihm so großes Plaisir machen, als das Prasseln der Flammen und das Gerassel einstürzender Häuser und Gebäude.“ Aber noch in demselben Jahre wurde dieser Mordbrenner bei St. Leonhard von fünf Kugeln durchbohrt. Im folgenden Jahre verwandelten die Franzosen die Stadt Bar in Asche; und im ganzen Elsaß wie in der Pfalz giebt es keine einzige Ortschaft, welche nicht Zeugniß von der Wütherei der Franzosen ablegen könnte.

So waren die ersten Acte des gräßlichen Trauerspiels beschaffen; der letzte wurde vorbereitet und die Tage von Straßburgs Unabhängigkeit waren gezählt. Die Katastrophe nahte heran. Ludwig der Vierzehnte hatte die berüchtigten Reunionskammern in Breisach und Metz eingesetzt, die ihm „von Rechts wegen“ Alles zusprachen, was er auf dem linken Rheinufer zu besitzen wünschte. Sie sagten ihm, auch auf Straßburgs Besitz habe er ein unbestreitbares Anrecht, und er ließ darüber dem Rathe der Stadt Eröffnungen machen. Dieser erwiderte: Straßburg und dessen Unterthanen seien Reichsstand, auch dem Könige von Frankreich keineswegs unterworfen, noch jemals unterworfen gewesen. Darauf entgegnete der Präsident der Breisacher Reunionskammer: er wisse sehr wohl, daß Straßburg eine freie Reichsstadt sei, auch solle die Freiheit derselben keineswegs angetastet werden; „davor soll Gott uns bewahren. Aber der König ist souverainer Herr des Elsasses, in welchem die Stadt Straßburg verschiedene Aemter besitzt. Deshalb ist sie im Namen dieser königlichen Unterthanen und aller Beamten schuldig und verbunden, der Krone Frankreich den Eid der Treue zu leisten, und will sie sich dessen weigern, dann wird man sie durch Gewalt zu ihrer Pflicht anhalten.“

Du siehst, lieber Alfred, wie man „Rechtstitel“ fabriciren kann. Straßburg, von Kaiser und Reich im Stiche gelassen, mußte sich bequemen, diesen schändlichen Eid zu leisten. Es bat flehentlich, daß beim Abschlusse des Friedens, welcher 1679 zu Nimwegen in den Niederlanden zu Stande kam, ihre Freiheit und Sicherheit durch einen besondern Artikel gewahrt würde; „allein solches geschahe nicht, und diese Stadt, an welcher doch dem ganzen Reich so viel gelegen war, wurde ganz vergessen.“

So war Straßburg schmachvoll preisgegeben, und doch hielt die kerndeutsche Bürgerschaft standhaft aus, um nicht vom Vaterlande getrennt zu werden, um nicht in die Gewalt der Franzosen zu fallen. Sie brachte unablässig große Opfer. Seit Anbeginn des dreißigjährigen Krieges, länger als ein halbes Jahrhundert hindurch, war ihr einst so schwunghafter Handel lahm gelegt, und die Gewerbe hatten furchtbar gelitten. Die Bewohnerschaft war schwächer, die Abgabenlast, wie ich schon erwähnte, vervierfacht worden; dabei hatte man, während auch die Bürgerschaft Waffen trug, nicht selten vier- bis sechstausend Mann Truppen im Solde und sich zudem noch eine Schuldenlast von vier Millionen Reichsthalern zu Zwecken der Vertheidigung aufgebürdet. Was that das Reich für sein Bollwerk? Es bewilligte ihm zwanzigtausend Gulden Kriegsbeisteuer (Römermonate), welche Straßburg selber von den Ständen beitreiben solle. Der schwachköpfige Kaiser Leopold der Erste war den Straßburgern sechszigtausend Thaler an baarem Gelde schuldig, aber dieser „Allzeit Mehrer des Reichs“ – bezahlte nicht, während doch

[561]

Der königliche Sieger von Rezonville.
Originalzeichnung von Professor W. Camphausen in Düsseldorf.

[562] die Straßburger seit zwei Jahren kaiserliche sogenannte Hülfsvölker aus eigenen Mitteln verpflegen mußten! Auch das thaten sie gern, doch der Kaiser war elend genug, diese Hülfstruppen abziehen zu lassen, weil Louvois Drohungen ausstieß!

So brach das verhängnißvolle Jahr 1681 herein. Noch einmal hatten die Straßburger sich mit dringenden Bitten um Hülfe an das Reich gewandt, aber auch diesmal wurden sie wieder zur Geduld verwiesen. Als man endlich mit dem Plan umging, sechstausend Mann Reichstruppen nach Straßburg zu werfen, war dasselbe von den Franzosen, welche sich des Rheinüberganges bemächtigt hatten, schon völlig eingeschlossen. Kaiser und Reich fürchteten sich vor Ludwig dem Vierzehnten, der ohnehin unter den Fürsten Bundesgenossen erkauft hatte, und wagten nicht, den Krieg zu erklären. Die Geschichte, mein lieber Alfred, giebt auf allen Seiten die Lehre, daß Vielköpfigkeit der Völker und Staaten Unglück ist. Das Elsaß und Straßburg, Lothringen, die Niederlande und so vieles Andere ging verloren, weil Deutschland keine, Frankreich aber eine starke Centralgewalt hatte. Das merke Dir.

Während Straßburg sich in vieljähriger Bedrängniß befand, war innerhalb seiner Mauern, im Schooße der Rathsherren, französische Wühlerei und Ränkesucht unermüdlich beflissen gewesen, die Fäden des Verraths anzuspinnen. Auch gelang es dem Residenten Ludwig’s, einem Herrn Frischmann, willige Werkzeuge zu finden. In älteren Büchern kannst Du lesen, daß Straßburg nicht durch Verrath gefallen sei; doch wissen wir seit länger als fünfzig Jahren aus mehrfach veröffentlichten Documenten, daß ein solcher angesponnen war. Aber richtig ist auch, daß die Stadt, nachdem sie einmal von Kaiser und Reich keine Hülfe mehr erwarten konnte, über kurz oder lang doch fallen mußte.

(Schluß folgt.)




Aus den Tagen des Kampfes.
Wochen-Rapport Nr. 2.

Jetzt, Franzosen haben wir Euch die volle Wahrheit gesagt“ – mit dieser Lüge beginnt die in der Nacht vom achten zum neunten August an die Straßenecken von Paris angeschlagene Proclamation der französischen Minister an die betrogene „große Nation“; mit dieser Lüge, sagen wir, denn schon in der dritten Zeile ihrer Proclamation sprechen sie von „einigen Regimentern“, welche der Uebermacht des Feindes erlegen seien, während ebensoviele Armeecorps zu Grunde gegangen waren.

Blicken wir heute auf die ersten Siege, bei Weißenburg, Wörth und Forbach, und auf die Erfolge zurück, die wir dadurch erreicht haben, so kommen wir über das Erstaunen hinaus, das uns anfangs zu der Frage bewog: Wie ist das möglich geworden? Was konnte eine Macht, welcher das starke Oesterreich in drei Monaten erlag, schon nach einem Feldzug von drei Tagen so bis in’s Mark erschüttern?

Die Antwort auf diese Frage liegt jetzt so offen da, daß man sich fast schämt, sie niederzuschreiben. – Nicht der französische Soldat hat Das verschuldet, er hat seine Tüchtigkeit und Schlagfertigkeit bewiesen: nicht die Bewaffnung, denn sie hat sich als ganz vorzüglich bewährt; auch nicht die Führung allein, denn einzelne Stellungen der Franzosen, wie auf den Höhen bei Weißenburg und Forbach, waren so stark, daß sie vielleicht manchem andern Heere gegenüber ihre Uneinnehmbarkeit behauptet hätten. Die Schuld liegt wo anders: Napoleon hatte bereits den halben Krieg verloren, ehe er nur zum Angriff gekommen war. Er war besiegt durch die zweischneidige und vergiftete Waffe, die er so oft mit Glück geführt hatte und deren scheußlichen Namen wir bereits ausgesprochen haben: die Wucht der aufgehäuften Lüge ist’s, die ihn lähmte und zermalmen wird.

Die Diplomatie hatte ein leichtes Spiel mit dem Manne, der am liebsten Das hörte, was er wünschte, und das wurde ihm gerade von der deutschen Presse in Fülle geboten. Denn wer auswärts nur diejenigen Zeitungen las, welche preußen- und deutschfeindlich der dänischen, der welfischen, der österreichischen Rachepolitik, dem baierischen Patriotismus und der ultramontanen und socialdemagogischen Kampfbegier dienten, dem konnte wohl die Zerrissenheit der Deutschen die vollendetste Rheinbundfähigkeit vorspiegeln. Diese Zeitungen logen, die Volksstimme hatte sie längst verurtheilt. Die Gesandten und diplomatischen Agenten mußten das wissen, aber auch sie logen im eigenen Interesse, im Gefühl der Annehmlichkeiten ihrer Stellung. Der Kaiser aber belog sich selbst, indem er all’ diesen Stimmen nicht nur glaubte, sondern sie sogar nach Zahlen schätzte. Er nahm die Hülfstruppen der Deutschen zu dreihunderttausend Mann an und berechnete nach der Voraussetzung, daß seine Truppen von den Deutschen auf deutschem Boden ernährt werden müßten, auch den Bedarf für sein Heer in Frankreich selbst. Mit der einmüthigen Kriegserklärung aller Staaten des Nordbundes und des Zollvereins stürzte das Kartenhaus des Rheinbundes ein: es galt, Zeit gewinnen, um den Rechenfehler hinsichtlich der Heeresstärke und der Proviantvorräthe zu verbessern, und die außerordentlich starken Stellungen hinter den Weißenburger Linien und auf dem Spicherer Berge hinter Forbach hatten, nach der Aussage eines gefangenen Officiers in Neustadt in der Pfalz, die ausdrückliche Bestimmung, die deutschen Heersäulen mindestens acht Tage aufzuhalten, – für diese Kriegsgeschichte eine wichtige Kunde, die uns von sicherer Hand zugekommen ist, und der zu Liebe wir diese ganze Darlegung und Kritik der Lüge in unseren geschichtlichen Wochenrapport eingeschaltet haben. Die außerordentlichen Folgen der drei Siege von Weißenburg, Wörth und Forbach sind dadurch am einfachsten erklärt: sie kamen um mindestens acht Tage zu früh und trafen den Gegner noch mitten im Aufbau seiner versäumten Vorbereitungen.

Die Thore nach Frankreich waren erbrochen, die drei Heere hatten ihren donnernden Einzug gehalten und ihre gesammte Reiterei übernahm nun die Verfolgung des „sich rückwärts, d. h. bei Metz, concentrirenden“ Feindes. Zugleich passirte aber ein anderer Zug diese geöffneten Thore: Tausende von Verwundeten, Freund und Feind, wurden zu den Pflege- und Heilstätten in Deutschland befördert, und Tausende von Gefangenen traten den langen Weg zu den Casematten deutscher Festungen an. Und während diese Völkerwanderung zwischen Rhein und Mosel auf und ab wogte, traten von Brest und Cherbourg Geschwader um Geschwader die Panzerschiffe der französischen Flotte ihren Weg zur Nord- und Ostsee an. Auf welches Maß von Besorgniß wir uns hinsichtlich eines Angriffs auf unsere Küsten zu beschränken haben, darüber giebt uns ein besonderer Artikel der Gartenlaube („Der Schutz unserer deutschen Küsten“) erfreulichen Aufschluß. Uebrigens sind die Kreise Flensburg, Apenrade und Hadersleben schon seit dem 3. August in Belagerungszustand erklärt.

Wo möglich noch rascher als der Rückzug der Franzosen geschah der Vormarsch der drei deutschen Heere. Im Verlauf einer Woche ist zum Beispiel des Königs Hauptquartier von Mainz über Kaiserslautern bis vor Metz vorgerückt. Immer neue Heerzüge rücken zur Grenze, und wahrhaft ergreifend ist es, Regiment um Regiment mit voller Musik über den Rhein ziehen zu sehen. Die Generale an der Spitze, die weißen Häupter entblößt, die Musik „Die Wacht am Rhein“ spielend, begrüßen die Soldaten mit tausendstimmigem Hurrah den Vater Rhein! – Wo noch so gesunde Begeisterung im Volke lebt, da hat ein Reich noch eine Zukunft.

Die nächsten Tage nach den großen Siegen brachte die ganze deutsche Nation auf der Folter der Ungeduld zu. Die Zeitungen in der Hand verfolgte man auf den Karten Schritt um Schritt unsere Heere vorwärts, – so leicht durch das Glück verwöhnt wird selbst ein so verständiges, durch seine Geduld weltberühmtes Volk wie das deutsche! Und die Nachrichten kamen, bald von den Feldlagern, bald aus Paris, bald von unseren Nordküsten, bald aus aller Welt, ganz so freudig, wie wir sie nach so langen Jahren der Prüfung wahrlich verdient haben.

Die erste Nachricht vom Felde meldete die Einschließung von Straßburg, dem ältesten Schmerzenskinde Deutschlands. General Beyer besetzte mit einer Division Badener die Eisenbahnen nach Hagenau, Paris und Lyon und forderte den Commandanten zur Uebergabe auf. Ward diese auch verweigert, so können wir jetzt, wo das ganze Elsaß, die einzige Festung Bitsch ausgenommen, in den Händen der Deutschen ist, mit voller Siegesgewißheit einstweilen im Geiste das deutsche Banner wieder auf dem Münster Erwin’s aufpflanzen. Die Truppen, welche bisher im Schwarzwald ihre Wacht am Rhein hielten, sind bei Müllheim über den Strom gegangen und haben die große Fabrikstadt Mülhausen besetzt. Dort hatte der Fabrikant Köchli allein Napoleon fünftausend Freischärler zum Kampf gegen Deutschland versprochen und sich dadurch die Warnung des „Kladderadatsch“ zugezogen:

„Köchli, Köchli,
Kriech’ in’s Löchli,
Sonst zerklopft man dir die Knöchli!“

Dieser Rath ist befolgt, alle Deutschenfresser flohen in die Schweiz.

Die Reiterei der drei deutschen Hauptheere hatte indeß die Linie von Saarunion, Tenquin, Faulquemont (Falkenberg), Foulay und Les Etangs, die sie noch am 9. August eingenommen, bald überflügelt, große Vorräthe an Lebensmitteln, Ponton-Colonnen und Eisenbahntrains waren erbeutet und die kleine Festung Lützelstein ward von ihrer Besatzung verlassen, wiederum mit Hinterlassung reicher Waffen- und Proviantvorräthe.

Auch die Aenderung des Obercommandos scheint den Franzosen das verlorene Kriegsglück nicht zurückzubringen. Bazaine, der schmutzige Held von Mexico, ist an Napoleon’s Stelle getreten und füllt sie würdig aus. Noch am 10. August sahen alle französischen Augen auf Metz, als das letzte große Bollwerk Frankreichs im halberoberten Lothringen, wo man die Entscheidungsschlacht erwartete. Anfangs schien es, als ob die französische Armee an der französischen Nied, einem Nebenflusse der Mosel, Stand halten wolle. Aber schon am 11. August ging sie über die Mosel zurück und statt ihrer erschienen die deutschen Reiter vor Metz, Pont à Mousson und Nanzig, und die Avantgarden der beiden ersten deutschen Armeen mußten ihr auf dem Fuße gefolgt sein, denn schon am 14. August wurde vor Metz selbst ein neuer Sieg errungen, dessen Kunde für ganz Deutschland zu der entsprechendsten Feier des 15. August, des Napoleonstages, kam; hatte doch gerade diesen Tag das „Prestige“ und „die große Mission“ Napoleon’s zum Siegereinzug in Berlin bestimmt.

Napoleon, dessen Name in den Kriegsberichten nur noch selten genannt wird, hat sich nach Verdun, als sein Hauptquartier ohne Armee, zurückgezogen, eilt aber, da die Deutschen bereits vor Toul standen und sogar bei Commercy und Bar-le-Duc ihre Schrecken verbreiten, nach Chalons, um in dem dortigen Lager große neue Rüstungen zur Rettung Frankreichs, das heißt seiner Dynastie, vorzubereiten. Wenn diese Zeilen in die Hand des Lesers kommen, werden wir bereits wissen, was aus ihm geworden ist.

Wir haben noch einen Blick auf Paris zu werfen, wo die Schläge, welche das Heer empfängt, ihre gefährlichste Wirkung äußern, gefährlich für [563] die Bonapartes, aber gefährlich auch für Tausende dort lebender deutscher Familien. Denn was sich seit dem griechischen Befreiungskriege, wo die Türkei durch ihre Verfolgung aller griechischen Ansiedler im Reiche den Zorn des ganzen civilisirten Europa gegen sich heraufbeschwor, kein Staat wieder erlaubte, das begeht nun Frankreich, das laut seines eigenen Zeugnisses bisher allein an der Spitze der Civilisation marschirte! Es ist nicht die blinde Wuth des Pöbels, sondern ein Decret der Gesetzgebung, welches die Ausweisung aller Deutschen aus Frankreich verordnet! Bis jetzt sind Hunderte flüchtiger Familien aus Paris allein am Rhein angekommen. Mag der Pariser Pöbel die Behörden beeinflussen, so war das doch sicher in Lyon nicht der Fall, wo die französischen Behörden den norddeutschen Bundesconsul (Schlenker), der zugleich Baiern, Württemberg und Baden dort vertritt, unter unerhörten Gewaltmaßregeln verhafteten und die forcirte Liquidation seines Vermögens einleiteten, trotz der vollständigen Zahlungsfähigkeit des Mannes. Und dabei ist die Dummheit solcher Maßregeln noch größer als die Gemeinheit derselben, denn die Deutschen sind unter den diplomatischen Schutz des nordamerikanischen Gesandten gestellt, dessen Staat nicht gewohnt ist, Beleidigungen gegen Complimente auszutauschen.

An der Spitze eines neuen Ministeriums erfüllt nun auch die Kaiserin Eugenie ihre Mission, indem sie die „befreundeten Höfe“ in London, Wien, Kopenhagen, Stockholm und Florenz um Rettung des europäischen Gleichgewichts anfleht. Und was wäre möglich gewesen ohne die gewaltigen Schwertstreiche unserer Helden! Wir wissen, daß ein hoher Adel nebst Geistlichkeit in Salzburg prächtig hat illuminiren lassen, als die Nachricht von dem „großen Siege“ Napoleon’s und Lulu’s bei Saarbrücken dahin kam; wir wissen, daß in Kopenhagen das Bündniß fertig war bis zur Unterschrift, bis die Siegesdonner aus dem Elsaß es wieder verstecken hießen: wir wissen, daß in Stockholm und Florenz die Höfe für Frankreichs Gloire mitschwärmten und daß selbst Holland nur durch die Furcht von dummen Streichen zurückgehalten worden ist. Diese Erfolge unserer Siege wollen wir ja nicht vergessen, wenn wir den Dank zusammenrechnen, den wir unseren tapferen Soldaten und weisen Heerführern schuldig sind.

Eine Kriegsnachricht, welche uns noch am 17. zukam, war der Ausfall, welchen die Straßburger Garnison am Nachmittag des 16. August gegen Ostwald hin gewagt, und den sie mit Verlust an Mannschaft und von drei Geschützen zu büßen hatte. Am 18. August wehten schon am frühesten Morgen die Freudenfahnen durch alle Straßen und verherrlichen die Siegesbotschaft von einer zweiten blutigen Schlacht vor Metz, über welche wir das Telegramm selbst berichten lassen:

Pont-à-Mousson, 17. August, sieben Uhr zehn Minuten Abends. Generallieutenant von Alvensleben ist mit dem dritten Armeecorps am 16. August westlich von Metz auf die Rückzugsstraße des Feindes nach Verdun vorgerückt. Blutiger Kampf gegen die Division von Decaen und die Corps L’Admirault, Frossard, Canrobert und die kaiserliche Garde vom zehnten Corps. Von Abtheilungen des achten und neunten Corps unter Oberbefehl des Prinzen Friedrich Karl successive unterstützt, wurde der Feind trotz bedeutender Uebermacht nach zwölfstündigem heißen Ringen auf Metz zurückgeworfen. Die Verluste aller Waffen sind auf beiden Seiten sehr bedeutend. Diesseits ist der General v. Doering und v. Wedel gefallen, v. Rauch und v. Grueler sind verwundet. Seine Majestät der König begrüßte heute die Truppen auf dem siegreich behaupteten Schlachtfelde.
A. B. v. Verdy.“

Bazaine, der Obergeneral, legte mit dieser Schlacht seine neueste Feldherrnprobe ab. Eine dritte wird folgen müssen, wenn er nicht mit dem Rest seiner Armeen in das hungernde Metz eingesperrt werden will.[2] Den Siegern hat dieser Kampf zweitausend Gefangene, zwei Adler und sieben Geschütze eingebracht. Leider haben die Franzosen abermals ein Stück ihrer Gloire der Civilisation dadurch verloren, daß sie nach Aerzten schossen, welche in ihrem Berufe auf den Verbandplätzen waren; wo Alles zusammenbricht, wird auch die Genfer Convention gebrochen.




Blätter und Blüthen.

Professor Thumann, der, wie unsern Lesern bekannt ist, im Interesse der Gartenlaube den Kriegsschauplatz und die Schlachtfelder von Weißenburg und Wörth bereist hat, schreibt uns: Auf allen von der deutschen Armee genommenen Positionen wurde, wie allseitig erzählt wird, von den Einwohnern Theil am Kampfe genommen und in Folge dessen sind viele derselben zu kriegsrechtlicher Verurtheilung gefangen genommen. Sie wurden zugleich mit denen, welche ihren Haß an Verwundeten und Wehrlosen durch Scheußlichkeiten ausgelassen – gebunden und unter Bedeckung transportirt. In Wörth lief eine Frau, Todesangst auf dem Gesichte, mit einem Papier herum, jeden Officier bittend, ihr dasselbe zu unterschreiben. Es war ein Attest über gute Führung ihres Vaters und Bruders, welche Beide wegen Theilnahme am Kampfe mit Anderen nach Sulz abgeführt waren und kurzem Richtspruche entgegensahen. Der Corpscommandeur hörte die Unglückliche an und erfuhr dabei, daß durch kaiserlichen Aufruf die Nationalgarde sich verpflichtet fühle, dem einrückenden Feinde entgegenzutreten, und daß ein kleiner Schein des Rechts auf Seite der nichtuniformirten Vaterlandsvertheidiger vorhanden sei und den deutschen Truppen an jedem Orte Aehnliches widerfahren werde. In wie weit diese Entschuldigung zur Begnadigung geführt, ist mir nicht bekannt; ähnliche Ereignisse wiederholten sich so oft, daß ein einzelner Punkt nicht zu verfolgen war, es ist aber vom Hauptquartier eine besondere, die Sachlage klar beleuchtende Proclamation erlassen worden, welche für weitere Fälle durchaus den Wege der Gnade auszuschließen scheint.

Unter den aus Wörth nach Sulz (dem Hauptquartier) wegen Theilnahme am Kampfe – dieselbe hatte natürlich nur aus gedeckten Stellungen stattgefunden und gewöhnlich hinterlistig den Einzelnen getroffen – eingebrachten Gefangenen befanden sich zwei regelrecht für’s Feld ausgerüstete Civilisten, Pariser, wie man sagte; ein ältlicher magerer graubärtiger mit interessantem Ausdruck und ein jüngerer Mann, dessen Gesicht etwas Verschwommenes und Ordinäres, dessen Erscheinung etwas Ausgestopftes zeigte. Die ganze Gesellschaft wurde von ihrer Wache gegen jede Thätlichkeit, die ihr von Seiten der leidenschaftlich erregten Mannschaften sicher gewesen wäre, geschützt, trotzdem lag auf allen Gesichtern eine ausgesprochene Todesangst, je nach dem Charakter des Einzelnen in verbissene Wuth, scheinbare Gleichgültigkeit oder haltlose Verzweiflung gekleidet. So wurden sie in das wohlverwahrte Ortsgefängniß gebracht und dort unter Wache gestellt, nachdem noch ein Officier den aufgeregten nachdrängenden Soldaten entschieden mitgetheilt hatte, daß Niemand sich in das Urtheil zu mischen habe, sondern daß die dazu bestimmte Obrigkeit das Ihrige thun, das Recht ausüben werde. Hier nun scheint der oben erwähnte, von französischer Seite gemachte Einwurf das summarische Verfahren gekreuzt zu haben, wenigstens war ich am zweiten Morgen in Sulz Zeuge, daß kurz vor Aufbruch des Hauptquartiers nach Märzweiler die beiden Pariser, vor dem Gefängniß stehend, die Weisungen eines Adjutanten mit frohen Gesichtern entgegennahmen und die größte Bereitwilligkeit ausdrückten, den Befehlen nachzukommen.

Zwei Correspondenten, vom „Figaro“ und dem „Gaulois“, waren in Wörth auf dem Kirchthurme abgeschnitten und haben so einen bösen Tag der Angst mitmachen müssen. Doch wurde ihnen vom Kronprinzen nach der Hand ein Passirschein ausgestellt) mit dem sie über Basel nach Hause reisen sollten, zugleich ist ihnen der Auftrag geworden, „Alles, was sie bis jetzt gesehen, gehört und erfahren, recht genau ihren Blättern mitzutheilen.“ Wenn man bedenkt, mit welcher Gemeinheit gerade diese beiden Blätter deutsches Wesen beschmutzt haben, mit welchen Lügen gerade sie ihre Leser bewirthet haben, so erscheint die Behandlung ihrer beiden Mitarbeiter als eine so edle, daß nur ein Mann wie der Kronprinz von Preußen sie ausüben konnte. – (Wie wenig die beiden „Mitarbeiter“ des Figaro und des Gaulois diese Behandlung verdienten und wie wenig sie sich auch derselben würdig zu machen suchten, geht aus Nachfolgendem hervor. Der Eine derselben, kaum nach Paris zurückgekehrt, hatte nichts Besseres und Eiligeres zu thun, als im „Figaro“ seinen Landsleuten in der schamlosesten Weise vorzulügen, der Kronprinz von Preußen habe ihm seine Bewunderung über das französische Heer rückhaltlos eingestanden und ihm zuletzt offen bekannt, daß er solche – nämlich französische – Truppen niemals anzugreifen den Muth haben werde, außer er befinde sich mit seinem – dem deutschen – Heere in bedeutender Ueberzahl. Wie groß ist doch selbst heute noch die Unverschämtheit dieser Pariser Lügenbeutel und wie klein, wie kindisch muß der Verstand des Volkes sein, dem man zumuthet, solche Windmacherei zu glauben       D. Red.)




Noch einmal „die Wacht am Rhein“. Während wir noch in der letzten Nummer der „Gartenlaube“ unserem Bedauern Ausdruck gaben, daß es bis zur Stunde nicht gelungen sei, den Namen des Dichters aufzufinden, dem Deutschland sein neuestes Nationallied verdankt, scheint plötzlich das Geheimniß endgültig gelöst: eine ausführliche Einsendung in der „Kölnischen Zeitung“ aus der Hand des Universitätsprofessors Dr. K. Hundeshagen in Bonn bezeichnet als den Dichter der „Wacht am Rhein“ den um das Jahr 1851 zu Burgdorf in der Schweiz verstorbenen Max Schneckenburger.

Hundeshagen hat denselben 1834 zu Bern kennen lernen, wo er, etwa zwanzig Jahre alt, als ein sehr begabter und strebsamer Jüngling in einem Droguerie-Geschäft die bescheidene Stellung eines Gehülfen inne hatte. Im Jahre 1838 oder 39 trat M. Schneckenburger als Theilhaber in eine unter der Firma „Schnell und Schneckenburger“ neugegründete Eisengießerei in der zum Canton Bern gehörigen Stadt Burgdorf. Dort war damals ein reges Leben und die ziemlich zahlreiche deutsche Colonie, zu welcher auch der nachmals durch die Begründung der Musterturnanstalten zu Darmstadt so berühmt gewordene Pädagog A. Spieß gehörte, und an die sich Schneckenburger, seiner Geburt nach ein Würtemberger (er war aus Thalheim), eng anschloß, pflegte namentlich mit Eifer das um jene Zeit neu erwachte deutsche Nationalgefühl. In diesem Kreise erregte natürlich die berüchtigte Thiers’sche Kriegsdrohung die größte Aufregung, und wie anderswo das Becker’sche Rheinlied, so entstand durch sie hier „die Wacht am Rhein“, gedichtet von Max Schneckenburger. Hundeshagen hat es den Dichter selbst im Kreise seiner Freunde unter größter Begeisterung der letzteren declamiren hören. Seit jenen Tagen sind dreißig Jahre verflossen, die meisten der Genossen von damals sind schon heimgegangen, und unter ihnen, wie schon gesagt, auch der Dichter des Liedes, der um 1851 starb, nachdem er unter den Einwohnern Burgdorfs sich eine geachtete Stellung erworben. Das Lied ist, wie Hundeshagen zu wissen glaubt, sein einziger poetischer Versuch geblieben.

Nachdem so der Dichter des Liedes von uns gegangen, ahnungslos, daß noch zwanzig Jahre nach seinem Tode durch die wenigen und einzigen von ihm gedichteten Strophen sein Name der schon drohenden Vergessenheit [564] werde entrissen und sein schöne Lied in allen Gauen des Vaterlandes in jubelnder Begeisterung werde gesungen werden, ist es uns um so mehr Pflicht, uns des noch lebenden Componisten zu erinnern, der dem Liede die Melodie, den Worten die Flügel gab. Schon sind uns denn auch auf unsere jüngste Aufforderung hin zu einer Ehrengabe an Karl Wilhelm von vielen Seiten Zeichen freudigster Zustimmung geworden, und wir glauben unsere Aufforderung hier nur erneuern zu dürfen, um des besten Erfolgs gewiß zu sein. Wilhelm hat sich, wie wir neulich schon mittheilten, vor Jahren durch zunehmende Kränklichkeit genöthigt gesehen, einer seinen Fähigkeiten als Clavier-Virtuose und Musikdirektor angemessenen Thätigkeit zu entsagen und sich in die Stille seines Thüringer Geburtsortes Schmalkalden zurückzuziehen, wo er lediglich seinen Studien lebt und soweit Unterricht in classischer Musik ertheilt, als es eben seine Gesundheitsverhältnisse gestatten.

Es freut uns, hier die Mittheilung anfügen zu können, daß sich in Crefeld auf Anregung der dortigen Liedertafel, als deren Director der Componist so vieler herrlicher Männerchöre während einer Reihe von vierundzwanzig Jahren in uneigennützigster Weise gewirkt, ein Centralcomité gebildet hat, welches zu Beiträgen und, „soweit die deutsche Zunge klingt“, zur Bildung von Comités an allen Orten auffordert, wo Sänger und Krieger weilen, die ihr Herz durch Wilhelm’s Gesänge erhoben haben und noch erheben. „Gebe Gott,“ schließt der Aufruf, „daß die sich so bewährende Nationaldankbarkeit von dem Gemüthe des Meisters den Druck nehme, der ihn in letzter Zeit nur zu selten zu neuem Schaffen kommen ließ.“

Schließlich wird vielen unserer Leser die Nachricht willkommen sein, daß soeben das vorzüglich getroffene Photographische Bildniß Wilhelm’s im Verlage von Feodor Wilisch in Schmalkalden erschienen ist.



Der Sieger von Metz. Wenn ein Feldherr gesagt hat, daß zum Kriege drei Dinge nöthig seien, nämlich: Geld, Geld und wieder Geld, so hatte er bis zu einem gewissen Grade Recht; zum Siegen aber langen diese drei Dinge gewiß nicht aus, zum Siegen gehört noch, daß man sich des Rechtes, für das man ficht, bewußt, daß das Vertrauen auf die Klugheit der Hände, welche das Geschick eines Staates leiten, unerschütterlich, und daß die Kriegskunst des Mannes, der die schlagfertige Armee auf’s Schlachtfeld führt, eine erprobte sei. Alle diese drei Dinge waren im Lager des französischen Kaisers nicht zu finden, und an ihrem Mangel mußte und muß ein Theil seines Heeres nach dem andern zu Grunde gehen. Auf unserer Seite aber, auf der Seite des deutschen Volkes stand das Recht, standen die Klugheit und Kriegskunst – glänzend repräsentirt in dem greisen König Wilhelm, in dem Grafen Bismarck, in Herrn von Moltke, der das vortrefflichste Kriegsmaterial aus den Casernen und Arsenalen des Herrn von Roon entgegennahm und deren Porträts wir heute nach der vortrefflichen Darstellung aus der Meisterhand Camphausen’s bringen. Es sind die Männer, denen Deutschland seine politische Neugestaltung verdankt, und durch deren Hände es zu der Weltstellung geführt wurde, welche es von nun an einnehmen und, hoffen wir, auch siegreich bewahren wird.

Wie uns Professor Camphausen schreibt, verdankte er es einem glücklichen Zusammentreffen, den König von Preußen auf dem nämlichen Pferde darstellen zu können, welches derselbe in der Schlacht bei Sadowa geritten und in der Folge nach dieser benannt hat.




Liebenswürdige Zuvorkommenheit. Wir können nicht umhin, in Nachstehendem Zeugniß davon abzulegen, wie unsere Heerführer mitten in ihren aufreibenden Pflichten bestrebt sind, den Wünschen der Presse in der dankenswerthesten Weise gerecht zu werden. Am 10. August wandte sich die Redaction der Gartenlaube an Herrn General von Moltke mit der Bitte, ihr einen Begleitschein für einen ihrer Specialberichterstatter, Herrn Julius Zoellner, ausstellen zu wollen. Selbstverständlich mußte die Redaction dieses Gesuch von Leipzig abgehen lassen, ohne den durchaus unbekannten Aufenthaltsort des Generals näher bezeichnen zu können. Trotzdem kam das Schreiben schon wenige Tage nachher in die Hände des Herrn von Moltke, schon am 15. August wurde durch denselben in dem Hauptquartier des Königs zu Herny das gewünschte Begleitschreiben ausgestellt und bereits am 18. August befand sich dieses in den Händen der Redaction. Wir müssen diese Aufmerksamkeit des Herrn von Moltke um so höher anschlagen, als sie uns an einem der bewegtesten Tage des ganzen bisherigen Feldzugs zu Theil wurde: am 14. August hatte das heiße Treffen unter den Mauern von Metz stattgefunden und am 16. August ward die zwölfstündige Schlacht bei Mars-la-Tour geschlagen.



„Sie haben dich lange verachtet.“

Sie haben dich lange verachtet,
Du armes deutsches Land,
Dich lange als Beute betrachtet,
Als ging’ es mit dir zu Rand;

Sie hielten dich, lächelnd, erkoren
Für Kunst nur und Wissenschaft,
Ein Volk, zur Arbeit geboren,
Doch für den Kampf erschlafft,

Das Volk der Forscher, der Kenner
Des grauen Alterthums –:
Jetzt zeigst du das Volk der Männer
Und alten Waffenruhms,

Das Volk, zum Frieden geschaffen,
Doch für den Krieg geschult,
Wenn Jene mit deinen Waffen
Des Geistes nur gebuhlt;

Jetzt zeigst du, dem Lug’ und Truge
Der Ränkeschmiede zum Schreck,
Daß auch der Denker, der kluge,
Das Herz auf dem rechten Fleck,

Zeigst, wenn von fremden Kronen
Die deine beleidigt ward,
Ein Volk von Millionen,
Das rings in Waffen starrt,

Und, schlägst du in ihrer Blöße
Mit Gott sie aus dem Feld,
Dann, strahlend in deiner Größe,
Gebietest du Frieden der Welt!
 G. v. Meyern.




Kleiner Briefkasten.

K. in Lz. Sind sehr willkommen und werden sofort zum Druck befördert werden. Wir fordern überhaupt Alle, welche Feder oder Stift zu führen verstehen, dringend auf, durch Einsendung von Schilderungen oder durch authentische Darstellungen vom Kriegsschauplatz, unser Bestreben, ein lebendiges und treues Bild des großen nationalen Kampfes zu geben, möglichst zu unterstützen. Alle Beiträge werden in der anständigsten Weise honorirt. Auch interessante briefliche Mittheilungen von Soldaten der Armee sind uns willkommen.


Für die Frauen und Kinder unserer unbemittelten Wehrleute

gingen wieder ein: A. H. und L. K. in Bologna 100 Thlr.; von einer deutschen Familie in Framersdorf (Mähren) 3 Thlr.; für arme Kinder, welche in dem Kriege ihren Vater verlieren, von den Kindern von Frank in Bukarest 3 Ducaten; L. B. in Bukarest 1 Ducaten; Rentamtmann Kreyßig 3 Thlr.; Markert in Theresienau 2 Thlr.; Th. N. in Limbach 1 Thlr. (nicht Bescheidenheit, sondern Raumbedrängniß); gesammelt von Dr. Rasch in London 35 Thlr.[WS 1]; Hermann Bohnert in Barcelona 10 Thlr.; Kegelgesellschaft „Tannhäuser“ in Leipzig 35 Thlr.; dritte Wochensammlung des Personals von Schelter und Giesecke 24 Thlr. 16 Ngr.; drei Schüler, Jerwitz, Höhndorf und Pasemann 1 Thlr.; Kegelgesellschaft „Paucke“ 10 Thlr.; K. in Wesel 1 Thlr.; Freimann in Huszt (Ungarn) 2 fl.; Mühlenbrock in Gerdeshagen 25 Thlr.; Kirchner in Gastel (Holland) 4 Thlr. 3 Ngr; Pfaffen in Temesvar 5 fl.; Hartig in Asch 1 fl.; erste Wochensammlung der Klinkhardt’schen Buchdruckerei in Leipzig 4 Thlr. 25 Ngr.; R. S. 2 Thlr; C. Pfaff in Nauheim 10 Thlr.; von Schachspielern des Café Felsche in Leipzig, die jede Partie zu 2½ Ngr. zum Besten der Wehrmärmer spielen, 2 Thlr.; zweiter Wochenbeitrag der Drugulin’schen Buchdruckerei in Leipzig 3 Thlr. 4½ Ngr.; Leser und Leserinnen der Gartenlaube in Zwönitz 15 Thlr. 10 Ngr.; Kegelclub in Zwönitz 5 Thlr. 20 Ngr.; Friedr. Gerstäcker 20 Thlr. und von dessen Mutter 5 Thlr.; Dinse in Altrohlau 10 fl.; Beitrag für Weißenburg, von Friedrichsdorf (Wiesbaden) 92 Thlr.; Rich. Schreckenbach in Wiesenbad 1 Thlr.; Julie in Prag 3 Thlr.; ein Deutscher in der Levante 5 Thlr.; Gv. B. in Parchen 5 Thlr.; Student D. H. 2 Thlr.; M. J. u. B. S. 2 Thlr.; Georg Jauck 5 Thlr.; Füllhaas 5 Thlr.; H. K. 2 Thlr.; Wlokka in Mühlhausen 1 Thlr.; auch von Laura für das bereits vor fünf Jahren schlafengegangene deutsche Herz 2 Thlr.; Boorgang, Kindersparbüchse 1 Thlr. 15 Ngr.; R. G. in Boizenburg 1 Thlr.; gesammelt in einem Kränzchen in Leipzig 3 Thlr.

Bravo, Oesterreich rührt sich! Es ist also nicht wahr, was uns einige dortige Zeitungen von der antideutschen und specifisch Habsburger Stimmung vorflunkern wollen. Es gingen nachträglich von dort ein:
Sammlung der Tagespost in Linz 102 Thlr.; Franz Lootz in Schäßburg 2 Thlr. 28 Ngr.; der Männergesangverein in Deutschlandsberg 60 fl.; Ascherfeld’s Buchhandlung in Karlsstadt 10 Thlr.; Caroline Gräfin Blankenstein geb. Gebser in Bucsa (Ungarn) 50 fl.; ein Deutscher in Torda 10 fl.; von den Norddeutschen in Dörfl bei Reichenberg 25 fl.; W. Förster in Wien 10 fl.; vom Cylinderclub in Asch in Böhmen 50 fl.; vier Deutsche aus Prag 16 fl. rh.; Sammlung einiger Brüder in Brüx 18 fl. 40 Kr.; von einem gutgesinnten Deutschen aus Preßburg 50 Thlr.; ein junges Mädchen in Asch 1 Thlr. (Dank für Ihren liebenswürdigen Brief); von Turnfreunden und Mitgliedern des Turnvereins in Asch 170 fl.; Ergebniß einer privaten Sammlung in Linz durch Advocat Dürrnberger 144 Thlr.

Ein Blick auf die vorliegende Quittung giebt uns die erhebende, wenn auch in unseren Tagen kaum noch überraschende Ueberzeugung, daß weit größer als das politische das Deutschland der deutschen Herzen ist. Trotz des Jahres Sechsundsechszig sehen wir aus dem deutschen Oesterreich die Gaben so reich herbeifließen, als ständen auch die Soldaten der schwarzgelben Fahne mit im Kampfe gegen den alten gemeinsamen Feind. Diese Theilnahme verpflichtet uns, wiederholt es auszusprechen, daß die durch die Gartenlaube aufgebrachten Gaben für die bekannten Unterstützungszwecke im Nord und Süd des Vaterlandes bestimmt sind. Zugleich verpflichten uns aber auch die ebenso großen als blutigen Siege der Unsrigen, unsere Sorge nicht, wie bisher, auf die hinterlassenen und hinterbliebenen Frauen und Kinder unserer Wehrmänner zu beschränken, sondern sie auch auf die Verwundeten auszudehnen, für die, trotz aller staatlichen Vorsorge, noch lange nicht genug geschehen ist, wie dies viele brieflich und öffentlich ausgesprochene Klagen leider nur zu deutlich beweisen.
Die Redaction.
[565]

Recognoscirungsritt des Grafen Zeppelin, der Officiere Villier, Gayling, Winslow, Wechmar und Genossen durch Lauterburg.
Nach einer Originalskizze von Louis Braun aus München.

[566]

O Straßburg, o Straßburg,
Du wunderschöne Stadt !

Sendschreiben an meinen Sohn, den preußischen Landwehrmann.
(Schluß.)

Ludwig hatte erklärt, er werde Straßburg mit Gewalt der Waffen zwingen, und dem Kaiser Leopold saßen die Türken und die rebellischen Ungarn auf dem Halse. Das System, welches diesem Kaiser die Jesuiten angerathen hatten, und das er, stupid wie er war, treulich befolgte, rächte sich an ihm. Der Franzose gewann im Westen freie Hand. Frischmann schmiedete Ränke; der Stadtrichter Johann Georg von Zedlitz war mit ihm im geheimen Einvernehmen; er wird in einem Briefe an Ludwig als „Wohlgesinnter“, d. h. für die französischen Absichten brauchbarer Mann geschildert, welcher bedauere, daß die Stadt so unglücklich gewesen sei, sich eine Minderung in Seiner Majestät Huld und Gnade zugezogen zu haben. Diese Besorgniß habe er mit tiefer Unterthänigkeit und Ehrfurcht für Seine Majestät begleitet. Zedlitz sei bereit, mit ihm, Frischmann, in einen angelegentlichern Verkehr zu treten, als die übrigen Mitglieder des Rathes. In einem andern Briefe meldet Frischmann dem Könige, die Rathsherren seien gegeneinander von tödtlichem Haß erfüllt, alle hätten einzeln ihm ihre Dienste angeboten, aus gegenseitiger Eifersucht. Zu diesen Verräthern gehörten, außer dem Stadtrichter von Zedlitz, der Stadtschreiber Güntzer und die Senatoren Obrecht und Stößer. Obrecht war der Verworfenste; er hatte schon früher dem französischen Hofe insgeheim Vorschläge gemacht und hervorgehoben, wie zweckmäßig es sei, wenn derselbe einen königlichen Prätor in Straßburg bestelle, welcher die Aufsicht über das ganze Stadtwesen führe und des Königs Interessen wahrnehme. Der Hof ging darauf ein, und Obrecht, um Prätor zu werden, wurde katholisch. Derselbe König Ludwig, welcher das Edict von Nantes aufhob und die Protestanten durch Dragoner niedersäbeln ließ, arbeitete auch darauf hin, den ganzen Magistrat von Straßburg katholisch zu machen, und auch der Rathsschreiber Christoph Güntzer ließ sich bekehren, nachdem ihm Amt und Gehalt eines königlichen Consulenten zugesichert worden war. Der vierte Verräther, Stößer, galt vor den Leuten für gut deutsch und kaiserlich, und Frischmann war in nicht geringem Maße überrascht, als jener sich erbot, für die französische Sache zu arbeiten. „Ich unterlasse nicht, Herrn Stößer fortwährend zu liebkosen und ihm in der Ferne die Aussicht zu zeigen, wie er sich des Wohlwollens Eurer Majeaät würdig machen könne.“

Also Verrath war in Straßburgs Mauern allerdings; alle Einzelheiten desselben sind uns freilich nicht bekannt geworden, und das liegt in der Beschaffenheit der Sache. Genug, daß die Sache selbst feststeht. In dieselbe spielen mancherlei interessante, geheimnißvolle Dinge hinein, welche erst 1817 an’s Licht kamen und die ich Dir mittheilen will, weil sie zeigen, in welcher Weise man am Hofe Ludwig’s des Vierzehnten intriguirte.

Im Monat August 1870 waren alle Vorbereitungen getroffen, um in den nächsten Wochen den entscheidenden Schlag zu führen. Mordbrenner und Kriegsminister Louvois schrieb an den französischen Intendanten der Provinz Elsaß, La Grange, der in’s Geheimniß gezogen war: Am 10. September würden die Verhaltungsbefehle, über welche er mit ihm (Louvois mit La Grange) in St. Germain persönliche Rücksprache genommen, in der Abtei Lurn (in der Franche Comté, Freigrafschaft Burgund) anlangen. Der Intendant möge dafür sorgen, daß zwei zuverlässige Leute die Ueberbringer in dem Wirthshause neben der Abtei in Empfang nehmen. Diesen solle La Grange einen versiegelten Brief an einen Herrn Mezières geben, in welchem die Worte stehen müßten: „Ich bitte Sie, denen, welche Ihnen diesen Brief überreichen, das Ihnen von Herrn von Louvois anvertraute Paquet einzuhändigen.“ Zugleich solle der Intendant sich nach Belfort begeben und eine Besichtigung der dortigen Festungswerke zum Vorwande nehmen; dort habe er die Rückkunft seiner Leute abzuwarten, die am Hute ein blaues und gelbes Band tragen müßten, damit die von Louvois beauftragten Männer sie sogleich zu erkennen vermöchten.

Diese geheime Geschichte, so viel ist ausgemacht, steht mit dem Raube Straßburgs ebensowohl im Zusammenhange, wie eine andere, die nicht minder mysteriös, aber noch viel spannender ist.

Louvois ließ in Paris einen Herrn von Chamilly zu sich entbieten und gab ihm Verhaltungsbefehle zu einer wichtigen Sendung: „Sie müssen noch heute Abend nach Basel in der Schweiz abreisen und binnen drei Tagen dort angelangt sein. Am vierten Tage Schlag zwei Uhr müssen Sie auf der dortigen Rheinbrücke stehen, Papier, Feder und Tinte bei sich haben, Alles, was um Sie her vorgeht, mit der größten Genauigkeit zwei Stunden lang beobachten und sorgfältig aufschreiben. Schlag vier Uhr nehmen Sie Postpferde, fahren Tag und Nacht und bringen mir Ihre Beobachtungen. Sofort, nachdem Sie hier eingetroffen sind, kommen Sie zu mir, gleichviel, welche Stunde es sein möge.“

Chamilly that, was ihm befohlen war, stand zur anberaumten Zeit auf der Rheinbrücke in Basel und schrieb Alles, was er sah, genau auf. Eine Frau ging mit Marktkörben vorüber, Leute trugen Lasten, Wagen fuhren hin und her und dergleichen mehr. Etwa um drei Uhr blieb mitten auf der Brücke ein Mann stehen, der Hose und Weste von gelber Farbe trug; er trat an die Brüstung der Brücke, lehnte sich hinüber, sah nach dem Rheine hinab, trat dann einen Schritt zurück und pochte mit seinem großen Spazierstocke drei Mal stark auf das Pflaster des Fußweges. Chamilly notirt auch diesen Vorfall, setzt sich um vier Uhr in den Wagen, eilt so rasch als möglich nach Paris und begiebt sich gleich nach seiner Ankunft um Mitternacht zu Louvois, dem er sein Papier überreicht. Der Mordbrenner greift hastig zu, liest von der Marktfrau, dem zerlumpten Bauer, dem Manne zu Pferde im blauen Rocke und dergleichen mehr. Dann, als er bei dem Manne mit der gelben Weste ankommt, springt er vor Freude auf. Sogleich eilt er zu seinem Könige und fertigt, nachdem er mit demselben längere Rücksprache genommen, vier Eilboten ab, die schon bereit gehalten waren. Wenige Tage nachher, an dem unglücklichen 30. September 1681, war Straßburg in französischer Gewalt. Wohl nicht mit Unrecht hat man vermuthet, das dreimalige Pochen mit dem Stocke auf der Baseler Rheinbrücke sei das verabredete Zeichen über das Gelingen des in Straßburg eingeleiteten Verrathes gewesen, und eben so wahrscheinlich hat der Mann in der gelben Weste von dem, was das Aufpochen bedeuten sollte, nichts gewußt.

Schon vorher war der berühmte General und Festungsbaumeister Vauban insgeheim nach dem Elsaß abgegangen. Louvois und Ludwig waren gleichfalls vorbereitet, dorthin zu reisen. Den Auftrag, Straßburg zu nehmen, hatte General Montclar erhalten; ein Heer von fünfunddreißigtausend Mann stand ihm zur Verfügung. Alles war auf einen gewaltigen Schlag vorbereitet; merke aber wohl, wie in dieses nichtswürdige Gewebe auch noch welsche Tücke und Hinterlist hineinspielen. Ludwig ließ, um die Straßburger recht sicher zu machen; durch den Residenten ein sehr verbindlich abgefaßtes Schreiben überreichen, in welchem er der Stadt seine ganz besondere Huld und Zuneigung ausdrückte. Unmittelbar nachher, mitten im Frieden, ohne irgend eine vorhergegangene Erklärung, am 27. September, überrumpelten französische Dragoner bei nächtlicher Weile die Zollschanze bei Straßburg, und damit begann die Ausführung des lang gehegten Planes.

So standen heuchlerische Versicherungen und Gewaltthaten nebeneinander. Kein Bürger Straßburgs täuschte sich mehr über die Absichten der Franzosen. Vom ehrwürdigen Münster erscholl sofort die Sturmglocke, die Bürger eilten aus dem Bett auf die Wälle, pflanzten noch mehr Geschütze auf und waren zur Vertheidigung entschlossen. Man sandte durch einen Trommelschläger ein Schreiben an den französischen Befehlshaber und fragte, weshalb er den Frieden gebrochen habe. Die Antwort lautete: Seine Majestät habe erfahren, die kaiserlichen Völker wollten die Stadt und den Rheinpaß besetzen, und das könne er nicht zugeben. Uebrigens, fügte er lügenhaft hinzu, werde er die Zollschanze nur ganz kurze Zeit besetzt halten. Als man ihm entgegnete, kaiserliche Truppen seien weit und breit nicht vorhanden und auf fünfzig Stunden im Umkreise kein kaiserlicher Soldat zu sehen, entgegnete er: auf Verhandlungen könne er sich nicht weiter einlassen, [567] das sei Angelegenheit des Generals Montclar, der sich bald einfinden werde.

Die Aufregung und mit ihr zugleich die Wuth und Verzweiflung der Bürgerschaft stieg immer höher. Der Resident Frischmann wagte sich nicht aus seiner Wohnung, die Zünfte bedrohten den Rath mit Ermordung, weil sie mit richtigem Instinct vermutheten, er werde die Franzosen einlassen. Man wollte aus den straßburgischen Flecken und Dörfern einige tausend Landleute in aller Eile in die Stadt ziehen, aber Montclar hatte alle Zugänge abgesperrt; nur wenige Bauern schlichen sich durch und überbrachten in dieser „Angstnacht“ die Mittheilung, daß schon alle Ortschaften von den Franzosen besetzt, alle an den Kaiser und an den Regensburger Reichstag gerichteten Briefe der Stadt von Louvois aufgefangen und unter lautem Gelächter der Officiere erbrochen worden seien.

Am 28. September, einem Sonntage, fing Montclar an, die Stadt zu berennen, und sagte den Abgeordneten derselben: Straßburg sei seinem Könige durch den westphälischen und den nymwegischen Frieden überlassen worden. Wenn dieser bislang noch nicht für gut befunden habe, sich seines Rechtes zu bedienen, so erfordere doch jetzt sein Interesse, daß er Straßburg nehme, denn er wisse, daß eine kaiserliche Truppenmacht in demselben sich festsetzen wolle. Er, Montclar, sei ein alter Freund der Stadt, und es solle ihm leid thun, wenn sein liebes Straßburg sich durch Halsstarrigkeit in’s Verderben stürzen wolle. Morgen werde der Herr Marquis von Louvois mit der Hauptarmee ankommen, und die Straßburger möchten vernünftig sein. Der König wünsche, die Stadt bei ihren Freiheiten zu erhalten, sie durch Vermehrung ihrer Privilegien glücklich zu machen, aber die Bürger dürften sich nicht als rebellische Unterthanen gebehrden, sondern müßten der französischen Krone Treue geloben und halten.

So voll Lug, Trug und Unverschämtheit war dieser General Montclar, ein würdiger Diener seines Herrn!

Es erschien, der Gewalt gegenüber, lächerlich, daß die Straßburger seinen erlogenen Behauptungen die Wahrheit entgegenstellten; auch erwiderte er auf ihre Einwendungen weiter nichts, als daß er gekommen sei, des Königs Willen bekannt zu machen; es zieme sich für ihn nicht, darüber zu raisonniren. „Sie müssen sich platterdings unterwerfen, oder sich einer Execution gewärtig halten.“

Damit entließ er die Abgeordneten, welche in der Stadt Montclar’s Aeußerungen berichteten. Sogleich versammelten sich die dreihundert Schöffen, die Professoren der Universität, der Kirchenconvent, und auch der kaiserliche Resident wurde zur Berathung herbeigezogen. Die Zünfte stellten sich an den Lärmplätzen auf, Weiber und Kinder strömten in die Kirchen. An Truppen waren nur fünfhundert dienstfähige Söldner in der Stadt; diese, mit etwa dreitausend Mann waffenfähiger Bürger, reichten nicht aus, um die weitläufigen Festungswerke gegen ein Angriffsheer zu vertheidigen, das jetzt mehr als vierzigtausend Mann zählte. Man sah wohl, daß Straßburg verloren sei.

Am 29. September traf Louvois in dem benachbarten Illkirch ein und ließ hochmüthig dem verächtlichen, weil verrätherischen, Rathe zu wissen thun, daß einige Abgeordnete zu ihm hinauskommen möchten; er werde ihnen im Auftrage seines Königs etwas eröffnen. Es kamen Abgeordnete, welchen der Mordbrenner genau mit denselben frechen und unwahren Behauptungen entgegentrat, die schon am Tage vorher Montclar geäußert hatte. Als die Abgeordneten dieselben als ganz unrichtig nachgewiesen, ergrimmte Louvois, ließ jede Maske fallen und rief: „Ich verlange eine kurze deutliche Erklärung, ob Straßburg den König von Frankreich für seinen souverainen Herrn erkennen, seinen Soldaten die Thore öffnen und eine Besatzung einnehmen, oder ob die Stadt in einen Aschenhaufen verwandelt sein will.“ Er fügte hinzu, man habe lange genug Bedenkzeit gegeben, an der Sache selbst lasse sich nun einmal nichts ändern; der König wolle es so, und wenn man verstockt bleibe, dürfe man nicht ferner auf Gnade hoffen. Dann drehete er sich mit stolzer, verächtlicher Miene um und ließ noch fallen, daß man sich bis Mittag entschlossen haben müsse.

Die Abgeordneten kamen in die Stadt zurück, in welcher ein ungeheurer Jammer sich erhob. Man war von Kaiser und Reich im Stiche gelassen, die Verräther drängten zur Uebergabe, und unter den Gründen, welche von anderer Seite geltend gemacht wurden, fiel einer am schwersten in’s Gewicht. Man sprach nämlich die Erwartung aus, daß das Reich unmöglich seinen „Hauptschlüssel“ auf die Dauer in den Händen des gefährlichsten Reichsfeindes lassen, also die französische Besitznahme nur vorübergehend sein werde.

Der Rath bat in Anbetracht seiner „Ew. Excellenz bekannten Gesinnungen“ um Aufschub bis zum 30. September Mittags, weil er die Bürgerschaft zu befragen habe und sie auf das Unabänderliche vorbereiten müsse. Nachdem die Sachen einmal so weit gekommen waren, blieb dieser freilich keine Wahl mehr; nur allein die Schneiderzunft, wie ich schon hervorhob, erklärte sich bereit, bis auf den letzten Mann zu kämpfen, und wollte von keinem Vergleich und von keiner Unterwerfung unter den Reichsfeind etwas wissen.

Von ehrlichen Leuten wurden damals manche Gründe hervorgehoben, welche eine Uebergabe als unvermeidlich erscheinen ließen. Zuerst das alte, klägliche und leider wahre Lied, daß man vom Kaiser keine Hülfe erhalten habe, auch in größter Bedrängniß eine solche nicht erwarten dürfe; ferner seien die Festungswerke, aus Mangel an Geldmitteln, in nicht vollkommenem Zustande. Durch die langjährigen Quälereien der Franzosen sei der Wohlstand der Kaufleute wie der Handwerker völlig untergraben worden; die Stadt habe keinen Credit mehr und deshalb die Besatzung entlassen müssen, als sie derselben am Nöthigsten bedurfte; es seien nicht einmal Leute genug vorhanden gewesen, die Wälle zu besetzen; ein Widerstand, der unter so kläglichen Umständen doch nicht von Erfolg sein könne, werde die Stadt nur völlig zu Grunde richten und Ludwig der Vierzehnte so wie so seinen Willen erreichen.

Ich habe schon gesagt, daß Straßburg als Festung eine reine Jungfrau geblieben war. Weder Karl der Kühne von Burgund, noch Heinrich der Zweite von Frankreich, noch die Schweden während des dreißigjährigen Krieges hatten dasselbe erobert. Nun, von Kaiser und Reich verlassen, von Verräthern gedrängt, von der Noth bezwungen, öffnete es seine Thore. Es schloß am 30. September eine Capitulation mit dem Mordbrenner Louvois, der Vollmacht hatte, die Stadt Straßburg „unter Seiner Majestät Gehorsam anzunehmen.“ Dieser bestätigte ihr (auf dem Papier, wohl verstanden) alle Privilegien, auch die kirchlichen, denn Straßburg war protestantisch; nur das Münster sollte den Katholischen wieder eingeräumt werden. Die Bürgerschaft sollte von allen Contributionen befreit sein. Daß diese Capitulation nicht gehalten, sondern sofort verletzt wurde, versteht sich bei Menschen wie Louvois und Ludwig dem Vierzehnten von selbst. Zu den Unterzeichneten gehörten von Zedlitz und Güntzer.

Am 30. September 1681 um vier Uhr Nachmittags rückten fünfzehntausend Franzosen in Straßburg ein; das alte Bollwerk Deutschlands befand sich in Ludwig’s Händen! Dem Reiche war, wie man damals schon ganz richtig sagte, damit eine „unheilbare Wunde“ geschlagen. Aber weshalb hat dasselbe eine Stadt, an welcher ihm so viel gelegen sein mußte, ganz vernachlässigt und nicht alle seine vereinigten Kräfte aufgeboten, um sie sich zu erhalten?

Du siehst, lieber Alfred, welche Sünden und Fehler ein starkes Deutschland wieder gut machen muß, welche geschichtliche Gerechtigkeit es jetzt zu üben hat!

Was geschah in Straßburg nach der Besitznahme durch die Franzosen? Zu den schlimmsten Reichsverräthern gehörte Franz Egon von Fürstenberg, der katholische Bischof der Diöcese, welcher nicht in der protestantischen Stadt, sondern in Zabern wohnte. Er hatte, sammt seinem Bruder Wilhelm, seit Jahren als bestochener Söldner in Ludwig’s Interesse gearbeitet. Am 4. October mußten die Bürger den Eid der Treue ablegen; am 20. zog Egon von Fürstenberg unter dem Schall französischer Pauken und Trompeten in die evangelische Stadt ein, gefolgt von seiner Klerisei, und nahm Besitz von der Münsterkirche. Ludwig selbst eilte herbei, um das Kleinod, nach welchem er lange gierig gestrebt und das er endlich geraubt hatte, persönlich zu besichtigen. Jener verrätherische Egon empfing den „königlichen Mordbrenner“, denn das war Ludwig, am großen Portale und dankte ihm, daß er durch des Königs Arm wieder in den Besitz der Kirche gekommen sei, aus welcher die Ketzer seine Vorgänger vertrieben hätten. Dann fügte der „grauköpfige Schurke“, wie die Straßburger diesen Bischof nannten, die schamlosen Worte hinzu: „Ich kann mit dem alten Simeon sagen: Herr, nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren, denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen.“ Der Heiland dieses grauköpfigen Bischofs war der bluttriefende Verfolger der Hugenotten, der König, welcher das Elsaß und die Pfalz mit Mord und Brand verwüstete.

[568] Am 1. April 1682 starb dieser Bischof Franz Egon von Fürstenberg.

Sein „Heiland“ war von den Straßburgern mit eisiger Kälte aufgenommen worden; alle Bemühungen, sie auch nur zu vereinzelten Lebehochrufen zu vermögen, scheiterten; seine eigenen Soldaten mußten „Vive le roi!“ schreien. Der „große“ Ludwig verließ die Stadt in sehr übler Laune und ließ sie fühlen, was es hieß, einem so eiteln und kleinlichen Könige nicht zu schmeicheln. Zunächst wurden die Verräther belohnt. Güntzer erhielt die Stelle eines Syndicus und Canzleidirectors, „weil er bei der Unterwerfung der Stadt großen Eifer für den königlichen Dienst – und das Beste der Stadt bewiesen habe.“ Zwei andere Verräther erhielten goldene Ketten im Werthe von dreitausend Livres.

Ludwig’s Buhlerin, die Maintenon, die frömmelnd war und von den Jesuiten gelenkt wurde, brauchte keine Anstrengungen zu machen, um ihren königlichen Liebhaber zur Verkürzung der Privilegien Straßburgs zu bewegen. Auf ihren Betrieb wurden die Katholiken auf Kosten der Protestanten begünstigt, die Stadt mußte ein königliches Abonnement von hunderttausend Livres zahlen; dreihundert städtische Kanonen und für fünfzehntausend Mann Waffen wurden sammt allem Kriegsgeräthe von den Franzosen weggenommen. Auch die Weinkeller wurden von den Siegern als Eigenthum betrachtet. Gleich im Jahre 1682 strömten katholische Geistliche und Mönche in Menge herbei, namentlich Jesuiten, Kapuziner, Antoniter, Johanniter; der Bischof verlangte die Rückgabe einer Anzahl von Kirchen und Stiftern, und der protestantischen Bürgerschaft wurde die Zumuthung gestellt, am 15. August an einer katholischen Procession zu Ehren des Königs sich zu betheiligen; dadurch werde sie ihre Unterthanentreue beweisen und Seiner Majestät Huld und Gnade erwerben. Sie nahm an der Procession nicht Theil. Ludwig’s Absicht ging dahin, die ganze Stadt der evangelischen Lehre abwendig zu machen; wer zum Katholicismus übertrat, erhielt manche Begünstigungen; er war z. B drei Jahre lang von Abgaben und Truppenauflagen befreit, eben so lange durfte ihn kein Gläubiger verfolgen oder auch nur Zahlung verlangen; er wurde bei Besetzungen von Aemtern bevorzugt. Die Rechte der Stadt wurden so schamlos verletzt, daß hingegen kein evangelischer Prediger Proselyten annehmen durfte; gemischte Ehen wurden verboten, die Protestanten sahen sich gezwungen, die katholischen Festtage mit zu feiern; alle unehelichen Kinder von Protestanten mußten katholisch getauft werden; wenn ein Theil eines protestantischen Ehepaares katholisch wurde, mußten alle Kinder desselben, welche noch nicht communicirt hatten, katholisch werden. In jedem Dorfe, in welchem sich auch nur sieben katholische Familien befanden (und wo dergleichen nicht waren, schickten die Jesuiten hin, so viel als nöthig erschien), mußte ihnen das Chor der Kirche eingeräumt werden, und die Kircheneinkünfte fielen ihnen zur Hälfte zu, während die Protestanten für katholische Pfarr- und Schulhäuser sorgen mußten; endlich konnte kein Protestant im Elsaß, das doch zur überwiegenden Hälfte evangelisch war, Amtmann, Amts- oder Gerichtsschreiber, Schultheiß oder Fiscal werden. Schon 1687 befahl ein Erlaß Ludwig’s, daß in dem protestantischen Straßburg alle Stadtämter und Ehrenstellen zur Hälfte mit Katholiken besetzt werden sollten, natürlich „ohne der Gewissensfreiheit irgend Eintrag zu thun.“ Im Jahre 1686 wurden den Protestanten abermals drei Kirchen weggenommen, und die protestantischen Stiftsfrauen wurden dermaßen gepeinigt und geärgert, daß 1698 die letzte Administratorin, Henriette Vitzthum von Eckstädt, ihre Würde niederlegte, „weil sie wegen allzuviel Aergerniß dieselbe nicht mehr behalten konnte.“ Der König bedrängte den Magistrat so lange, bis derselbe ihm mit dem Frauenstift St. Stephan ein freiwilliges Geschenk machen mußte.

Der Wunsch, wieder mit Deutschland vereinigt zu werden, war dringend, aber vergeblich. Denn im Ryswicker Frieden (October 1697) wurde Straßburg vom Reiche definitiv an den französischen König abgetreten.

Die unwillkommene Ehre, aus einer Reichsstadt zu einer französischen Provinzial- und Kriegsstadt degradirt zu werden, mußte von vorne herein in jeder Beziehung sehr hoch bezahlt werden. Der Bau neuer Casernen für die Franzosen kostete 800,000 Livres, eine Wohnung für den Intendanten 60,000, ein Mehlmagazin für die Soldaten 70,000, ein Spital für die Soldaten 120,000, dem Hofe mußte ein „freiwilliges“ Geschenk (don gratuit) von 300,000 und 1694 abermals ein solches von 160,000 Livres gezahlt werden; also in wenigen Jahren anderthalb Millionen, und binnen achtzehn Jahren 3,315,000 Livres! Straßburg hatte ferner, in Folge königlichen Befehls, die Generalität, die Casernen, Spitäler, die zweiunddreißig Wachtstuben mit Holz und Licht zu versorgen, die Wälle zu unterhalten „und die vornehmsten königlichen Beamten durch ansehnliche Geschenke sich geneigt zu machen.“ Vergiß nicht, daß die Stadt ohnehin tief ausgesogen und tief verschuldet war.

Auf solche Weise ist Straßburg in französische Gewalt gekommen, und seitdem ist der Herrscher in Paris auch Gebieter am Oberrhein. Die alte deutsche Grenze läuft auf dem Kamme der Vogesen, und ehe diese für Deutschland nicht wieder gewonnen ist, kann für uns von einer Sicherstellung gegen Frankreich keine Rede sein. So lange die Franzosen das Elsaß behalten, werden sie auch nach Belgien und den Landen am mittlern und untern Rhein gieren; sobald die wirkliche natürliche Grenze, nämlich die uralte, geschichtliche, volksthümliche Sprach- und Gebirgsscheide wieder auch unsere politische Grenze wird, kann Ruhe eintreten. Erst dann ist wieder ein vernünftiges, volksrechtliches Verhältniß da.

Im heutigen Elsaß ist seit zweihundert Jahren Vieles verwälscht worden; ich glaube, daß die Elsässer, die sich nun einmal, wenn auch schwer, an Frankreich gewöhnt haben, anfangs nur widerwillig bei uns sein würden; aber darauf kommt vorerst nichts an. „Es nimmt ein Kind der Mutter Brust nicht gleich von Anfang willig an, doch bald ernährt es sich mit Lust.“ Die Sympathien finden sich von selbst, und die Rückführung natürlicher Verhältnisse trägt ihre Berechtigung in sich selbst.

Darum muß von Basel bis Emmerich über kurz oder lang der Rhein wieder auf beiden Seiten deutsch sein. Ohne das ist ein freies Deutschland mit der ihm gebührenden Machtstellung unmöglich, und von einem wirklichen Gleichgewicht kann erst dann in Europa die Rede sein, wenn die geschichtlichen Begehungs- und Unterlassungssünden unserer Vorfahren durch unsere Thatkraft wieder gut gemacht sind.

Wehrleute, haltet gute Wacht! Und Du, Alfred, wirst Deine Schuldigkeit thun!




Graf Zeppelin’s Reiterstück. (Mit Illustration auf Seite 565.) In der Geschichte „unseres Kriegs“ nehmen die Streifzüge unserer Reiterpatrouillen eine prächtige Stelle ein.

Zu den kühnsten Recognoscirungsritten dieser Art gehört der des würtembergischen Generalstabsofficiers Grafen Zeppelin aus dem Hauptquartier der dritten Armee. Als seine Begleiter werden von den verschiedenen Berichten die badischen Dragonerofficiere vom zweiten Regiment (Markgraf Max) v. Wechmar, v. Villers, v. Gayling und Winslow (Winslor, Winstoe, ein geborner Engländer, dessen Name wohl deshalb den Berichterstattern so viel Schwierigkeiten macht) und vier wohlberittene Ordonnanzdragoner genannt. Diese neun Männer ritten im ersten Morgengrauen über die Grenze auf Lauterburg los, das, obwohl nach alter Weise befestigt, von den Franzosen jetzt ohne Besatzung gelassen worden ist. Mit lautem Hurrah und gezogenen Säbeln sprengten sie mitten durch das Städtchen durch (Darstellung unserer Illustration), zum andern Thor wieder hinaus in’s Freie, rannten eine französische Lancierspatrouille nieder, nahmen zwei Mann davon und später noch einen Gensd’armen gefangen, entließen sie aber, weil sie einen wichtigern Zweck hatten, als Gefangene zu machen, und setzten ihren Ritt weit hinter die französischen Linien, immer die Deckung der Waldungen suchend, um die Aufstellung der französischen Heeresabtheilungen beobachten zu können, sechsunddreißig Stunden fort. Der Engländer hatte längere Zeit in dieser Gegend des Elsaß gelebt und als eifriger Jäger Feld und Wald genau kennen gelernt. So war Klugheit und Glück mit den Tapferen.

Zwischen Niederbronn und Wörth stießen sie endlich auf einen übermächtigen Feind. Nach dem deutschen Bericht hat eine französische Husaren-Escadron ihnen bei Neuweiler den Weg versperrt; im Kampfe fiel Winslow, die übrigen Officiere, mit Ausnahme Zeppelins, wurden sammt den Dragonern gefangen. Nach den französischen eingehenderen Berichten saßen die müden und hungerigen Männer im Scheuerlenhof beim Frühstück, als ein Detachement des zwölften Jägerregiments zu Pferde sie überraschte und nach tapferer Gegenwehr überwältigte. Zeppelin schlug sich durch; er sah nur noch, wie Wechmar, stark blutend, gegen ein Haus taumelte.

Wie wichtig dieser Ritt dem Hauptquartier war, zeigt die Vorsorge, daß Lauterburg kurz nachher sechs Stunden lang von badischen und baierischen Infanterie- und Cavallerie-Abtheilungen unter dem badischen Major Bauer besetzt war, um der kühnen Schaar den Rückzug zu decken.

Ebenso hohen Werth legten die Franzosen auf die Gefangennahme dieser Officiere. Ueber Saargemünd wurden sie nach Metz gebracht, wo Marschall Leboeuf sie an seine Tafel zog und später nach Paris schickte.

Die Siege von Weißenburg und Wörth sind der Lohn des Reiterstücks, dem sein Eichenzweig in Deutschlands Geschichte ewig grün erhalten bleiben wird.
H.

Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

  1. Wir bedauern, diese Illustration unsern Lesern erst später mittheilen zu können, da ihre Herstellung bis zum Drucke der vorliegenden Nummer nicht möglich war.
    D. Red.
  2. Diese dritte Schlacht ist im Augenblick, wo der Druck dieser Nummer beginnen soll, siegreich geschlagen. Wir können in der Eile hier nur bemerken, daß, wie König Wilhelm an die Königin vom Bivouac bei Rézonville am 18. August Abends neun Uhr telegraphirte, die französische Armee unter seiner Führung in sehr starker Stellung westlich von Metz angegriffen, in neunstündiger Schlacht vollständig besiegt, von ihren Verbindungen mit Paris abgeschnitten und gegen Metz zurückgeworfen worden ist. Der Engländer hat Recht, welcher in diesen Tagen ausrief: „Deutschland steht an der Spitze der Welt!

Anmerkungen (Wikisource)