Die Gartenlaube (1873)/Heft 41

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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum: 1873
Erscheinungsdatum: 1873
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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No. 41.   1873.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 16 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.


Künstler und Fürstenkind.

Von August Lienhardt.
(Fortsetzung.)

Die Aufregung schleuderte mir die Feder aus der Hand – jetzt bin ich ruhiger und fahre in der Erzählung fort.

Seit gestern, wo sich das Alles zugetragen, habe ich kein Wort vernommen, welches mir über Hedwig, über den Herzog Kunde gebracht hätte. Ist es nicht natürlich, daß ich wähnen muß, mein guter Genius habe die Fackel gelöscht, und den bösen Geistern der Unterwelt, des Lasters, sei Macht über mich gegeben? Noch gestern eilte ich zweimal zu Werdau, um mein Wort zurückzufordern – beide Male: Nicht zu Hause! Als ich heute Morgen wieder kam und der Diener Miene machte, dieselbe Antwort zu geben, warf ich ihn über den Haufen und trat ohne Weiteres in das nächstliegende Zimmer.

Auf dem Sopha ausgestreckt, eine Cigarette im Mund, die Morgenzeitung in der Hand, lag Werdau da. Bei meinem stürmischen Eintreten sah er auf, und ehe ich sprechen konnte, rief er mir entgegen:

„Ah, herrlicher Junge! Haben sich vortrefflich gehalten, auf Ehre. Ihr point d'honneur ist über alle Zweifel erhaben. Bitte, setzen Sie sich! Ich werde mir eine Ehre daraus machen, mit einem so braven Cameraden Brüderschaft zu trinken!“

Gottfried! Ich riß ihm das Zeitungsblatt weg, mit dem er das Gesicht halb bedeckte, und forderte in so wenig Worten als nur möglich mein Ehrenwort zurück, da ich es haben mußte, um mich bei den sich schändlich betrogen Glaubenden zu rechtfertigen.

„Und wenn ich Ihnen Ihr Ehrenwort nicht zurückerstatte?“ versuchte er leichthin zu fragen, doch las ich die Angst auf seinem Gesichte. Er wollte sich vergewissern, ob mein Schweigen sicher, ehe er wagte, sich zu weigern.

Mit übermenschlicher Kraft hemmte ich meine Wuth und trat vor ihn hin, der jetzt aufgestanden war. Beide Augen fest auf die seinen gerichtet, sprach ich, langsam jedes Wort betonend: „Für Sie giebt es kein Wenn mehr! Mein leichtsinnig gegebenes Wort habe ich in der gestrigen Stunde gesühnt, jetzt bleibt Ihnen nichts mehr zu thun, als es zu meiner Rechtfertigung mir zurückzugeben; Sie haben mir die Achtung derjenigen Menschen geraubt, an deren Achtung mir auf Erden am meisten liegt, haben meinem Namen einen Flecken angehängt, an dessen Folgen ich vielleicht für immer zu büßen habe. Sie können nicht die Niederträchtigkeit so weit treiben, Ihr schändliches Spiel fortzusetzen. Daß Sie es wissen, meine Name, meine Ehre, mein Leben hängt daran,“

„Regen Sie sich nicht so auf, junger Mann, und hören Sie jetzt mich! Ich habe meinem Onkel das Bild als gekauft überreicht; noch an demselben Tage ließ er ein Testament anfertigen, in dem ich als Universalerbe seiner Güter und Titel eingesetzt bin und das schon sicher deponirt ist. Erfährt der gute Mann nur ein Wort der ganzen Geschichte, so ist es für immer mit mir aus. Er wird mich nicht nur enterben, sondern auch die jährlichen Zuschüsse, deren ich nicht entrathen kann, einstellen. Also ist meine Zukunft, natürlich mein Name, meine Ehre, vielleicht mein Leben hier auch im Spiele. Nun frage ich Sie – die Thatsache, daß Jeder sich selbst am nächsten steht, ganz bei Seite lassend – ich frage Sie, bei wem geht der Welt mehr verloren? Wird sie länger trauern um Walter Impach, Maler, oder um Oscar, Graf von Werdau? Sollten Sie auch nicht ganz einsehen, daß hier das Vorrecht auf meiner Seite liegt, so werden Sie sich der Nothwendigkeit fügen, die dadurch hervorgebracht, daß ich mich zur Zeit vorsah und eben deshalb Ihr Ehrenwort verlangte, weil ich früher oder später die gestrige Katastrophe erwartet. Warum gerade jetzt schon dieser verfluchte Pathe von den Kaffern in Afrika kommen mußte, um unser Spiel zu verderben, frage ich mich allerdings jetzt noch. Und weshalb Sie zugaben, daß die Copie von Ihnen, werden Sie mir besser sagen können, als ich Ihnen.“

Ich stand sprachlos; sollte ich staunen über seine Unverschämtheit, meine Wuth meiner Herr werden lassen? Jetzt trat er zum Fenster, sah einige Augenblicke hinaus, dann mit den Fingern auf die Scheiben trommelnd und nach rückwärts blickend, sprach er:

„Wenn meine Argumente Sie noch nicht überzeugt, so will ich noch ein Wort sprechen, dem Sie gewiß nicht widerstehen. Sie zeigten stets Freundschaft für Prinzessin Hedwig. Nun denn, beweisen Sie, daß diese Freundschaft auch Proben bestehen kann. Nehmen Sie mir Ehre und Vermögen, so rauben Sie ihr den Gatten. Denn ihr das zu werden, war mein Vorsatz. Halten Sie Ihr Wort Hedwig zu Liebe! Und dann vergessen Sie doch nicht, daß ich ja von Ihnen nichts umsonst verlange. Ich stehe dafür ein, daß Sie von Herzog Ernst nicht behelligt werden, und will Sie königlich belohnen, wenn Sie ferner schweigen – will für immer Ihr Glück machen. Ich trete Ihnen mein halbes Vermögen, über das ich gegenwärtig frei verfügen kann, ab – im Betrag von dreißigtausend Thalern.“ Er sprach das nachdrucksvoll, jedes Wort betont mit dem Ausdruck der Siegesgewißheit.

Gottfried! Ich hielt mich nicht länger. Wo wäre auch der [660] Mensch, dem bei solchen Worten nicht die Geduld risse? Für Alles konnte ich ihn mit Verachtung strafen – auf solchen Hohn gehörte eine andere Erwiderung. „Auf alle Ihre Sophismen und Beleidigungen, Herr Graf, habe ich nur eine Frage: Wollen Sie mir augenblicklich mein Wort zurückgeben?“

„Ich müßte des Teufels sein, wenn ich es thäte!“ war seine freche Antwort.

„Dann sind Sie ein doppelter Schurke!“

„Noch ein Wort!“ schrie Werdau auffahrend, „und ich lasse Sie von meinem Bedienten hinauswerfen.“ Er wollte zum Schellenzug springen. Ich aber trat ihm mit gehobener Faust entgegen.

„Noch einen Schritt, und ich schlage Sie zu Boden, Elender! Eigentlich haben Sie das Recht des Edelmannes verscherzt, aber in meiner entsetzlichen Lage bleibt mir nichts übrig, als über Ihre Niederträchtigkeit hinweg zu sehen. Ich werde Ihnen sofort meine Secundanten schicken.“

„Bilden Sie sich ein,“ rief der Schamlose, „daß ein Kleckser wie Sie einem Edelmanne satisfactionsfähig sei?“

„Wenn Sie nicht wollen, daß ich Sie wie einen Hund auf offener Straße durchpeitsche, so werden Sie wohl daran glauben müssen.“

Diese Worte, mit vor Wuth bebender Stimme herausgestoßen, fruchteten.

„Das werden Sie mit dem Leben bezahlen,“ knirschte Werdau, nun seinerseits todtenblaß geworden, „ich erwarte Ihre Cartellträger noch heute.“

„Das ist auch das Einzige noch, was Sie von mir zu fordern haben!“

Mit diesen Worten entfernte ich mich, um sofort die nöthigen Schritte zu dem Gange auf Leben und Tod einzuleiten. Wenn ich falle, mein Herzensfreund, dann eile sogleich hierher, um Hedwig meine Unschuld darzulegen. Ich werde mein Testament, in welchem ich Dich zum Universalerben einsetze, nebst einem letzten Wort an sie bei Gericht deponiren. Du hörst bald oder nie mehr von Deinem
Walter.     


15.


Theurer Gottfried!

Ob das Schicksal mich zu neuen Leiden aufgehoben, oder ob mir noch ein Stern der Erlösung aufgehen soll, wer weiß es – genug, ich bin heute im Stande Dir zu schreiben, weil ich in dem Todesgange mit einer leichten Verwundung in die linke Schulter davongekommen. Doch höre den Verlauf! Von Werdau weggeeilt, ersuchte ich zwei befreundete junge Rechtsbeflissene, mir in dem ernsten Vorhaben als Secundant und Zeuge beizustehen. Ich theilte ihnen den Sachverhalt nur so weit als unerläßlich mit. Beide machten mich darauf aufmerksam, daß Werdau, bevor er seinen Abschied nahm, für einen der besten Pistolenschützen der Armee galt, und daß ich daher in meinem Interesse eine möglichst scharfe Forderung stellen müsse, was sich bei mir von selbst verstand. Die beiderseitigen Secundanten setzten, des Ernstes der Sache wegen, einen schriftlichen Vertrag auf, in welchem folgende Bedingungen stipulirt wurden: „Zehn Schritte Ziel, gezogene Pistolen, dreimal Kugelwechsel.“ Das Zusammentreffen war im Wildpark Morgens um acht Uhr. Meine Secundanten brachten einen Militärarzt mit.

Ich schlummerte nur ein paar Stunden. Den größten Theil der Nacht brachte ich zu, um meine Papiere zu ordnen, meinen letzten Willen niederzulegen, den ich am Morgen noch von meinen beiden Freunden beglaubigen ließ, und an Hedwig zu schreiben, worauf ich Alles versiegelt meinem Secundanten einhändigte. Die Empfindungen, von denen ich so oft bei solchen Gelegenheiten gehört und gelesen, waren mir ganz fremd. Mein Leben hatte allen Reiz für mich verloren, und nur heiliger Zorn erfüllte mich, den Verbrecher zu strafen, der im frevelhaften Leichtsinn und Egoismus mit Ehre und Leben seiner Nebenmenschen gespielt. Meine Begleiter machten mir sogar ihre Bemerkungen über mein gutes Aussehen. Die Secundanten haben’s freilich bequem, es leicht zu nehmen.

Wir waren die Ersten an Ort und Stelle; schon ein paar Minuten nach uns kam der Gegner in einem Wagen mit seinen Secundanten und einem zweiten Arzte. Der Vertrag wurde verlesen, und in zwei Abschriften von Gegnern, Secundanten und Zeugen unterschrieben. Dann beschäftigten sich die Zeugen mit dem Laden von Pistolen, worauf eine Distanz von zehn Schritten abgemessen ward und die beiden Endpunkte, an welchen wir uns aufzustellen hatten, mit in den Boden gestoßenen Stöcken bezeichnet wurden. Für das Zielen wurde so viel Zeit eingeräumt, bis der Secundant des Geforderten langsam Sechs gezählt. Beim üblichen Aussöhnungsversuche beharrte Werdau auf seiner Weigerung, mir das Ehrenwort zurückzugeben, oder die Sache auf eine andere Art zu repariren. Das Duell nahm also seinen Verlauf. Die Secundanten händigten uns die Pistolen ein; die toddrohenden Mündungen waren jede auf ihr Ziel gerichtet, der Secundant des Gegners begann zu zählen: Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs; schon bei „vier“ waren beide Schüsse fast gleichzeitig gefallen.

Wir standen Beide noch fest. Mein Zeuge frug mich leise, ob ich Schmerzen spüre; als ich verneinte, schüttelte er bedenklich den Kopf. Wie er mir nachher mittheilte, hatte er ein Loch in der Mitte meines Rockes bemerkt, und weil ich unerschüttert dastand, geschlossen, daß ich nur einen Streifschuß habe, da diese Art von Verwundungen gewöhnlich heftig zu schmerzen pflegt, während Kernschüsse in den ersten Minuten kaum verspürt werden. Er schloß also auf Schlimmes. Doch schon wurde das zweite Paar Pistolen vertheilt. Von Neuem begann das verhängnißvolle Commando: Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs. Bei dem Rufe „fünf“ waren die beiden Schüsse wieder fast gleichzeitig gefallen. Während ich noch fest stand, wankte Werdau und stürzte einige Secunden darauf. Seine Secundanten sprangen mit den Aerzten hinzu, während meine Zeugen mich selbst untersuchten. Sie hatten in meinem Rocke zwei Löcher wahrgenommen. Die Untersuchung ergab, daß mein Gegner zwei Kernschüsse gethan – und doch war ich wunderbarer Weise unverletzt. Beide Kugeln waren, Rand an Rand, durch Rock und Beinkleider gerade in die Biegung des Kreuzes gegangen, ohne auch nur die Haut zu verletzen. Meine Secundanten konnten ihren Augen kaum trauen, bis sich das Wunder durch den Umstand aufklärte, daß ich den Rock aufgeknöpft gehabt, und mich stark im Kreuz gebogen hatte, wodurch der Gegner verführt worden war, gerade die Stelle für den Mittelpunkt meines Leibes zu halten, wo das rückwärts gebogene Kreuz einen Einschnitt bildet.

Meinem Gegner war es nicht so gut ergangen. Meine zweite Kugel hatte ihm die rechte Hand zerschmettert, und die Untersuchung zeigte erst, daß auch die erste Kugel in der Hüfte saß. Er mußte alle Energie aufgeboten haben, um sich zum zweiten Schuß aufrecht zu halten, bis die Verletzung der Hand ihn gar hinwarf. Werdau zeigte aber trotz seines Blutverlustes eine Leidenschaft und Energie, die einer besseren Sache würdig gewesen wäre. Er forderte heftig den dritten Schuß, indem er erklärte, sich dabei der linken Hand bedienen zu wollen. Als er sich aber aufrichten wollte, sank er auf’s Neue hin, und die Secundanten versuchten nun, eine Versöhnung herbeizuführen. Werdau weigerte sich mit wütenden Worten und bestand darauf, daß auch die dritten Schüsse abgefeuert werden sollten. Schon nahmen die Secundanten wieder ihre Stellungen mit der Pistole in der Hand ein, um jede Unregelmäßigkeit der Gegner sofort blutig strafen zu können. Werdau versuchte sich mit Hülfe seiner Zeugen emporzurichten, allein er sank sofort wieder zusammen.

Jetzt stellte er mit blutlechzender, rauher, halb röchelnder Stimme das Verlangen, seinen Schuß liegend abzufeuern. Seine Secundanten warteten nicht den Protest der meinigen ab, sondern stellten ihm die Ungehörigkeit dieser Forderung und deren Unverträglichkeit mit den Gesetzen des Duells vor. Er stieß gegen Alle einen häßlichen Fluch aus. Da trat ich selbst vor und erklärte, um der unwürdigen Scene ein Ende zu machen, daß ich seiner Bedingung mich fügen wolle.

Zögernd und protestirend nahmen die Secundanten ihre Stellungen ein, und wieder erschallte das Commando. Werdau schoß und ich fühlte einen Schlag in der linken Schulter, dem das Gefühl des rinnenden warmen Blutes folgte. Ich war mit dem Vorsatze auf dem Platze erschienen, meinen Gegner nicht zu schonen, allein als ob eine unsichtbare Gewalt sich meiner bemächtigte, ich hob in demselben Moment die Waffe und rief: „Ich verzichte auf meinen Schuß!“

Noch einmal schrie Werdau, mit Schaum vor dem Munde, [661] nach frischen Pistolen, allein jetzt legten sich seine eigenen Secundanten mit allem Ernste in’s Mittel, sich auf den geschriebenen Vertrag berufend, welcher nur dreimaligen Kugelwechsel vorgeschrieben hatte. Sie erklärten das Duell für beendigt und machten, unbekannt mit der tiefen Ursache unseres Zwistes, noch einen Versöhnungsversuch. Werdau stieß ihn mit Wuth zurück, und ich selbst, von der Unmöglichkeit durchdrungen, mit dem Manne je wieder zu verkehren, bewog die Anwesenden, sich mit der gegenseitigen Erklärung zu begnügen, daß wir uns, um unwürdige Scenen zu vermeiden, künftig als nicht vorhanden betrachten würden. Nach einigen Minuten brachte der Secundant meines Gegners die Zusage, und die Aerzte schickten sich nun an, die Wunden zu verbinden.

Die meinige war nur ein Streifschuß, der den fleischigen Theil der Schulter durchbohrt hatte und in ein paar Wochen geheilt sein wird. Werdau wird länger zu laboriren haben. Obgleich seine Leute die Bedeutung der Wunde zu verheimlichen suchten, merkten wir doch so viel, daß die Kugel aus der Hüfte herausgeschnitten werden muß und daß ein Knochen seiner Hand zerschmettert ist.

Und nun wäre der Ort, wenn meine Stimmung es erlaubte, einen Epilog über den Sinn des Duells zu halten. Denn ich bin nach demselben genau so weit, wie vorher. Ich kann nur sagen, daß mich, was da auch komme, mein plötzlicher Entschluß, den Gegner zu schonen, nicht reut. Warum sollte ich meine Hand mit dem Blute eines Elenden beflecken und mein Gewissen noch beschweren, wo meine Seele mehr der Leiden zu tragen hat, als meine Kraft vermag!

Was soll aus mir werden, Freund? Alle meine Lebenshoffnungen sind dahin. Vielleicht bist dennoch Du zu meinem Tröster bestimmt. Sobald meine Wunde geheilt ist, werde ich in Deine Arme eilen.

Auf ewig
Dein Walter.     


16.


     Amalie!

Aus tiefem, ohnmächtigem Schlummer bin ich mit einem Schrei des Entsetzens erwacht. Mein Traum mit seinen Freuden und Leiden ist zerstoben vor dem grellen Licht des Tages, und an seine Stelle eine Wirklichkeit getreten, deren lichteste Seiten mich mit Grauen erfüllen.

Elender, gottloser Betrug geschah in diesem unserem Hause; an der Stelle des Rembrandt’schen Meisterstückes hängt eine Copie von frevelhafter Hand vertauscht. Ich stand dabei, als der Betrug erkannt wurde. Ich sah mit eigenen Augen, wie Walter Impach beim Anblick dieses Bildes todtenbleich wurde; ich hörte mit diesen Ohren, wie er zugestand, daß es von seiner Hand angefertigt worden. Ich sah ihn im Saal umherblicken, ob nicht ein Antlitz zu erspähen wäre, das ihm Beistand verhieß. Auch ich mußte wie mein armer betrogener Bruder glauben, dieser Mensch habe Vertrauen, Gastfreundschaft, was es auf Erden Heiligstes giebt, verrathen und in den Pfuhl des Verbrechens getaucht. Ich bebte an allen Gliedern und konnte die Möglichkeit solcher Heuchelei nicht fassen.

Auf meine Bitte schloß Ernst die peinliche Scene, indem er dem Schuldigen befahl, sich zu entfernen. Meine Augen suchten ihn noch einmal, als er schon auf der Schwelle war; da kehrte er sich, Amalie, und sandte mir einen Blick zu, in dem eine Seele, ein ganzes Menschenleben lag. Es war der Aufschrei eines mißhandelten Geschöpfes, das den einzigen Protest seiner Unschuld durch einen Blick kundthat. Wie Zauber wirkte dieser Blick auf mich. Ich fühlte, daß Erde und Himmel sich vereinigen, die gesammte Menschheit mein Ohr mit den überzeugendsten Gründen bestürmen durfte, um seine Schuld zu beweisen; dennoch hätte ich Allen zum Trotze diesem einen Blicke geglaubt. Er hatte mich nicht nur zum Fürsprecher des jungen Mannes gemacht, – nein, ich selbst war Walter Impach vom Wirbel bis zur Sohle.

Warum soll ich diese ungenügenden Worte brauchen, um Dir meinen Seelenzustand zu schildern, wenn ich mit vier Silben es besser sagen kann als mit einem Buche voll Beschreibungen: „Ich liebe ihn!“

Nicht wie von Engelsstimmen in die Lüfte getragen, erklingen in meinem Falle die drei beseligenden Worte – wie der erste erschütternde Donnerschall eines ausbrechenden Gewitters schlugen sie an mein Herz. Ich fiel wie todt zu Boden. Als ich aus meiner Ohnmacht mich erholt, saß Ernst zu meiner Seite, das Haupt gesenkt, mit beiden Händen eine der meinigen erwärmend.

„Arme Blume,“ sprach er, „über die schon früh der kalte Frost dieser elenden Welt sich ausbreitet! Wie gern hätte ich Dir diesen Auftritt erspart, der Dich gegen Menschen von der Art dieses Nichtswürdigen heiligen Abscheu fassen lassen muß! Doch tröste Dich! Ein solcher Wolf im Schafspelze ist auch mir in meiner reichen Erfahrung noch nicht begegnet.“

Liebe Amalie! nicht wahr, auch Du hättest zum ersten Male dem Bruder kein Wort geglaubt? Ich mußte aber sanft zu Werke gehen, wollte ich wirksam sprechen:

„Steigt Dir gar kein Zweifel an der Schuld des Malers auf? Seine Kunstliebe ist groß, doch kann er das Bild nicht bergen. Warum sollte er es nehmen, wenn er seine Augen nicht daran ergötzen darf?“

„Unschuldiges Täubchen! Nicht von Kunstliebe kann hier die Rede sein. Der Mensch hat als Agent irgend eines anderen Bösewichts um elenden Geldgewinn gehandelt. Er ist arm und kann also leicht durch irgend eine kolossale Summe verblendet worden sein.“

„Der alte Baron Gerhardt?“ wagte ich zu flüstern.

„Pfui, Hedwig! Dein Sinn verwirrt sich in diesem Labyrinth von Schlechtigkeit. Ein Edelmann von echter Race ist solcher Schandthat nicht fähig.“

„Was wirst Du thun?“ preßte mir meine Angst aus.

„Dem jungen Manne kurze Zeit zum Insichgehen gönnen. Wäre blos das Bild im Spiele, ich ließe es fahren und thäte in der Sache nichts mehr. Aber einen Elenden dieser Sorte ungefesselt, ungestraft im Lande umhergehen zu lassen, widerstrebt meinem Gerechtigkeitssinne. Versuche die ganze Geschichte zu vergessen, mein Herz! Auch ich werde mich bemühen, nicht mehr daran zu denken, bis ich muß.“

Meine Stirn küssend, verließ er mich.

Kaum war ich allein, so sprang ich auf; denn der Kampf in meinem Innern erlaubte mir keine Ruhe mehr. Die ganze Geschichte vergessen, Ernst? Das hieße aufhören zu sein, hieße sterben.

Ich überblickte die letzten Monate meines Lebens, das ungestörte Zusammensein mit dem Manne, an dem ich gefrevelt. Ja, gefrevelt, Amalie, denn wie konnte ich nur blind sein für die tausend Beweise seiner Liebe, die ich täglich, stündlich empfing und hinnahm, als gehörten sie zum Leben! Und nun, wie werde ich ohne sie bestehen können, wie seine Entfernung ertragen!

Ich sehe in der schrecklichen Entdeckung, die ich in meinem Herzen machte, die gerechte Strafe für die Arroganz unseres Standes, welchem es ebenso unmöglich däucht, eine seiner Töchter könne in einen bürgerlichen Jüngling sich verlieben wie in einen Schooßhund. Aber warum muß ich des ganzen Standes Vergehen sühnen? Warum muß ich im entsetzlichen, seligen Momente, wo ich sehe, daß ich ihn mit der ganzen Gewalt meiner Seele liebe, ihn zugleich geschmäht, gehöhnt, erniedrigt vor mir dastehen lassen?

Und ich kann nichts in meiner Ohnmacht. Ernst den Blick der Rechtfertigung beschreiben? Solche Sachen lassen sich nur fühlen und nicht sprechen. Alle Gründe sind gegen ihn. Warum hielt er die Copie geheim? Warum erblaßte er zum Tode, als er befragt wurde? Endlich warum reinigt er sich von seiner Schuld nur bei mir?

Amalie, ich rede im Wahnsinne. Er wird wohl wissen, warum das Alles geschah, und ich bin die Thörin, die ihm nicht vertraut, wie das Mädchen dem Manne vertrauen soll, den es liebt.

… Soeben wurde ich im Schreiben durch die Meldung gestört, Fürst Arsent harre im Salon, und da Ernst ausgegangen und Cousine Dorothea über den „schamlosen Heuchler“ den Kopf verloren hat, so mußte ich mich bequemen, ihn zu empfangen. Ich vermochte kaum ein Lächeln auf die Lippen zu rufen und die Worte fehlten mir, als die erste Begrüßung vorüber war. Arsent enthob mich der Mühe, das Gespräch zu führen. Er erzählte – ich verstand ihn kaum, nur hier und da aufgefangene Worte ließen mich den Sinn errathen –, er erzählte, wie sein Vater [662] der Einsamkeit auf seinem Schlosse müde sei und ihn zurückrufe, um die letzten Tage eines alten Mannes zu erheitern. Als Arsent so weit gekommen, stand er auf, trat vor mich hin, und als ich erstaunt aufblickte, sprach er ernst:

„Bei Ihrer edeln, stets gleichgroßen Liebenswürdigkeit war nicht zu erkennen, ob Sie einem oder dem andern von Ihren Anbetern den Vorzug gaben; ich hege also gar keine und jede Hoffnung. Daß ich nur im Lichte Ihrer Augen lebe, wissen Sie längst –; darf ich also fragen, ob meinem alten Vater die frohe Kunde wird, daß bald Prinzessin Hedwig von Waldemberg die verlassenen Räume unseres Schlosses beseelt?“

Das war zu viel, Amalie, in diesem Augenblicke! Doch war’s vielleicht gut. Ich hatte den rechten Muth, zu antworten, den ich bei anderen Umständen aus Rücksicht für meinen Bruder vielleicht schwer gefunden hätte. Ich stand auf und sprach mit abgewandten Augen:

„Wer niemals ein Zeichen der Gunst erfuhr, sollte wissen, daß bei ihm das directe Anfragen ein thörichtes Verfahren ist. In diesem Falle wird es dem Fragenden und dem Antwortenden schwer, Worte zu finden. Wären Sie nicht zu so furchtbar ungelegener Stunde gekommen, ich würde sagen, daß mich zwar Ihr Antrag ehrt – daß aber –“

Jetzt trat Ernst ein; ich wollte entfliehen, blieb jedoch auf einen bittenden Blick des Bruders.

Eine Weile noch stand Arsent ganz verdutzt da, bis er durch eine Frage Ernst’s aus seinem Hinbrüten aufgestört wurde. Jetzt ward von gleichgültigen Dingen gesprochen, bis Arsent, der bei der vorgestrigen Scene nicht zugegen war, erzählte:

„Ach, fast hätte ich vergessen Ihnen zu sagen, daß ich heute Morgen Ihrem Maler, Herrn Impach, in einem Wagen begegnete. Mit ihm fuhren ein Wundarzt und zwei Herren, die ich jedoch nicht genau sehen konnte. Was mir besonders auffiel, war, daß Werdau’s Coupé dem Wagen dicht folgte und bei diesem auch wieder zwei Herren saßen. Sollte es sich um ein Duell handeln? Doch was könnten die beiden jungen Männer miteinander gehabt haben? Außerdem würde Werdau mich sicher zum Secundanten gebeten haben.“

Ernst wurde so nachdenklich, daß Arsent die erste gute Gelegenheit wahrnahm, um sich zu empfehlen.

Ein Duell, Amalie! Sprich, war mein Leidenskelch nicht voll genug, daß auch dieser Schreck noch kommen mußte? Doch schimmert aus der Nacht, die mich umgiebt, ein schwacher Hoffnungsstrahl. Wenn Werdau nicht wüßte, daß Walter unschuldig, würde er, welche auch die Ursache sei, mit ihm sich schlagen? Ein Dieb und Verbrecher ist nicht satisfactionsfähig, und dem arroganten Werdau gegenüber schon gar nicht.

Ich habe mich, Schwäche vorschützend, beim Diner entschuldigen lassen, und überlege mir nun in der Einsamkeit meine verzweifelte Lage.

Denke ich an Impach, so wie er stets mir erschien, so springe ich auf und möchte die Welt umarmen vor Freude, daß solch ein Herz mein eigen! Kaum freue ich mich, so eilt mein Geist zu anderen Scenen; der Park im Halbdunkel der Dämmerung, zwei Wahnsinnige, die sich gegenüberstehen – warum? Ein Aufleuchten, der Eine stürzt hin – erst die Bewegung, mit der ich mich auf ihn werfen will, weckt mich aus meinem Traume. Gott sei Dank! Es war nur ein Traum, und dennoch könnte es die Wahrheit sein! Ich muß die Augen schließen und kann das Ungeheure auch so nicht entfernen. Was soll ich thun? Amalie, ich kann nicht einmal weinen, kann durch nichts mich trösten lassen und sehne Dich herbei mit aller Gewalt meiner Seele.

Verzweifelte Auswege bieten sich mir da – es ist wohl die Einsamkeit und Stille der Nacht, die nichts unmöglich erscheinen läßt. Wie werde ich morgen darüber denken? Meine Lage ist freilich auch verzweifelt und paßt zu den Auswegen, ist ihrer ganz würdig.

Ich will von Impach’s eigenem Munde seine Rechtfertigung hören, denn mir gegenüber spricht er sie aus, wenn auch sonst keinem Menschen auf Erden. Doch wie ihn sehen? Ich könnte ihn rufen zur Stunde, wo Ernst sicher abwesend, doch würde Cousine Dorothea Alles erfahren – und Alles zerstören.

Ich frage nichts mehr nach den Vorschriften der Convenienz, weiß ich denn nur, ob die ganze Welt sich durch sie beherrschen läßt, oder ob wir allein es sind, wir, die Bevorzugten, die Unseligen?

Ich sende Fanny mit einer Botschaft an Herrn Impach, er solle morgen Mittag zur Seitenpforte in den Garten kommen, wo ich ihn erwarte.

Was wird er von mir denken? Schlechteres gewiß nicht, als ihm bisher mein rücksichtsloses Verfahren eingab, das mich blind machte für Alles, was um mich vorging. Und ich? Wie werde ich die qualvollen Stunden bis dahin zubringen? Wie oft wird’s mich gereuen, zu ihm gesandt zu haben?

Hätte ich Deinen Beistand, Du wüßtest wohl zu rathen und zu helfen – doch sag’, warum klärtest Du mir den Standpunkt nicht auf? Du mußtest aus meinen Briefen lange vorhersehen, was da kommen sollte! Du hättest mich warnen sollen!

Nimm meine Worte nicht ernst, Amalie. Ich habe nicht offen mit Dir geredet. Doch wie sollte ich Dir die brennende Ungeduld, mit der ich auf Walter harrte, erklären, da ich sie selbst nicht begriff? wie Dir von der namenlosen Trauer, den enthusiastischen Freuden sprechen, die mich selbst mit Entsetzen erfüllen? – Theure, wenn Du mir schreibst, heiße Alles gut, was ich gethan und thue! Bis dahin sind längst die Würfel gefallen und mein Loos besiegelt.
Hedwig.

(Fortsetzung folgt.)




Berliner Straßenbilder.[1]
I.


Was dem Petersburger die berühmte „Alexander-Newski-Perspective“, dem Venetianer der „Canale grande“, dem Bewohner von New-York der „Broadway“ – das sind dem Berliner seine Linden. Mit Stolz zeigt er dem Fremden die vierfache Reihe der schönen, leider hier und da absterbenden Bäume, die stattlichen Häuser, die prächtigen Paläste, die eleganten Hôtels, vor Allem aber das Denkmal Friedrich’s des Großen und die Standbilder der Helden aus dem Befreiungskriege. Es ist eine herrliche, imposante Straße, wie sie kaum eine zweite Stadt der Welt aufzuweisen hat, eine wahre via triumphalis, eine in Erz und Stein geschriebene Geschichte, zu der jede Zeit und jede Regierung ein unvergängliches Blatt hinzugefügt hat, ein historischer Bildersaal, reich an großen Erinnerungen und erschütternden Scenen. Vom „Lustgarten“ bis zum „Brandenburger Thor“, welche Fülle monumentaler Bauten! Durch diese Straße, die er selbst einst angelegt, ritt der große Kurfürst, nachdem er zuerst es gewagt, gegen Frankreichs Uebermacht, gegen Ludwig’s des Vierzehnten Weltherrschaft zu kämpfen. Verlassen von seinen Bundesgenossen, aufgegeben von dem deutschen Kaiser, an dem er mit unerschütterlicher Treue hing, sprach er damals die prophetischen Worte: exoriare aliquis nostris ex ossibus ultor (einst wird ein Rächer auferstehn aus unsern Gebeinen). Die von den Mörderbanden des allerchristlichsten Königs verfolgten französischen Reformirten empfing er mit offenen Armen und gewährte ihnen Schutz und Hülfe, ein Hort des Protestantismus, ein muthiger Vertheidiger der religiösen Freiheit. Dort steht das herrliche, von seinem prachtliebenden Nachfolger erbaute Zeughaus, mit den berühmten „Masken der sterbenden Krieger“ von der Meisterhand des unsterblichen Schlüter; daneben die Neue Wache mit den Marmorbildern des tapfern Bülow von

[663]

Moltke an der Hauptwache des Brandenburger Thors.
Nach der Natur aufgenommen von F. Skarbina.

[664] Dennewitz und des gediegenen Scharnhorst, der die preußische Landwehr geschaffen.

Daran reiht sich die Universität mit ihren Lehrern, den Helden des Friedens. Hier hat Fichte unter den französischen Bajonneten seine Reden an die deutsche Nation gehalten, Schleiermacher die Religion der Liebe verkündigt. Gegenüber erhebt sich der Palast „unseres Fritz“, früher die bürgerlich schlichte Wohnung Friedrich Wilhelm’s des Dritten, bewacht von den Erzbildern des alten Blücher, des kühnen York und des klugen Gneisenau. Nur wenige Schritte davon entfernt liegt das Opernhaus, welches Friedrich der Große durch Knobelsdorf errichten ließ. Noch stehen, wenn auch nach dem Brande restauriert, die alten Grundmauern, in denen der Genius seines Jahrhunderts, ermüdet von Arbeit und Siegen, ausruhte, bald mit musikalischem Ohr den Tönen einer Mara lauschend, bald sich an dem graziösen Tanz der reizenden Barbarina ergötzend, oder auf den beliebten Redouten im Domino heiter, geistreich mit den Masken scherzend. Jenes schöne, stattliche Haus mit den hohen Spiegelscheiben, an dem kein Berliner so leicht vorübergeht, ohne hineinzusehen, ist die Privatwohnung des Kaisers Wilhelm, der von seinem Fenster auf das Denkmal des großen Friedrich blickt.

Da kann man es dem Berliner nicht verdenken, wenn er stolz auf seine Linden ist und sie allen anderen Straßen vorzieht. Dazu kommt noch das frische Leben und Treiben der neuen Weltstadt, wo es bei jedem Schritt etwas Interessantes und Merkwürdiges zu sehen und zu bewundern giebt, von den prachtvollen Schauläden und Cafés bis zu der bunten durcheinander wogenden Staffage des großartigen Architekturbildes, wie sie die große Bevölkerung und der Fremdenverkehr der jungen Kaiserstadt eben zur Nothwendigkeit macht. Das regste Durcheinander kann man zu bestimmten Zeiten beim Brandenburger Thor erleben, durch das sich dann gleich einem angeschwollenen Strom die wogende Menschenmenge nach dem zwar augenblicklich nicht im besten Geruche stehenden, aber dennoch viel besuchten Thiergarten ergießt.

Mitten in dem Gedränge schreitet dann und wann ein älterer Herr in dunklem Militärrock mit den Abzeichen eines höheren Ranges. Weder die schlanke, etwas gebeugte Gestalt, noch das längliche Gesicht bieten etwas Auffallendes. Seine Brust ist nicht mit Orden bedeckt und Nichts verräth an der schlichten Erscheinung die große welthistorische Bedeutung des kaum beachteten Mannes. Plötzlich aber wird er von den Zunächststehenden gesehen und auch erkannt; alle Blicke richten sich nach ihm und alle Leute grüßen ihn mit sichtlicher Verehrung und Bewunderung. Der ungezogene Schlosserlehrling, der eben noch einen gemeinen Gassenhauer brüllte, verstummt plötzlich, als ob er im Nacken die Hand des Constablers bereits fühlte, der Student, der sonst keine Autorität so leicht anerkennt, beugt sich vor der Macht des Genius, der Dandy liebäugelt nicht mehr mit der eleganten Schönen, sondern bleibt wie gebannt vor ihm stehen. Der eingefleischte Hypochonder vergißt seine eingebildeten Leiden, der socialistische Arbeiter seinen Haß gegen die Soldateska, der invalide Officier seine Wunden aus dem letzten Kriege. Die Schriftstellerin, welche einen mehrbändigen Zeitroman schreibt, macht an ihm ihre physiognomischen Studien, der Maler sucht sich seine Züge einzuprägen, und die schöne elegante Dame giebt ihrem neugierigen Töchterchen eine kleine Lection in der neuesten Geschichte. Jetzt ruft auch der Posten am Brandenburger Thor die Wache in’s Gewehr, und eilig stürzen die Soldaten aus der Thür, um vor ihm das Gewehr zu präsentiren, obgleich er bescheiden mit einer ernst freundlichen Bewegung die ihm zugedachte Auszeichnung abzuweisen sucht. Mit langsamen Schritten, in Gedanken versunken, wandert er durch die ihm ehrfurchtsvoll Platz machende Menge nach dem Thiergarten. Wenn aber ein Fremder nach dem Namen des seltenen Mannes fragt, dann sieht ihn der Berliner fast mitleidig an und sagt mit stolzem Selbstgefühl: „Das ist ja unser Moltke!“

Das ist der Mann, den jetzt die Menge mit ihren Blicken verfolgt und mit ehrfurchtsvollen Mienen begrüßt – ein angehender Siebziger, dessen ganze Haltung und frisches Aussehen jedoch eine bewunderungswürdige Jugendkraft verräth. Die Figur keineswegs imposant, von mittlerer Größe, mehr sehnicht als muskulös, elastisch, wie eine gute Stahlklinge; das Gesicht fein, fast transparent, nicht von des Gedankens Blässe angekränkelt, aber in jeder Furche, in jedem Zuge die Spuren geistiger Arbeit tragend; ein Denkerkopf mit hoher gewölbter Stirn, von kurzen blonden, hier und da schon ergrauten Haaren umgeben; der Blick nach innen gekehrt und doch die Außenwelt scharf beobachtend; die Lippen fest geschlossen, als ob sie ein tiefes Geheimniß bewahren wollten, zuweilen vor sich hinlächelnd. Die ganze Erscheinung einfach, bescheiden, ohne jeden Prunk und Schein, vom Scheitel bis zur Zehe wahr und natürlich, ohne jede Ostentation, fern von jedem Haschen nach Popularität, welche ihm von allen Seiten ungesucht entgegenkommt, schlicht und recht, echt wie reines Gold, ein Deutscher in der schönsten Bedeutung des Wortes.

So viel auch über Moltke schon erzählt, geschrieben und gesprochen worden ist, so wenig redet er selbst, weshalb man ihn den großen Schweiger nennt. Diese Eigenschaft hängt jedoch mit der prägnanten Kürze seiner ganzen Ausdrucksweise zusammen. Er liebt nicht Worte zu machen und ist kein Freund von Redensarten und Phrasen. Knapp in der Form, drängt er seine Gedanken zusammen und sagt Viel mit Wenigem. Deshalb streicht er auch in den schriftlichen Ausarbeitungen des Generalstabes alles Ueberflüssige unnachsichtlich fort, indem er mit bewunderungswürdiger Kunst gleichsam die Quintessenz eines langen Satzes mit einigen schlagenden Worten giebt; ein echter Spartaner auch in Bezug auf die lakonische Kürze. Trotzdem sind seine Kritiken, womit er diese Ausarbeitungen zu begleiten pflegt, musterhaft, so klar und zutreffend, daß die Betheiligten daraus den höchsten Nutzen ziehen, so lichtvoll, daß sich ihnen ganz neue, ungeahnte Aussichten öffnen.

So sparsam wie mit Worten ist Moltke auch mit dem Vermögen des Staates. Er scheut jede unnöthige Ausgabe und ist selbst in Kleinigkeiten höchst ökonomisch. Er selbst kennt fast keine Bedürfnisse, höchstens gestattet er sich den Luxus einer guten Cigarre. Seine frühere Wohnung, bevor er das neue Generalstabsgebäude bezog, zeichnete sich durch die höchste Einfachheit aus, und jeder einigermaßen bemittelte Bürger Berlins war luxuriöser eingerichtet und lebte besser, als der berühmte General. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend beschäftigt, ist seine einzige Erholung ein kurzer Spaziergang und des Abends eine kleine Whistpartie mit einigen Bekannten und Freunden, zu denen der Geheime Finanzrath Schiller und sein Adjutant und Schwager, Herr von Burt, vor Allen zählen.

In größerer Gesellschaft meist still und schweigsam, entfaltet Moltke im vertrauten Kreise eine überraschende Gabe der Unterhaltung. Er weiß ebenso anmuthig zu erzählen, wie heiter zu scherzen und zeigt bei solchen Gelegenheiten einen feinen, jedoch nie verletzenden Witz, eine fast weibliche Zartheit, welche besonders Frauen entzückt. Man kann sich nach dem Berichte von Augenzeugen kein schöneres Verhältniß denken, als das mit seiner leider vor zwei Jahren verstorbenen Gattin, welche zugleich seine Nichte war. So lange sie lebte, suchte er ihr jeden Wunsch an den Augen abzulesen, und als sie erkrankte, wich er nicht von ihrem Lager. Ihr Tod versetzte den sonst so ruhigen Mann in die tiefste Trauer, so daß man ernstlich für seine eigene Gesundheit fürchtete. Damals ernannte Kaiser Wilhelm zartsinnig den Schwager Moltke’s zum Adjutanten des schwer getroffenen Generals, um ihm durch die Nähe eines so theuren Verwandten einen Trost und eine Stütze zu gewähren.

Charakteristisch ist Moltke’s Herzensgüte und Freundlichkeit gegen seine Untergebenen. Nie kommt ein böses Wort über seine Lippen, und seine Diener behandelt er mit wahrhafter Humanität. Es machte daher förmliche Sensation und wurde besonders von den ihm verwandten Damen als die größte Merkwürdigkeit erzählt, daß er einmal eigenhändig einem Stallburschen auf seinem Gute eine wohlverdiente Ohrfeige applicirte, weil dieser trotz wiederholten Verbotes im Stalle rauchte und, als er dabei betroffen wurde, noch frech zu leugnen wagte. Moltke selbst bereute, daß er sich dies einzige Mal in seinem Leben von seiner Hitze hatte hinreißen lassen.

Nicht minder charakteristisch ist seine große Bescheidenheit, die sich zuweilen in höchst naiver Weise äußert. Als nach dem Kriege gegen Oesterreich der „Kladderadatsch“ in einem passenden Gedichte Moltke’s Verdienste feierte, sagte er lächelnd: „Ich habe gar nicht gewußt, daß ich so populär bin.“ Sein mit jedem [665] Tage steigender Ruf hat ihn jedoch weder stolz noch eitel gemacht. Wie seine Freunde versichern, spricht er selbst von seinen überraschenden Erfolgen mit rührender Bescheidenheit, indem er das Hauptverdienst dieser unsterblichen Siege nicht seinem anerkannten Genie, sondern einzig und allein der Tapferkeit des deutschen Heeres, den Anstrengungen der Führer und vor Allem der sichtbaren Gnade Gottes zuschreibt.

Fast überrascht von der Aufmerksamkeit, die seiner Person von allen Seiten gezollt wird, geht in der Regel der alte Held ein wenig rascher seines Weges, bis er wieder in ruhigeres Fahrwasser kommt. Nicht selten aber muß er aus dem Munde der Umstehenden die zwar leisen, aber immer mit Stolz und Bewunderung geflüsterten Worte hören: „Das ist unser Moltke!“
Max Ring.




Ein californischer Vergnügungsgarten.
Von Theodor Kirchhoff.


Die Stadt San Francisco besitzt einen reizenden Erholungsort in ihrer Mitte, welcher in seiner Art kein Seitenstück in Amerika, vielleicht nicht in der Welt, hat – den „Woodward’s Garten“, der den Namen seines Eigenthümers und Gründers führt. Andere Städte haben ohne Frage großartigere Parks, Museen, Aquarien, botanische, zoologische und ähnliche Gärten aufzuweisen; aber dieselben sind fast ohne Ausnahme durch Staats- oder städtische Mittel, oder von Actiengesellschaften in’s Leben gerufen worden und werden als öffentliches Gemeingut betrachtet. Hier hingegen hat ein reicher Privatmann, ganz auf sich angewiesen und unter den schwierigsten äußeren Verhältnissen, alle jene Anlagen und Einrichtungen vereint hergestellt und damit eine in der That ganz außerordentliche Fülle von Sehenswürdigkeiten und Unterhaltungen der verschiedensten Art verbunden. Inmitten eines wahren Sandchaos, am Westende des städtischen Weichbildes, liegt jener prächtige Garten und Vergnügungsort. Durch Anwendung zahlreicher Sprüh-Fontainen wurden auf dem sandigen Boden, der nur einer reichlichen Bewässerung bedarf, um eine üppige Vegetation aus ihm hervorzurufen, parkähnliche Anlagen geschaffen, welche jedem Kunstgarten Deutschlands zur Zierde gereichen möchten.

Eine Fahrt von einer halben Stunde in einem der zahlreichen Straßenbahnwaggons, die alle gedrängt voll Menschen sind, bringt uns vor das Portal des mit einer hohen Holzringmauer umschlossenen Gartens, welcher sich schon von fern durch die vielen von seinen fremdartigen Gebäuden wehenden Fahnen bemerkbar macht. Amerikanische, französische, englische und deutsche Flaggen wehen dort nebeneinander und kennzeichnen den kosmopolitischen Charakter des Etablissements. Ueber dem Eingangsthore paradiren in Lebensgröße zwei gewaltige, aus Holz geschnittene Grisel-Bären, das Wappen Californiens darstellend. Die in das weitgeöffnete Portal hineinströmende Menge besteht aus einem Gemisch aller diese Großstadt bewohnenden Nationen, und sogar der langzopfige sparsame „John Chinaman“ und die schiefäugigen Töchter des himmlischen Reiches – auf wackelnden Kahnpantoffeln, mit Pumphosen, Kittel und zusammengekleisterter Schmetterlingsfrisur – sind mitunter so verschwenderisch, die zwei Bit Entrée (ungefähr zehn Groschen, die hier einen Werth von etwa zwei und einem halben Groschen repräsentiren) nicht zu scheuen, welche Jedem den Zutritt zu allen Herrlichkeiten des Woodward-Gartens geben. Doch bilden unsere deutschen Landsleute an Sonntagen dort stets die überwiegende Zahl von Besuchern, und nicht selten erinnern unter dem Menschengewühle die schmucken Uniformen und blitzenden Helme der Füsiliere und die Käppis der deutschen Jäger an die ferne Heimath.

Wir wollen indeß die Anlagen und Sehenswürdigkeiten dieses californischen Vergnügungsortes etwas näher betrachten. Inmitten saftiggrüner Rasenplätze und anmuthiger Bosquets liegen große Glashäuser und Orangerien, voll von einheimischen und exotischen Pflanzen, und in einem der Hauptgebäude befindet sich ein Museum mit reichhaltigen Sammlungen von Fossilien, thierischen Mißgeburten, indianischen und anderen Curiositäten, Münzen etc., worunter ein Cabinet von 1587 Stücken werthvoller japanesischer Mineralien, wie man behauptet, das vollständigste seiner Art, welches bis jetzt von dem ostasiatischen Inselreiche nach Europa oder Amerika gebracht worden ist. Die hier in großer Menge zur Schau gestellten ausgestopften Vierfüßler, Vögel und Amphibien etc. bilden eine der besten Sammlungen ihrer Art in Amerika. In einem anderen Gebäude treffen wir eine für hiesige Verhältnisse ganz ansehnliche Kunstgalerie, meistens Gemälde, sowie einige Statuen.

Den hier und dort mit Götterfiguren geschmückten Garten durchwandernd, sehen wir auf den weichen Rasenteppichen zahme Rehe und Antilopen und müssen einem großen Pelikan Platz machen, der ungenirt daherspaziert kommt. Eine prächtige Fontaine ergießt sich über einen hohen Felsbau, und Schwimmvögel aller Art beleben die Teiche und Flüßchen. Ein Wassercaroussel – bestehend aus einem schmalen mit Rudern und Segeln versehenen, reifenartigen cirkelrunden Boote, welches Sitze für hundert Personen hat und sich unablässig auf den Fluthen eines kleinen Sees herumdreht – ist stets von jubelnden, eifrig rudernden Knaben und Mädchen dicht besetzt; auf gewaltigen Schwingleitern sausen Andere haushoch hin und her durch die Luft; wieder Andere reiten, etwa ein Dutzend und mehr auf einmal, aus einem mit einer wahren Engelsgeduld gesegneten Dromedare, fahren in niedlichen mit Ziegenböcken bespannten Wägelchen, oder versuchen einen Ritt auf einem Maulesel, der nach einigen Schritten jedesmal den Kopf zwischen die Vorderbeine nimmt und, hoch hintenausschlagend, seinen Reiter unter dem Gelächter der Zuschauenden in den Sand bettet. Auf einem vom Hauptgarten getrennten geräumigen Platze, wo sich auch die meisten wilden Thiere befinden, ist ein Amphitheater, um dem Publicum Gelegenheit zu geben, mitunter japanesischen Akrobaten und Tausendkünstlern, olympischen Wagenrennen, Paraden der Miliz, dem Aufsteigen von Luftballons etc. zuzusehen.

Die zoologischen Abtheilungen sind besonders reichhaltig. In einem tropischen Thierhause wohnen Alligatoren aus Mexico, Iguanas und Armadillas aus Centralamerika, Gold- und Silberfasanen aus Japan, ein Vampyr und prächtig befiederte australische Vögel in Eintracht beisammen. Wilde Thiere – kolossale californische Grisel-Bären, bengalische Tiger, Hyänen, californische Löwen, Alaska-Bären, Jaguare, Llamas, Waschbären, Büffel, Pumas und viele andere Vierfüßler – nebst Schlangen und einer Unzahl von Vögeln aus allen Welttheilen begegnen uns auf Schritt und Tritt, theils hinter wohlverwahrten Gitterstäben, theils mehr oder weniger sich der Freiheit erfreuend. Die allen Thiergärten stereotype „glückliche Familie“ und unsere angeblichen Vorfahren im „Affenhause“ finden auch hier stets ein zahlreiches und bewunderndes Publicum.

Unter den Thieren bilden die Seelöwen in zwei großen, mit hochaufgebauten Felsinseln versehenen Bassins für Alt und Jung das höchste Interesse. Zur Fütterungszeit sind die nahe bei den Bassins aufgeschlagenen Gerüste stets schwarz von einer neugierigen Menschenmenge. Die ungeschlacht aussehenden Kolosse, von denen einige bis fünfzehnhundert Pfund wiegen, klettern mit ihren großen Schwimmflossen, welche sie wie Füße benutzen, mit staunenswerther Behendigkeit auf die steilen Felsen, brüllen einander grimmig an, recken die mächtigen Schultern und stürzen sich jählings in die hochaufspritzenden Fluthen nach den hineingeworfenen Fischen, verfolgen sich, jagen sich den Raub ab, schwimmen mit pfeilähnlicher Schnelligkeit hin und her und balgen sich miteinander, wobei die kleineren Seehunde stets vor ihren riesigen Stammesgenossen die Flucht ergreifen. Wenn die fremdartigen gewaltigen Thiere oben auf der Klippe Siesta halten, werden sie mitunter von den Wärtern mit langen Stangen aufgestört, blicken die Zuschauer mit verglasten Augen an und machen ihrem Unwillen mit sonorem Brüllen Luft. Uns San Franciscanern, die wir die berühmte Seelöwencolonie auf den sogenannten „Seehundsfelsen“ im Oceane nahe beim „Cliffhause“ oft gesehen und uns dort an dem Leben der riesigen Meeresbewohner in ihrer Freiheit ergötzt haben, gereichen diese Gefangenen in Woodward’s Garten, welche wir als eine specielle

[666] Errungenschaft betrachten, zu nicht geringem Stolze, und sie werden auch von jedem Fremden angestaunt.

Das Uebersiedeln der Seelöwen nach Woodward’s Garten hat große Mühe gekostet, indem dieselben an unzugänglichen Stellen an der Küste des stillen Oceans von Felsklippen mit Lassos eingefangen und auf eigens dazu ausgesandten Schiffen hierhergebracht werden mußten. Da es nicht thunlich war, Seewasserbassins in Woodward’s Garten anzulegen, so wurden die Thiere in Bassins untergebracht, die mit süßem Wasser angefüllt waren. Nur langsam gewöhnten sich die Seelöwen an das Süßwasser, wollten zuerst gar nicht fressen und mußten täglich gebunden und mit Gewalt vermittelst eines in ihren Schlund gesteckten großen Gummischlauches, durch welchen zerstampftes Fischfleisch gepreßt wurde, gefüttert werden. Der größte von ihnen, den man nicht zu bändigen vermochte, fraß während ganzer dreiundzwanzig Tage gar nichts, befindet sich aber jetzt im besten Wohlsein und entwickelt einen wahrhaft riesigen Appetit. Seit seiner Gefangenschaft hat sich sein Gewicht von siebenhundert auf fünfzehnhundert Pfund vermehrt. Gegenwärtig macht ein Seebär, der absolut nichts fressen will, den Wärtern große Sorge und muß, wuthschnaubend, jedesmal vor dem Gummischlauch-Diner gelassot und von einem halben Dutzend Männern gepackt werden, ehe er sich dazu versteht, sein Fischmahl zu vertilgen. Der alte Knabe ist das einzige Exemplar seiner Sorte in der Gefangenschaft und ist circa zweitausend Dollars werth. Wie es heißt, beabsichtigt Herr Woodward, nächstens einen Wallfisch, ein Wallroß und einen See-Elephanten einfangen zu lassen, welche den Seelöwen und dem Seebären in dem größten Bassin Gesellschaft leisten sollen.

Das mit einem Kostenaufwande von beinahe zwanzigtausend Dollars erbaute und erst vor einigen Monaten eröffnete Aquarium – bis jetzt das einzige seiner Art in Amerika – macht neuerdings den Seelöwen starke Concurrenz. Allerdings ist dasselbe an Größe und der Mannigfaltigkeit seiner Bewohner nicht z. B. mit dem Berliner Aquarium zu vergleichen, bietet aber doch eine Fülle von Sehenswürdigkeiten aus dem Reiche sowohl der Salz- als Süßwasserfische, von Haifischen und Forellen etc. bis zu Hummern, Seesternen und ähnlichem Gethier. Die vorne mit Glas geschlossenen Abtheilungen sind so eingerichtet, daß alles Licht durch das Wasser geht und den Inhalt der aus cementirten Felsen gebauten Behälter in allen ihren Theilen deutlich erkennen läßt. Die zur Respiration der Fische nöthige Luft wird von oben her durch nicht sichtbare Röhren in das Wasser gepreßt und versetzt dasselbe stellenweise in sozusagen „champagnerartige Bewegung“. Es ist ein capitales Vergnügen, im Halbdunkel der Grotte zwischen den Wasserbewohnern umherzuspazieren und das Thun und Treiben derselben in ihrem feuchten Elemente aus unmittelbarer Nähe beobachten zu können. Ueber dem Aquarium befindet sich eine photographische Galerie von mehreren Hundert der berühmten Ansichten von Naturscenerien an der pacifischen Küste von C. E. Watkins, welche bereits auf den Weltausstellungen in Paris und Wien auch in Europa bekannt geworden und von wunderbarer Schönheit sind.

Doch wir wollen unsere Schritte zu dem auf einem Hügel erbauten „großen Pavillon“ wenden, von wo das Gesumme einer in ihm versammelten Menschenmenge, hinter uns durch das Gebrüll der Seelöwen unterbrochen, und rauschende Musikklänge erschallen. Uns hindurch drängend zwischen unseren an zahlreichen Tischen Bier vertilgenden Landsleuten erreichen wir den Pavillon. Man stelle sich ein Holzgebäude vor, beinahe von den Dimensionen des Circus Renz in Hamburg, aber mit bedeutend größerem unterem Bodenraume, von dem glatt parquettirten Fußboden bis zum offenen Dachfirst etwa achtzig Fuß hoch, mit aufsteigenden Reihen von Bänken umgeben, behängt mit den Bannern aller Unionsstaaten und die Bänke voll von einer oft mehr als sechstausend Köpfe zählenden jubelnden und lachenden Volksmenge, und man hat einen guten Begriff von diesem kolossalen Circus. Tausendkünstler aller Art, vom unverfälschten Congoneger, der geschmolzenes Blei trinkt und auf rothglühenden Eisenstangen umherspaziert, vom einbeinigen Tänzer bis zum Schwertverschlucker und japanesischen Hercules, Zauberer, Possenreißer, Schauspieler, Bauchredner, Seiltänzer etc. produciren dort ihre Künste. Mitunter werden die Bretter des Fußbodens mit Sand beschüttet, um einer Kunstreitergesellschaft Gelegenheit zu geben, hier ihre Saltomortales und Pferdequadrillen etc. aufzuführen. Herr Woodward engagirt alles Neue und Lächerliche, und das Publicum hat den Spaß umsonst, das heißt Alles für die zwei Bit Entrée. Wenn die Schaustellung, welche[WS 1] jeden Sonnabend und Sonntag Nachmittag und mitunter auch an anderen Tagen stattfindet, vorbei ist, verwandelt sich das Parquet in eine Rollschlittschuhbahn. Da sich in Californien bekanntlich kein Eis zum Schlittschuhlaufen bildet, so sind solche Rollschlittschuhbahnen, welche man an dieser Küste fast in jedem Städtchen findet, dafür ein höchst erwünschter Ersatz, und es ist zum Verwundern, mit welcher Geschicklichkeit die Rollschlittschuhläufer und -Läuferinnen oft die verschlungensten Figuren auf dem glatten Holzboden executiren. Die Rollschlittschuhbahn im großen Pavillon in Woodward’s Garten ist ohne Frage die größte in der Welt, und als Tanzboden läßt dieselbe an Größe gewiß nichts zu wünschen übrig.

Den schönsten Anblick gewährt der große Pavillon, wenn die hiesige „Allgemeine deutsche Unterstützungsgesellschaft“ dort, wie üblich, ihr Maifest hält. Diese Gesellschaft, deren Zweck bereits ihr Name erklärt, besteht, wie ich hier einschalten will, gegenwärtig aus zweitausendzweihundertzweiundneunzig Mitgliedern. Für eine nur einmal zu entrichtende Aufnahmegebühr von zwei Dollars und einen Monatsbeitrag von einem Dollar ist jedem Mitgliede der Gesellschaft in Krankheitsfällen das ihr gehörende hiesige deutsche Hospital unentgeltlich geöffnet, oder derselbe kann einen Arzt umsonst in der Stadt consultiren und die nöthigen Medicamente frei aus der Hospitalapotheke erhalten. Unbemittelten deutschen Einwanderern steht die Gesellschaft mit Rath und That bei; auch macht sie sich namentlich zur Aufgabe, Arbeitsuchenden Stellen und Verdienst zu verschaffen. An Arme werden ungefähr tausend Dollars per Monat als Unterstützung ausgezahlt. Im Hospital finden außer nicht zahlenden Mitgliedern und Armen auch zahlende Kranke Aufnahme; die Einrichtung und Verwaltung desselben ist vorzüglich. Finanziell befindet sich die Allgemeine deutsche Unterstützungsgesellschaft von San Francisco in einer glänzenden Lage und besitzt, inclusive des Hospitals, ein Vermögen von circa einer Viertelmillion Dollars.

Die Maifeste der „Allgemeinen deutschen Unterstützungsgesellschaft“ in Woodward’s Garten sind stets von beinahe der ganzen hiesigen deutschen Bevölkerung besucht; der Reinertrag in diesem Jahre zum Beispiel betrug nicht weniger als viertausendeinundzwanzig Dollars und ein Cent Gold. Bei diesen Festen, welche zwei Tage dauern, betheiligen sich auch die Turn- und Gesangsvereine, und es herrscht alsdann in Woodward’s Garten das deutsche Element fast allein. Im Pavillon wird die Festrede gehalten und ebendaselbst wird das unvermeidliche Festgedicht gesprochen. Am Abend verwandelt sich das Gebäude in einen riesigen Tanzsaal, während an den mit freiwilligen Gaben reich ausgestatteten Lotterieständen die Börsen der Besucher zum Besten nothleidender Landsleute unter gutmüthigen Scherzen wunderbar schnell ihres Inhaltes an Kleingeld entleert werden und Jeder eine Gelegenheit sucht, auch sein Scherflein zum Besten der Armen hergeben zu dürfen. Zahnstocher, Blumensträuße und ähnliche Dinge werden mitunter beim Banket wieder und wieder versteigert und bringen Preise bis fünf Dollars das Stück. Am Abende des diesjährigen Maifestes bot der große Pavillon ein überraschend schönes Bild. Auf ein gegebenes Zeichen erloschen plötzlich alle Gaslichter, und vom Boden erhob sich aus einem improvisirten mit Schilfblättern und Blumen eingefaßten Bassin inmitten des riesigen Gebäudes eine mächtige, bis zum Dachfirst emporsteigende und in allen Farben des Regenbogens spielende Fontaine, deren eigenthümliche Beleuchtung durch ein intensives, von oben her durch gefärbte Gläser auf den Wasserstrahl herabgesandtes Licht hervorgebracht wurde. Während die prachtvolle, farbenschillernde Fontaine wohl eine halbe Stunde im Dunkel aufbrauste, sich senkte und hob, kreisten tanzende Paare im dichten Gedränge zu den heimischen Klängen des „Blaue-Donauwalzers“ im Dämmerlichte um dieselbe herum – ein Anblick, der, von einer der hohen Galerien herab betrachtet, wie ein Märchenbild erschien.

Schließlich noch einige Bemerkungen über die Entstehung und Verwaltung dieses californischen Vergnügungs- und Kunstgartens. Herr Woodward hat sein Etablissement vor circa acht Jahren klein angefangen und unter großen Schwierigkeiten nach [667] und nach vergrößert und zur gegenwärtigen Blüthe gebracht. Den ganzen Reinertrag von der Einnahme legte er successive für Verbesserungen aus. Der Werth des Grund und Bodens allein ist bereits auf eine halbe Million Dollars gestiegen, und die Gebäude und Einrichtungen etc. schätzt man auf dieselbe Summe. Da die Capitalanlage kaum den vierten Theil davon beträgt, kommen also drei Viertheile des gegenwärtigen Werthes auf die Verwaltung – gewiß ein glänzender finanzieller Erfolg! Die Einnahmen bestehen lediglich in dem geringen Eintrittsgelde und ein paar Cents Kopfgeld von den Schenkwirthen (die dafür ihre Licenz gratis erhalten) für jeden das Local Besuchenden, sowie in dem Verdienste einer der Straßenbahnlinien nach dem Garten, die Woodward gebaut hat und die ihm allein gehört. Allerdings pflegen Sonntags selten weniger als zehntausend Besucher dorthin zu kommen. Dagegen sind die Ausgaben enorm. Abgesehen von der kostspieligen Verwaltung hat Herr Woodward stets eine Menge von Agenten in aller Herren Ländern auf Reisen, welche Seltenheiten herbeischaffen müssen. Besonders Merkwürdiges und Neues wird, sobald hinreichend Geld in Casse ist, sofort angeschafft. Für San Francisco ist er durch seinen prächtigen Kunstgarten ein wahrer Wohlthäter geworden, und die fast beispiellosen Erfolge, welche sein Unternehmen gekrönt haben, verdient in dieser Stadt der wunderbaren Errungenschaften gewiß Keiner mehr als Herr Woodward. Wir Deutschen aber sind ihm zu besonderem Danke verpflichtet, denn er hat uns hier unter den Sandhügeln einen idyllischen Erholungsplatz hergezaubert, der uns an die anmuthigen Vergnügungs- und Tivoligärten der alten Heimath erinnert – und besonders deshalb möge seiner auch in diesen Blättern gedacht werden!

     San Francisco, am 1. September 1873




Das Opfer eines wilden Tages.
Vor fünfundzwanzig Jahren in Frankfurt a. M.
(Fortsetzung.)


Die Veranlassung zu dem letzten Ausritte Lichnowsky’s und Auerswald’s und der Lauf desselben wird sehr verschieden erzählt. Nach einer Angabe soll der General die Weisung erhalten haben, der von Darmstadt her erwarteten Artillerie entgegenzureiten, um dieselbe durch den einzig noch freien Weg in die Stadt zu führen. Auf diesem Ritte habe der Fürst ihn freiwillig begleitet.

Eine andere Variante erzählt, Lichnowsky sei dem General in der Gegend der Hauptwache begegnet und habe ihn zu einem Spazierritte aufgefordert, wozu indeß dieser keine Lust bezeigte. Da habe der Fürst sich auf die Hauptwache begeben und dort den österreichischen Oberst von Meyern um ein Pferd gebeten, um den an der Bockenheimer Chaussée wohnenden Reichsverweser von einer Sturmpetition zu benachrichtigen, die von der Linken der Nationalversammlung beabsichtigt sei. Er erhielt ein Pferd (einen Braunen, nicht Schimmel, wie anderweit gesagt ist) und ritt dem Eschenheimer Thore zu. Bald fand sich jetzt noch Auerswald zu ihm, denn Beide wurden bald nachher auf der Promenade vom Eschenheimer zum Friedberger Thore hin gesehen.

Die eingehendste Darstellung, nach Acten und anderweiter Nachforschung, vom ganzen Verlaufe des Ausrittes bis zum Ende geben des Rechtsmannes Georg Pflüger „Enthüllungen des gerühmten Processes, die Tödtung des Generals von Auerswald und des Fürsten Lichnowsky betreffend“, und wenn Pflüger auch, als „Vertheidiger zweier Angeklagter“, einen Parteistandpunkt einnimmt, so bezieht sich dies doch nur auf den Proceß gegen die Angeklagten und wirkt nicht störend auf seine Erzählung des Thatsächlichen ein, für die er gewissenhaft stets die Quelle angiebt.

Nach den protokollarischen Aussagen des kaiserlich königlichen Obersten von Meyern kam Lichnowsky gegen drei Uhr zu ihm auf die Hauptwache und bat ihn um ein Pferd zu dem angegebenen Zwecke; der Oberst gab es ihm, sagte ihm aber zugleich, daß er eben selbst vom Erzherzoge komme und wegen der vielen Bewaffneten, die er auf der Straße gefunden, einen Seitenweg eingeschlagen und auf diesem dem Erzherzoge eine halbe Compagnie Oesterreicher zugeschickt habe, die er noch einholen könne. Kaum war der Fürst abgeritten, so kam Auerswald und bat ebenfalls um ein Pferd, um Lichnowsky zu begleiten, und da der Oberst ihm keines geben konnte, so erklärte der General, sich mit dieser Bitte an Peucker (den Reichskriegsminister) wenden zu wollen.

Die Untersuchung ergab nicht, ob Lichnowsky beim Erzherzoge war. Sein Zweck konnte nur sein, den Reichsverweser gegen die sogenannte „Sturmpetition“ der Linken zu stimmen. Dieser Zweck wurde erreicht so wie so. Allerdings kam eine einfache Deputation, dabei auch Karl Vogt und Robert Blum, zum Erzherzoge, um ihn zu bitten, all’ seinen Einfluß aufzuwenden, um dem Blutvergießen in der Stadt Einhalt zu thun. Mit Thränen in den Augen schrieb in diesem Sinne Johann an Peucker, aber der Waffenstillstandspartei war solch ein Barricadenkampf für den Augenblick politisches Capital – und so ging in der Stadt das Schießen weiter, während von allen Seiten die Landstraßen von bewaffnetem und furchtbar erbittertem Zuzuge lebendig wurden. So war die allgemeine Lage und Stimmung, welcher zum Trotz die beiden Reiter ihren „sogenannten“ Spazierritt fortsetzten. Denn daß es mehr als ein Spazierritt war, hat später der todeswunde Fürst selbst gestanden, indem er auf die Frage, warum er die Stadt verlassen habe, äußerte: „Er habe einen Auftrag an die preußischen Truppen gehabt.“ Dazu giebt Folgendes einige Aufklärung.

Wo Lichnowsky zwischen Drei und Vier herumgeritten ist, konnte zwar nicht erforscht werden, aber nach vier Uhr sprengte er die Eschenheimer Straße daher und ritt durch das erste Thor nach der Wohnung des Kriegsministers von Peucker, dem Senkenberg’schen Museum gegenüber und an der Ecke der Bleichstraße, in deren Mitte eben preußische Soldaten gegen eine Barricade kämpften. Während er noch in so auffälliger Weise seine Freude darüber äußerte, daß es den Unwillen aller Umstehenden erregte, kam Auerswald zu Fuß von der Eschenheimer Straße her und bestieg hier ein ihm vorgeführtes Pferd. Der Widerstand jener Barricade zeigte sich stärker, als wohl Lichnowsky geglaubt hatte, und nachdem er sich davon überzeugt, ließ er das zweite Thor öffnen und ritt mit Auerswald sofort rechts auf der Chaussée nach dem Friedberger Thore hin.

Es steht also fest, daß der Fürst noch vor vier Uhr in der für ihn sicheren Stadt war; hier hat ihn auch Prinz Felix von Hohenlohe um dieselbe Zeit noch gesprochen; hier forderte er einen Herrn von Leiningen zum Mitritt auf, der ihm entgegnete: „Ob er (der Fürst) zwei Köpfe habe? Anders möge er den Kopf allein verlieren.“ Und selbst Auerswald folgte ihm nicht willig, denn diesem soll er noch zugerufen haben: „Sie, General, fürchten sich vor einer Handvoll Lumpenbuben?“

Kurz nachdem beide Reiter das Eschenheimer Thor verlassen hatten, kamen auch etwa zwei Compagnien Preußen im Sturmschritte die Eschenheimer Straße daher und verfolgten denselben Weg. Lichnowsky band auf seinem Ritte mit einem bewaffneten Turner an, den er entwaffnet wissen wollte, bis Auerswald ihn ermahnte, von solchen „Nebensachen“ abzulassen. Folglich gab es für Beide eine Hauptsache, die offenbar mit jenen preußischen Compagnien zusammenhing.

Als sie bei dem Hessendenkmale vor dem Friedberger Thore ankamen, fanden sie den freien Platz voll harrender und zum großen Theile bewaffneter Volkshaufen, und hier beging Lichnowsky die Unbesonnenheit – oder vermuthete er die preußischen Compagnien hart hinter sich? –, dieselben zum Niederlegen der Waffen aufzufordern. Mußten zwei Spazierreiter aus der Stadt, in welcher der Kampf tobte, jetzt und hier an sich eine auffällige Erscheinung sein, so sah man sie sich nach solch einer Aufforderung genauer an, und plötzlich rief’s aus der Menge: „Das ist ja der Lichnowsky!“ Und mit „Spion! Hund! Volksverräther!“ [668] flogen von allen Seiten Steine nach ihm und seinem Begleiter; auch ein Schuß fiel und schien das Pferd des Fürsten leicht berührt zu haben. Beide Reiter flogen dem etwa hundert Schritte entfernten Thore zu. Obwohl unverfolgt, denn die Bewaffneten scheuten offenbar das von Soldaten besetzte Thor, zog dennoch Lichnowsky eine Pistole aus der Brusttasche und feuerte sie rückwärts auf den Haufen ab. Schon ist er in der Nähe des Thors, da, vor dem Gitterwerke, reißt er plötzlich sein Pferd herum, ruft dem ihm nachjagenden Auerswald zu: „Blum est là! Tournons! Tournons!“ und wie willenlos folgt ihm auch jetzt der General.

Wirklich stand Robert Blum hinter dem Gitter; aber was in aller Welt konnte beide Reiter bewegen, die Begegnung mit diesem Manne so zu scheuen, daß sie die sichere Rettung – denn das Thor war offen – aufgaben? War etwa der Fürst dennoch beim Erzherzog gewesen und gedachte er jetzt der Dienste, die er gegen Blum und seine Deputation und für das Blutvergießen geleistet? Vergaß er, daß das Thor von Preußen besetzt war, die schwerlich Blum’s Commando gegen ihn befolgt hätten? Hier ist ein ungelöstes Räthsel, aber zugleich die Wendung des Schicksals der beiden Reiter. Beide trennten sich jetzt auf der Flucht; der Fürst jagte rechts ab nach dem Allerheiligenthore zu, der General links nach dem Eschenheimer Thore, von wo Beide hergekommen waren. Steine und Schüsse flogen ihnen nach. Auerswald kehrte vor einem Trupp Bewaffneter um, rannte noch einmal bis zum Hessendenkmale, scheint aber auch hier umgekehrt zu sein, denn auf dem Hermesweg, der rechts am Bethmann’schen Hause vorüber nach der Bornheimer Haide hinführt, traf er wieder mit Lichnowsky zusammen, der folglich von seiner Straße ebenfalls zurückgehetzt war und der hier den Bethmann’schen Kunstgärtner Sester fragte, ob er keine preußischen Truppen gesehen habe. Dieser versicherte, daß eben erst Preußen an der Chaussee nach dem Allerheiligenthor vorübermarschirt seien, und Auerswald schlug sofort diese Richtung ein. Lichnowsky aber rief zornig Jenem nach: „So reiten Sie, wohin Sie wollen! Ich reite meines Wegs!“ und ritt auf dem Hermeswege weiter. Und abermals wandte nun auch der General sein Pferd, und so gelangten Beide bis an die Bornheimer Haide, dann links dem Landwehrgraben entlang bis an das Brückchen vor dem Schmidt’schen Garten und Hause, wo sie später ihr Ende ereilte. Jetzt jagten sie dort vorüber. Hinter dem Schmidt’schen Garten liegt das Haus des Herrn Daniel, und hier winkte ihnen abermals die Rettung. Daniel rief Beiden, bot ihnen seinen Schutz an, eilte ihnen sogar nach; aber sie ritten dahin, immer tiefer in ihr Verderben. Noch immer waren sie unverfolgt, die Aufmerksamkeit der überall auf den Straßen stehenden Gruppen Bewaffneter war den Kämpfen in der Stadt zugewandt, der Vorfall am Hessendenkmal schwerlich schon weiter verbreitet und vielleicht dort selbst schon halb und halb vergessen. Aber erneut durfte derselbe nicht werden, und das gerade geschah nun. Denn anstatt die Friedberger Chaussee, auf die sie wieder gelangten, zu benutzen, um rechts hin reitend nach Friedberg hinaus zu kommen, scheuten sie vor einem Trupp Bewaffneter zurück, der zur Rechten stand, und ritten links hin, gerade wieder auf das Friedberger Thor zu. Und nicht genug damit, trug Lichnowsky in der Rechten die blanke Klinge seines Stockdegens, eine Waffe, die ihm gar nichts nützen konnte und ihn um so auffälliger machte. Kaum am Bethmann’schen Hause (am Hessendenkmalplatze) angekommen, braust ihm das Geschrei entgegen: „Halt! Halt! Da sind sie wieder! Spione! Lichnowsky! Volksverräther!“ und jetzt lief dieser Schrei die ganze Chaussee entlang bis zu allen übrigen Menschenhaufen. Abermals Steinhagel und Schießen und Flucht auf dem verhängnißvollen Wege zurück.

Diese Friedberger Chaussee läuft vom Hessendenkmal vor dem Friedbergerthor von Frankfurt an, zwischen Gärten, Villen und Gartenhäusern hin, in ziemlich gerader Richtung bis zu der Stelle, wo links her der „Weg an der eisernen Hand“ mündet und rechts hin ein sogenanntes „stumpfes Gäßchen“, bekannt als das „grüne Gäßchen“, zu Gärten führt, aber in ziemlich gerader Richtung nach dem Schmidt’schen Haus und Garten hin. Von der Chaussee selbst zweigt sich dann nach einer kurzen Krümmung rechts die Fahrstraße nach Bornheim ab. Ungefähr in der Mitte dieser Chausseestrecke öffnen sich nach rechts drei Gäßchen, zwischen Gartenmauern und Hecken, die alle auf den sogenannten Bornheimer Fußpfad oder Haideweg und am Schmidt’schen Grundstück vorüber in eine Pappelallee führen. Durch das dritte dieser Gäßchen (vom Thore aus gezählt) waren die Reiter vom Haideweg her auf die Chaussee gekommen, hatten rechts oben an „der eisernen Hand“ Bewaffnete (die Zuzüge von Gienheim und Bockenheim) gesehen, sich deshalb links zum Thor hingewendet und sprengten nun die Chaussee wieder herauf und waren bereits an dem dritten Gäßchen vorbei, als Auerswald sein Pferd wendete, um durch dasselbe den Haideweg wieder zu gewinnen. Zwar rief ihm Lichnowsky mit geschwungenem Stockdegen zu: „Courage! Courage! Voran! Vorwärts!“ – doch diesmal folgte ihm der General nicht und gelangte unangefochten wieder an das Brückchen vor dem Schmidt’schen Garten. Da er auch die hier vor ihm liegende Bornheimer Haide von bewaffneten Gruppen belebt sah, so wandte er sein Pferd rasch, ritt ein paar Schritte des Wegs zurück und stieß hier wieder auf Lichnowsky.

Dieser war auf der Friedberger Chaussee vorwärts, an den bewaffneten Haufen, welche der seltsamen Erscheinung des Reiters mit dem Degen verdutzt nachsahen, vorbei gesprengt und bis nahe an die Chausseetheilung gekommen, machte aber hier plötzlich Kehrt und ritt in das „grüne Gäßchen“ hinein. Jetzt hatten ihn die Zuzügler „an der eisernen Hand“ wohl erkannt. Geschrei verfolgte ihn, und auch Schüsse sollen gefallen sein. Plötzlich war das Gäßchen zu Ende, der Fürst sah, daß er in eine Sackgasse gerathen sei; an Rückkehr war nicht mehr zu denken, und so setzte er über die Gärten hinüber und jenseits, an dem neben dem Schmidt’schen Garten gelegenen und von diesem durch einen Weg, welcher zu dem oftgenannten Brückchen führt, getrennten Lohmer’schen Garten über eine Gartenplanke, an welcher das Pferd hängen blieb und diese niederriß. Dort war ein Maurer beschäftigt, den er „um Gotteswillen“ bat, ihm das Pferd abzunehmen, während er aus diesem Garten dem eben augenblicklich zurückreitenden General auf dem Wege vor dem Schmidt’schen Hause entgegenschritt. Beide waren von diesem Wiedersehen überrascht und sprachen heftig und hastig mit einander, so daß der im Schmidt’schen Hause wohnende Lehrer Schnepf dadurch erst auf die Anwesenheit Beider aufmerksam wurde. Er hörte noch, als der General ihn bemerkt hatte und sein Pferd zu ihm hinlenkte, Lichnowsky wiederholt in die Worte ausbrechen: „Jetzt wollen Sie mich verlassen?“ Auerswald erwiderte hastig: „Nein! nein! nein!“ und wandte sich dann an Schnepf mit der Bitte: „Retten Sie uns, mein Herr!“, und als dieser erst die Mittheilung der Namen beider Herren verlangte, sagte er: „Fragen Sie nicht, wer wir sind, mein Herr! Retten Sie uns – wir sind verfolgt!“ Darauf öffnete Schnepf die Gartenthür nach dem Brückchen hin, Auerswald ritt in den Garten, Lichnowsky folgte zu Fuß.

Während nun Herr Schnepf die Unmöglichkeit jedes Versteckens in diesem Hause darzuthun suchte und sich erbot, die Herren zu Fuß einen Weg zu führen, auf welchem sie sicher entkommen könnten, trat auch der Hausbesitzer, Kunstgärtner Schmidt, herzu. Ihm übergab der General sein Pferd mit der Bitte, es in einem Stalle unterzubringen; er selbst ging in’s Haus. Lichnowsky ließ auch sein Pferd herbeiführen und schien geneigt, die Rettungsflucht zu Fuß zu versuchen; als aber Auerswald plötzlich verschwunden war, versicherte er, „daß er ohne seinen Freund nicht gehen könne, daß er ihn nicht verlassen werde.“ Herr Schnepf übergab das Pferd des Fürsten einem Knaben, um es hinweg zu führen. Er bemerkte bereits die Annäherung von Verfolgern.

Beide Männer hatten sich selbst verloren, ja, sie konnten noch offenbarer ihren Verfolgern sich nicht ausliefern, und sie hörten auf keinen Rath mehr. Das Schmidt’sche Haus war als Kunstgärtnerwohnung so völlig versteckwinkelfrei wie eine Laterne. Bei eifriger Ersparung und Benutzung des Raumes greift im ganzen Hause, insbesondere was Gänge, Vorplätze, Stiegen, Flur und Winkel betrifft, Alles eng in einander ein und darum fällt auch Alles rasch in die Augen. An zwei Seiten sind Gewächshäuser an das Haus angebaut, deren größtes Fenster nach einer Terrasse hin dort sogar zum Ein- und Ausgang dient. Zum sogenannten „Keller“ führt von der Hausflur des Haupteinganges aus eine Treppe von nur drei Stufen. Zwei große Souterrainfenster verschaffen ihm genügende Hellung. Wohnräume, Küche, Waschhaus, Kammern, nichts bietet ein Versteck. Und zum Boden [669] (Speicher) führt eine Treppe wie eine Hühnerleiter, und dort sind zu beiden Seiten eines sehr schmalen Gängchens enge Dachkämmerchen für die Hausbewohner; offen war nur eines mit den zwei Betten der Gärtnerburschen, gleich am Treppenaufgang. So ist das Zufluchtshaus, und vor dem Haus im Garten steht noch ein Pferd – und die umgerittene Gartenplanke ist ein Verräther mehr! Und da versteckt Lichnowsky sich in einen Obstverschlag dieses Kellers und der greise Auerswald klettert die Stiege zu der offenen Dachkammer hinauf – und beide glauben sich geborgen – wenn die Schlüssel dazu versteckt sind! –

An den Hausbewohnern lag es nicht, daß es so kam. Von dem Augenblick an, wo Auerswald Schmidt’s Stube betrat und Lichnowsky mit schwer vorwurfsvollem Tone fragte: „Na – was nun?“ – und dessen Antwort lautete: „Verkleiden! Verstecken!“ – von diesem Augenblick suchten alle Hausbewohner, Schmidt, seine Gattin, die ebensoviel Muth als Geistesgegenwart zeigte, der Lehrer Schnepf, ein bejahrtes Fräulein Pfalz und der eine der beiden Gärtnerburschen (der andere kam erst später hinzu), Beide vor Allem vom Verstecken abzumahnen und ihnen das ganz und gar Nutzlose desselben zu beweisen. Und abermals bot der Zufall fast wunderbar eine Rettungshand. Fast zugleich mit den Verfolgten hatte das Dienstmädchen Marie Adam aus dem ganz nahen Hause desselben Daniel, der kurz vorher Beiden seine Hülfe, aber ungehört, angeboten, den Garten betreten, um Milch zu holen. Frau Schmidt übersah rasch die Gefahr der Lage. Hatte auch auf Schmidt’s Geheiß der Gärtnerbursche Rettenbacher Auerswald’s Pferd im Kuhstall untergebracht, so stand doch das Lichnowsky’s noch bei der niedergetretenen Planke, und vergeblich drang sie darauf, es zu entfernen. Sie mußte, auch um der eigenen Sicherheit willen, an die Entfernung der Verfolgten selbst denken. Zuerst drang sie in den General deshalb. Denn nachdem Lichnowsky an der Schmidt’schen Stubenthür auf Auerswald’s „Na – was nun?“ die Antwort „Verkleiden! Verstecken!“ gegeben und sofort wieder verschwunden war, hatte dieser sich an Frau Schmidt mit der Bitte gewandt: „Was können Sie für mich thun? Ich will mich verkleiden.“ Diese rieth ihm, in den Schlafrock und eine Gartenmütze ihres Mannes gehüllt, wie ein Hausgenosse mit dem Dienstmädchen hinüber zu Herrn Daniel zu gehen. Nur seinen Schnurrbart solle er sich rasch abschneiden. Obgleich zögernd, nahm er doch die Scheere in die Hand; aber kaum hatte er vor dem Spiegel einen Blick durch’s Fenster daneben gethan, so legte er die Scheere auf den Tisch und sagte: „Es ist zu spät – verstecken Sie mich!“ Und wieder warnte die Frau ihn vor dem unnützen Verstecken. Da sein linker Arm von einem Steinwurf gelähmt war, so half Marie Adam ihm seines Rocks sich entledigen und einen solchen Schmidt’s anziehen. Weil aber auch jetzt Auerswald nicht mit ihr gehen wollte, so entfernte sie sich mit ihrem Milchtopf und kam, von Niemandem gesehen und gestört, in Daniel’s Haus an. Dem aus der Thür eilenden Mädchen nachblickend, mochte er durch die Vorplatzfenster wieder Volksgruppen gesehen haben, denn er sagte nun bittend zu Frau Schmidt: „Ach, da sind jetzt meine Kleider hier! Wenn sie meine Kleider finden, dann wissen sie ja, daß ich hier bin. Verstecken Sie sie doch und lassen Sie mich auf den Speicher!“ Und abermals warnte sie vor dem Verstecken und bat ihn, sich auf das Canapee zu setzen und eines ihrer Kinder auf den Schooß zu nehmen, wie als der Großvater desselben. Aber während sie des Generals Rock die Treppe hinab zum Kleiderschrank trug, mußte Fräulein Pfalz, die mit in der Stube war, ihm die Stiege zum Speicher zeigen. Er klomm hinauf und rief von droben dem Fräulein zu: „Schließen Sie zu und werfen Sie den Schlüssel weg!“ – Droben in der Dachkammer verkroch er sich in eines der beiden Betten. Da er aber die Sporenstiefeln anbehielt, so konnte er nicht fühlen, daß ein solcher unter der Decke hervorragte, – und der ward sein Verräther.

Aus dem Allen ersehen wir, daß bei dem alten, verwundeten Manne alle Ueberlegung und Beherrschung aufgehört hatte. Aber wir finden den jüngern, lebenskräftigen Fürsten in nicht besserem geistigem Zustande. Er war nach seinem Verschwinden vor Schmidt’s Stubenthür in das daneben liegende Zimmer des Fräulein Pfalz gekommen, die erstaunt sah, wie er, den weißen Hut auf dem Kopfe, mit der Lorgnette zum Fenster hinaus sah und sich umschaute. „Um Gotteswillen!“ – rief sie, „man sieht Sie ja von allen Seiten!“ Und rasch eilte er vom Fenster hinweg, zur Thür wieder hinaus. Der unheimliche Eindruck trieb nun Fräulein Pfalz in Schmidt’s Stube hinüber. Der Fürst war die Treppe hinab und im Garten zu dem Burschen gegangen, der noch sein Pferd hielt, und hatte ihm Geld in die Hand gedrückt, um das Pferd zu verbergen; dann hatte er jedenfalls nach dem Keller gesucht; er ist, da die Keller- und Treibhausthüren meist offen standen, vielleicht sogar darin gewesen, ohne in dem nur etwa dritthalb Fuß tiefen Raume neben dem Hausflur einen Keller erkannt zu haben. Als jetzt Frau Schmidt mit dem Rock des Generals die Treppe herab kam, stand er am Fuße derselben und fragte sie sogleich – ohne sich nach Auerswald’s Verbleib, dessen Rock er doch vor sich sah, zu erkundigen – nach dem Keller. Die kluge Frau warnte auch ihn vor dem Verstecken hier und schlug ihm vor, einen vom Gärtnerburschen Rettenbacher dahängenden Rock anzuziehen und mit einer Gießkanne hinüber in das erste beste Nachbarhaus zu gehen. Wenn er sich noch dazu den Schnurr- und Knebelbart abschneide, sei kaum zu zweifeln, daß die Flucht gelinge. Aber Lichnowsky erwiderte hastig: „Lassen Sie das! Lassen Sie das – es ist zu spät – verstecken Sie mich im Keller!“ Dennoch führte sie ihn von der Hausflur in das südliche Treibhaus, und um ihm zu zeigen, wie leicht er nach dieser Richtung über die Planken kommen und in die Gärten verschwinden könne, ging sie einige Schritte vor. Als sie sich aber umsah, war der Fürst verschwunden; sie fand ihn im Vorplatz wieder, nach der Kellerthür suchend, und rief ihm, nunmehr nothgedrungen auf seinen Wunsch eingehend, zu: „Hierher, hierher – der Keller ist hier!“ – Sie führte ihn in den Kellergang. Nur ein einziger der fünf Verschläge desselben, und zwar der engste, war unverschlossen. Da hinein schob sie ihn und rieth ihm, als er klagte: „Ach, ich kann nicht weiter!“ sich zu bücken, so werde er ein Versteck zur Noth finden. Er kam auf ein sogenanntes Apfelbett, das mit ihm durchbrach, und so sank er auf einen zweiten Boden desselben hinab, wo er flüchtigen Blicken wohl verborgen war. Auch er bat die Frau, den Schlüssel mitzunehmen und sich zu verstecken. Wie aber beim General der Sporenstiefel, so war beim Fürsten ein über das sonst gute Versteck heraushängender Rockzipfel schließlich der Verräther für die Verfolger, die nun nicht mehr auf sich warten ließen, denn als Frau Schmidt aus der Kellerthür heraustrat, standen bereits die ersten vor ihr.

„Wir suchen den Hund, den Volksverräther, den Spitzbub – den Lichnowsky!“ – „Wie wäre es, Madamchen, wenn ich Ihnen hernach an einem Spieß eine Cotelette von dem Fleisch des Hundes Lichnowsky überreichte? Das lassen Sie sich wohl köstlich schmecken!“ – „Ja, Madamchen, wir sind gediente Leute, wir werden sie schon finden.“ – Das sind die ersten Anreden der Verfolger an die Frau; sie kennzeichnen die Art derselben, die unmenschliche Wuth, in welche diese zum Theil angetrunkenen Rotten durch das fortwährende Schießen in der Stadt versetzt waren, und den nicht mehr zu bezähmenden Ingrimm über den Einen, von dem sie überzeugt waren, daß er allein die Schuld trage an dem Kampfe und Blutvergießen in Frankfurt. Die Hausbewohner, so klar sie auch die Nutzlosigkeit des Versteckens vorher erkannt, waren doch jetzt schreckensstarr – sie mußten geschehen lassen, was geschah, – und die Verfolgten? Jedes Wort hörten sie auf ihren gräßlichen Lagern, der im Keller, wie der auf dem Speicher, – und so furchtbar muß die Marter ihrer Todesangst gewesen sein, daß ihr Tod nur als eine Erlösung erscheint.

Auch darin war, wie der Schuldlosere, auch der Glücklichere der alte General. Ihn fanden sie zuerst, und er fand zuerst den Tod.

(Schluß folgt.)

[670]


Album der Poesien.
Warnung vor dem Rhein.

An den Rhein, an den Rhein, zieh’ nicht an den Rhein,
Mein Sohn, ich rathe Dir gut:
Da geht Dir das Leben zu lieblich ein,
Da blüht Dir zu freudig der Muth.

5
Siehst die Mädchen so frank und die Männer so frei,

Als wär’ es ein adlig Geschlecht:
Gleich bist Du mit glühender Seele dabei,
So dünkt es Dich billig und recht.

Und zu Schiffe, wie grüßen die Burgen so schön

10
Und die Stadt mit dem ewigen Dom!

In den Bergen, wie klimmst Du zu schwindelnden Höh’n
Und blickst hinab in den Strom.

Und im Strome, da tauchet die Nix aus dem Grund,
Und hast Du ihr Lächeln gesehn,

15
Und sang Dir die Lurlei mit bleichem Mund,

Mein Sohn, so ist es geschehn.

Dich bezaubert der Laut, Dich bethört der Schein,
Entzücken faßt Dich und Graus.
Nun singst Du nur immer: Am Rhein, am Rhein,

20
Und kehrst nicht wieder nach Haus.


Karl Simrock.




Mit Victor Emanuel auf der Steinbockjagd.[2]


Der Eindruck, den bei meinem letzten Besuch am königlich italienischen Hofe der ritterliche Monarch auf mich machte, welchen ich seit fünfzehn Jahren nicht mehr gesehen, war ein überaus sympathischer. Man stelle sich keinen vom Ceremoniell der Höfe angekränkelten Cavalier unter ihm vor, sondern einen echten Ritter, wie einen mittelalterlichen Haudegen, der den Italienern offenbar durch den Contrast mit ihrem abgerundeten, vorsichtigen, zierlichen Wesen zu gefallen scheint. Er ist, obwohl nur mittelgroß, eine durch seine Körperfülle und untersetzte Statur imposante Gestalt, voll Saft und Kraft, mit blitzenden Augen und schlachtgewohnter Haltung.

Mit ausgestreckten Händen kam er mir entgegen, hieß mich herzlich willkommen und fragte gleich nach Verwandten meines Hauses, die auch ihm bekannt waren.

An demselben Abende noch speiste ich bei Hofe mit mehreren Ministern und Generalen. Der König, als echter Piemontese, knusperte an seinen Grissini (dünne Weinbrodstangen), alle sonstigen Speisen verschmähend. Da Damen sich doch für Häusliches interessiren, so will ich gleich verrathen, was man sich erzählt. Der König, auch in seiner Häuslichkeit Jagd- und Lagergewohnheiten liebend, speist in der Regel allein. Im Zimmer auf- und abgehend, verzehrt er ein Dutzend halbroher Coteletten aus der Faust und trinkt dazu eine Maß herben piemontesischen Rothweins. Wenn er zur Ehre von seltenen Gästen der Tafel beiwohnt, beschäftigt er sich außer der Conversation culinarisch nie anders als in der obenerwähnten Weise.

Der König entließ mich diesen Abend später als die übrigen Gäste und gab mir selbst die nöthigen Rathschläge für den am folgenden Tage anberaumten Aufbruch zur Jagd. Der sympathische Eindruck war also gegenseitig gewesen.

In Viergespannen von englischen Halbblutpferden – trotz seiner Körperlast sind Victor Emanuel’s Reitpferde meist nur Vollblutaraber, deren er herrliche Exemplare vom Sultan und vom Vicekönig von Aegypten zu erhalten pflegt – erreichten wir am folgenden Abend das Jagdschloß in den Grajischen Alpen, die einzige Gebirgsgegend, außer Spanien, wo noch der Steinbock vorkommt, der längst in den savoyischen, schweizerischen und Tiroler Alpen ausgestorben ist. Ohne Victor Emanuel’s Liebhaberei und Waidmannslust würden wohl auch diese edlen Thiere, welche noch in einer Anzahl von sechs- bis achthundert Stück gehegt werden, längst ausgerottet worden sein.

Ich hatte eine Art Treiben erwartet, wie ich sie bei den Gemsjagden des Herzogs Ernst von Coburg in Tirol oder im bairischen Hochlande als Gast des Königs Max mitgemacht; allein nichts von Dem!

Ich werde mich zwar stets der Jagden im Revier des Königs Max am Königssee mit Vergnügen erinnern. Wie geschmackvoll wechselte bei diesem Monarchen der geistige mit dem Naturgenuß! Tags zuvor saßen wir geladenen Gäste noch im berühmten Symposium des Königs, wo die ersten Gelehrten und Dichter den Abend geistig verherrlichten. Gerade war die historische Commission versammelt gewesen, durch deren Einsetzung König Max sich unsterbliche Verdienste um die vaterländische Geschichtsschreibung erworben hat. Da sah ich Ranke und Sybel, dann Liebig, Geibel, Paul Heyse, Kaulbach. Die Unterhaltung wogte um die höchsten Interessen der Menschheit, und König Max leitete sie mit seltenem Tact – ein Glas Rheinwein oder Punsch nicht verschmähend. Am andern Morgen brachen wir nach Berchtesgaden auf. In einer für den König errichteten Hütte im Gebirge ward die Nacht zugebracht, während welcher die Förster und Jäger damit beschäftigt waren, die Gemsen herbeizutreiben. Da wurden oft zwanzig bis dreißig Stück, nicht wenige von des Königs eigener Hand, erlegt. Die Schattenseite dieser Treibjagden aber ist, daß man stundenlang an derselben Stelle verweilen muß und vor Kälte oft schlottert, vor Langeweile oft gähnt, so daß man nicht selten den richtigen Moment verpaßt.

Nichts von alledem bei Victor Emanuel. Wir gingen auf die Pürsch – nur von einigen Adjutanten und Jägern in passender Entfernung von einander begleitet. Ich hatte dem Könige die zwei Zündnadelbüchsen zum Geschenk mitgebracht, die ich aus der königlichen Waffenfabrik erhalten – ein paar Prachtexemplare. Der König hat das Geschenk sehr gnädig aufgenommen und schien vor Ungeduld zu brennen, die Trefflichkeit und Tragweite eines Gewehres zu erproben, dessen Feuergeschwindigkeit über allem Zweifel erhaben steht.

Schon am frühen Morgen vertheilte der König, nach kurzer Rücksprache mit dem Oberförster, die Rollen. Einige Träger wurden mit Lebensmitteln an einen bestimmten Ort im Gebirge vorausgeschickt, wo wir uns nach vollbrachter Jagd treffen sollten. Die Adjutanten schlugen mit einigen Jägern Wege links und rechts ein, während der König, von mir und einem einzigen Büchsenspanner begleitet, einen mittleren Pfad in die Alp hinauf stieg. Victor Emanuel mit einem kurzen schwarzen Sammetwamms bekleidet, ich der oberbairischen Juppe treu, Beide mit der Büchse auf dem Rücken und einem langen Bergstock in der Hand, die Stellhunde uns vorauseilend, so stiegen wir den Felsenpfad hinan, während die Sonne allmählich hinter den Walliser Schneespitzen emporstieg und die Berghörner rings um uns vergoldete. So mühsam der Marsch auch war, so frisch stieg der König trotz seiner Körperfülle voraus. Bald lagen die letzten Wälder hinter uns, die höchsten Alpenweiden wurden durchschritten und ein beschwerliches Klettern begann zwischen Moränen, Schneefeldern, Felsenklippen und herabhängenden Gletscherzungen. Von Zeit zu Zeit, wenn wir momentan still standen, um zu verschnaufen, musterte der König durch einen kleinen Feldstecher die Höhen. Der grelle Pfiff der Murmelthiere ließ sich vernehmen, hier und da sahen wir auch in kurzer

[671]

„An den Rhein, an den Rhein, zieh’ nicht an den Rhein!“
Originalzeichnung von Knut Ekwall.

[672] Entfernung einen jener drolligen Thiere vor seiner Höhle Männchen machen, vor den heraneilenden Hunden aber wieder verschwinden. Wir verschmähten natürlich dies niedere Wild, um nicht durch unzeitige Schüsse unsere Jagd zu verderben.

Wir zogen eine Halde hinan, die hier und da von Rinnen durchzogen war, in welchen Schneewehen dichte Spuren hinterlassen hatten. Auf einer derselben fanden wir Trittspuren und Losung, welche der Jäger sofort für die frische Fährte einer kürzlich darüber geeilten Steinbockkuppel erklärte. Wir setzten am Rande des Schnees die Stellhunde darauf, welche sofort im raschen Gange uns aufwärts führten. Wieder waren wir eine Stunde gestiegen.

Da plötzlich winkte mich der König zu sich heran und reichte mir das Fernrohr, auf einige dunkle Punkte deutend, welche sich auf einer Felsspitze zwischen einer Moräne und einem Gletschervorsprung zeigten. Ein Blick durch das Glas entdeckte mir das erste Hochwild. Es waren drei Steinböcke, welche auf einer grünen Oase der Felsenzinne weideten. Trotz der großen Entfernung konnte ich doch bemerken, wie der vorderste den Schmuck der meterlangen, handbreiten Hörner herumwarf und die Umgegend mißtrauisch zu mustern schien. Die Thiere mochten das durch unser Klettern verursachte Geräusch rollender Steine vernommen haben. Doch hatten sie uns offenbar noch nicht bemerkt. Es galt ihnen jetzt den Wind abzugewinnen. Der König befahl dem uns begleitenden Jäger in einem Bogen die Böcke zu umschleichen und durch Geräusch sie uns entgegenzutreiben, die wir auf der anderen Seite allmählich, uns möglichst hinter Felsen versteckend, oft auf allen Vieren kriechend, zu ihnen vorsichtig emporklommen. Der Jäger hatte die überaus schwierige Aufgabe, in einer Felsenrunse, einem sogenannten Kamin, emporzuklettern. Nach einer halben Stunde, die wir in unseren wechselnden Verstecken mit großer Ungeduld zubrachten, in steter Furcht, daß ein unvorsichtig gelöster und herabrollender Stein unser Nahen verrathen, die Thiere warnen und unsere Jagd vereiteln möchte, sahen wir den Jäger von Zeit zu Zeit mit dem Kopfe am Rande der Runse hervortauchen, mehr und mehr dem Flecke sich nähernd, wo die Steinböcke grasten. Endlich waren wir nahe genug an der Felsenwand, um uns einen Standpunkt wählen zu können. Die Stelle zeigte sich uns günstiger, als wir anfangs geglaubt; denn der Felsenvorsprung, auf welchem die Thiere standen und an dessen nördlichem Absturz der Jäger hinaufklomm, während wir uns von der Ostseite näherten, war, wie sich bei unserer Annäherung zeigte, durch eine zwanzig Fuß breite Kluft nach Süden und Westen vom Gletscher getrennt, während nur die nördliche Seite mit der Moräne zusammenhing. Des Königs von der Anstrengung und der Bergluft geröthetes Gesicht strahlte förmlich, als er diese Sachlage wahrnahm.

„Machen Sie sich schußfertig!“ flüsterte er mir zu. „Die Entfernung ist zwar ansehnlich, aber für die Kugel zu erreichen. Wahren Sie Ihre deutsche Schützenehre!“

Noch eine kurze vorsichtige Kletterei; dann stieß der König durch ein kleines Instrument, ähnlich unseren Rehbocklockpfeifen, einen eigenthümlichen Ton aus. Ein paar Secunden darauf sah ich die Köpfe der Steinböcke oben am Rande der Klippe sich vorstrecken, in demselben Momente tönte von der anderen Seite ein Schrei, und in jähem, gewaltigem Satze flog das vorderste der Thiere über die Schlucht, in der Richtung nach dem Gletscher. Der König war wie der Blitz der Bewegung mit der Büchse gefolgt, ein Knall donnerte durch die Berge und der Steinbock kollerte, als er den Boden erreichte, die Schlucht herab. Mein darauffolgender Schuß traf den zweiten Bock, der dem ersten auf dem Fuße gefolgt war. Derselbe raffte sich aber wieder auf und machte Miene den Gletscherrand zu erklimmen, den der dritte Steinbock in ungeheurem Satze wirklich erreicht hatte. Bereits aber sandten ihnen unsere Hinterlader die tödtlichen Schüsse nach. Die beiden letzten Thiere waren so dicht aneinander und rafften sich so oft nach dem Zusammensturze wieder auf, daß erst mehrere Kugeln ihrem Leben ein Ende machten.

Von der Freude über das Jagdglück und die seltenen Thiere wie berauscht, sprang ich in wilden Sätzen die Schlucht hinauf zum ersten Steinbock, mehrmals ausgleitend und die Hände blutig ritzend, während der König langsamer folgte. Als nun auch der Jäger, von den Schüssen angelockt, wieder herabgeklettert war und die verendeten Thiere mit Lebensgefahr herabgebracht hatte, wollte der König, großmüthig wie immer, mir die Ehre des Tages zuschreiben, das heißt, da er nicht leugnen konnte, den ersten glücklichen Schuß gethan zu haben, mir die Erlegung der anderen zwei Steinböcke beimessen, obgleich er selbst mehrere Schüsse darauf abgefeuert. Da ich dies nicht gelten ließ, so wurde zur Untersuchung der Schußwunden geschritten. Allein des Monarchen Großmuth war nicht zu besiegen.

Mir wurden also zwei Steinböcke zugesprochen, welche der König selbst ausstopfen lassen und mir verehren will. Prächtige Thiere, diese Steinböcke! Sie sind kleiner als die Gemsen, aber trotz der gewaltigen Hörner, welche in etwas nach auswärts schiefem Bogen vom Scheitel nach dem Rücken geworfen sind, noch schnellkräftiger als jene. Ihr Fell ist nicht, wie das der Gemsen, braun, sondern grau und zottiger.

Nachdem der König befohlen, die Thiere auszuweiden, sandte er den Jäger um Träger zur Bergung der Jagdbeute. Er selbst führte mich bergab, dem Stelldichein zu. Wie den genußreichen Rückweg schildern? Durch schneebedeckte Runsen, im Sonnenglanze strahlende Alpen, die wieder abwechselten mit Fichten- und Tannenwäldern, ging es fort unter ernsten und heiteren Gesprächen. Manchmal mußten wir eine Schlucht passiren, durch die wir uns die Hand reichen mußten, und wo nur noch ein Fleckchen blauen Himmels sichtbar war. Einmal wehte uns der eisige Hauch der Gletscher, einmal die warmen Lüfte des Südens an. Während ich allmählich große Müdigkeit und Erschöpfung spürte, schritt der königliche Jäger immer kühn und unermüdet voran. Ich war froh, als wir endlich, von der sinkenden Sonne beleuchtet, in einer Lichtung von der versammelten Jagdgesellschaft mit fröhlichem Jubelruf begrüßt wurden.

Um ein riesiges Feuer, das ein Kreis von trockenem Moos, mit Decken belegt, umgab, saßen die Gäste Victor Emanuel’s, lauter fröhliche Gestalten, welche bei seinem Anblicke auf die Füße sprangen. Nun wurden die herbeigeschafften Speisen und Weine ausgepackt und Alle lagerten sich wieder um das Feuer.

„So wie ich Sie kenne, lieber W.,“ hub der König an, „werden Sie die Nase nicht rümpfen, wenn wir Sie als guten Schützen senza complimenti behandeln, Hier angefaßt! Gleiche Schützen, gleiche Theile!“

Mit diesen Worten hatte der Monarch einen Kapaun aus dem Korbe mit der Faust an einem Beine ergriffen, und hielt ihn mir zum Halbpart hin. Ich mußte das andere Bein ergreifen und nun riß der König das Geflügel lachend entzwei mit den Worten: „Nun einen tüchtigen Tummler unsers Rothweins, das schmeckt besser, als alle Eure dîners parés!“

Das meine Jagd mit Victor Emanuel. Man kann sich der ritterlichen Waidmanns-Rüstigkeit des Königs auch für sein Volk nur freuen, denn noch allemal war ein solch gekrönter Nimrod auch auf dem Thron mehr werth, als der weichliche Stubenhocker im Purpur.



Goethe.
Sein Leben und Dichten in Vorträgen für Frauen geschildert.
Von Johannes Scherr.
XII.

Die „lustige Zeit“ von Weimar! Nun ja, das war sie, obzwar der vielberufene „Magister Ubique“, der gute Hofrath K. A Böttiger, das Klatschen der „abscheulich großen“ Parforcekarbatschen, womit der Wolfgang und sein herzoglicher Dutzbruder auf dem Marktplatze der Stadt „stundenlang“ um die Wette geknallt haben sollen, item noch viel anderes Geklatsche – als da zum Beispiel die Werthertrachtkostenrubrik für zu- und abwandernde Genies, welche des Herzogs Schatzmeister Bertuch in seinen Rechnungen gehabt – wohl nur mit seinen höchsteigenen, sehr gelahrten, über mehr als billig langen Ohren gehört [673] haben mag. Jedennoch war von anderen Leuten des Wirklichen und Thatsächlichen noch genug zu hören, was, vollends in die Weite hin durch das Gerücht vergrößert, glauben machen konnte, in der bis dahin so still-ehrbar-langweiligen Stadt an der Ilm sei der Teufel los. Wieland, ein gewiß unverdächtiger Zeuge, denn er „liebte ja“, wie er sagt, den Wolfgang „wie seinen Sohn“ und hatte „eine innige Freude daran“, daß ihm derselbe „so schön über’n Kopf wuchs“, konnte sich doch des brieflichen Stoßseufzers nicht enthalten: „Goethe hat in den ersten Monaten durch seine damalige Art zu sein die meisten skandalisirt und dem diabolus prise über sich gegeben“ – und unser Dichter selber bestätigte diese Censur, indem er in den ersten Monaten von 1776 im kräftigsten Kraftstil an Merck meldete: „Ich treib’s hier freilich toll genug“ – „Ist mir auch sauwohl geworden“ – „Wir machen Teufelszeug.“ Aber der gute Wieland hat obigem Seufzer das Postscript angehängt (24. Juli 1776): „Von dem Augenblicke an, da er decidirt war, sich dem Herzoge und dessen Geschäften zu widmen, hat er mit untadeliger σωφροσύνη (Verständigkeit, Mäßigung) und aller ziemlichen Weltklugheit sich aufgeführt.“

Auf ein Festhalten des Freundes an seiner Seite und in seinem Lande hatte es der Herzog wohl von vornherein abgesehen, und daß Goethe seinerseits der Absicht des Freundes, ihm Amt und Würde zu geben, nicht entgegen und zum Bleiben in Thüringen bald entschlossen war, deutete er schon zu Anfang des Jahres 1776 verständlich genug an, wenn er am 5. Januar an Merck schrieb: „Wirst hoffentlich bald vernehmen, daß ich auch auf dem theatro mundi etwas zu tragiren weiß.“ Und weiterhin: „Ich bin nun in alle Hof- und politischen Händel verwickelt und werde fast nicht wieder wegkommen.“ Er kam nicht wieder weg.

Im Frühjahr bezog er das sogenannte Jägerhaus an der Straße nach dem Belvedere. Bald darauf schenkte ihm Karl August einen von Bertuch erkauften Garten, der am Wege nach Oberweimar am Fuße eines Hügelgeländes, genannt das Horn, gelegen war. Der Dichter schrieb darüber am 17. Mai an Auguste von Stolberg: „Hab’ ein liebes Gärtchen vor’m Thor an der Ilm, schöne Wiesen in einem Thale. Es ist ein altes Häuschen darin, das ich mir repariren lasse.“ In diesem Gartenhause hat er sieben Jahre lang im Sommer und meist auch im Winter gewohnt. Hierher hat er sich aus dem Weltgedränge gerettet, sich selbst und sein Bestes, Eigenstes. Hier wurde der Egmont geschrieben und die Iphigenie (in erster Form) gedichtet, hier quollen ihm viele seiner innigsten Lieder aus dem Herzen, wie jenes unnachahmlich stimmungsvolle Mondlied „Füllest wieder Busch und Thal still mit Nebelglanz“. Im Juni wurde der Dichter bleibend für Weimar gewonnen: der Herzog ernannte ihn, alles Abwinkens von seiten höfischer Petrefacte, als da zum Beispiel der frühere dirigirende Minister Graf Görz und die Oberhofmeisterin Gianini gewesen sind, sowie auch des Stirnrunzelns bureaukratischer Banausier ungeachtet, am 11. Juli zum Geheimen Legationsrath mit Sitz und Stimme im Cabinett und einem Jahrgehalt von tausendzweihundert Thalern. Später wurde das „Tragiren auf dem theatro mundi einträglicher. Im September von 1779 wurde Goethe Geheimrath und erhielt zweihundert Thaler Besoldungszulage, etwas später eine weitere Zulage von vierhundert, endlich vom Jahre 1816 an die Ministerbesoldung von dreitausend Thalern. Seine auf Betreiben Karl Augusts durch Kaiser Josef den Zweiten mittels Diploms vom 10. April 1782 bewerkstelligte Adelung ist bekanntlich nicht nur ohne, sondern wider Wunsch und Willen des Dichters in’s Werk gesetzt worden. Es stießen sich eben verschiedene mehr oder weniger petreficirte Herren und Damen bei Hofe an dem „bürgerlichen“ Geheimrath. Als der Dichter schwarz auf weiß gelesen, daß er jetzo glücklich ausgebürgert und eingejunkert sei, schickte er das Diplom an Lotte von Stein und schrieb dazu: „Ich bin so wunderbar gebaut, daß ich mir gar nichts dabei denken kann.“ Können Sie sich etwas dabei denken, meine Damen? Ich meinerseits gestehe bescheidentlich, ich kann mir nichts dabei denken, absolut nichts als dieses, daß die menschliche Narrethei vom Anfang an da war und bis an das Ende aller Dinge da sein wird. …

Doch halt! wir sind ja im Galopp, so zu sagen, der Zeit vorausgeeilt und müssen wieder umlenken, um doch nicht gar zu rasch über Weimars lustige Zeit hinwegzuhuschen, obzwar es überflüssig, länger dabei zu verweilen, maßen ja verschiedene mehr oder weniger dicke Bücher über den Gegenstand geschrieben, gedruckt und hoffentlich auch gelesen worden sind. …

Während der ersten Wochen, Monate, meinetwegen auch Jahre von Goethe’s Aufenthalt in Weimar ging es bei Hofe – um für Burschikoses einen burschikosen Ausdruck zu gebrauchen – kreuzfidel genug her. Doch aber nicht so toll, daß dem guten Klopstock in Hamburg, wie er im März von 1776 an unsern Dichter schrieb, Angst zu werden brauchte, der junge Herzog werde sich zu Tode trinken; auch nicht so toll, daß die Haare des Herrn Doctor Zimmermann in Hannover, wie dieser Herr an den inzwischen auf Goethe’s Betreiben nach Weimar berufenen Herder meldete, nöthig gehabt hätten, vor lauter Entsetzen darob „sich senkrecht in die Höhe zu richten“. Es wurde allerdings auf den Schauplätzen des Kraftgenietreibens, als da waren die Lustschlösser Belvedere, Ettersburg, Tieffurt, das Dorf Stützerbach, auch Dornburg, Ilmenau und Lauchstädt, viel bunte und lärmende Zigeunerei aufgeführt; es wurde rasend geritten, gejagt und gehetzt, weit über Durst poculirt, überlaut gesungen und jubilirt, nächtelang mit Bauermädchen im Tanze gesprungen und tage- und nächtelang mit Mädchen aller Stände „gemiselt“, das heißt geliebelt, denn die guten Dinger heißen im kraftgenialischen Rothwelsch „Misels“. Aber der Wolfgang, von dem in einem Knittelversbrief eines von der Geniebande (Kammerherr von Einsiedel) dazumal geschrieben stand:

„Mit seinen Schriften unsinnsvoll
Macht er die halbe Welt jetzt toll,
Schreibt ein Buch von ein’m albern Tropf,
Der heiler Haut sich schießt vor’n Kopf;
Meint Wunder, was er ausgedacht,
Wenn er einem Mädel Herzweh macht;
Parodirt sich drauf als Doctor Faust,
Daß ’m Teufel selber vor ihm graus’t –“

ja, der Wolfgang hat in seinem vorhin bereits angezogenen Gedicht „Ilmenau“ mit Recht darauf hingewiesen, daß in all der übermüthigen Lustigkeit der Jagden, Schlittenfahrten, Trinkgelage, Maskeraden, Possenspiele und Liebschaften doch das edlere Element immer wieder obenauf kam: –

„Unbändig schwelgt der Geist in ihrer Mitten
Und durch die Rohheit fühl’ ich edle Sitten.“

Zu Zeiten überwältigte den Dichter die Empfindung, daß er doch eigentlich „für diese Welt nicht gemacht sei“, wie er seinem Tagebuche anvertraute, das heißt nicht für diese Welt geräuschvoller Zerstreuungen und buntwechselnder Liebesränke und galanter Schwänke. Er flüchtete sich dann aus derselben zu seiner großen Flamme, Lotte von Stein, von welcher noch mehr zu sagen sein wird, oder er verschloß sich in sein Gartenhaus, oder er packte plötzlich seinen Mantelsack, setzte sich zu Pferde und ritt einsam in die Welt hinein. So im Winter von 1777 nach dem Harz, von wo er den Hymnus „Harzreise im Winter“ mit heimbrachte, in welchem ein beklommenes Dichterherz seinen Sorgen in erhabenen Bildern Luft machte. Was Goethe über diesen winterlichen Ritt äußerte, ist insbesondere auch darum denkwürdig, weil es zeigt, wie innig dieser Pöbelhasser das Volk verstand und liebte: – „Wie sehr ich wieder auf diesem dunkeln Zuge – ich war vierzehn Tage allein und kein Mensch wußte, wo ich war – Liebe zu der Klasse von Menschen gekriegt habe, die man die niedere nennt, die aber gewiß für Gott die höchste ist! Da sind doch alle Tugenden beisammen: Beschränktheit, Genügsamkeit, gerader Sinn, Treue, Freude über das leidlichste Gute, Harmlosigkeit, dulden, dulden, ausharren!“ … Im nächsten Frühjahr finden wir unseren Wanderer auf einem ganz anderen Schauplatz. Am 8. December war er „über anderthalb Ellen hohen Schnee“ auf dem Brocken gestanden; jetzt, da er den Herzog nach Berlin begleitet hatte, ging er neugierig in Potsdam und Sanssouci herum, allwo damals noch der große Alte mit dem Krückenstockscepter waltete. „Ich guckte nur drein – schrieb Goethe an Frau von Stein – wie das Kind in Schön-Raritätenkasten. Aber es sind mir tausend Lichter aufgegangen. Und dem alten Fritz bin ich recht nah worden; da hab’ ich sein Wesen gesehen, sein Gold, Silber, Marmor, Affen, Papageien und zerrissene Vorhänge und hab’ über den großen Menschen seine eigenen Lumpenhunde räsonniren hören.“

[674] Wiederholt begegnen wir zu dieser Zeit in des Dichters vertraulichen Aeußerungen seiner Klage über die „Hofnoth“ und daß er „des Treibens müde sei“. Natürlich! Der Genius in ihm fühlte sich unbefriedigt. Das Getöse und Gestaube einer ins Leben übertragenen Genialität, wie es die ersten weimarischen Jahre Goethe’s erfüllte, konnte der Muse nicht eben hold und günstig sein. Allerdings beschäftigte sich der Dichter in den stillen Tagen und Nächten, welche er dem Tumult der „Hofnoth“ abzugewinnen vermochte, mit seinen größeren Entwürfen: der „Egmont“ wurde gefördert, die „Iphigenie“ vollendet (in Prosa), der „Tasso“ begonnen, der „Wilhelm Meister“ ins Auge gefaßt, der „Faust“ dann und wann um eine Scene weitergerückt. Aber alles dieses ist erst später ausgereift und offenbar worden, während es für jetzt ganz den Anschein gewann, als ob Goethe nur noch zur Hervorbringung von allerhand poetischem Zeitvertreib Muße und Stimmung finden könnte. Zu solchem höfisch-poetischen Zeitvertreib zählen wir die kleinen Dramen und Singspiele „Die Geschwister“ – „Der Triumph der Empfindsamkeit“ (ursprünglich „Die geflickte Braut“) – „Lila“ – „Jery und Bätely“ – „Die Fischerin“ – „Scherz, List und Rache“. Die Goethenarren haben sich an diesen Sachen und Sächelchen pflichtschuldigst erbaut. Der unbefangene Urtheiler dagegen wird darin und daran weiter nichts finden wollen und können, als niedliche, recht niedliche Kleinigkeiten, welche ein genialer Mensch, der im Nothfall die Poesie zu „kommandiren“ verstand[3], niederschrieb, um zu den Kosten höfischer Feste seinen Antheil beizusteuern. So eine goethe’sche Beisteuer waren dann auch „Die Vögel“, eine mit aristophanischem Pfeffer gewürzte Posse, die urtheilslose Lesewuth des Publikums satirisirend.

Die erwähnten dramatischen Kurz- und Kleinwaaren unseres Dichters dienten zunächst dem theatralischen Bedarfe des Hofkreises. War man des wilden Treibens in Feld und Wald überdrüssig, so griff man zum Komödienspiel, welches von der Herzogin Amalia hochbegünstigt war. Die weimarer Theaterzustände waren aber damals noch sehr hinterwäldlerische. Eine stehende Bühne gab es gar nicht in dem „Nest“ von Ilmresidenz. Aber komödirt mußte doch werden. Also wurde zur Geniezeit bei Hof ein Liebhabertheater aufgeschlagen, aus dessen Brettern die Fürstlichkeiten und die Hofleute Rollen agirten. Der Wolfgang war Theaterdichter, Theaterdirector und Schauspieler zugleich, Primadonna die Korona Schröter. Zunächst diente diese improvisirte Schaubühne als handliches Mittel muthwilligster Neckerei und einer keineswegs zartfühligen Schabernackssucht. Der gute Wieland wußte davon zu erzählen, noch Anno 1779, wo in seiner Gegenwart seine allerdings parodirenswerthe „Alkeste“ mittels Aufführung der „Geflickten Braute“ fürchterlich parodirt wurde. Der Schelm von Theaterdirector ließ die süße Arie: „Weine nicht, du meines Lebens Abgott!“ schnurrig mit dem Posthorn begleiten und in dem Singsang an den Mond:

„Du gedrechselte Laterne
Ueberleuchtest alle Sterne
Und an deiner kühlen Schnuppe
Trägst du der Sonne mildesten Glanz“ –

wurde das Wort „Schnuppe“ als unendlicher Triller gesungen. Diesmal wurde Wieland „wüthig“ und lief im Zorne davon. Sein Brief an Merk, worin er sich über die ihm widerfahrene „Polissonnerie“ ausläßt, lautet sehr anders als ein drei Jahre zuvor an denselben Freund gerichteter, worin der gute Papa gesagt hatte: „Goethe lebt und regiert und wüthet und gibt Regenwetter und Sonnenschein und macht uns alle glücklich, er mache, was er will …“ Im April von 1779 kam die „Iphigenie“ zur Aufführung und man kann wohl mit Fug sagen, daß mit der Erscheinung dieser edlen Dichtung die kraftgenialisch wolkige Atmosphäre Weimars sich zu reinigen und zu klären begonnen habe. Goethe hatte die Rolle des Orest, Korona die der Iphigenie. Ein Augenzeuge einer der Aufführungen des Stückes, der nachmals berühmt gewordene Medizinmann Hufeland, hat darüber dieses Wort gesprochen: „Nie werde ich den Eindruck vergessen, den Goethe als Orestes im griechischen Gewande machte. Noch nie erblickte man eine solche Vereinigung geistiger und körperlicher Vollkommenheit in einem Manne wie damals in ihm. Man glaubte einen Apollon zu sehen.“



Blätter und Blüthen.

Noch einmal der Vampyr-Schrecken. Bezugnehmend auf den Artikel „der Vampyr-Schrecken im neunzehnten Jahrhundert“ von Carus Sterne in der Gartenlaube, sei es mir gestattet, Folgendes, das ich selber erlebt und gesehen habe, als Ergänzung zu jenem Aufsatze hier zu veröffentlichen. Carus Sterne sagt, daß dieser Glaube sich nur bis Preußen, worunter er doch jedenfalls nur die Provinz Preußen verstanden wissen will, verbreitet habe; dem ist aber nicht so, man fand diesen Glauben noch vor ungefähr vierzig Jahren auch allgemein in der Provinz Pommern und zwar bis in die Gegend der Stadt Stargard, wie Folgendes, das ich, wie bemerkt, selbst erlebt und gesehen habe, beweist.

Oftmals hatte ich von älteren und auch wohl jüngeren Leuten meines Heimathdorfes, Schöneberg bei Stargard in Pommern, erzählen hören, wie häufig es vorkomme, daß ein verstorbenes Familienglied alle oder doch mehrere Mitglieder der Familie nachfresse. Dies war der allgemein gebräuchliche Ausdruck für die Macht des Verstorbenen, vermöge welcher er seinen vernichtenden Einfluß ausübe; wolle man aber die Kraft eines solchen Nachfressers paralysiren, so müsse des Nachts sein Grab geöffnet, ihm das Haupt mit einem Grabscheit abgestochen und dieses dann zu seinen Füßen gelegt werden. Im Wesentlichen stimmte der Aberglaube in Pommern mit dem überein, was Carus Sterne über ihn in anderen Gegenden sagt. Recht lebhaft hörte ich aber diesen Aberglauben die Landbevölkerung meiner Heimath beschäftigen, als in dem benachbarten Dorfe Brüsewitz ein kräftiger Bauergutsbesitzer starb, dem in kurzen Intervallen zwei robuste erwachsene Söhne folgten. Wahrscheinlich grassirte eine Seuche, aber allgemein sprach man, der Vater fresse die ganze Familie nach, wenn man nicht mit dem Verstorbenen die obengenannte Procedur vornehme.

Mein Onkel, der Lehrer des Dorfes war, äußerte bei Gelegenheit eines Besuches zu meinem Vater, er fürchte, daß er eines schönen Morgens auf dem Kirchhof, der übrigens dicht vor seinem Hause lag, die Spuren vorfinden werde, daß das Grab geöffnet sei, und er fürchte das um so mehr, wenn die jetzt noch schwer krank darniederliegende Tochter auch sterben sollte. Er wollte aber, wenn der Fall eintrete, meinen Vater sofort benachrichtigen, damit er sehe, wie groß die Macht des Aberglaubens noch sei. Nach wenigen Tagen erfuhren wir, daß die Tochter wirklich gestorben sei, und drei Tage nach deren Begräbniß erschien denn auch in aller Frühe ein Bote, der meinen Vater einlud, sofort nach Brüsewitz zum Bruder zu kommen. Ich durfte den Vater begleiten. Wir fanden den Onkel am frisch zugeworfenen Grabe des etwa vor sechs Wochen verstorbenen Bauergutsbesitzers, und die umherliegenden Erdhäufchen, die sich in der Nacht nicht hatten gut beseitigen lassen, dann der in aller Eile hergerichtete Grabhügel ließ uns keinen Zweifel, was da vorgegangen war. Die Sache wurde von meinem Onkel dem Pastor angezeigt (Brüsewitz war damals noch Filial des Dorfes Pansin), derselbe begnügte sich damit, am nächsten Sonntage der Gemeinde von der Kanzel herab über den crassen Aberglauben, der noch in ihr herrsche, Vorstellungen zu machen, unterließ aber die Anzeige an das Landrathsamt, so daß keine weitere Untersuchung erfolgte. Als aber nun wirklich kein Mitglied aus der beregten Familie mehr starb, war man allgemein der Ansicht, daß die vorgenommene Procedur die richtige und helfende gewesen sei

Dr. Petermann.



Zur Roderich Benedix-Dotation.

Unsere Leser und alle Freunde und Verehrer der geistigen Schöpfungen unseres Roderich Benedix wissen nunmehr längst, daß die Sorgen des Lebens für immer von ihm genommen sind. Gestern, am Montage, den 29. September, haben wir ihn im alten Friedhof von Leipzig begraben. Wie an jedem Dichtergrabe ist auch an dem seinen der Gedanke ausgesprochen worden, daß der Dichter nicht ganz sterben könne, daß sein Bestes fortlebe in und mit seinem Volke; – und eben darum kann auch unsere Dankbarkeit nicht mit seinem Tode enden, sondern muß über sein Grab hinausdauern und sich bewähren.

Im Vertrauen darauf, daß dieser Gedanke auch alle unsere Leser erfülle, erlauben wir uns noch einmal die Bitte an alle Freunde und Verehrer des heimgegangenen Dichters, dieser Sammlung für die R. Benedix-Dotation auch ferner treu zu bleiben und ihr die Theilnahme in immer weiteren Kreisen erwirken zu helfen. Mögen sie Alle denken: der alte Roderich Benedix nehme ihre Ehrengabe als ein Vermächtnis an für seine Wittwe und sein einzig noch unversorgtes und der Pflege sehr bedürftiges Kind. Dieser Nationalerbschaft für unseres Dichters einsam trauernde Lieben gelten fortan unsere Sammlungen. Bis heute ergaben dieselben an neuen Sammlungen:

Franz Jauner, Director des Carltheaters in Wien 100 fl.; M. W. in Hof-Gnadenthal 5 Thlr.; E. F. in Berlin 5 Thlr.; Helene u. Franziska K. in Potsdam 3 Thlr.; A. D. in Reichenhall 3 Thlr. 10 Ngr.; Lehrer Neumann in Sand 15 Ngr.; G. H. in Hamburg 2 Thlr.; T. Fick ans R. 2 Thlr.; Höhme in Zwönitz 3 Thlr.; in der Restauration Weber 12½ Ngr.; L. in Leipzig Nr. 65 50 Thlr.; T. in Würzburg 6 Thlr.; W. F. in Loschwitz 2 Thlr.; eine Gartenfreundin 1 Thlr.; Stadtrath Dr. Günther in Leipzig 25 Thlr.; zweite Gabe von der Redaction der Gartenlaube 50 Thlr.

Die Redaction.

  1. Unter dieser Ueberschrift fassen wir eine Reihe bildlicher Darstellungen zusammen, in welchen wir die hervorragendsten Personen der verschiedensten menschlichen Lebensstellungen auf allen Feldern menschlichen Strebens, Wissens und Könnens als Portraitfiguren und zwar stets in einer das Berliner öffentliche Treiben möglichst charakterisirenden Umgebung unseren Lesern vorführen.
    D. Red.
  2. Wir verdanken diese Skizzen den Mittheilungen eines Cavaliers, der längere Zeit am Hofe des Königs von Italien verweilte und dort öfters den königlichen Jagden beiwohnte. Der Artikel liegt schon lange in unserem Redactionspulte, dürfte aber nach dem Besuche des Königs in Wien und Berlin jetzt doppeltes Interesse erregen.
    D. Red.
  3. Und wollt ihr euch Poeten nennen,
    So kommandirt die Poesie!

                                                                Goethe.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: welchen