Die Gartenlaube (1871)/Heft 25
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No. 25. | 1871. | |
Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.
Wöchentlich 1½ bis 2 Bogen. Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.
Zugleich schoß Friedrich sein Gewehr in jener Richtung ab und Jane’s Arm ergreifend riß er sie mit sich fort. Die Warnung hatte das Ohr der Cameraden erreicht, durch die stille Nacht wurde in einiger Entfernung der Ruf deutlich wiederholt und dieser zweite Ruf mußte im Schlosse gehört werden. Aber auch der Feind blieb jetzt nicht länger unthätig, er sah, daß ferneres Verbergen nutzlos war, und ließ es dem kecken Warner entgelten, ein halbes Dutzend Schüsse krachten zu gleicher Zeit, Friedrich achtete nicht darauf, aber Jane sank mit einem leisen Schmerzenslaut in die Kniee.
„Vorwärts, Miß! Vorwärts in die Gebüsche!“
Er riß sie empor, Jane versuchte zu folgen, aber der verwundete Fuß versagte selbst der äußersten Willenskraft den Dienst, sie brach von Neuem zusammen.
„Fliehen Sie!“ stieß sie athemlos hervor. „Rette Dich! Ich muß zurückbleiben!“
Friedrich sah auf sie nieder, aber er sah jetzt nicht das bleiche schöne Antlitz, das jeden Anderen mächtig zur Rettung angespornt hätte, er dachte gar nicht daran, daß es ein hülfloses und verwundetes Weib sei, das er preisgeben mußte, wenn er sich selbst retten wollte; vor seiner Seele stand mit Blitzesklarheit nur eine einzige Erinnerung:
„Sage ihm, Miß Forest sei mir das Liebste gewesen auf der ganzen Welt! Er soll sie schützen – wenn es sein muß, mit seinem Leben!“
Wie ein Kind hob der riesige Mann sie vom Boden empor und trat mit der Last auf den Armen den Rückweg an; Entschluß und Ausführung war nur das Werk eines Augenblicks. Der Feind folgte den Beiden nicht; er wollte augenscheinlich die sichere Deckung nicht verlassen und glaubte, da er den Park bewacht sah, die Hülfe wohl dicht in der Nähe. Aber der ihn verrathen, sollte nicht ungestraft davonkommen. Von Neuem krachten die Schüsse aus der Grotte her und noch immer waren die Flüchtigen auf diesem endlosen Rasen dem hellsten Mondlicht und den Kugeln als Zielpunkt preisgegeben. Friedrich brauchte jetzt die dreifache Zeit zu dem Wege, den er in wenig Secunden zurückgelegt hätte. Jane hatte die Arme um seinen Hals geschlungen, ihre Entschlossenheit verließ sie auch in dieser Lage nicht, sie wußte, daß jede Bewegung ihrerseits seinen Lauf hemmte, daß nur ihre völlige Unbeweglichkeit ihm die Bürde erleichtern konnte, deshalb verharrte sie regungslos. Um sie Beide zischten die Kugeln, aber sie schossen schlecht dort drüben, es traf nicht eine – da auf einmal zuckte Friedrich zusammen und blieb stehen, ein dumpfer Schmerzenslaut brach von seinen Lippen.
„Um Gotteswillen, Sie sind getroffen!“ Jane wollte sich herabwerfen, aber er verhinderte es, mit eiserner Gewalt umschlossen sie seine Arme und hielten sie fest. Es ging von Neuem vorwärts, nur schwerer, langsamer als vorhin. Jane hörte seine Brust schwer und angstvoll keuchen und fühlte es feucht und heiß über ihre jetzt herabhängende Hand niederrieseln, aber vorwärts ging es dennoch. Jane blickte angstvoll in sein vom Monde hell beschienenes Antlitz und es wandelte sie unwillkürlich ein Grauen an, es war ihr, als schaue sie in das Antlitz des todten Vaters. Die plumpen geistlosen Züge Friedrich’s zeigten in diesem Moment eine wahrhaft erschreckende Aehnlichkeit mit den ihren, mit jenen anderen, die längst das Grab deckte. Der Ausdruck war es, der Friedrich’s Züge auf einmal adelte und verwandelte, und diese Aehnlichkeit war es denn auch, die seine Abstammung deutlicher verrieth, als alle anderen Beweise, es war die düstere Energie, die finstere harte Unbeugsamkeit der Forests, es war ihr starrer Trotz selbst gegen das Unmögliche.
Und er erzwang es in der That, dies Unmögliche, er trug sie weg über den Rasen und noch eine Strecke hinein in die Allee, bis in den sichern Schutz der Bäume, und ließ sie dann erst aus seinen Armen gleiten. In der Richtung des Schlosses war es inzwischen lebendig geworden, Stimmen ertönten, Commandorufe wurden laut, mit Blitzesschnelle weitergegeben erscholl das Alarmsignal bereits vom Dorfe her, an der Spitze der mit im Schlosse befindlichen Soldaten stürmte der junge Lieutenant Witte als der Erste die Allee herauf.
„Bei der Grotte sind sie?“ rief er, die Uniform erkennend, Friedrich zu. „Schließ Dich uns an! Vorwärts!“
Er stürmte weiter, die Uebrigen ihm nach, aber Friedrich schloß sich ihnen nicht an und ging auch nicht vorwärts. Er stand noch einen Augenblick aufrecht und stürzte dann schwer zu Boden. Mit einem Schrei der Angst sank Jane an seiner Seite nieder, über das Lederzeug quoll es jetzt dunkelroth – der Bruder hatte mit seinem Lebensblute die Schwester gerettet! –
Eine Stunde war vergangen, der Kampf war unbedeutender und kürzer gewesen, als man es anfangs geglaubt. Die Feinde, die sich vom Walde her in einer nur kleinen Anzahl in der Grotte gesammelt, hatten jedenfalls die Absicht gehabt, das Schloß, in
[406] dem, wie man wußte, die Officiere einquartiert waren, möglichst geräuschlos zu überfallen, um die im Dorfe liegenden Mannschaften führerlos dem Angriffe der Hauptmacht preiszugeben, der allen Anzeichen nach von der andern Seite her beabsichtigt war. Der zu früh ausgebrochene Alarm hatte jenen Plan vereitelt, der Angriff erfolgte nicht, und das Handgemenge an der Grotte konnte daher auch nur ein kurzes sein. Einige Franctireurs waren gefallen, ein halbes Dutzend gefangen, die anderen stoben in wilder Flucht in den Wald zurück. Bei dieser Gelegenheit ward auch der geheime Ausgang dorthin entdeckt und besetzt; auch von den Deutschen waren Einige mehr oder weniger schwer verwundet, tödtlich keiner, Friedrich war das einzige Opfer.
Man hatte ihn in Jane’s Zimmer getragen und auf das dort befindliche Bett niedergelegt. Sie saß an seiner Seite, ihre eigene Verwundung hatte sich als ein unbedeutender Streifschuß herausgestellt, der sie allerdings am Auftreten hinderte und ihr die Flucht unmöglich gemacht hätte, sonst aber gefahrlos war. Doctor Behrend verzichtete, nachdem er den Verband angelegt, auf jede weitere Maßregel, er sah, daß sie jetzt nicht in der Stimmung war, eine solche Wunde zu beachten.
Am Fenster des Gemaches stand Atkins und betrachtete schweigend die Gruppe. Jane hatte ihn in fliegender Hast von dem Vorgefallenen unterrichtet, und aus den Zügen des Amerikaners waren der Spott und Sarkasmus verschwunden, ein tiefer Ernst war jetzt allein darin sichtbar. Da lag der so lange und schmerzlich Gesuchte, für dessen Auffinden die Eltern Reichthümer geopfert hätten, dem die Schwester gefolgt war über’s Meer, durch die ganze Heimath bis hierher. Er war ihnen so nahe gewesen wochenlang, und sie hatten Beide so vornehm auf ihn herabgeblickt, hatten den armen Burschen mit Hochmuth und Hohn gekränkt und hatten ihn verspottet, wo sie nur gewußt und gekonnt. Freilich, ihm war nichts von allen jenen reichen Schätzen des Wissens und der Bildung zu Theil geworden, welche die Jugend seiner Schwester überströmt hatten; arm und unwissend, in elender Dienstbarkeit war der Erbe einer Million aufgewachsen und herumgestoßen worden im Leben, bis er endlich einen gütigen Herrn fand, und die Stunde, welche zuletzt die Wahrheit enthüllte, welche ihn dem Reichthum, der Zukunft zurückgab, sie war auch seine Todesstunde.
Doctor Behrend, den einige Worte Atkins’ von dem Zusammenhange unterrichtet hatten, vermochte keine Hoffnung zu geben. Die Wunde war unbedingt tödtlich, vielleicht wäre sie es nicht gewesen, hätte Friedrich, als er die Kugel empfing, sich sofort und allein in’s Gebüsch gerettet; aber die furchtbare Anstrengung, mit der er Jane noch die ganze Strecke getragen, wurde verhängnißvoll, es war eine innere Verblutung eingetreten, er hatte nur noch kurze Zeit zu leben.
Der Verwundete hatte bisher in tiefer Ohnmacht gelegen, jetzt regte er sich und schlug die Augen auf, sie hafteten zunächst auf dem Arzte, der am Fußende des Bettes stand.
„Es geht wohl zu Ende mit mir, Herr Doctor?“ fragte er matt.
Doctor Behrend trat zu ihm, er wechselte einen Blick mit Jane, ihr Auge verbot ihm die Antwort.
„Das nicht, Friedrich, aber Sie sind schwer verwundet.“
Friedrich war bei vollster Besinnung, er hatte sehr gut den Blick gesehen. „Sie können es mir immer sagen, ich habe keine Furcht davor. Mein Herr“ – er wandte das Auge fragend zu Jane, „sagten Sie nicht, Miß, mein Herr wäre verloren?“
Jane verbarg das Gesicht in den Händen, sie litt eine doppelte Folter, die Bewachung verdoppelt, sie selbst unfähig, einen Schritt vorwärts zu thun, vor ihr der sterbende Bruder, und vielleicht fiel in diesem Augenblick auch Walther, sie vermochte nichts mehr dagegen, sie wich dem Unmöglichen.
Friedrich verstand die stumme Antwort. „Dann mag ich auch nicht mehr leben!“ sagte er ruhig, aber mit vollster Entschiedenheit. „Ich habe es gewußt, als er Abschied von mir nahm, und ich hätte es ohne ihn doch nicht ausgehalten!“
Er schloß wieder die Augen und lag bewegungslos wie vorhin, der Arzt trat zu Jane und beugte sich flüsternd zu ihr nieder.
„Ich kann Ihnen den Trost geben, daß das Unvermeidliche sich ruhig und fast schmerzlos vollziehen wird. Wenn Sie ihm aber noch etwas mitzutheilen haben – eilen Sie.“
Er verließ das Zimmer, um nach den übrigen Verwundeten zu sehen, auf ein leises Wort Jane’s zog sich auch Atkins in das anstoßende Gemach zurück, Bruder und Schwester waren jetzt allein.
Sie beugte sich über ihn, sein Gesicht hatte wieder ganz den gewöhnlichen Ausdruck, nur daß es jetzt matt und todtenbleich erschien; er schien in der That kaum zu leiden, jener erst in der Todesgefahr aufflammende Zug war verschwunden und die Aehnlichkeit mit ihm. Sie fühlte, daß sie vorsichtig zu Werke gehen müsse, sollte der schwache Lebensfaden nicht allzu jäh zerrissen und ihm ein letzter Schmerz statt einer letzten Freude bereitet werden. Sie hatte die Kraft dazu. Es gab nur ein Wesen auf der ganzen Welt, das im Stande war, Jane die Selbstbeherrschung zu rauben. Auch am Sterbebett des Bruders behauptete sie ihr Recht, aber ihr Entschluß war gefaßt, er sollte nicht scheiden ohne den letzten Kuß der Schwester.
„Fritz!“
Er öffnete wieder die Augen, betroffen durch die seltsame Anrede, aber es schien eine wehmüthig freundliche Erinnerung zu sein, die der Name in ihm erweckte, dieser Name, den Jane so sehr gezittert, von Walther’s Lippen zu hören; sie beugte sich nieder und nahm sanft die Hände des Verwundeten in die ihrigen.
„Sie haben mir vorhin von Ihrer Jugend gesprochen. Erinnern Sie sich gar nicht mehr der Eltern? der wirklichen, meine ich!“
Friedrich schüttelte den Kopf. „Nur wenig! Ich weiß noch von dem großen Schiffe, auf das wir gehen wollten, und wie der Vater mich losließ und der Mutter nachschickte, wie dann auf einmal Vater und Mutter fort waren, und ich allein stand, in einer engen Gasse, unter vielen Menschen. Ich mag wohl arg geschrieen und geweint haben, denn ich wurde erst ruhig, als mich der alte Erdmann auf den Arm nahm und zu seiner Frau brachte; das ist Alles, was ich weiß.“
„Und haben Sie niemals wieder von den Eltern gehört?“
„Nie! Sie werden wohl gestorben sein drüben in Amerika, oder sie haben mich vergessen. Nach mir hat Niemand gefragt mein Lebelang – außer meinem Herrn.“
Jane faßte seine Hand fester. „Die Eltern haben Sie nicht vergessen, Fritz, sie haben nach Ihnen gefragt und sich schmerzlich genug um Sie gekümmert, jahrelang, sie hätten gern allen Reichthum und alles Glück hingegeben, um nur ihr Kind wieder zu haben, aber es blieb verschwunden.“
In Friedrich’s Zügen zeigte sich eine tiefe Unruhe, er machte einen Versuch, sich aufzurichten.
„Kannten Sie denn meine Eltern, Miß? Sind Sie ihnen begegnet drüben in Amerika?“
„Sie sind todt!“ sagte Jane schwer.
Friedrich’s Haupt sank matt auf das Kissen zurück. „Ich dachte es mir!“
Sie beugte sich noch tiefer auf ihn nieder, ihr Athem streifte seine Wange, und ihre Stimme sank zum Flüstern herab.
„Als die Mutter zum Schiffe ging, da war sie nicht allein, sie trug ein Kind auf dem Arme. Erinnern Sie sich noch dessen?“
Ein schwaches, aber freundliches Lächeln zuckte um seine Lippen. „Ja, meine kleine Schwester, unser Hannchen! Sie muß noch sehr klein gewesen sein damals, erst wenig Wochen alt, aber ich hatte sie doch schon lieb.“
„Und diese Schwester“ – Jane mußte innehalten, die Stimme versagte ihr, „würde es Dir Freude machen sie zu sehen? Soll ich sie Dir zeigen?“
Friedrich blickte sie an in ahnender Erwartung, ihr Auge, ihr Ton verrieth ihm bereits die Wahrheit.
„Miß – Sie –?“
„Mein Fritz! Mein Bruder!“ brach Jane jetzt leidenschaftlich aus und sank am Bett auf die Kniee nieder, ohne den Schmerz ihrer Wunde zu achten, sie fühlte ihn nicht in diesem Augenblick.
Aber der Eindruck dieser Entdeckung war anders, als sie gedacht. Die leidenschaftliche Erregung, die sie trotz alledem gefürchtet, kam nicht, Friedrich lag ruhig wie vorhin und blickte sie an; aber es lag etwas wie Aengstlichkeit, wie Scheu in diesem Blick, und jetzt zog er leise seine Hand aus der ihrigen und wandte den Kopf zur Seite.
„Fritz!“ Jane’s Stimme klang befremdet und erschreckt. „Willst Du Deine Schwester nicht ansehen? Zweifelst Du, an meinen Worten?“
Eine eigenthümliche, halb schmerzliche und halb bittere Bewegung [407] zuckte über sein Antlitz. „Nein! Ich denke nur, wie gut es doch ist, daß ich jetzt sterbe. Sie hätten sich sonst gewiß meiner geschämt!“
Jane zuckte zusammen, der Vorwurf war gerecht. Hätte sie, als sie zuerst an den Rhein kam, den Diener Fernow’s als Bruder umarmen müssen; sie hätte sich bitter seiner geschämt. Welch eine Reihe von Kämpfen und Leiden, welch letztes furchtbares Opfer war nothwendig gewesen, um den Hochmuth aus ihrem Herzen zu reißen und dort Raum zu schaffen für das Gefühl, das jetzt nur allein darin noch herrschte, für die mächtig sich regende Stimme der Natur! Sie wußte jetzt nicht blos, sie fühlte es, daß es ihr Bruder war, der da vor ihr lag, der Einzige ihres Blutes und Namens, der Einzige, der ihr angehörte, durch die heiligen Bande der Familie, und Alles, was sie je mit ihrem herrischen Stolz an ihm und anderen gesündigt und verletzt, es ward zehnfach gestraft in diesem Augenblicke. Der Bruder hatte selbst im Moment des Wiedersehens nur die Erinnerung daran behalten – er bebte scheu zurück vor ihrer Umarmung.
Friedrich deutete ihr Schweigen falsch, und er mißverstand auch den Ausdruck ihres Gesichtes.
„Es wird schon so sein!“ sagte er ruhig, aber ohne alle Bitterkeit. „Sie sind nie freundlich zu mir gewesen, und gleich das erste Mal, als ich Sie sah, ich hatte mir solche Mühe gegeben mit all den Kränzen und Blumen – Sie wollten nicht eine einzige davon, und doch hat mir nie in meinem ganzen Leben etwas so wehe gethan, als wie Sie damals an mir vorbei gingen.“
Er schwieg, aber was all die Kämpfe und Qualen, all die Verzweiflung Jane nicht abzuzwingen vermocht, das vollbrachten diese einfachen Worte mit ihrem ergreifenden Weh, dessen sich Friedrich wohl nicht einmal recht bewußt war, ein heißer Thränenstrom stürzte aus ihren Augen; und sie verbarg das Gesicht in den Kissen. In diesem lauten herzzerreißenden Weinen brach endlich der kalte Hochmuth, mit dem sie bisher auf Alles herabgesehen, was ihr an Geist und Lebensstellung nicht ebenbürtig war, brach die starre Härte ihrer Natur, brach selbst die männliche Willenskraft, die der Vater in ihr geweckt und genährt hatte, sie weinte jetzt, wie ein Weib weint; in trostloser Angst und Verzweiflung, wenn es Alles um sich zusammenstürzen sieht – Jane Forest war nun einmal nicht zu beugen gewesen, sie mußte erst gebrochen werden.
Aber diese Thränen, die ersten seit ihrer Kinderzeit, drangen auch mächtig zu ihres Bruders Herzen und besiegten seine ängstliche Scheu vor ihr. Er sah jetzt auch, daß die Schwester sich seiner nicht mehr schämte, daß er sie tief gekränkt um seinem Verdachte, und mit der letzten Kraft wendete er sich ihr wieder zu.
„Hannchen!“ sagte er leise, und der alte liebe Name fiel halb scheu noch und halb zärtlich von seinen Lippen. „Sei mir nicht böse, liebes Hannchen! Es ist ja Alles gut, ich habe wenigstens Dich gerettet!“
Er streckte die Arme nach ihr aus, und die Lippen der Geschwister begegneten sich in dem ersten Kusse – es war auch der letzte! –
Als der neue Tag sein erstes mattes Licht über die Erde sandte, war Forest’s Sohn nicht mehr unter den Lebenden. Langsam ließ Jane die Leiche ihres Bruders aus den Armen und wandte das Antlitz dem Fenster zu; im Zimmer herrschte noch kalte graue Dämmerung, aber draußen flammte es bereits am Himmel auf, eben brach der Morgen blutigroth in die Berge – welches Opfer war dort gefallen?
Eine klare duftige Herbstnacht liegt über dem Gebirge, hell scheint der Mond herab und beleuchtet mit seinen geisterhaften Strahlen die Bergstraße; die dunkeln scharf begrenzten Linien der Berge heben sich so deutlich von dem lichten Nachthimmel ab, daß man jede Kluft, jede Felszacke davon unterscheidet. Höher hinauf verschwimmen die Wälder zu einer einzigen dunklen, formlosen Masse, auf der ein leichter weißer Nebel wie schimmernder Flor ruht, und an der hellbeschienenen Bergwand tritt jeder Baum, jedes Gebüsch klar hervor, wie im Tageslicht.
Auf dem niedrigen Felsplateau, am Eingange der Schlucht, dicht am Fuße der riesigen Tanne, die dort wurzelt, steht Henry. Er hat dem Gegner einen Vorsprung abgewonnen, hat den Weg offen gefunden; nichts von alledem, was sich eine Stunde später dort regte, ist ihm begegnet. Der Pflicht, der Rettung stellen sich so oft unübersteigliche Hindernisse entgegen, – das Verbrechen geht meist ungehemmt seinen Pfade, als schützten es dämonische Mächte.
Atkins’ Wort ist zur Wahrheit geworden, die unbändige Natur Henry’s kennt keine Grenze mehr, nun sie einmal ihre Schranken gebrochen; aber sie entfesselt sich nicht in wildem Toben, der Kopf des Amerikaners bleibt klar und kühl, es gilt neben der Rache an dem Verhaßten auch die Sorge für die eigene Sicherheit, und er hat sie gewahrt. Das Gebirge ist unsicher, das weiß Jeder, und der deutsche Officier, der am Morgen todt gefunden wird, ist von der Kugel eines Franctireurs gefallen; das kommt oft vor im Kriege, warum wagte sich der Tollkopf auch zur Nachtzeit allein in’s Gebirge! Die Posten halten alle Eingänge besetzt, sie haben Niemand gesehen, und Henry, der auf seinem Wege zurückkehrt, hat den Umkreis des Parkes nicht verlassen.
Die Entdeckung ist unmöglich und dies Bewußtsein vermehrt noch die kalte entschlossene Ruhe des Amerikaners, die durch keine Schranken und keine Gewissensscrupel gestört wird. Er giebt sich in der That nicht mit „idealen Zweifeln“ über das Recht oder Unrecht seines Vorhabens ab, er hat dem Gegner den Kampf auf gleich und gleich geboten, und war bereit, sein eigenes Leben auf’s Spiel zu setzen, Jener wollte nicht, wohlan – auf sein Haupt die Folgen!
Der Standpunkt konnte nicht besser gewählt sein, Henry steht tief im Schatten der Felswand, am Fuß der Tanne, völlig gedeckt durch ihre Zweige, dicht unter ihm zieht sich die Bergstraße und der Fußweg hin, er beherrscht beide mit Blick und Waffe, kein menschliches Wesen, das in der Richtung von S. her kommt, kann ihm entgehen, und Henry’s Waffe fehlt ihr Ziel niemals, seine Geschicklichkeit im Schießen ist von jeher die Bewunderung seiner Umgebung gewesen. Er wartet, das Auge unverwandt auf die Windung der Straße gerichtet, in der Walther erscheinen muß; alle seine Seelenkräfte drängen sich zusammen in diesem athemlosen Spähen und Lauschen, es kümmert ihn nicht, was hinter seinem Rücken, was ihm zur Seite geschieht, und er hört nicht das leise, unheimliche Rauschen in den Tannen drüben.
Tiefes Schweigen im Gebirge! Nur bisweilen tönt der Schrei eines Raubvogels durch die Luft, der in schwerem, langsamem Fluge über den Wald hinstreift und in seinem Dunkel verschwindet. Bisweilen fährt ein Windstoß über die Felswand hin und dann schwanken die Wipfel der Bäume auf und nieder, dann wehen und winken die Gesträuche im Mondlicht, dann knarren die Aeste der Tanne leise und unheimlich, als wollten sie weinen oder klagen. –
Da endlich! In der Windung des Weges taucht eine dunkle Gestalt auf und kommt näher, langsam, aber festen Schrittes. Henry erkennt deutlich den Gang und die Haltung Walther’s, erkennt jetzt auch seine Züge, er hat bereits das Felsplateau erreicht und ist im Begriff, den Weg zu betreten, der hinaufführt, langsam hebt der Amerikaner den Revolver.
Da auf einmal Schüsse von der andern Seite, aus dem Tannendunkel jenseit der Bergstraße stürzen fremde Gestalten und werfen sich auf den Deutschen, entschlossen springt dieser seitwärts und giebt gleichfalls Feuer; aber das scheucht nur augenblicklich den Feind zurück, der das Bewußtsein seiner Ueberzahl hat, Walther wird an den Fels gedrängt und in einem Nu ist er umringt von allen Seiten.
Henry steht regungslos, die Waffe noch schußfertig in der Hand, und blickt auf das blutige Schauspiel zu seinen Füßen, noch steht Walther aufrecht an die Felswand gelehnt, aber das Blut rieselt bereits über seine Stirn herab, und er vertheidigt sich nur noch mit dem Degen. Es liegt den Feinden augenscheinlich daran, ihn lebend zu überwältigen, nicht ein Einziger macht mehr Gebrauch von seiner Büchse; da er im Rücken gedeckt ist, so suchen sie ihn von vorn und von der Seite niederzureißen, im nächsten Moment wird es geschehen sein.
Henry sieht das und er sieht auch, daß ihm die schreckliche That erspart bleibt, er braucht dies Leben nicht mehr zu nehmen, es ist ohnedies verfallen, denn Walther ergiebt sich nicht. Sechs gegen Einen! Seltsam, der Gedanke schießt auf einmal mit heißer, wilder Scham durch die Seele des Amerikaners, er wollte den Mord begehen mit fester Hand, aber unthätig zusehen, wie [408] er sich unter seinen Augen vollzieht, das vermag er nicht, ein secundenlanger furchtbarer Kampf – und die edle Natur Henry’s bricht mächtig durch Haß und Wuth und reißt ihn gewaltsam fort zur Hülfe, zur Rettung.
Ein Schuß, und der hinterste der Franctireurs liegt am Boden, ein zweiter, und der ihm zunächst Befindliche stürzt zusammen; betroffen halten die Anderen inne, sie lassen von Walther ab und geben in ihrem Zurückweichen einen nur um so besseren Zielpunkt für Henry. Zum dritten Mal! Entsetzt blicken die Franzosen auf die Höhe, aus der diese einzelnen geisterhaften Kugeln kommen, deren jede mit tödtlicher Sicherheit ihr Opfer fällt, und als auch jetzt der Angegriffene sich wieder zusammenrafft und von seinem Degen Gebrauch macht, da wenden sich die Uebrigen drei zur Flucht, ein letzter Schuß des Amerikaners hallt ihnen nach, und der halblaute Fluch, mit dem der eine sein Gewehr fallen läßt und nach der Schulter greift, während er in noch eiligerem Laufe seinen Cameraden nachstürzt, beweist, daß auch dieser letzte nicht gefehlt hat – sie verschwinden im Tannendunkel jenseit des Weges, aus dem sie gekommen.
Walther steht noch athemlos, als er sich auf einmal von einem Arme gefaßt und weggezogen fühlt. „Fort!“ flüstert eine Stimme in sein Ohr, „sie dürfen nicht ahnen, daß wir unser nur zwei sind!“
Er folgte mechanisch, in wenig Minuten sind sie im sicheren Dunkel der Felswand und der Tannenzweige, der Gerettete lehnt sich an den Stamm des Baumes, bleich, blutend, halb betäubt noch und sein Retter steht neben ihm, stumm und düster, aber tief, tief aufathmend, wie von einer furchtbaren Last befreit.
Sie waren vorläufig in Sicherheit, von hier aus konnte man jedes Nahen des Feindes bemerken; aber es war jedenfalls nur eine einzelne Patrouille gewesen, mit der sie zu thun gehabt, die Franctireurs dachten nicht daran, wiederzukommen, sie blieben spurlos verschwunden.
„Mr. Alison – Sie sind es!“
„Sind Sie verwundet?“ fragte Alison kurz.
Walther faßte nach seiner Stirn. „Unbedeutend! Eine der ersten Kugeln muß mich gestreift haben. Es ist nichts!“
Statt aller Antwort zog der Amerikaner sein Taschentuch hervor und reichte es ihm; er sah schweigend zu, wie Jener es zusammenlegte und um die Stirn band, von der das Blut noch in einzelnen schweren Tropfen herabrieselte, aber er machte nicht die geringste Bewegung, ihm zu helfen.
Walther trocknete sich mit seinem eigenen Tuche das Blut vom Gesichte, dann näherte er sich seinem Retter und bot ihm stumm die Hand; dieser zuckte zurück.
„Mr. Alison!“ Walther’s Stimme klang in tiefster innerer Bewegung. „Man hat Ihnen bitteres Unrecht gethan heut’ Abend, und es war Ihr eigener Landsmann, der Sie verleumdete. Ich hatte besseres Vertrauen zu Ihnen, als Mr. Atkins.“
Henry wies finster und kalt die dargebotene Hand zurück. „Nehmen Sie sich in Acht mit Ihrem Vertrauen, Mr. Fernow!“ sagte er rauh. „Um ein Haar wäre es getäuscht worden!“
„Sie haben mich gerettet, gerettet mit Gefahr Ihres Lebens! Die Franctireurs konnten Ihren Standpunkt entdecken und auch Sie angreifen. Ich hätte das nicht erwartet, nach der Art, wie wir uns vor zwei Stunden noch gegenüberstanden. Auf Ihre Ehre baute ich, auf Ihre Hülfe nicht! Sie dürfen meinen Dank jetzt nicht zurückweisen, trotz Allem, was noch zwischen uns liegt, er kommt aus vollem Herzen, und Sie werden auch –“
„Schweigen Sie!“ unterbrach ihn Henry mit wilder Heftigkeit. „Ich will keinen Dank! Sie schulden ihn mir am wenigsten!“
Walther wich zurück und blickte ihn befremdet an; das Benehmen des Amerikaners blieb ihm völlig räthselhaft.
„Dank!“ wiederholte Henry mit vernichtendem Hohne. „Nun, heucheln kann ich nicht, und bevor Sie mich als Ihren hochherzigen Retter preisen, sollen Sie doch die Wahrheit wissen! Ich stand hier, nicht um Sie zu beschützen, tödten wollte ich Sie! Schrecken Sie nicht so zurück, Mr. Fernow! Es war mir blutiger Ernst, die Waffe hier war für Sie geladen, ein Schritt noch, und ich hätte Sie niedergeschossen. Danken Sie es jenem Ueberfall, er hat Sie gerettet, er allein; als ich sechs Mann gegen Sie anstürmen und Sie dem Angriff erliegen sah, da – nahm ich Ihre Partei.“
Ein tiefes secundenlanges Schweigen folgte diesen Worten. Walther stand ruhig da und blickte ihn fest und ernst an; dann trat er auf ihn zu und bot ihm auf’s Neue die Hand.
„Ich danke Ihnen, Mr. Alison, danke Ihnen selbst nach diesem Geständniß; Ihr Herz sprach doch besser als Ihr Mund, und wir können jetzt trotz alledem nicht mehr Feinde sein.“
Henry lachte bitter auf. „Nicht? Sie vergessen immer, daß wir nicht Eines Stammes sind! Nach Eurer deutschen Sentimentalität freilich müßten wir einander jetzt in die Arme sinken und uns Freundschaft schwören. Wir sind darin anders geartet, hassen wir einmal, so geschieht es auch bis zum letzten Athemzuge, und Sie,“ hier flammte wieder die ganze verzehrende Gluth der Leidenschaft in seinen Augen, „Sie hasse ich, Mr. Fernow, denn Sie haben mir mein Liebstes geraubt. Glauben Sie nicht, daß ich Sie Ihres Versprechens entlasse nach dem Kriege oder Sie dann schone; glauben Sie nicht, daß Jane Ihnen jemals zu Theil wird. Ich halte sie fest an ihrem Wort und ihrem Schwur, und wenn sie stürbe an dieser Liebe zu Ihnen, mein Weib wird sie dennoch!“
Walther’s Auge sank zu Boden, und ein Ausdruck unverstandenen Schmerzes lag auf seinem Gesicht.
„Ich dachte nicht daran,“ sagte er leise. „Ich habe nur danken wollen; aber Sie haben Recht, Mr. Alison, wir Beide sind zu verschieden geartet, wir werden uns nie verstehen. – Leben Sie wohl, ich muß jetzt weiter!“
„Weiter?“ fragte Henry betroffen. „Doch nicht weiter in’s Gebirge hinein? Sie haben es ja gesehen, wie unsicher es ist, die Franctireurs streifen überall.“
„Ich weiß es! Eine Stunde von hier liegt sogar ihre Hauptmacht. Ich muß durch sie hindurch – wenn es möglich ist.“
Der Amerikaner trat zurück und blickte ihn starr an. „Allein? Verwundet? Hat der Ueberfall soeben Ihnen nicht die Unmöglichkeit gezeigt?“
„Eben dieser Ueberfall hat mir Muth gegeben, er kam von unten her, selbst ihre Patrouillen gehen die Bergstraße, mein Weg wird vielleicht noch frei sein.“
„Schwerlich! Sie gehen in Ihr Verderben, Mr. Fernow!“
„Nun denn,“ das alte düstere Lächeln flog wieder über Walther’s Antlitz, „dann bleibt mir eine Wiederbegegnung erspart und Ihnen ein Mord beim Zweikampf, denn ich würde nach dem, was jetzt geschehen, doch nie wieder die Waffe gegen Sie richten. – Noch Eins, Mr. Alison, ich weiß nicht, wie Sie durch die Posten gekommen sind, und will auch nicht danach fragen, aber ich verlange Ihr Ehrenwort, daß Sie mir nicht weiter folgen und sofort auf demselben Wege zurückkehren, den Sie kamen. Ich muß das fordern, verweigern Sie es mir nicht.“
Henry sah finster vor sich nieder. „Ich habe im Gebirge nichts mehr zu suchen, ich kehre zurück, sofort!“
„Ich danke Ihnen, und nun leben Sie wohl!“
Er wandte sich um und verschwand im Gebüsche, Henry blickte ihm nach.
„Da geht er hin, mitten durch die Feinde, mit dieser Ruhe und diesem Auge, vor dem fast das meinige sank. O dieser Deutsche!“ er ballte in wildem Grimm die Hand. „Ich kann sie zwingen, mein Weib zu werden, ihr Herz wird doch nie von ihm lassen, sie kann nicht – ich begreife das jetzt!“ –
Am Abend des folgenden Tages traf Hauptmann Schwarz mit seinem Bataillon, dem sich auch Lieutenant Fernow angeschlossen hatte, in S. ein. Sie hatten fast einen vollen Tag zu ihrem Marsche gebraucht, da sie den Umweg über E. genommen, aber sie brachten willkommene Nachricht. Bereits am nächsten Morgen brach der Oberst mit seinem Stabe und dem übrigen Theile des Regimentes von L. auf, um, genügend verstärkt und genau unterrichtet, den Feind zu werfen, falls er bis dahin noch nicht von dem Passe gewichen war, und sich in S. mit den beiden Detachements zu vereinigen. Das Regiment war von seinem Posten abberufen worden, es hatte gleichfalls Befehl erhalten zum Vormarsch auf Paris.
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Nun, da unser Volk sich wieder einen Namen gemacht hat auf Erden, da wir etwas gelten unter den Menschen und, was höher anzuschlagen ist, selbst etwas auf uns halten, fühlen wir uns auch in erneuter Liebe, in gesteigerter Verehrung zu den Männern hingezogen, in denen unser nationales Wesen den treusten Ausdruck gefunden, die sich den Ehrenpreis verdient haben, unter den Deutschen die deutschesten zu sein. Zu ihnen wie zu Gipfeln unseres Volksthums, die der Wiederaufgang unserer Größe zuerst beleuchtet, blicken wir Anderen froh und stolz hinauf; wissen wir doch, daß, wie sie aus unserer Mitte aufgestiegen sind, wir Alle sie stützen und tragen, daß der Glanz, der um ihre Häupter spielt, auf uns selber freundlich zurückstrahlt. Deshalb geschieht es, daß wir heut durch Bild und Wort unseren Lesern die Gestalt Gustav Freytag’s entgegenführen, als eines alten guten Bekannten, den ein gemeinsames Geschick, das uns inzwischen betroffen, uns noch werther gemacht hat; denn freilich: wer wäre ihm nicht längst im Geiste begegnet? Von der Bühne her hat der Eine – bald ernst, bald heiter – die Stimme des Dichters vernommen, den Anderen hat der lebendige Zauber seiner Romane ein paar schöne Tage über den Drang gemeiner Wirklichkeit entrückt; den Historiker hat so Mancher nachdenklich in die Tage deutscher Vorzeit begleitet; die Mahnung des Journalisten endlich ist gar Vielen in’s Herz gedrungen, die vielleicht nicht einmal wußten, von wem sie ausgegangen. Nicht selten hat man ihn als den größten unserer heutigen Poeten, fast einstimmig als unseren ersten dramatischen Schriftsteller gefeiert; neben dem Lobe ist ihm dann auch Tadel nicht erspart geblieben, wie es Menschen, die sich schaffend regen, zu widerfahren pflegt.
Wir nun gedenken uns heut und hier solches Urtheils still zu begeben; diese Blätter sind der Ort nicht für eine ästhetische Abschätzung seiner Werke, so anziehend es sonst sein mag, seinem dichterischen Entwicklungsgange nachzuspüren, die Einwirkungen, die er etwa von Vorgängern oder Zeitgenossen erfahren, die Ziele, die er seinem Streben gesteckt, das Maß, in dem er sie erreicht, endlich das Verhältniß seiner Leistungen zu den ewigen, unwandelbaren Forderungen der Kunst in’s Licht zu setzen. Vielmehr liegt uns daran, seine nationale Stellung zu betrachten, und zwar nach den drei Seiten, in denen sie sich offenbart, daran zu erinnern, wie er einmal deutsches Wesen und Werden zum Gegenstande darstellender Geistesarbeit erkoren, wie er dann auch thätig an seinem Theile mit eingegriffen in die lebendige Gestaltung der vaterländischen Schicksale, wie er vor Allem selber in Sinn und Sitte, in der schlichten und doch edlen Erscheinung des alltäglichen Lebens sich zeigt als ein echtes Kind unseres Volkes. Zuvor wird ein rascher Blick genügen, uns die äußeren Momente seines Daseins in’s Gedächtniß zu rufen.
Gustav Freytag ist am 13. Juli 1816 zu Kreuzburg in Oberschlesien geboren; seit 1829 besuchte er das Gymnasium im nahen Oels, von wo er 1835 zur Universität Breslau abging. Es geschieht wohl heutzutage, daß man das landschaftliche Element in der Bildung des Menschen überschätzt, aber ohne Bedeutung war es doch keineswegs, daß Freytag dort am Ostsaume deutscher Ansiedlungen aufwuchs; im Gegensatze zur polnischen Nationalität, aus der sein Heimathsort sich als kleine deutsche Sprachinsel heraushebt, wie zur jüdischen – dort giebt’s allerdings noch eine solche – mußte sich das eigene Volksthum in ihm kräftigen und gleichfalls verdichten. „Soll und Haben“ ist von diesem muthvoll vordringenden, zukunftsgewissen Selbstgefühl des deutschen Ostgrenzers durchweht. Auch der Stammesart der Schlesier darf man wohl leichthin gedenken; so wenig ursprünglich sie sein mag, sie hat sich, wie es auf colonialem Boden bald geschieht, eigenthümlich entfaltet. Rührige Frische, lebhafte Empfindung, gemüthliche Laune, die sich selbst in der Mundart ausspricht, soweit man von einer solchen reden mag, das sind schlesische Eigenschaften, davon auch Freytag sein mütterlich Erbtheil erhalten, obwohl die unverwüstliche Heiterkeit seines Sinnes himmelweit entfernt ist von wirklichem Leichtsinn, daran so manches Talent jener Provinz zu Grunde gegangen. Zur Vollendung seiner Studien begab sich unser Freund nach Berlin; ihn beschäftigte besonders die froh aufstrebende Wissenschaft der deutschen Philologie, in Lachmann’s gedankenschärfender Unterweisung. Promovirt kehrte er nach Breslau zurück, wo er 1839 als Docent eben der deutschen Philologie auftrat und einige Jahre erfolgreich auch neuere und allgemeine Literaturgeschichte lehrte. Als man ihm aber die gewünschte Befugniß, auch rein historische Vorlesungen zu halten, versagte, wandte er sich von der Hochschule ab und lebte bis 1847 in Breslau in reichem geselligem Verkehr und vorwiegend poetischer Thätigkeit; seine Gedichte und ersten Dramen sind damals entstanden. Nach kurzem, geistig belebtem Aufenthalt in Dresden siedelte er 1848 nach Leipzig über und übernahm dort in Verbindung mit Julian Schmidt aus Kuranda’s Händen die Leitung der „Grenzboten“, die nun aus einem österreichischen Blatte zum deutschen wurden. Von da an bis heut ist er Journalist geblieben, stolz auf diesen unscheinbaren Namen, dem er freilich selber durch sein liebenswürdiges Lustspiel für alle Zukunft einen vollen, edlen Klang verliehen. Auch hat er alle die Zeit her seinen Wohnsitz in Leipzig ruhig behalten, nur daß er seit einer Reihe von Jahren die Sommermonate in Siebleben bei Gotha zubringt, wo er ein kleines ländliches Anwesen erworben. Dort hat ihm Herzog Ernst, der in den Tagen der Reaction die geistigen Häupter der nationalen Partei um sich zu sammeln bemüht war, in potitischen Nöthen die Hand geboten und zum äußeren Zeichen den Hofrathstitel zuerkannt. Die beiden letzten Jahrzehnte haben neben seiner journatistischen Thätigkeit seine Hauptwerke in Poesie und Wissenschaft gezeitigt: die Journalisten, die Fabier wie die Technik des Dramas, die beiden Romane, die Bilder aus der deutschen Vergangenheit und die Biographie Karl Mathy’s.
Ein Lebensgang, äußerlich ohne große Schickungen und jähe Wechsel, einförmig sogar, wenn man ihn etwa gegen die irrsalreiche Laufbahn des gleichgesinnten Freundes Mathy hält, die er so anziehend geschildert. Allein wer wüßte nicht, daß die wahre Geschichte des Dichters und Forschers im Binnenreiche seines eigenen Geistes abspielt? Was nun Freytag’s Dichtung angeht, so sehen wir unserem Vorsatze gemäß gerade von dem ihrer Zweige ab, dem er die emsigste Sorgfalt gewidmet und zuletzt die reifste Frucht abgewonnen: ich meine das ernste Drama; denn dies ist mehr als jegliche andere so zu sagen eine internationale Kunstgattung geworden. Fleißige Beobachtung der Natur unserer Bühne und tief eindringendes Studium der tragischen Meisterwerke vieler Zeiten und Völker, deren Ergebnisse Freytag in seinem trefflichen dramatischen Lehrbuche niedergelegt, haben ihn selbst zur Ueberzeugung geführt, daß gerade Stoffe aus der vaterländischen Historie für die Tragödie minder geeignet sind. So hat er denn auch zu seiner dramatischen Musterleistung lieber das römische Thema des Untergangs der Fabier erkoren, um darin die reinen Kunstgesetze zur Anschauung zu bringen, die ein menschliches Gemeingut sind; wiewohl sich natürlich im Geiste der Behandlung der deutsche Dichter nirgend verleugnet. Das Lustspiel dagegen thut allemal wohl, in’s nationale Dasein hineinzugreifen, und je unmittelbarer, desto besser. Wer hätte sich nicht auch um dessen willen an den „Journalisten“ schon herzlich erfreut? Es ist freilich keine breite, aber eine wichtige Seite des Volkslebens, welche sie poetisch verklären. Man bedenke nur, daß sie 1853 erschienen, wo fast alle Hoffnungen gescheitert waren und der dennoch zum Heile der Nation fortarbeitenden Kraft eben einzig der mühselige, tausendfach eingeengte Weg der Tagespresse noch offen stand. Wie Mancher erlag dabei der lauernden Feindschaft der Reaction, wie Viele verzagten ob der stumpfen Gleichgültigkeit des Publicums am Segen ihres Thuns! Da stellte Freytag mit der wundervollen Heiterkeit, die sein reiner Sinn ihm mitten in der dumpfen Stickluft der Zeit bewahrte, ein ideales und doch so treues Bild freisinniger deutscher Journalistik hin, in ihrem sittlichen Ernste, dem der kecke Uebermuth sprudelnden Humors nur dazu dient, die Seele unter all den kleinen Widerwärtigkeiten des Tages frisch und gesund zu erhalten. Und dabei darf man dies köstliche Gedicht keineswegs mit dem zweideutigen Namen eines politischen belegen, so fröhlich hoch schwebt es über allem vergänglichen Wesen und Unwesen des Augenblicks dahin. Das verheißt ihm unverwelkliche Jugend inmitten unserer schnell hinsterbenden, ja häufig todtgeborenen Komödien.
[411] Aber der Kreis jedes Dramas ist eng, auf ein nur individuelles Centrum sind alle seine Radien gerichtet; die ganze Weite und Tiefe unserer Weltanschauung, die bewegte Gestaltenfülle unseres Lebens vermag nur die dehnbare Kunstform des Romans in sich zu fassen. Durch „Soll und Haben“ und „die verlorene Handschrift“ ist Freytag der dichterische Darsteller deutscher Gegenwart im höchsten Sinne geworden. Beide Seiten bürgerlichen Lebens hat er verherrlicht: die thätig erwerbende, gütererzeugende, wie die geistig sinnende, der es verliehen ward, unvergängliche Werthe zu schaffen. Kaufmann und Gelehrter stehen da als Vertreter dieser Richtungen, aber welch ein Reichthum an anderen Gebilden ist um sie versammelt! Fern von den Geschäftsräumen und Studirstuben der Städte erscheint das arbeitsame Landleben, überhaucht vom frischen Athem einfacherer Natur. Was aber dies bunte und doch scharf gezeichnete Gemälde deutschen Wesens erst wahrhaft treu macht, ist die sittliche Hoheit der Gesinnung, die sich darin ausspricht. Anton Wohlfart und Felix Werner, diese Schöpfungen eines Dichters, den man im guten Sinne mit Fug realistisch nennt, tragen doch die ganze Idealität modern deutscher Ethik in sich. Diese unsere Sittlichkeit jedoch beruht nun einmal – niemand kann es leugnen – auf der Weltansicht des Bürgerthums; darum war gerade Freytag der Mann, sie dichterisch zu verkörpern, denn kein bürgerlicherer Sinn läßt sich denken, als der seine – „ehrlich“, das ist sein Lieblingsbegriff. Nicht aufzureizen etwa gegen Fürstentum und Adel ist seine Tendenz; was man so Tendenz nennt, dadurch hat er überhaupt als echter Künstler nie seine Werke verunstaltet. Er sagt nur, was er geschaut und erfahren; wohl kennt er den Bann, in den Vorurtheil und Standeszwang Fürsten und Edle schlagen, aber er weiß, daß kernhafte Tüchtigkeit oder menschliche Liebenswürdigkeit ihn zu durchbrechen vermögen. So steht neben dem sinkenden Geschlechte der Rothsattel die vornehme Seele Fink’s in schöpferischer Kraft, so tröstet Prinz Victor’s harmlose Frische über die düstere Verkommenheit seines fürstlichen Oheims.
Und welches nun ist das Ergebniß der Betrachtung unserer deutschen Gegenwart für Freytag? „So leben wir,“ ließ er im Jahr 1864 seinen Professor ausrufen; „viel Schwaches, viel Verdorbenes und Absterbendes umgiebt uns, aber dazwischen wächst eine unendliche Fülle von junger Kraft herauf. Wurzeln und Stamm unseres Volkslebens sind gesund. Innigkeit in der Familie, Ehrfurcht vor Sitte und Recht, harte, aber tüchtige Arbeit, kräftige Rührigkeit auf jedem Gebiet. In vielen Tausenden das Bewußtsein, daß sie ihre Volkskraft steigern; in Millionen, die noch zurückgeblieben sind, die Empfindung, daß auch sie zu ringen haben nach unserer Bildung.“ Wer in der Welt möchte heut diese stolzen und doch bescheidenen Worte Lügen strafen? Die höchste Freude, von der unser Freund weiß, ist darin ausgesprochen, „die Freude, unter einem Volke mit aufsteigender Kraft zu leben.“ Dessen aber inne zu werden, dazu bedarf es tiefer Kenntniß unserer Geschichte; nur aus dem Werden kann das Wesen begriffen und beurtheilt werden. Freytag gelang das durch jahrelange liebevolle Forschung; die „Bilder aus der deutschen Vergangenheit“ machen nun auch uns möglich, es ihm nachzuthun. Sie sind eine deutsche Geschichte, nach aller Strenge unserer kritischen Wissenschaft aus den Quellen geschöpft, und dennoch eine Geschichte, wie sie ein Dichter schreibt. Denn diesem ist überall der Mensch, die lebendige Einzelexistenz die Hauptsache, während sonst in historischer Betrachtung nur allzuoft das Individuum so gleichgültig erscheint, wie das schwingende Aethertheilchen, durch das die Wellenbewegung des Lichtes unverweilend hindurchzittert. So hat uns Freytag eine Geschichte des deutschen Volksgemüths geschrieben aus den absichtslos naiven Selbstbekenntnissen der einzelnen Gemüther. Er lehrt uns allenthalben seit den Tagen deutscher Urzeit „denselben Herzschlag erkennen, der noch uns die wechselnden Gedanken der Stunde regelt“, aber er zeigt auch, wie von Jahrhundert zu Jahrhundert sich die Seele des Einzelnen immer freier aus der gebundenen Unterordnung unter die Seele des Volkes gelöst hat. Wie unendlich viel großartiger mußte so unser Gesammtleben werden durch das auseinanderstrebende Wachsthum seiner Theile, die doch immer am Ganzen haften und aus ihm gedeihen, gleichwie die ausgreifenden Zweige des saftdurchquollenen Baumstamms! Ueber den Schluß dieser Bilder ward schon vor Jahren der Glanz der nun erfüllten Weissagung ausgegossen: „Es ist eine Freude geworden, Deutscher zu sein; nicht lange, und es mag auch bei fremden Nationen der Erde als eine hohe Ehre gelten.“
Was aber der Mensch nahe verhofft, das sucht er selbst arbeitend herbeizuführen. Freytag ist als handelnder Politiker wenig hervorgetreten – dem constituirenden norddeutschen Reichstage hat er angehört –, doch unermüdlich hat er seine rathende, anfeuernde oder warnende Stimme in der Presse laut werden lassen. Zweiundzwanzig Jahre lang hat er die „Grenzboten“ geleitet; seitdem er das liebgewonnene Blatt aufgeben mußte, ist er die Seele einer andern Wochenschrift geworden, die seit Beginn dieses Jahres unter dem freudigen Namen „Im neuen Reich“ rasch und glücklich emporgekommen ist. Es hieße die Geschichte der letzten Jahrzehnte erzählen, wollt’ ich sein politisches Wirken im Einzelnen darstellen. Denn überall, wie es Journalistenart und -Amt ist, hielt er sich an den vorliegenden concreten Fall, ja seine besondere, realistische Natur legte ihm diese weise Beschränkung noch näher als Anderen. Es giebt einen Liberalismus des Systems, der aus allgemeinen Lehrsätzen dem Urtheilen und Handeln des Augenblicks Maß zu geben sucht; consequent durchgedacht führt er eigentlich stets zu radicalen Anschauungen. Das ist nun Freytag’s Weise nicht. Unverrückbar fest ruht in seinem Innern allerdings der sittliche Geist, der auch in der Politik sein Thun und Denken ohne Wandel richtet. Sonst ist ihm angeboren nur der freie bürgerliche Sinn überhaupt, den keine Rücksicht auf rechenschaftslose Autorität, was für Art sie immer habe, bindet, kein Heiligenschein sich selbst bejahender Dogmen blendend verschüchtert; und weiter ist ihm unzerstörbar eigen die Liebe zur Nation, wie zu jeder ihrer echten, natürlichen Lebensformen. Von selber auch wuchs in ihm, dem Preußen, früh die Einsicht heran, welchen Weg die Nation zu ihrem Heile beschreiten müsse, von wannen ihr Hülfe kommen werde; die Zuversicht der Retterbestimmung Preußens, die Hoffnung auf Weisheit und Thatkraft seiner Herrscher hat ihn auch in den trübsten Stunden, die über unser Haupt gegangen sind, nie verlassen. Aus diesen Elementen setzt sich sein Urtheil in jedem Falle zusammen. Ist, was geschieht oder geschehen soll, sittlich gut, entspricht es den realen Bedürfnissen des Volkes und der Bildungsstufe, die es bisher erstiegen, liegt es endlich in der Bahn der allgemeinen nationalen Entwickelung? – das und keine anderen sind seine politischen Erwägungen; nicht der Widerspruch des kühnsten, genialsten und glücklichsten Machthabers vermöchte ihn darin irre zu machen. Braucht es der Versicherung, wie gewaltig ihn die Ereignisse des letzten Jahres ergriffen und erhoben haben? Des Krieges ist er unmittelbar Zeuge gewesen bis nach der Katastrophe von Sedan; er folgte dem Hauptquartier des kaiserlichen Kronprinzen, dem er persönlich nicht fremd ist. In die Zukunft blickt er vertrauensvoll hinaus, doch verschließt er das Auge nicht vor den Versuchungen und Gefahren, welche die neue, leider ungewohnte Größe unserem Volke entgegenbringt. Darin der Nation ein treu berathender Freund zu sein, mit willkommener oder unwillkommener Mahnung, dünkt ihm heilige Pflicht.
Wie er nun leibt und lebt, wie er nach Menschenloos sich abfindet mit Freud’ und Leid des wiederkehrenden und doch vielgestaltigen Tages – ich müßte bei ihm selbst in die Schule gehen, wollt’ ich es wagen, dies Bild aus der deutschen Gegenwart zu zeichnen. Ein paar leichte Umrisse jedoch mögen wenigstens andeuten, wie sehr es ein deutsches zu heißen verdient. Freytag steht noch in der Vollkraft seiner Jahre. Sein Wuchs ragt über Mittelmaß hinaus, er trägt sich fest und aufrecht, die allgemeine Wehrpflicht hat auch an ihm einst ihre stählende Zucht geübt. Die Züge seines Angesichts sind einfach und offen wie sein Charakter; die hohe, freie Stirn ist von schlichtem blondem Haar umrahmt, aus den lichtblauen Augen, deren Sehkraft nicht weit trägt, schaut doch Güte freundlich hervor. Schalkhafte Fröhlichkeit umspielt nicht selten seinen Mund, dann streicht er wohl einmal behaglich mit der Hand über den blonden Knebelbart. Seine Geberde ist gemessen, doch begleitet seine Rechte nachdrucksvoll die scharf betonten Sätze, wenn er aus ganzem Ernste der Seele spricht. So sehr er Gewalt hat über die Sprache, so einfach wählt er doch die Worte, Deutlichkeit und Wahrheit ist die Richtschnur seines Ausdrucks. Nur wenn er seinem Humor freien Lauf läßt, nimmt seine Rede buntere Färbung an, da läßt er denn wohl bisweilen auch heimische Laute vernehmen. Auch den leblosen Gegenständen, die uns umgeben, leiht er dann scherzend Odem und Empfindung, auch unvernünftigen Wesen Gedanken und allerhand neckische Absichten. Dieser Zug, an die gemüthvolle [412] Naturauffassung unserer heidnischen Altvordern gemahnend, tritt stark genug in „Soll und Haben“ hervor und steigert sich in der „Verlorenen Handschrift“ gar bis zum verhängnißvollen Mithandeln der dämonischen Hunde.
In Freytag’s Erscheinung herrscht ein wunderbares Gleichgewicht zwischen Anmuth und Würde, Haltung und Neigung. Heiterkeit und Wohlwollen begegnen sich in seinem Bezeigen mit der Strenge seiner sittlichen Anschauung. Wo das Gewissen in’s Spiel kommt, spricht er kategorisch; hat er moralisch verurtheilt, so ist sein Widerwille unbezwinglich. Sonst ist Höflichkeit des Herzens sein Element; wer ihm nahesteht, käme ihm zu keiner Stunde ungelegen; immer findet man ihn da sich selbst gleich, stets die nämliche warme Theilnahme am Ergehen des Anderen. Willkomm und Lebewohl kann Niemand herzlicher bieten. Er lebt in kinderloser Ehe und führt ein ungemein häusliches, fast eingezogenes Dasein; aber liebe Freunde zu empfangen und zu bewirthen ist seine beste Lust. Da läßt er etwas draufgehen in Schmaus und Trank; er, der für sich selber so schlicht wählt in Tracht und Geräth, der überall wenig bedarf, schilt in komischem Zorne, wer ihm nicht wacker Bescheid thut. Edle Weine dürfen ihm im Keller, gute Cigarren im Schranke nie aussterben; davon zu spenden macht ihn glücklich. Die beste Würze aber über Tafel ist sein Gespräch, dann blüht sein Scherz, dann strömt seine Erzählung. Die reichste und feinste Menschenkenntnis leuchtet daraus hervor. Vom fürstlichen Haupte bis zum wandernden Handwerksburschen oder dem ländlichen Tagelöhner seiner Gemeinde Siebleben herab hat er jede Art Leben anschauend erkannt; er hat gefragt und vernommen. Seiner Freunde sind viele über Deutschland hin, in allerlei Stellung, doch von einer Gesinnung. Wie er gedenkt und dankt, zeigt sein Leben Mathy’s; wie ihm jüngere Genossen anhangen, dafür geben Treitschke’s Worte Zeugniß. Mit seinem Verleger, Salomon Hirzel, steht er im vertrautesten täglichen Umgang; was Anderen nur ein Geschäftsverhältniß bedeutet, ist ihm Herzensverbindung.
Sein Interesse ist rege für Alles, doch das Vaterländische steht ihm immerdar obenan. Selbst der bildenden Kunst gäbe er gern eine Richtung auf nationale Stoffe; zur Musik allein hat er kein enges Verhältniß. Das Theater, das ihm so viel verdankt, besucht er doch fast nie mehr; in naher Zukunft nimmt er wohl keinerlei Aussicht wahr auf Erfüllung seiner Hoffnungen für den Aufschwung unserer Bühne. Wer die Schönheit und Klarheit seiner Naturschilderungen überdenkt, dem muß seltsam erscheinen, daß Freytag fast niemals spazieren geht; nur der Sommeraufenthalt bringt ihn beinah unwillkürlich in Berührung mit der lebendigen Landschaft. Dort sind auch hauptsächlich die letzten großen Werke seiner freischaffenden Einbildungskraft entstanden. Den Winter über in Leipzig, ist er dafür um so eifriger journalistisch und wissenschaftlich thätig. Wie seine Kenntniß unserer Culturgeschichte, so ist auch die Sammlung ihrer Quellen, die er nach und nach sorgsam erworben, für einen Privatmann einzig zu nennen; an seltenen Flugschriften ist sie ungewöhnlich reich; noch täglich ist er bemüht, sie zu vervollständigen. So verfließt ihm das Leben: die Vergangenheit seines Volkes zu erforschen, seine Gegenwart dichtend zu verschönern, an seiner Zukunft bauen zu helfen – das ist die Summe seines Daseins. Siehe, ein rechter Deutscher, in welchem kein Falsch ist!
Die Augusttage waren voll Himmelblau und Sonnenglänzen, die Märsche des Tages über eine Lust und die Bivouacs unter den flimmernden Sternen ein Genuß. So erinnere ich mich des vierzehnten August als eines der herrlichsten Marschtage, wie wir nachher keinen mehr hatten. Wenn man auch in der Loslösung von der Gewöhnung des alltäglichen Lebens nicht mehr recht wußte, ob man am Anfange der Woche oder am Ende derselben stand, so sagte man sich doch: heute muß Sonntag sein. Die Feiertagsstimmung lag in der Natur. Ein weites Plateau, von Bergzügen in den mannigfaltigsten Contouren, in den interessantesten Perspectiven rings umschlossen und inmitten desselben die anmuthigsten üppigsten Abwechselungen von Hügel und Gesenke, Obstgärten und Weinbergen, von saftigen Wiesengründen und dunklen Waldsäumen, von Landhäusern, Villen und Dörfern, die aus ihrer Umhegung wie glühende Blumen aus einem grünen Kranze hervorsehen. Die Straßen, die einst fromme Kirchgänger dahinzogen, waren von dreifachen unabsehbaren Colonnen bedeckt, die Waffen und die Kanonen blitzten in der Morgensonne, und zwischen den Pulverwagen und Proviantkarren kam es plötzlich wie ein Sturmwind hindurch, es waren die ersten und dritten Garde-Ulanen, die sich nachher so brillant geschlagen haben. Dort in der Ferne blitzte ein Silberstreif. Das war die Mosel, und dorthin waren alle Bewegungen gerichtet. Am Vierzehnten und Fünfzehnten fand an verschiedenen Stellen der Uebergang der zweiten Armee über die Mosel statt; wir sollten ihn bei Pont à Mousson machen.
Man war damals bereits in dem Stadium, daß man eine Stadt beim Einfahren in dieselbe nicht mehr nach ihrer architektonischen und landschaftlichen Schönheit beurtheilte, nach ihrem historischen Interesse, sondern nur nach dem Maßstabe, ob sie gute Quartiere böte. Jede, auch die kleinste französische Stadt hat ein elegantes Aussehen. Das kommt durch die uniforme Bauart, das machen die hohen Fenster, der helle weiß-gelbliche Anstrich und namentlich die Persiennes, das heißt die Fensterläden, die man in Deutschland Jalousien nennt. In Frankreich versteht diese Bezeichnung Niemand, und wenn man dort einem Dienstmädchen sagt: „Veuillez fermer les jalousies“, so sieht das Einen verwundert an und combinirt endlich, daß man von seinen Herzensangelegenheiten spreche. Einmal wurde ein solch dienstbarer Geist sogar unangenehm und erklärte mir, sie sei nichts weniger als eifersüchtig, denn sie habe nicht einmal einen bestimmten Geliebten.
In Bezug auf Unterkunft machte die nicht sehr große Moselstadt einen sehr hoffnungerweckenden Eindruck. Ich bekam ein Billet zu einem Monsieur Houillot, einem wohlhabenden Gärtnereibesitzer. In demselben trat mir ein Mann von etwa fünfzig Jahren entgegen, neben ihm eine Frau von etwa fünfundvierzig Jahren, Persönlichkeiten, die für mich gleich beim Eintritt etwas Sympathisches hatten. Dem Manne sah man trotz des französischen, für einen Deutschen schwer auszusprechenden Namens die deutsch-lothringische Abkunft an; er war hager und schwächlich, hatte blondes, in’s Graue spielendes Haar und blaue Augen; die Frau war brünett und von einer Decenz, Würde und graciösen Vornehmheit in Geberden und Sprache, daß sie dem besten Salon Ehre gemacht hätte. Beide reichten mir die Hände, hießen mich willkommen und bemerkten, daß die Feindschaft sich nur bis an die Schwelle ihres Hauses erstrecke, im Innern sei ich ihr Gast wie zu jeder andern Zeit. Sie fragten mich, wann ich zu frühstücken und zu diniren wünsche; der Mann holte Wein aus dem Keller und die Frau einen Orangen-Liqueur aus dem Schranke, den sie mir mit Stolz als ihr eigenes Fabrikat bezeichnete und den ich als wohlerzogener Mensch natürlich vorzüglich gefunden hätte, auch wenn er mir weniger gemundet hätte.
Am Tage vorher hatte in den Straßen der Stadt zwischen den Cavalleriedetachements unserer Avantgarde, oldenburgischen Dragonern und Chasseurs d’Afrique ein heftiger Kampf stattgefunden; vor uns waren nur noch wenige Truppen. Es ist sonst nicht Brauch, daß man ein Hauptquartier fast in die Avantgarde verlegt; aber Prinz Friedrich Karl wollte in Pont à Mousson das Nachrücken der Truppen über die Mosel abwarten; die Stadt war ein günstiger Punkt, um die Marschoperationen übersehen zu können, und zur Vorsicht waren die Zugänge zur Stadt von unseren Truppen stark besetzt worden.
Wir waren so ziemlich die erste Einquartierung in der Moselstadt, und die Einwohner hatten hier das erste Mal Gelegenheit, sich die gefürchteten Feinde aus der Nähe zu besehen. Jedenfalls muß der Eindruck, den meine Erscheinung im Hause Houillot’s machte, ein sehr friedfertiger gewesen sein, denn allmählich kam von guten Freunden und getreuen Nachbarn einer [413] nach dem andern, um sich den bei Houillots frisch eingetroffenen Feind zu besehen, bis schließlich eine ganze Tafelrunde versammelt war. Ich trug damals einen Jagdanzug mit grünem Kragenaufschlag und die preußische Infanteriemütze. Vor Allem beschäftigte es sie zu erfahren, zu welchem Regiment ich gehöre, denn unter allen Uniformen, die in dem Hauptquartier des Prinzen sehr mannigfaltig waren, hatten sie die meinige noch nicht bemerkt; auch trüge ich gar keine Waffen, keinen Degen, keinen Säbel, nicht einmal einen Miniaturrevolver am Uhrschlüssel – und ein Preuße ohne Waffen sei wie ein Weinstock ohne Trauben, ein Körper ohne Seele.
„Glauben Sie denn, ich sei ohne Waffe in das Feld gezogen? Die Waffe, zu der ich geschworen, ist sehr alt und verbreitet, Sie Alle können sie gebrauchen; so hoffe ich wenigstens. Bei uns kennt und führt sie jedes Kind von sechs Jahren an.“
Allgemeines Kopfzerbrechen, was damit wohl gemeint sein könne, während ich unbemerkt von einem seitwärts stehenden Schreibzeuge eine Feder nahm. Einer erlaubte sich die Bemerkung, das hätten sie in ihren Journalen gelesen, daß jedes preußische Kind mit einer Regimentsnummer auf die Welt käme, die Muttermilch mit Pulver gemischt einsauge und als erste Morallehre die Kriegsartikel empfange. Darüber tröstete ich sie, gab ihnen jedoch dafür die Versicherung, daß der Umstand, daß jedes deutsche Kind die Feder führen lerne, nicht wenig zu seiner tüchtigen Waffenführung beitrage. Ich für meine Person führe dermalen die Feder allein als meine Hauptwaffe.
Am Abend beim Diner bemerkte ich, daß Herr und Madame Houillot sehr traurig waren. Ich suchte die Ursache in dem Unglück ihres Vaterlandes und war daher doppelt bemüht, durch Eingehen auf ihre Haus- und Familienverhältnisse die Wolken ihrer Seele zu zerstreuen. Bei meiner Rundschau durch das Zimmer hatte ich auf einer Commode Schulbücher bemerkt und in einem Winkel der Stube ein Kinderstühlchen; ich frug also, ob sie Kinder hätten.
„O zwei!“ antworteten Beide zu gleicher Zeit und Beiden stürzten mit einem Male die Thränen aus den Augen.
„Sind sie todt?“
„O daß uns Gott und alle Heiligen davor behüten mögen! Das wäre das Entsetzlichste für uns.“
„So sind sie krank?“
„Wir wagen es nicht zu fürchten.“
„Was ist denn sonst mit ihnen?“
Nun erzählte denn die Frau, daß sie zwei „Demoiselles“ hätten, die eine zu achtzehn Jahren und die andere zu zwei Jahren, daß sie die Kinder aus Furcht vor den anrückenden Feinden auf ein zwei Stunden entferntes Dorf zu Verwandten gegeben, da man von den Preußen so Entsetzliches berichtet habe, so daß sie die Kinder in größter Lebensgefahr glaubten. Nun aber sei ihnen zu Ohren gekommen, daß sich nach dem Dorfe, wohin die Kinder gerettet wurden, alle Truppenbewegungen zögen, daß dort bereits ein Zusammenstoß stattgefunden habe und die Gefahr dort noch bei Weitem größer sich erwiese, als hier in Pont à Mousson, wo sie bei ihren Eltern in größter Sicherheit sich befänden; denn die Gerüchte über die Grausamkeiten der Feinde hätten sich bei näherer Bekanntschaft mit denselben als übertrieben, als völlig grundlos herausgestellt.
„O mein Herr,“ schloß Madame Houillot, „Sie wissen nicht, was wir leiden; wir seufzen und weinen Tag und Nacht um unsere Kinder, wir finden nicht eher Ruhe, als bis wir sie wieder in unsere Arme schließen können. Wenn Sie unsern kleinen blondgelockten Engel schon kennten, dann würden Sie unsern Schmerz begreifen. Wie wird das arme Kind nach seinen Eltern rufen und weinen! Es schlief stets in meinen Armen – ach, wer wird es jetzt in die seinigen nehmen?“
Der Jammer der beiden Leute ging mir zu Herzen. Unendlich rührend war es zu sehen, wenn die Mutter bei den Mahlzeiten das Kinderstühlchen an den Tisch rückte, als wenn die kleine Posthuma auch wirklich anwesend wäre. Freilich vor ihrem Herzen war das Kind immer gegenwärtig, ihre Liebe und Sorge beschäftigte sich nur allein mit ihm.
„Warum holen Sie denn nicht ihre Kinder in die Stadt herein?“ war meine nächste Frage an den Vater.
„Weil seit vorgestern alle Zugänge zu der Stadt besetzt sind. Vor jedem Thore ist eine Compagnie; jedes Haus am Thore ist ein Wachtlocal; hinein darf Jeder, heraus Keiner.“
Das hatte Grund. Ich bemühte mich auf der Commandantur, für den Mann einen Passirschein zu erhalten. Meiner Bitte wurde jedoch das strengste Verbot, einen solchen überhaupt zu ertheilen, entgegengehalten. Ich wollte mich selbst überzeugen, ob denn die Bewachung wirklich so formidable sei, daß nicht ein kleiner Wagen zwischen den Mannschaften hindurch könne. Gewiß – die Ausgänge waren von Bajonneten gespickt, und der Hauptmann der Wache, dem ich den Sachverhalt mittheilte, zuckte bedauernd die Achsel.
„Würden Sie mich hinauslassen, wenn ich mir diesen Mann,“ damit deutete ich auf Monsieur Houillot, der mich begleitet hatte, „wenn ich ihn als Kutscher mitnähme?“
„Sie? Warum nicht? Dem stände wohl Nichts im Wege,“ war die Antwort des Officiers.
„Gut, Monsieur Houillot, bestellen Sie sich einen Wagen, in einer Stunde fahren wir.“
Wer war froher, als er! Auf dem Rückwege nach der Stadt hatte ich Mühe, ihm nachzukommen, an seinen Füßen waren Flügel. Auf diesem Wege passirte es noch dem armen Manne, daß ihm von einem seiner Landsleute, der ihn in so anscheinend gutem Einvernehmen mit einem „Prussien“ dahineilen sah, in höhnischem Tone nachgerufen wurde: „Bon Compatriote!“ Ich hörte es sehr wohl, aber mein Begleiter nicht; der war nur mit dem Gedanken an einen Wagen beschäftigt, nur einmal nahm er das Wort und sagte:
„Ach, Sie sind doch ein Goldmensch! Sie können, was Keiner kann. Sie schaffen mir meine Kinder wieder herbei.“
Eine Stunde darauf, als er mit dem Wagen vorfuhr, mußte ich ihm zu meinem großen Bedauern melden, daß ich ihn leider nicht begleiten könne. Ich weiß nicht mehr, was mir dazwischen gekommen war, nur so viel, daß es eine Abhaltung der dringlichsten Art war. Hätte Jemand die Mienen der Eltern sehen sollen, die sich schon im sichern Besitze ihres Liebsten und Theuersten glaubten! Die trüben Blicke der Eltern mahnten mich wie ein Vorwurf; ich rannte zum wachthabenden Officier, um noch ein Letztes zu versuchen. Zu meiner großen Freude bekam ich hier den Bescheid, daß die Wache um drei Uhr abgelöst würde – die Compagine hatte Marschbefehl erhalten. Ob eine neue Wache aufzöge, konnte mir der Hauptmann nicht sagen, aber er gab mir den Rath, Monsieur Houillot möge wenigstens versuchen, um die Ablösungsstunde mit dem Wagen am Thore zu halten, um im günstigen Falle losfahren zu können. Das war wenigstens eine günstige Aussicht, die man Monsieur Houillot bringen konnte. Als ich den Mann nach einigem Suchen mit Pferd und Wagen fand, peitschte er nach meinem Bescheide sofort auf die Rosse los – und nun ging’s mit einem schallenden Holala, helala wie Windesbrausen dem Thore zu. Ich folgte ihm. Hart an demselben kam mir die Compagnie entgegen. Der Hauptmann sagte mir, daß keine neue Wache aufgezogen, daß die Passage frei sei.
Als ich des Abends in den Flur eintrat, kamen mir Monsieur und Madame Houillot mit ausgestreckten Armen entgegen, Alles an ihnen war Glück und Seligkeit, und mit dem Ausdruck derselben riefen sie mir entgegen: „Sie sind da – sie sind da!“
Zu gleicher Zeit präsentirten sie mir zwei Mädchenexemplare, und fürwahr, die waren es werth, daß man sich um ihren Wiederbesitz so viel Mühe gegeben hatte! Die älteste im Alter von achtzehn Jahren glich der Mutter; es war ein wahrhaft schönes Mädchen, eine schlanke feine Gestalt von Seele und Anmuth durchhaucht. Das bleiche herrlich geschnittene Gesicht umgab eine Fülle dunklen Haares und unter demselben schauten ein Paar tiefe veilchenblaue Augen gar herzbezwingend hervor. Und diese Grazie, diese edle Feinheit des Benehmens, das ebenso sehr von Keckheit, als von Blödigkeit entfernt war! Ich habe selten ein so schönes Mädchen gesehen, das zugleich auch so anmuthig war. Zwischen der Aeltesten und Jüngsten lag eine Pause von nur sechszehn Jahren. Wie erstaunt mögen die Eltern gewesen sein, als eines schönen Morgens zwei neue himmelblaue Augen verwundert im Zimmer umherschauten, als wollten sie sagen: „Bin ich denn hier auch an die richtige Adresse gekommen?“ Ein wahrer Engelskopf, baus- und rothbäckig, umwallt von seidenen blonden Löckchen, die beiden Hände voll und zur Begrüßung des Fremdlings nur noch die vollen Kirschenlippen übrig behaltend.
[414] Das Dankgefühl der Eltern kannte keine Grenzen; sie erschöpften sich in Aufmerksamkeiten, und als ich des nächsten Tages, am Tage der Schacht von Mars la Tour, abfuhr, fand ich im Wagen noch eine Flasche Champagner vor, die uns nach dem heißen Schlachttage im Bivouacquartier von Buxières vortrefflich mundete. Natürlich wurde ich beim Abschied auf das Dringendste eingeladen, die Familie Houillot doch nicht zu vergessen, wenn der Zufall mich Pont à Mousson wieder näher brächte. Und ich war auch[1] so unvorsichtig, dieser Einladung Folge zu leisten.
Die turbulente, unseren Lesern aus einem früheren Berichte bekannte Nacht nach der Schlacht von Mars la Tour verbrachten wir in dem Weinorte Thiaucourt. Wir bivouakirten dann zwischen den beiden Schlachttagen, am 16. bis 18. August, in dem elenden Orte Buxières, in der nächsten Nähe des Schlachtfeldes. Der Meister desselben, Prinz Friedrich Karl, hatte nach dem Siegestage die Nacht unter freiem Himmel zugebracht, auch am folgenden Tage fast kaum eine Stelle finden können, wo er sein müdes Haupt niederlegen konnte. Ein einziges Haus bot ein nothdürftiges Unterkommen, und die holde landschaftliche Umgebung desselben war ein Berg aus Dünger, der im Scheine der Augustsonne gar liebliche Düfte entsandte. Hier vor dem Hause auf einem Stuhle sitzend, empfing der Feldherr die Meldungen und gab die Dispositionen für den achtzehnten August.
Weiter campirten wir vom 19. August, vom Tage der Einschließung von Metz an, bis zum 7. September auf dem Schlachtenplateau. O Doncourt und Malancourt, stolze Namensklänge, die an elende Nester verschwendet sind, eure Namen werden mir im ewigen Gedächtniß bleiben. Ich muß an euch denken, wenn ich die blauen Flecken meines Leibes betrachte, die ich mir auf euren Strohlagern, auf euren sogenannten Federmatratzen geholt habe, an denen alle Drähte losgegangen waren; ich muß an euch denken, wenn ich sauren Wein trinke, unsaubere Räume und isabellenfarbige Wäsche sehe, wenn ich gewisse sechsbeinige Quälgeister vergrößert in physiologischen Werken sehe; ich muß an euch denken, wenn ich von dem goldenen Tage von Pont-à-Mousson spreche und den Fleischtöpfen im Houillot’schen Hause. Wenn man sich in diesen Dörfern am Morgen begegnete, so wünschte man sich nicht mehr Guten Morgen, nein, an die Stelle des Grußes war die Frage getreten: „Was kochen Sie heute?“ Antwort: „Rindfleisch und Erbswurst.“ Ich: „Erbswurst und Rindfleisch. Morjen!“ Zur lebendigen Erinnerung an Doncourt haben wir einen Affenpintscher mitgenommen, der auch „Doncourt“ gerufen wird, Anderes wäre auch nicht mitzunehmen gewesen.
Endlich am 7. September stiegen wir in die sonnigen Gefilde des Moselthales nach Corny hernieder und einer meiner ersten Ausflüge war nach Pont-à-Mousson – zu der blauäugigen Familie. Diese schien einigermaßen überrascht, daß ich so schnell nach drei Wochen schon wiederkam, aber sie war doch recht freundlich und die Veilchenaugen Celestinens – so heißt die Achtzehnjährige – blickten so sanft und schwärmerisch, wie das erste Mal. Ich wurde auch mit Orangeliqueur und Biscuits regalirt, die kleine Zweijährige wollte wissen, was in all den Paketen sei, die ich bei mir hatte, sie vermuthete Bonbons und war sehr indignirt, als sie Siegellack fand.
Vierzehn Tage darauf wiederholte ich meinen Besuch, da schien er zu überraschen, die Mutter war, wie man in der Mark zu sagen pflegt, merkwürdig gekniffen, sie veranlaßte Mademoiselle Celestine, aus dem Zimmer zu gehen, und ich bekam keinen Orangeliqueur. Es wurde dunkel, ich wollte aufbrechen, um noch mit dem Zuge nach Corny respective nach Novéant zurückzufahren. Papa Houillot wollte mich zum Bleiben veranlassen. „Ich könnte für die Nacht mein altes Zimmer wieder beziehen,“ wollte er sagen, aber er sagte es nicht, das Wort blieb ihm im Munde stecken vor dem Blick, den ihm Madame Houillot zugeworfen. Es geschah mir ganz recht, warum beachtete ich nicht das Wort der Zigeunermutter in der Preciosa:
Bist Du wo gut aufgenommen,
Darfst Du nicht zweimal wiederkommen.
Nach Pont-à-Mousson trieb Einen auch schon die Noth. In Corny war gar nichts zu haben. Lichte, Seife, Butter, Papier, alle derartigen Artikel mußte man von dort holen. Die Eisenbahnfahrt währte nur dreiviertel Stunden, kostete zudem nichts, was ein Anreiz mehr war, die Tour zu machen, und schließlich ging man hin, wenn man an seinem Leichnam durch ein Bad einen gründlichen Reinigungsproceß vornehmen, wenn man wieder einmal von Tischtüchern essen, ein Bischen interessante Menschheit sehen wollte und endlich, um nicht ganz aus der Gewohnheit des Geldausgebens zu kommen. In Corny konnte man kein Geld los werden, wenn man es nicht zum Fenster hinauswerfen wollte, was Einen am Ende bei der Armenpolizei in den Verdacht eines unsichern Sanitätszustandes gebracht hätte. In Corny wohnte ich bei einem Stellmacher oder einem mécanicien, wie die Franzosen vornehm sagen. Während unserer sechswöchentlichen Anwesenheit ruhte die Wagenarbeit in der Werkstatt des Mannes ganz; statt Wagen machte er Särge, und wenn ich am lieblichen Herbstmorgen mein Fenster öffnete, so fiel mein erster Blick auf eine stattliche Reihe fertigen Fabrikates jeder Größe, das unter meinen Fenstern aufgestellt war. Der Typhus und die Ruhr wütheten in den um Corny eingerichteten Lazarethbaracken ganz entsetzlich; jeden Morgen mußte mein Wirth zwölf bis achtzehn Särge abliefern und dabei war er nicht der einzige Lieferant. Wir saßen in Corny wahrhaft in einer Pestbeule und mehrmals wurde vor jedem Hause ein Haufen Chlorkalk aufgeschüttet und mit Carbolsäure übergossen, um die Luft von den Miasmen zu reinigen. Mein Wirth führte einen großen Namen, er hieß Girardin, glich aber in sehr wenig seinem Namensvetter, er hatte nicht den Geist, er wußte nicht einmal, wer Friedrich der Große war, aber er hatte auch nicht die sonst allgemein gepflegten preußenfresserischen Gesinnungen. Er schien sogar eine Vorahnung zu haben, daß er deutsch werden würde, denn er erkundigte sich sehr frühzeitig und angelegentlich nach den preußischen Steuern, meinte, daß der Protestantismus eine sehr hübsche Religion sei, und versicherte zuletzt, am Ende sei es ihm ganz einerlei, deutsch oder französisch, wenn er nur Geld verdiene. Ja, das Geld hatte in seinen Augen, wie in denen aller seiner Landsleute, einen großen, einen ungeheuren Werth. Alle Gefühle, alle Eigenschaften, alle Vorzüge, alle Tugenden eines Menschen taxirte er nach baarer Münze.
Monsieur Houillot hatte nur seine Kinder fortgeschickt und die Frau wenigstens behalten, aber Monsieur Girardin hatte mit den zwei Kindern auch noch die Ehegattin nach Metz geschickt, und nun war die Klappe zugemacht, Madame konnte nicht mehr heraus und er nicht mehr hinein. Das war ein großer Jammer. Jeden Abend, wenn Licht angezündet wurde und er sich so vereinsamt sah, begann seine Klage.
„O welche Dummheit habe ich gemacht! Unter den Preußen wäre meine Frau doch viel sicherer gewesen, als in Metz. Hier war ich immer da, aber in der Festung – wer weiß, was da geschieht! Das heißt – ich meine,“ fügte er schnell hinzu, „was die Meinigen da zu leiden haben werden – Pferdefleisch, Kleienbrod! O mon Dieu! Vor lauter Liebe möchte ich sie mit Biscuit füttern, wenn sie nur erst da wären! O was war ich für ein Thor, meine Frau nach Metz zu schicken, und ich Thor war in meinen Gedanken auch noch sehr froh, daß ich sie noch hineingebracht hatte, ehe die Preußen kamen. Nun sitzt sie drin und Bazaine giebt den Schlüssel nicht heraus.“
Jeden Tag, wenn ich vom Schlosse kam, oder wenn er wußte, daß ich dort zur Tafel war, erwartete er mich mit der feststehenden Frage:
„Wie steht es, Monsieur? Ist Metz noch nicht bald über?“
„Ich glaube nicht. Bazaine läßt, wie Sie hören, noch immer schießen.“
Nun konnte man eine Fluth von Schimpfworten über den armen Marschall sich ergießen hören, nach Girardin’s Urtheil war derselbe nicht nur von unbändigem Ehrgeiz besessen, sondern auch der unfähigste aller Generale, der allein an Frankreichs Unglück schuld war, auf den noch die kommenden Geschlechter ihre Verwünschungen häufen würden, und das Alles nur, weil Madame Girardin in Metz festsaß und nicht, wie ihr Gatte so oft wünschte, per Ballon nach Corny befördert werden konnte. Die liebende Ungeduld des Mannes sollte noch auf eine harte Probe gestellt werden. Es verstrichen noch Wochen und Wochen. Sein Schmerz ging mir wahrhaft zu Herzen, namentlich wenn er mit Thränen in den Augen sagte:
„Ich wollte mich doch gern gedulden, wenn ich nur wüßte, ob sie noch am Leben sind. Dem Kleinen wird die Milch fehlen, und wenn das Kind mir stürbe – ich wollte nicht zehntausend Franken darum nehmen.“
Eines Tages jedoch kam Nachricht von Madame Girardin [415] heraus – sie waren Alle noch am Leben und frisch und gesund. Durch meine Vermittelung nämlich war es ihm möglich geworden, einen offenen Brief an seine Frau nach Metz zu senden, Marschall Bazaine ließ von Zeit zu Zeit Privatbriefe in offenen Couverts an das preußische Obercommando gelangen mit der Bitte, dieselben an ihre Adresse befördern zu lassen; es waren offene Correspondenzen in Privat- und Familienangelegenheiten, aber nur solche, die an Adressen in den von uns bereits besetzten französischen Landestheilen lauteten; ebenso ging dann auch die Antwort durch die preußische Militärbehörde nach Metz zurück, und auf diesem Wege war es mir gelungen, für den Geängstigten Nachricht und Antwort zu befördern. Nun gewann sein vergrämtes Gesicht wieder einen heitern Ausdruck, nun hob sich seine Seele wieder, nun pfiff er wieder französische Chansonnettes, trotzdem ihm unsere Soldaten noch manchen Kummer machten. Er hatte außer zwei Officierquartieren noch weitere Räume des Hauses mit zwölf bis zwanzig Mann belegt und jeden Tag kam er mit einer andern Klage. Bald hatten die Soldaten ihm so und so viel Eier aus dem Hühnernest genommen – er wußte die Zahl ganz genau, so und so viel Hühner hatten gegackert, also waren so viel Eier da, und nun keines mehr –; bald waren ihm seine gebackenen Pflaumen, seine „Quetsch“ auf unerklärliche Weise, wahrscheinlich in die kriegerischen Magen verschwunden, und an den Kochherd, um sein Hammelfleisch mit Champignons zu braten, ließen sie ihn nun schon gar nicht mehr hinan; sie belagerten denselben ausschließlich, denn sie kochten und äßen den ganzen Tag; dabei fiele es ihnen nicht einmal ein, auch nur ein Gefäß zu reinigen. Wenn seine Frau nun käme und den Zustand ihrer Töpfe und Casserolen sähe! Und wenn das nicht bald geschehe, dann gehe die ganze Wirthschaft zum Teufel. „O Monsieur, ist denn Metz noch nicht bald über?“
Endlich am Morgen des 27. October konnte ich ihm sagen:
„Monsieur Girardin, Ihre heldenmüthige Ausdauer soll belohnt werden. Bestellen Sie zu Sonntag Morgen einen Wagen, fahren Sie nach Metz, umarmen und holen Sie Ihre Frau und Kinder – Metz capitulirt.“
„Wirklich? Endlich – endlich!“ rief er und warf vor Freude seine Mütze durch die ganze Länge des Zimmers. „Marschall Bazaine ist doch ein großer General. Ich sehe, daß ich dem Manne manchmal Unrecht gethan habe.“
Am Tage nach der Uebergabe war ich das erste Mal in Metz und kehrte gegen Abend nach Corny zurück. Auf dem Wege wurde ich plötzlich angerufen. Ich ließ den Wagen halten, um zu hören, woher die Stimme komme. Ein einspänniges offenes Wägelchen setzte sich in schärferen Trab, um zu mir heranzukommen, und wen erkenne ich? Monsieur Girardin, den ich in diesem Costüme nimmer erkannt hätte! Sonst hatte ich ihn nur in der Blouse gesehen, und heute trug er zur Feier des Tages einen blauen rothgefütterten verschnürten Burnus; auf seinem Schooße saß der älteste Junge von vier Jahren, neben ihm Madame mit dem jüngsten Kinde, und hinter dem Sitze waren Kinderbetten, eine Wiege, ein ganzer kleiner Haushalt aufgepackt. Ich habe lange kein glücklicheres Menschenantlitz gesehen, Vater Girardin fand gar keine Worte, er wies immer nur auf seine Frau und seine Kinder.
Madame hatte eine eigenthümliche Praxis, um sich mit ihrem Französisch den Deutschen verständlich zu machen. Sie vermuthete wahrscheinlich den Sitz des Verständnisses der Sprache im Ohr anstatt im Geiste und schrie Einen an, als ob man taub wäre. Im Uebrigen schien sie eine vernünftige Frau zu sein, sie entsetzte sich gar nicht so sehr über den allerdings erschreckenden Zustand ihrer Wirthschaft, sie machte sich frisch und flink daran, Alles wieder in Stand zu setzen. Als ich am Morgen des zweiten November von dem Ehepaare Abschied nahm, um weiter südwärts zu ziehen, konnte ich den Eindruck einer geordneten und glücklichen Häuslichkeit mit mir nehmen. Die Küche, die zugleich Wohnstube, war gescheuert, getüncht, die Pfannen und Casserolen glänzten wie neu versilbert, in die Bettladen waren die versteckt gewesenen Matratzen wiedergekehrt, ebenso ließ eine hübsche Pendüle, die ich nie gesehen und die nach Girardin’s Geständniß unterdeß im Backofen studirt hatte, ihr trauliches Ticktack ertönen, am Kamin war Kinderwäsche aufgehangen und auf das im Korbe schlafende Jüngste deutend sagte mir mein Wirth:
„O Monsieur, nun sind alle Leiden des Krieges wieder vergessen, nun sind selbst die Casserolen wieder gescheuert, nun wünsche ich Ihnen von ganzem Herzen, daß Sie ebenso glücklich werden möchten, als ich es jetzt bin, wo ich Frau und Kind aus Metz heraus habe. Adieu! Bon voyage!“
Ueberfluß bringt Uebermuth. Das haben die freien köllmischen Bauern von Lichtenau im großen Marienburger Werder bewiesen, als sie im Jahre 1380 ihren Landesherrn, den ehrwürdigen Hochmeister des deutschen Ordens, Winrich von Kniprode, bei sich zu Gaste sahen. Damals galt es, dem fürstlichen Herrn zu zeigen, welchen Segen sein weises Walten über das Land verbreitet hatte, und deshalb standen anstatt der Stühle zwölf bis zum Rande mit Gold gefüllte Tonnen um die reich besetzte Tafel. Es lag aber in dieser Ovation nicht allein ein dankendes Anerkenntnis für den wohlwollenden Landesherrn und seine edlen Vorgänger, welche es verschmäht hatten, aus dem heiligen römischen Reiche feudale Zustände nach dem Ordenslande Preußen herüberzunehmen, und welche von der belebenden Kraft der Freiheit für Bürger und Bauer durchdrungen waren, sondern auch ein ganz heilloser Bauernstolz. Dieser wurde genährt durch das Vorgehen der Hochmeister selbst; dieselben gingen bei der Colonisation des Weichseldeltas von Grundsätzen aus, welche uns mit Erstaunen erfüllen, wenn wir uns die Zustände in den damaligen Culturstaaten vergegenwärtigen. War es doch zu jener Zeit in Deutschland, England und Frankreich gesetzlich unstatthaft, daß freier Grundbesitz in bürgerliche und bäuerliche Hände kommen konnte, denn nur der Edelmann, der Ritter war der eigentliche Grundherr, der dominus eminens, dagegen war der Bauer nur Arbeiter, welcher von der Gnade des Gutsherrn abhing und ein höchst gedrücktes Dasein führte. Ein kurzsichtiger Fürst hätte dieselben ihm scheinbar günstigen Zustände in den neu erworbenen, ja theilweise sogar neu entstandenen Provinzen eingeführt, nicht aber so die Hochmeister des deutschen Ordens, denn sie fühlten ganz richtig, das ein kräftiger Volksstamm nur auf dem Boden der Freiheit gedeiht, und deshalb gaben sie den bäuerlichen Ansiedlern auch keine anderen Oberherren, als sich selbst, deshalb erließen sie den Anfängern die Grundsteuern (Zins) für fünf Jahre gänzlich und beanspruchten auch außerdem nur einige geringe Naturalleistungen. Dazu verliehen sie die eigene sogenannte kleine Gerichtsbarkeit nach freiem Kulmischem Recht und schufen überhaupt einen nach allen Richtungen hin freien und unabhängigen Bauernstand, welcher das neue Land bald in einen niemals geahnten Culturzustand versetzte. Dabei fühlten sich Fürst und Volk wohl, und die Dankbarkeit und Achtung war eine gegenseitige und aufrichtige während einer langen Zeit.
Leider hält jedoch die geistige Veredelung des Volkes nicht immer Schritt mit dem zunehmenden Wohlstande, und das traf auch bei den freien Köllmern von Lichtenau zu und verführte sie zu allerhand Narrenstreichen, als deren bleibendes Denkmal der in unserer Illustration abgebildete „Buttermilchsthurm“ im Volke angesehen wird. Dieser Thurm ist augenscheinlich (nach seiner Stellung zur Veste Marienburg zu urteilen) als ein detachirtes Fort oder als Theil eines solchen anzusehen. Er steht da als ein weit nach Norden bis an das Nogatufer vorgeschobener Posten, jedenfalls in früherer Zeit als ein Hauptwartthurm für die Besatzung der Burg, denn man übersieht von seinen Zinnen die ganze Gegend bis nach Danzig und Elbing, und der schweifende Blick wird nur gehemmt durch die hellglänzenden, sandigen Dünen der Ostsee. Diesen Thurm sollen die Freiköllmer von Lichtenau zur Strafe haben bauen müssen, und zwar soll sich dies so zugetragen haben:
Die Lichtenauer hatten den guten Landesherrn schon oft durch ihre Tollheiten geärgert. So hatten sie eines Nachts einen Bettelmönch [416] betrunken gemacht, dann sämmtliche Lichter in der Zechstube ausgelöscht und vor der Thür einen Sack aufgehängt. Als nun der fromme Bruder durch einen Heidenlärm aus dem Schlafe aufgeschreckt, noch trunken von Wein und Schlaf, zur Thür hinauseilen wollte, fiel er gerade in den Sack hinein, welcher von den harrenden Schelmen sofort zugebunden und in den Rauch gehangen wurde. Als Bedingung der Befreiung wurde ihm die Aufgabe gestellt, Eier zu legen und selbst aufzuessen, wahrscheinlich um ihm vor die Seele zu führen, wie viel schwerer es sei, Eier und dergleichen zu verdienen, als zu erbetteln. Zum Glück erbarmte sich ein frommes Mütterlein des jammernden Mönches, steckte ihm durch ein Loch im Sack einige Eier zu und gab ihm so zum nicht geringen Erstaunen und Ergötzen der gottlosen Bauern Gelegenheit, die ihm gestellte schwierige Aufgabe zu lösen. Dies Stückchen hatte ihnen wohl gefallen, denn bald nachher machten sie einen bettelnden Jacobsbruder, der mit Pilgermuscheln behangen als Bußprediger nach Lichtenau kam, ebenfalls im Kruge betrunken. Als nun der fromme Pilger in seiner Weinlaune heftig auf die argen Sitten der Bauern zu schelten begann und als einzige Möglichkeit der Absolution die Verabreichung eines guten Bratens bezeichnete, banden sie ihn an einen Bratspieß und begannen, den schreienden Bußprediger am Feuer zu drehen. Sie hätten ihn auch wohl wieder losgebunden, zum Unglück kam aber während dieser originellen Belustigung ein Hase durch die Hinterpforte in die Küche gesprungen, um zur Vorderthür wieder hinauszuhuschen, ein Ereigniß, welches das ganze Personal zu einer lustigen Jagd hinaustrieb. Als man in die Küche zurückkehrte, war der vergessene Jacobsbruder todt.
Heutzutage würden solche Streiche von dem Herrn Staatsanwalt wohl nicht übersehen werden, vielmehr mit einer schlimmen Lection im Zuchthause enden, damals gehörten jedoch solche Ausschweifungen zu den lustigen Schwänken, zu denen der milde Hochmeister höchstens bedenklich lächelnd den Kopf schüttelte, wenigstens geschah den wohlangeschriebenen reichen Lichtenauern, welche immer pünktlich ihren Zins und wohl noch etwas darüber zahlten, damals noch nichts.
Auch später, als sie einen Kesselflicker auf drei Tage in den Cadaver eines gefallenen Pferdes einnähten, so daß nur der Kopf heraussah, und als sie den Pfarrer zu einem angeblichen Kranken riefen, nachdem sie ein mit Bier betrunken gemachtes Schwein in das Bett gelegt hatten, wollte es der gute Fürst nur bei einem ernsten Verweise bewenden lassen und beauftragte mit der Ertheilung eines solchen den damaligen alten Hauscomthur in dem noch jetzt blühenden freundlichen Städtchen Neuteich, Andreas von Weitzeln, welcher auch mit vier Knechten nach Lichtenau ritt, um den fürstlichen Befehl auszuführen. Aber der kam ganz übel an, denn die Lichtenauer bohrten ein Loch durch die Stubenthür, zogen den langen Bart des greisen Comthurs hindurch und nagelten denselben auf der Innenseite fest. Da stand nun der ehrwürdige Herr, verlassen von seinen eilig entflohenen Knechten, stundenlang, bis endlich der Hochmeister einen ganzen Haufen Bewaffneter zum Entsatz schickte. Nun wurde strenges Gericht gehalten, es setzte harte Kämpfe, und mancher übermüthige Lichtenauer mußte sein Leben lassen. Die Haupträdelsführer wurden nach Marienburg geführt, und dort mußten sie den Buttermilchsthurm bauen, so genannt, weil ihn Hände aufrichteten, welche sich sonst mit der Bereitung von Butter und Buttermilch befaßten. Auffallend ist es, daß dieser Spottname erst viel später in den Chroniken auftaucht, denn der Thurm heißt in früherer Zeit stets der „schiebelichte“, von seiner kreisrunden Form. Es ist deshalb auch nicht unwahrscheinlich, daß der jetzige Name erst später entstanden ist, und zwar in Folge nachstehenden Vorfalles:
Zu der Zeit, als die polnischen Starosten in Marienburg residirten, sandte der Woywode Stanislaus Kostka hinaus nach Lichtenau, mit dem Ersuchen um ein Mäßchen guter Buttermilch. Die auch damals noch immer nicht gedemüthigten Freiköllmer sandten aber zum Hohn einen Oxhoft voll des Verlangten und ließen dies ungeheure Quantum durch eine besondere Deputation ihrer angesehensten Mitglieder überreichen. Diesen offenbaren Mangel an Ehrerbietung nahm der Woywode aber doch sehr übel und er ließ die Deputirten mit sammt der Buttermilch in den Thurm auf so lange einsperren, bis sie das große Faß geleert haben würden. Davon wird wahrscheinlich der Name herrühren, und es dürfte auch die Vermuthung wohl nicht zutreffen, daß der Kalk zum Bau des Thurmes mit Buttermilch angemacht gewesen ist.
Der Buttermilchsthurm steht noch heute mit einer Inschrift, welche der jetzt in Frankreich für das Vaterland gefallene verdienstvolle Ingenieurhauptmann von Gayl hat anbringen lassen; auch die Lichtenauer leben noch in wohlverdientem, großen Wohlstande auf ihren freien kulmischen Hufen, aber die Zeiten und die Sitten haben sich geändert, und es giebt keine Lichtenauer Streiche mehr.
Für die Verewigung des alten Bauwerkes sorgt die moderne Fortification, welche denselben mit dem Brückenkopfsystem an der neuen, über die Nogat führenden Eisenbahnbrücke in Verbindung gebracht hat. Vor uns sehen wir ihn im Bilde, aber wer Gelegenheit hat, mit dem liebenswürdigen Vorstande der uralten, von Winrich gestifteten Marienburger Schützengilde bekannt zu werden, der lasse sich den silbernen Humpen zeigen, den der von Pietät für das Alte und Gute erfüllte kunstsinnige König Friedrich Wilhelm der Vierte am 10. Juli 1854 bei Gelegenheit des fünfhundertjährigen Jubiläums der Gilde schenkte. Dieser Becher hat die Form unseres Buttermilchsthurmes und sein Inhalt faßt ein Quart Wein. Bei frohen Festen der Schützenbrüder kreist der Pocal von Mund zu Mund, und der Schreiber dieser Zeilen hat auch schon mit daraus getrunken.
[417]
Es ist eine erfreuliche Ueberraschung, daß die Deutschen mit ihrer alten Reichsstadt Metz sich zugleich den ältesten deutschen Kaisermantel zurückerobert haben. Schon seit Jahrhunderten wird nämlich in der Kathedrale zu Metz der Kaisermantel Karls des Großen aufbewahrt, doch läßt sich das Jahr, in welchem derselbe diesen Platz einnahm, nicht genau angeben, da während der Revolutionszeit die Documente, welche darüber Aufschluß geben könnten, theils abhanden gekommen, theils verbrannt sind. So viel steht aber fest, daß derselbe für Karl den Großen, also in der Zeit von 768 bis 814 angefertigt wurde, jedoch von welchem Künstler, läßt sich leider nicht ermitteln; ein solches Alter wird demselben auch in einigen Geschichtswerken und namentlich in der Chronik von Metz von Emile Régin beigelegt und erzählt, daß Karl der Große diesen Mantel in Metz, wo sich derselbe öfter aufhielt, bei Festlichkeiten und wahrscheinlich auch bei seiner Krönung getragen habe. Schon die eigenthümlich steifen Linien in der Zeichnung der Reichsadler und sonstigen Verzierungen, sowie die Ausführung der Stickerei selbst charakterisiren das Ganze als einem früheren Zeitalter, der Periode der Entwicklung der romanischen Kunst angehörend, und endlich die verblichenen Farben des Originals lassen mit Bestimmtheit auf dieselbe Zeit schließen.
Die Copie des Mantels ist vierzehn Mal kleiner als das Original und giebt genau die Contouren der Stickerei wieder. Das Oberzeug des Mantels besteht aus einem Gewebe von ziemlich starker purpurrother Seide, auf welche, wie die Zeichnung zeigt, vier große deutsche einfache Adler, in ihren Flügeln die verschiedenen Reichsabzeichen haltend, aufgestickt sind. Sämmtliche Stickerei besteht aus Borden, welche aus gelber Seide und Goldfäden höchst unvollkommen gewirkt, in verschiedenen Nüancen durch grüne und blaue, zum Theil weiße Seidenfäden eingefaßt und dann mittelst rother Seide durch Heftstiche auf dem Purpur befestigt worden sind. Etwa fünf Jahrhunderte später, nach der Zeit der Kreuzzüge, erlitt der Mantel, dessen ursprüngliche Form ein halbes symmetrisches Achteck war, wie auf der Zeichnung durch Linien angedeutet ist, eine Veränderung dahin, daß man die Ecken wegschnitt und ihm die Form eines Halbkreises gab. Außerdem wurde der Mantel mit blauer Leinwand gefüttert und an der geraden Seite, auf der Zeichnung ebenfalls durch eine Linie angedeutet, mit einer Guirlande von Heiligenbildern besetzt, welche jedoch ohne Werth sind und dem Mantel nur den Charakter eines Chormantels geben. Endlich wurde der heilige Mantel der äußern Welt ganz unbekannt und in einem dazu gefertigten Kasten in der großen Sacristei der Kathedrale als Reliquie aufbewahrt.
Zu Anfang des Jahres 1866 wurde nun dieser Mantel durch einen Herrn von Ligny für den Kaiser von Oesterreich photographirt und von einer eingehenden Beschreibung des heraldischen Schmucks begleitet. Unsere Abbildung verdanken wir der Güte eines zur Fortification in Metz commandirten deutschen Pionier-Gefreiten, Herrn Julius Laube, dem dazu das Original vom Bischof bereitwillig zur Verfügung gestellt worden war.
[418]
Den Tag der Eröffnung des Deutschen Reichstages, den 21. März 1871, feierte ich an der Stelle, wo vor neununddreißig Jahren die großartige Kundgebung des deutschen Volkes für die Einheit Deutschlands stattgefunden, auf dem Schlosse zu Hambach in der bairischen Rheinpfalz.
Meine Wanderung durch die Städte und Ortschaften des herrlichen Ländchens, durch Speyer, Dürkheim, Forst, Deidesheim und Neustadt war ganz geeignet, mich auf einen Festtag vorzubereiten, denn von Wimpeln und von Flaggen voll waren alle Straßen für den folgenden Kaisers-Geburtstag. Die kleinste Hütte demonstrirte. Kein Wunder! Welches Land hätte mehr Ursache gehabt, seiner Freude Ausdruck zu verleihen, als die seit zwei Jahrhunderten von den Franzosenkriegen heimgesuchte, vor hundertachtzig Jahren von Melac’s Händen mit Feuer und Schwert verwüstete Pfalz!
Wohl mochten die sauberen Heldenthaten der grande nation viel beigetragen haben zur Befestigung einer grunddeutschen Gesinnung in dem Lande, das, ehedem hart an der Grenze, allen Invasionen preisgegeben, jetzt durch das Vorland Elsaß vor den ersten Stürmen geschützt ist. Jedesmal, wenn ein Regierungswechsel in Frankreich die Hoffnung auf eine bessere politische Gestaltung Deutschlands neu belebte, nach der Juli-Revolution von 1830 und der Februar-Revolution von 1848, stand die Pfalz im Vordertreffen des Kampfes um die deutsche Einheit. Im Jahre 1832 feierte sie das Hambacher Fest, im Jahre 1849 erhob sie sich zu Gunsten der Idee, die mit der Ablehnung der Kaiserwürde Seitens des Königs von Preußen damals zu Grabe getragen wurde.
Jetzt stand ich auf der Tribüne, auf einem natürlichen Katheder, gebildet von einem Reste der Umfassungsmauer des durch Kaiser Heinrich den Zweiten erbauten Bergschlosses, „die Kesten- oder Kastanienburg“, auf welcher am 27. Mai 1832 die Redner zu dem aus allen Gauen Deutschlands, aus Frankreich und Polen etc. herangeströmten Volke gesprochen. Ein wetterharter Greis, der Förster von Hambach, der als Jüngling die erhebende Feier mitgemacht, zeigte mir das Plateau, auf welchem dichtgeschaart dreißigtausend Menschen den Worten der begeisterten Volkstribunen gelauscht. Von der ehemaligen Kanzel der deutschen Einheit sah ich über hundert Städte und Ortschaften und noch fast ebensoviele hätte ich sehen können, wäre mein Auge durch ein Fernrohr verschärft gewesen (berichtete mir der alte Jäger). „Der Festzug,“ fügte er hinzu, „war so lang, daß die ersten Fahnen schon hier am Fuße des Schlosses wehten, als die letzten Bannerträger noch nicht das eine halbe Stunde entfernte, unten im Thal gelegene Neustadt verlassen hatten.
An der Feier den Maifestes betheiligten sich eine Menge der besten deutschen Patrioten, welche nachher im ganzen Vaterlande mit Ruhm genannt wurden[2], unter Führung des Advocaten J. G. A. Wirth und Siebenpfeiffer’s.
Viel feurige Reden wurden gehalten; es sprachen deutsche, französische und polnische Theilnehmer. Letztere kamen als Flüchtlinge aus ihrem eben damals beendeten heldenmüthigen Revolutionskampfe. Die Polizei des Deutschen Bundes nahm sämmtliche Redner gefangen; Wirth und Siebenpfeiffer kamen vor die Assisen zu Landau, und hier war es, wo Wirth seine berühmte achtstündige Vertheidigungsrede hielt, die ein Nichtschuldig zur Folge hatte. In dieser Rede, welche in mehr als dreißigtausend Exemplaren durch ganz Deutschland kam, finden wir die Grundzüge der ganzen volkswirthschaftlichen Bewegung, der wir heute die Genossenschaften verdanken, vor vier Jahrzehnten schon vorgezeichnet. Die Geschworenen, aus einer halben Million von der Regierung ausgesucht, zerflossen in Thränen; ja, als der Opfer des Volkes in den Befreiungskriegen gedacht wurde, da rannen die Zähren der Richter und selbst des Festungscommandanten.
Ja, Wirth war ein Volkstribun im edelsten Sinne und ideal begeistert für die Idee der deutschen Einheit und Freiheit. Manch wackeren Kämpen rief die Revolution von 1848 nach ihm in die Arena, aber Keiner erreichte ihn und seine Heldengröße. Er hatte seiner einträglichen Stellung als Advocat entsagt, um in der Presse für seine Ideale zu wirken; er entsagte als Journalist einer reich dotirten Anstellung, als ihm die Aufnahme officiöser Artikel angesonnen wurde; er gründete ein unabhängigen Organ, die „Deutsche Tribüne“, und erwehrte sich in derselben aller Hemmnisse der Censur; er erlitt die unerhörtesten Verfolgungen und setzte bis zum letzten Athemzuge den harten Kampf fort, ohne jemals von der einmal betretenen Bahn zu weichen. Und wie wurde ihm mitgespielt!
Wirth redigirte seine „Tribüne“ auf Grund eines bairischen Gesetzes, das nur für auswärtige Angelegenheiten Censur vorschrieb; er druckte seine Aufsätze über innere Zustände, auch wenn der Censor sie gestrichen hatte. Da gebrauchte die Polizei Gewalt – sie schritt zur Versiegelung der Presse. Aber weder in Homburg (wo die „Tribüne“ erschien), noch in Kaiserslautern und Zweibrücken fand sich ein Schlosser, der gegen den beim ganzen Pfälzer Volke hochverehrten Redacteur einschreiten wollte. Die Polizei, in Verzweiflung, holte ein paar Verbrecher aus dem Gefängnisse und schenkte ihnen die Strafe, damit die Presse der „Tribüne“ unschädlich gemacht werden konnte. Wirth druckte dennoch weiter, bis man ihn selbst unschädlich machte und zu zweijähriger Zuchthausstrafe nach Kaiserslautern transportirte. Auf dem Wege dahin machten drei Studenten einen Befreiungsversuch. Wirth hätte mit ihrer Hülfe entfliehen können, aber er verschmähte die Flucht. Da schoß einer der jungen Leute thörichter Weise auf die Häscher, traf aber den Gefangenen und dieser mußte vier Wochen das Krankenlager hüten!
Mit der zweijährigen Verbrecherhaft begnügte sich die Polizei noch nicht; sie fügte auf Grund einer Revision des Processes noch Festungshaft in Passau und dann Polizei-Aufsicht in Hof, der Heimath des Verfolgten, hinzu – bis dieser sich der unerträglichen Quälerei entzog und auf französisches Gebiet, nach Weißenburg, übersiedelte. Hier edirte er zwei Jahre lang die Zeitschrift „Braga“; dann 1840 und 1841 in Eimshofen bei Constanz die „Deutsche Volkshalle“. In letzterem Orte schrieb Wirth auch seine „Reform der Criminalgesetzgebung“, sein Buch über die „reformatorische Richtung im sechszehnten und neunzehnten Jahrhundert“ und endlich sein bekanntestes Werk, die „Deutsche Geschichte“.
Das Hambacher Fest ist seiner Zeit und bis zum heutigen Tage falsch beurtheilt worden, man hat, nach dem äußern Eindruck vereinzelter Exaltationen, sowie nach Nebendingen (wir erinnern an die Hambacher Hüte und Hambacher Bärte) das Fest bald als eine republikanische Verschwörung, bald als eine lächerliche Demonstration bezeichnet. Es war aber in Wahrheit das Hambacher Fest die Grundsteinlegung zur Einheit Deutschlands, denn vor der ungeheuren Volksmenge aus allen Gauen des Vaterlandes und Angesichts einer aus Frankreich herübergekommenen Deputation erklärte Wirth gegen das damals stark hervortretende Rheingelüste der Franzosen und gegenüber den mannigfachen französischer Sympathien deutscher Theilnehmer, die Volkspartei werde gemeinsam mit den deutschen Fürsten das deutsche Gebiet vertheidigen, und selbst die Freiheit sei ihr zu theuer, wenn sie mit einer Schmälerung des deutschen Gebietes erkauft werden solle. Wirth hat also den Grundsatz, durch welchen im vorigen Jahre der ganze Süden unser und mit dem Siege die Einheit erstritten wurde, vor vierzig Jahren zuerst ausgesprochen.
Schon allein diese vom Hambacher Feste in’s ganze Volk verbreitete Parole des Patriotismus hätte die Theilnehmer vor allen Verfolgungen schützen müssen, aber weder diese Anregung, noch die ebenfalls auf das Hambacher Fest zurückzuführende der Creirung des deutschen Zollvereins hinderte die Polizei, die Blüthe der edelbegeisterten Jugend durch langjährige Festungshaft zu knicken. In Preußen mußten die „Hambacher“ meistens acht Jahre lang, bis zur Amnestie bei der Thronbesteigung von 1840, in den Festungscasematten schmachten.
Geraume zwei Monate nach meinem ersten Besuche, und zwar diesmal am neununddreißigsten Jahrestage des Festes, am 27. Mai, wiederholte ich denselben in Begleitung einer Anzahl junger Männer, die der Zufall mir in Neustadt beigesellte. Mehrere unter ihnen hatten in Frankreich mitgekämpft, aber kaum Einer wußte von dem nahen Zusammenhange der alten Pfälzer Bergveste mit den großen Ereignissen der neuen Zeit. Was [419] Bädeker über die Kestenburg berichtet, hatte uns ein geschichtskundiger Gast in der Weinstube vervollständigt durch die historische Notiz, daß es das Hambacher Schloß gewesen, von welchem aus Heinrich der Vierte seine Bußwanderung nach Canossa angetreten. Daß König Max der Zweite von Baiern, dem die Pfälzer einst die Ruine geschenkt, sie aufzubauen begonnen, bis er inne wurde, daß die Stelle gar sehr dem scharfen Winde ausgesetzt ist, hörten wir ebenfalls hervorheben.
Die Jugend vor neununddreißig Jahren hat den scharfen Zug nicht gefürchtet, der um die erste Tribüne der deutschen Einheit wehte. Meine jungen Begleiter erkannten gern an, daß heut zu Tage die Ideale lange nicht mehr so mächtig wirken. Als ich ihnen die Leiden Wirth’s erzählte, als ich seines wackeren Mitkämpfers Siebenpfeiffer, des nicht minder hart verfolgten und in der Verbannung gestorbenen Patrioten, gedachte, bemächtigte sich ihrer Aller eine nachhaltige Rührung. Wenn die wackeren Leute unsere Erfolge erlebt hätten! hieß es. Wirth hat nur das erste Wiederaufflackern seiner Ideen erlebt, er starb im Juli 1848 als Parlamentsmitglied zu Frankfurt – Siebenpfeiffer starb als Professor zu Bern schon im Jahre 1845.
Wir ließen uns auf den Mauerresten nieder, wir lagen im Schatten – hell von der warmen Maiensonne bestrahlt lag zu unseren Füßen die Perle in der deutschen Kaiserkrone, die alte herrliche Pfalz. Einer von den jungen Kriegern, ein Heidelberger Student, erzählte von den Siegen in Frankreich; er war bescheiden genug, mit keiner Silbe seiner selbst zu erwähnen, und ich mußte von den Anderen erfahren daß er das eiserne Kreuz habe. Wir priesen die deutsche Tapferkeit.
„Und nun lassen Sie uns“, nahm ich das Wort, „auch der Kämpfer gedenken, die den großen und gewaltigen Sieg vorbereiten halfen. Der Staatsmann benutzte das deutsche Ideal, die Einheit, als Grundlage seiner Politik, mit dieser Parole und durch dieses Ideal hat das Volk die Siege errungen, auf dem Ideal beruhte die Tapferkeit. Und die Tapferkeit war in gleich hohem Grade bei den Vorkämpfern. Die Männer, die vor vier Jahrzehnten hier zum Volke gesprochen, wußten, was ihrer harrte, ein vorgängiges Verbot des Festes ließ darüber keinen Zweifel. Trotz alledem trugen sie das Ideal in’s Volk hinein frei und begeistert, so daß es zünden mußte, und dann trugen sie, wie wir es an Wirth gesehen, Kerker und Exil standhaft, jede Flucht verschmähend. Das ist auch Heldenthum! Und wenn das deutsche Volk dankbar seiner kriegerischen Führer gedenkt, darf es auch nicht der Vorkämpfer vergessen, der Pioniere seiner Einheit. – Darauf lassen Sie uns einen vollen Becher deutschen Weines leeren!“
Und so geschah es zu Ehren unserer Volkshelden, unserer edelsten Ritter vom Geist!
Ein Stelzfuß. Der Durchzug des fünften Armeecorps hatte sich in Leipzig zu einer wahren Fest- und Freudenzeit gestaltet. Bei Ankunft der vielen Züge standen die Spitzen der städtischen Behörden, sowie die Herren und Damen des Erfrischungs-Comités zu würdigem Empfange bereit; die mitgekommene Militärmusik spielte die vaterländischen Weisen; Rede und Gegenrede wechselten mit donnerndem Hurrahrufe und mit dem Vertheilen von Lorbeerkränzen und frischen Blumensträußen an die Officiere und Mannschaften. Waren nun die Truppen mit Speise und Trank erfrischt, so drängte sich erst das große Publicum herbei, seinen dankbaren Gefühlen Ausdruck zu geben; es zog die Soldaten während der noch übrigen Rastzeit in seine Kreise und an seine Tische, und nun entwickelten sich aus dieser allgemeinen Verbrüderung deutscher Herzen die mannigfaltigsten Bilder einer heiteren und traulichen Gemüthlichkeit, denen immer erst das letzte Signal zur feierlichen Abfahrt ein Ende machen konnte. Bei dieser Gelegenheit wurden wir auch Zeuge einer kleinen Scene, die wohl der Mittheilung nicht unwerth ist.
Die Soldaten waren bereits in ihre mit Blumen und Pfingstmaien geschmückten Wagen gestiegen und harrten an den Fenstern des Abschiedsgrußes. Auf dem Perron stand noch das ganze Officiercorps, der Oberst an der Spitze, der soeben in gemüthvoller Einfachheit seinen Dank ausgesprochen und dem wiedererstandenen gemeinsamen Vaterlande ein Hoch ausgebracht hatte. Da trat aus der in weitem Kreise umherstehenden Menge ein blutjunger Soldat hervor, der schon seit einiger Zeit auf den Promenaden Leipzigs die Aufmerksamkeit der Vorübergehenden erregt, da er den doppelten Ehrenschmuck des Helden, das eiserne Kreuz und leider auch den – Stelzfuß trägt. Er mag wohl in einem der hiesigen Lazarethe seine volle Genesung erwarten. Bescheiden hinkte er jetzt auf seinen früheren Regimentschef zu, legte die Hand an seine Mütze und sagte:
„Sie kennen mich wohl nicht mehr, Herr Oberst?“
Als der Oberst in die leidenden Züge des kaum zwanzigjährigen Jünglings blickte, wurde es dem ergrauten Krieger sichtlich weich um’s Herz, er sah ihn eine Weile still an, legte beide Hände auf seine Schultern und sagte dann mit lauter Stimme:
„Mein Sohn, wie können Sie glauben, daß wir jemals solche Menschen vergessen können! Wir haben Viele Ihresgleichen unter Ihren Cameraden dort, aber was Sie gethan haben, vollbringen oft zehn andere nicht. Die Welt erfährt von solchen Thaten nichts, aber wir Vorgesetzte wissen es. Vergessen Sie nicht, daß Sie an mir einen dankbaren Freund haben. Wo ich Ihnen helfen kann, da wird es noch mit meinem letzten Federstrich geschehen!“
Die Anrede war noch länger und herzlicher, ergriffen und in tiefem Schweigen lauschte die umherstehende Masse den ernsten Worten. Auch der jugendliche Held stand erst einige Augenblicke überrascht und sprachlos vor dem grauen Vorgesetzten, dann aber lächelte er selig und helle Freudenthränen strömten über seine bleichen Wangen. Kein Auge ringsumher blieb trocken, auch die anderen Officiere drückten dem Stelzfuß herzlich die Hände, die Cameraden aus den Wagenfenstern wehten mit ihren Tüchern, jubelnd schwenkte der Gefeierte seine Mütze und unter donnerndem Hurrahruf brauste der Zug voll dannen. Es war ein Vorgang, wie er wohl tausendfach sich jetzt ereignen mag, aber vielleicht nicht immer so öffentlich und eindrucksvoll wie in diesem Falle.
Wackere Landsleute im fünften Welttheile. Mit einer Geldsendung von 150 Thlr. empfingen wir aus Adelaide (Süd-Australien) folgende Zuschrift:
„Eingeschlossen empfangen Sie einen Wechsel von circa hundertfünfzig Thaler, welchen Beitrag unsere deutschen Landsleute in Townsville, Queensland, gesammelt und an uns abgesandt haben, um den Betrag nach bestem Ermessen zu Gunsten der durch den Krieg beschädigten Deutschen zu verwenden.
Wir glauben nun im Sinne der Geber zu handeln, wenn wir Ihnen das Geld zusenden, und möchten zugleich Ihnen einige fernere einschlägige Angaben machen.
In den australischen Colonien und Neuseeland leben zur Zeit etwa fünfzigtausend Deutsche, die sich hier vollkommen eingebürgert haben. Trotz der weiten Entfernung von der alten Heimath drang aber doch die Nachricht von dem Kriege Deutschlands gegen Frankreich, unsere Herzen erschütternd, hierher, und schon gleich im September vorigen Jahres wurden in den Hauptorten aller australischen Provinzen Versammlungen Deutscher gehalten, um Mittel und Wege zu treffen, auch unsererseits zur Linderung der durch den Kampf mit dem Erbfeinde herbeigeführten Noth beizutragen. Hier in Adelaide (Südaustralien) wurde beschlossen, die eingehenden Gelder nach Berlin an das Bundeskanzleramt zu senden, obwohl von mehreren Seiten der Vorschlag laut wurde, die Gaben der ‚Gartenlaube‘ zu übermachen.
Es sind nun von hier aus ungefähr 2000 Pfund St., von Melbourne (Victoria) an 3000 Pfund, von Sydney (New South Wales) fast 1000 Pfund, von Brisbane (Queensland) etwa 600 Pfund und fast ebensoviel von Neuseeland abgesandt, so daß die Deutschen dieses entlegenen Theiles der Erde ca. 40,000 Thaler für ihre leidenden Brüder in der alten Heimath beigesteuert und dadurch documentirt haben, welchen Antheil ihr Herz an dem Geschicke Deutschlands nimmt.
Dieselbe Theilnahme bewiesen sie auch schon früher bei anderen ähnlichen Gelegenheiten. Zum Unterstützungsfonds des schleswig-holsteinischen Krieges sandten die Adelaider Deutschen allein dreitausend Thaler ab. Für die Familien der im Plauenschen Grunde verunglückten Bergleute gingen von hier mehrere Hundert Pfund ab; zum Zöllner-Fonds, für welchen die Adelaider Liedertafel ein sehr gelungenes Concert gab, wurden dreihundert Thaler gesteuert, und mehrere Hundert Thaler erhielt der Fonds der Nordpol-Expedition und das Comité des Humboldt-Denkmals in Berlin.
Ich führe Ihnen, Herr Keil, diese Beiträge nicht deshalb auf, um damit im Namen meiner hiesigen Landsleute zu prahlen; ich weiß aber, daß es Ihnen und auch den Lesern der ‚Gartenlaube‘ Freude macht, wenn Sie hören, wie das Wohl und Wehe der alten Heimath auch die Deutschen in den entlegensten Winkeln der Erde berührt, und ich kann Ihnen die Versicherung geben, daß der Enthusiasmus über die deutschen Siege und die Herstellung des Reiches deutscher Nation unter Kaiser Wilhelm hier jedenfalls ebenso tief gefühlt und freudig begrüßt worden ist, wie nur immer in Deutschland selbst oder an irgend einem andern Orte der Erde, wo Deutsche wohnen.“
Unseren wackeren Landsleuten da drüben besten deutschen Gruß!
Das Grab von Meulan. (Mit Illustration.) Es war ein freundliches Landstädtchen, wahrhaft reizend an einem nach der Seine hin abfallenden Bergabhange gelegen, in welches wir, das heißt das erste Bataillon des schleswig-holsteinischen Füsilierregiments Nr. 86, am 23. März d. J. einrückten. In früheren Jahren mit all seinen Villen und Weinbergen ein beliebter Sommeraufenthalt für zahlreiche Pariser, bot uns Meulan – so hieß das Städtchen – den lange entbehrten Anblick stattlicher Häuser und reinlicher Straßen. Ringsum die Landschaft aber mit ihrem coquetten, echt französischen Charakter präsentiere sich am schönsten von dem oberhalb der Stadt gelegenen Friedhofe, der einen entzückenden Blick über das fruchtbare, an Dörfern und Villen reiche Seinethal bis in die blaue Ferne, bis zu den sich scharf am Horizont abhebenden Höhenzügen gestattete, aus denen ein geübtes Auge sogar unsern alten Freund, den Mont Valerien, zu erkennen vermochte, dessen Kanonen im Augenblicke, da ich diese Zeilen [420] an Sie schreibe, noch immer ihren ehernen Mund geöffnet halten und zwar diesmal im Dienste des Brudermordes.
Es ist begreiflich, daß wir unter solchen Umständen gleich in den ersten Tagen unseres Hierseins den friedlichen Leichenacker zum Lieblingsziel unserer Ausflüge machten. Und siehe, der Friedhof dort oben bot uns bald ein Moment von noch viel wichtigerem Interesse, als uns die Einwohner von Meulan erzählten, dort oben sei ein vaterländisches Grabmal, das Grabmal eines in den Befreiungskämpfen gefallenen preußischen Officiers; dieser Officier, vor Versailles im Jahre 1815 zum Tode in die Brust verwundet, sei kurz darauf verschieden und seine zuerst auf der Wahlstatt beerdigte Leiche sei später in voller Uniform hierher übergeführt und beigesetzt worden.
Man suchte und fand in dem östlichen, für Protestanten und Nichtkatholiken bestimmten Theile des Friedhofes einen zerfallenen, von der langen Zeit schon arg beschädigten Leichenstein, der wirklich das Grab des Reiterofficiers August von Crayen, Rittmeisters im brandenburgischen Husarenregimente, bedeckte. Die französisch abgefaßten, theilweise erst nach gründlicher Reinigung des Steines von Moos und Unschlitt erkennbaren Inschriften lauteten, wie folgt. Auf der Frontseite des Steins:
Auf der Kehrseite des Steines stand:
Von nun an wurde der stille Winkel des Friedhofs von Meulan zum Wallfahrtsort für deutsche Krieger und ein Jeder von uns beschaute den verwitterten, tief in den Rasen gesunkenen Gedenkstein eines vergessenen Freiheitskämpfers.
Bald genug aber regte sich in dem deutschen Officiercorps der natürliche Wunsch, dem arg verwahrlosten Grabhügel ihres Cameraden eine würdigere Form zu geben, und Premierlieutenant Fahrenkamp, der Führer der zweiten Compagnie, erklärte sich auf Ansuchen bereit, die Leitung des Ganzen zu übernehmen. Am 6. April war die Wiederherstellung des Gedenksteins, die durchaus von Soldaten der vierten Compagnie in die Hände genommen worden war, vollendet, und als gegen Mittag in Anwesenheit des gesammten Officiercorps, zahlreicher Füsiliere und sogar vieler Einwohner von Meulan die Einweihung des Grabmals vor sich ging, stand dieses, mit Blumen geschmückt, in verjüngter Gestalt da; auf den erneuten Aufsätzen der Aschenurne aber war zu lesen: „Renovirt (1871) vom ersten Bataillon des schleswig-holsteinischen Füsilier-Regiments Nr. 86“ und daneben waren die Insignien angebracht, welche die Brust des braven Todten bei seinen Lebzeiten geschmückt hatten. Gesang und Choralmusik begleiteten die ernste Feier der Einweihung – von dem Thurme des französischen Friedhofes aber läuteten dazu die Kirchenglocken, indeß zu gleicher Zeit das dumpfe Rollen der Kanonade von Paris aus der Ferne vernehmbar ward.
Das Berner „Bureau Felicitas“. Unsere in Nr. 22 ergangene Aufforderung zu Erfahrungsberichten über das so geheimnißvoll sich ankündigende „Bureau Felicitas“ in Bern hat uns eine wahre Sturmfluth von Zusendungen zugezogen, so daß wir nunmehr dringend bitten müssen: damit Einhalt zu thun! –
Die Papiere, welche den Bewerbern, nachdem sie ihrem Achtgroschenbriefe noch die vier Risico-Thaler nachgesandt haben, verabfolgt werden, bestehen in
- 1) den „Statuten des concessionirten Central-Bureau ‚Felicitas‘ für Güter-Ein- und Verkäufe und Heiraths-Vermittelungen in Bern“. Damit ist der Zweck des Unternehmens klar ausgesprochen;
- 2) einem „Decret“ der Anstellung;
- 3) Instruction für die Herren Assistenten etc., welche diesen namentlich zusichert, daß sie nach hundert vermittelten und realisirten Verträgen eine Pension von jährlich sechshundert Thaler auf Lebenszeit erhalten sollen. – Die übrigen Papiere sind Geschäfts-Formulare für die beiden Hauptbranchen des Unternehmens.
Nur Einer der Betheiligten ist sofort an die rechte Schmiede gegangen, insofern er sämmtliche Felicitas-Papiere an den Vertreter des deutschen Reichs in Bern einsandte und diesen um Aufschluß über die Sache ersuchte. Auf Veranlassung der kaiserlich deutschen Gesandtschaft gab der Regierungsstatthalter von Bern folgende Erklärung:
„In Beantwortung Ihrer Anfrage vom 14. dieses Monats habe ich die Ehre Ihnen zu berichten, daß gegen die Firma ‚Felicitas‘ resp. Faulmann u. Co. (Sachse u. Co.) eine ausgedehnte Untersuchung wegen Prellerei durch das hiesige Untersuchungs-Richteramt geführt wird, deren Resultat abzuwarten ist.“
Das wollen auch wir in dieser Angelegenheit thun und hoffen unsern Lesern das Endergebniß recht bald mittheilen zu können.
gingen ferner ein: O. V. P., deutsche Gouvernante in Moskau 5 Rubel; Dr. Möbius in Grünberg (Darmstadt) Vergleichsvertrag 2 Thlr. 23 Ngr. 7 Pf.; P. u. H., Sammlung deutscher Handwerker in Gothenburg 98 Thlr.; Schule zu Erder 3 Thlr.;
Vom Nord, vom Süd, vom Ost, vom West
Kein Deutscher von dem Andern läßt.
3 Thlr.; J. S. in S. 1 Thlr.; A. E. in Prag 5 fl.; S. Hochgesang in Ohrdruff 1 Thlr.; eine Hamburgerin in St. Petersburg 10 Rubel; kleine Gesellschaft in Goebitz 1 Thlr.; aus dem goldenen Ring 1 Thlr.; ein Gefreiter, der seinen Civilverhältnissen wiedergegeben, 1 Thlr.; weiterer Reinertrag des Gedichts „Deutschlands Fürbitter von M. Paar“, durch Luckhardt in Leipzig 23 Thlr. 10 Ngr.; H. Weissert in Drontheim 1 Thlr. 15 Ngr.; erste und zweite Mädchenclasse in Dohna 2 Thlr.; Gesangverein „Concordia“ in Guntersblum 14 Thlr. 9 Ngr.; Angeline Frick u. Isabella Müller in Pest, Ertrag einer Lotterie 10 Thlr.; aus Tammick, von W. W. – Mühlhausen – Delles u. Hausen 10 Rubel; von der Landbauerngemeinde Scharosch bei Großschenk (Siebenbürgen) 11 fl. 50 kr., und vom Leseverein in Scharosch 16 fl. 50 kr., durch Pfarrer Capesius; von einem Sachsen in Siebenbürgen 1 Thlr. 24 Ngr.; die deutsche Quartett-Fraternity in London 5 Pfd. Sterling; deutscher Arbeiterverein in Chur (Schweiz) 110 Frcs. oder 29 Thlr 19½ Ngr.; Ueberschuß bei der Friedensfeier in Rochester, durch H. Engler 44 Thlr.; Graf B. v. D. I. in A. 5 Thlr.; vom Ballcomité in Edelény bei Miskólcz (Ungarn) 40 fl.; Sänger des Liederkranzes in Leisnig 15 Thlr.; Lehrer Fink in Kronstadt 5 fl.; für unnütz gesprochene französische Worte von M. K. u. M. W. 1 Thlr.; von einer Frau in Riga 9 Thlr.; F. R. in Schweden 1 Thlr.; Ruick u. Frau in Newark 5 Dollars; Paul Kiusz in Friedrichshafen 20 Ngr.; Föckerer in Laufen 2 Thlr. 26 Ngr. 3 Pf.; G. Höpfner in Kirchdrauf (Ungarn) 5 Thlr.; Ertrag einer Kegelpartie von V. S. und W. C. 5 Rubel u. 1 Thlr.; Turnverein in Birmingham 73 Thlr. 15 Ngr.; Collecte der Unterofficiere der elften Compagnie des 3. schlesischen Infanterieregiments Nr. 83 in Romainville bei Paris 7 Thlr.; evangelische Gemeinde in Scharosch (Siebenbürgen) durch Pfarrer Müller 20 fl.; der deutsche Verein in Amsterdam 475 fl. n. 1 Thlr.; von einigen Deutschen in Zanesville (Ohio) 220 Thlr.; Schlußresultat der Thätigkeit des deutsch-patriotischen Vereins in Lyons u. Umgegend 166 Thlr. 15 Ngr.; Sammlung der Deutschen in Townsville (Süd-Australien) durch Redacteur Eggers in Adelaide 150 Thlr.; vom Präsidenten der Antwerpener Liedertafel: Collecte bei dem Feste der Friedensfeier 302 Thlr. und von einigen Deutschen in Antwerpen bei Gelegenheit eines Abendessens 8 Thlr.; Ertrag einer Kinderlotterie in Mailand, durch Herrn H. Meyer und Comp. dort 290 Francs 70 Cent.; zwölf Deutsche in Chihuahua in Mexico 1033 Thlr. 25 Ngr.
Durch die neuerdings eingesandten reichen Beiträge unserer braven Landsleute hat die Sammlung der Gartenlaube den Gesammtbetrag von
- ↑ Vorlage: „anch“
- ↑ Die Gartenlaube hat noch jüngst Jacob Venedey als einen hervorragenden Theilnehmer am Hambacher Feste bezeichnet.