Die Gartenlaube (1885)/Heft 7

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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum: 1885
Erscheinungsdatum: 1885
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[105]

No. 7.   1885.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig oder Halbheften à 30 Pfennig.


Die Frau mit den Karfunkelsteinen.

Roman von E. Marlitt.
(Fortsetzung.)


Grete saß in der dunklen Wohnstube und sann; und zu Allem, was durch den jungen Kopf flog, sagte die alte Uhr ihr ruhiges, gleichmäßiges Ticktack und ebnete gleichsam die hochgehenden Wogen in der Seele. Reinhold’s Gehässigkeit und sein und der Großmama Hochmuth machten ihr das Blut wallen; aber es wurde niedergekämpft – nein, die Heimkehr in das väterliche Haus ließ sie sich absolut nicht verbittern! Fort mit der unerquicklichen Wahrnehmung! ... Da war das Gesicht der schönen Dame vom Hofe, das hatte nichts Aufregendes! Sie mußte sehr überlegenen Verstandes oder eine phlegmatische Natur sein, die herzogliche Nichte mit der unbeschreiblichen Ruhe und Gelassenheit in Zügen und Geberden ... Früher hatte man kaum um die Existenz der schönen Heloise von Taubeneck gewußt. Prinz Ludwig hatte einen hohen preußischen Militärposten bekleidet und seinen Wohnsitz in Koblenz gehabt. Nur selten war er an den heimischen Hof gekommen, und das den apanagirten Prinzen des herzoglichen Hauses zu Verfügung gestellte Landschlößchen, der Prinzenhof, hatte lange Jahre unbewohnt gestanden. Es lag außerhalb der Stadt, am Fuße eines ehemaligen Burgberges, den noch einzelne Mauertrümmer krönten, und war ein einstöckiger Rokokobau mit Mansarde und den nöthigen Remisen und Stallungen, die unter dem Laubdach herrlicher alter Nußbäume völlig verschwanden, während sich vor der geschnörkelten Vorderfront ein hübsches, mit Blumengruppen und Statuen geschmücktes Rasenparterre hinzog. Vom Dambacher Pavillon aus konnte man ja den Prinzenhof fast greifbar nahe liegen sehen.

Nun war er wieder bewohnt, und Tante Sophie hatte in Berlin viel von dieser Veränderung gesprochen. Die Wittwe des Prinzen Ludwig war froh gewesen, nach seinem Tode hier „unterkriechen“ zu können, wie sich der Kleinstädter insgeheim drastisch genug ausdrückte; denn an Barem hatte der Verstorbene so gut wie nichts hinterlassen, und die Wittwenpension war keine allzugroße. Wie man aber wußte, hatte das herzogliche Paar eine warme Zuneigung zu der langen, verwaisten Nichte gefaßt, und vorzugsweise aus dem Grunde mochte es wohl geschehen, daß den beiden Damen Subsistenzmittel zuflossen und Vorrechte zugestanden wurden, auf die sonst nur Ebenbürtige Anspruch hatten.

Nun, die Equipage, die eben über den Markt heranbrauste und draußen vor der Thür hielt, war elegant genug, um ein fürstliches Geschenk zu sein. Der offene Wagen funkelte und glitzerte im Gaslichte, und das feurige Gespann schnaubte und stampfte vor Ungeduld. Es währte geraume Zeit, bis man sich droben entschloß, aufzubrechen, bis das Stimmengeräusch der Gesellschaft die Treppe herabkam und der große Flügel des Hausthores zurückgeschlagen wurde, um auf das Trottoir draußen den starken Lichtschein der Flurlampen strömen zu lassen.


Kinderscherze. 0Nach dem Gemälde von Th. Schmidt.

[106] In diese grelle Beleuchtung trat zuerst die Baronin Taubeneck und watschelte an Herbert’s Arm nach dem Wagen. Sie war von einer übermäßigen Korpulenz, und die Tochter, die ihr folgte, mochte ihr später darin ähnlich werden. Jetzt freilich hatte ihre hohe, volle Gestalt noch schöne, ebenmäßige Linien. Sie zog die schwarze Spitzenhülle fester über das tief in die Stirn fallende Blondhaar, setzte sich vornehm ruhig neben die keuchende Mama und sah sehr theilnahmlos auf die übrigen Gäste herab, welche, noch einmal sich verabschiedend, den Wagen umringten, um sich dann nach allen Richtungen hin zu zerstreuen.

Herbert war sofort mit einer tiefen Verbeugung zurückgetreten – das sah nicht aus, als habe die Verlobung in der That stattgefunden – die Frau Amtsräthin dagegen hatte die Hand der jungen Dame zwischen die ihren genommen, sie preßte sie unter fortwährendem, nahezu aufdringlichem Sprechen und bog plötzlich, wie von Zärtlichkeit überwältigt, ihr Gesicht auf die hellbehandschuhte Rechte, um, Margarete vermochte nicht zu unterscheiden ob den Mund oder die Wange darauf zu drücken.

Sie fuhr unwillkürlich vom Fenster zurück. Das Blut strömte ihr heiß nach den Schläfen – sie schämte sich in tiefster Seele für die alte, weißhaarige Dame, die ihre sonstige stolze Gemessenheit und Würde einem so jungen Geschöpf gegenüber völlig verlor.

Ganz erbittert sprang sie vom Fenstertritt. In was für ein armseliges, beschränktes Thun und Treiben war sie zurückgekommen! Hatte sie deßhalb den weiten Flug in ferne Lande und alte Zeiten gemacht und sich an dem berauscht, was der Menschengeist im edlen Schönheitsgefühl, im Freiheitsdrange an Idealen ersonnen und erstürmt, um hier an der widerlichsten Kriecherei zu sehen, wie geistig arm der Mensch werden kann? ... Nein, der Käfig war zu eng! Auch nicht die äußersten Spitzen der freiheitgewohnten Flügel ihres Geistes opferte sie, um sich ihm anzubequemen! ... das, was augenblicklich dominirend und entnervend durch das gesammte moderne Leben ging, der Servilismus, die Machtanbetung, das ungenirte Buhlen um die Gnade einflußreicher Persönlichkeiten, das waren jetzt die Gespenster im Lamprechtshause, gegen die sie sich ihres Leibes und Lebens zu wehren hatte! – Wahrlich, „die schöne Frau mit den Karfunkelsteinen“, die einzig aus rücksichtsloser, heißer Liebe die Grabesruhe verwirkt, sie stand groß neben den kleinen Seelen! ...


9.

Draußen rollte der Wagen davon. Margarete verließ die Wohnstube; aber sie flog nicht, wie sie wohl gleich beim Kommen im ersten Impuls gethan, den Ihren entgegen – wie angefröstelt stieg sie langsam die wenigen in den Hausflur führenden Stufen hinab.

Herbert schien eben die Treppe hinauf gehen zu wollen und der Kommerzienrath kam über die Schwelle in den Hausflur zurück. Auf seinem Gesicht lag noch der Glanz befriedigten Stolzes über die seinem Hause widerfahrene Ehre. Er stutzte bei Margaretens Erblicken, breitete aber gleich darauf unter einem Freudenruf die Arme aus und zog die Heimgekehrte an seine Brust. Und da war auch wieder ein Lächeln auf ihren Lippen.

„Ei, bist Du es wirklich, Gretchen?“ rief die Frau Amtsräthin, die in diesem Augenblick in Reinhold’s Begleitung von draußen hereintrat. „So ganz wider Erwarten?“ – Sie ließ die Schleppe, die sie mit spitzen Fingern sorgsam hoch über dem Boden hielt, rauschend niedersinken, streckte dem jungen Mädchen die Rechte entgegen und hielt ihr mit würdevoller Grazie die Wange zum Kuß hin. Das schien die Enkelin nicht zu bemerken – sie berührte die großmütterliche Hand mit ihren Lippen und schlang dann die Arme um den Hals des Bruders ... Ja, sie hatte ihm vorhin ernstlich gegrollt! Aber er war ja ihr einziger Bruder, und er war krank; das heimtückische Leiden raubte ihm die Jugend, allen Glanz, allen Zauber der himmlisch schönen „achtzehn Jahre“. Und wie das Herz unruhig und beängstigend hastete in der schmalen Brust, an welche sie sich schmiegte! Wie sein Körper sich frostig schüttelte unter dem kühlen Nachthauch, der vom Markte hereinblies! –

„Gehen wir hinauf! Der zugige Hausflur ist ein schlechter Begrüßungsort!“ mahnte der Kommerzienrath. Er legte seinen Arm wieder um Margaretens Schultern und stieg mit ihr die Treppe hinauf, Herbert nach, der um eine Anzahl Stufen voraus war.

„Großes Mädchen!“ sagte der Papa und maß mit väterlich stolzem Blick die jugendliche Gestalt neben sich.

„Ja, sie ist noch recht gewachsen,“ meinte die Großmama, die an Reinhold’s Arm langsam nachkam. „Mußt Du nicht auch lebhaft an Fanny’s Züge und Erscheinung denken, Balduin?“

„Nein, ganz und gar nicht! Die Gretel hat ein echtes Lamprechtsgesicht,“ entgegnete er, und seine Stirn verfinsterte sich.

Droben im großen Salon stand Tante Sophie an einem Seitentisch und zählte das gebrauchte Silberzeug in einen Korb. Sie lachte über das ganze Gesicht, als Margarete auf sie zuflog. „Dein Bett steht bereit, auf dem nämlichen Platz, wo Du als Kind alle Deine lustigen und dummen Streiche verschlafen hast,“ sagte sie, nachdem sie unter der stürmischen Umarmung des jungen Mädchens zu Athem gekommen war. „Und in der Hofstube nebenan ist’s auch ganz huschelig und gemüthlich, wie Du’s immer gern hattest.“

„Also ein Komplott!“ meinte die Frau Amtsräthin mit scharfer Rüge. „Tante Sophie war die Vertraute, und wir Anderen mußten uns bescheiden, bis der große Moment gekommen war!“ Sie zuckte mit den Schultern und ließ sich auf den nächsten Stuhl nieder. „Wäre er nur früher gekommen, dieser große Moment, Grete! Aber Deine Heimkehr jetzt hat so gut wie gar keinen Zweck – der Hof geht in den nächsten vierzehn Tagen nach M. zurück; von einer Vorstellung wird kaum noch die Rede sein können.“

„Sei Du froh, liebe Großmama! Du würdest doch keine Ehre mit mir einlegen. Du glaubst gar nicht, was für ein Hasenfuß ich bin, was für ein schauderhaft täppisches Ding, wenn ich die Kourage verliere! Das heißt, vor unseren lieben, alten Herrschaften würde ich Stand halten – die sind mild und gütig und verschüchtern ein zaghaftes Menschenkind nie geflissentlich. Aber die Anderen“ – sie brach ab und fuhr sich mit der Hand unwillkürlich durch die Locken. „Deßhalb bin ich ja aber auch gar nicht gekommen, Großmama, der Weihnachtsbaum hat mir’s angethan, Weihnachten drunten in der Wohnstube! Ich habe mich sattgesehen an all den Konfektfiguren und den Buchbinder-Meisterwerken, die Tante Elise kauft und mühelos an den Baum hängt. Ich will wieder jene Vorbereitungsabende durchleben, wo es draußen stürmt und schneit und drin in der warmen Stube die Nüsse auf dem Tische rasseln, das Blattgold herumfliegt und aus der Küche der Duft von selbstgebackenen Kringeln und allerhand undefinirbarem Wundergethier durch die Schlüssellöcher und Thürspalten zieht. Das Hübscheste wird freilich fehlen, Tante Sophiens verdeckter Nähkorb, aus welchem dann und wann ein Endchen von angefangenem Puppenstaat guckte; und über die Bilderbücher bin ich leider auch hinaus. Aber von Bärbe verlange ich nach wie vor meinen Pfefferkuchenreiter –“

„Kinderei!“ schalt die Frau Amtsräthin ärgerlich. „Schäme Dich, Grete! Du kommst ja nicht um ein Haar gebessert zurück!“

„Ja, das sagte Onkel Herbert auch schon.“

„Nicht in dem Sinne,“ berichtigte der Landrath kühl. Er war mit in den Salon hereingekommen, hatte sich bis dahin vollkommen passiv verhalten und stand eben vor dem Tafelaufsatz, wo er mit vorsichtigem Finger die Blumen und Früchte auseinander schob, um das wundervoll gearbeitete Takelwerk des Silberschiffes besser sehen zu können ... Ob er das alte, wohlbekannte Familienschaustück der Lamprechts wirklich noch nicht gesehen hatte, der Herr Landrath? –

„Was, Du hast den Onkel schon gesprochen?“ fragte Reinhold sehr erstaunt von der Birne aufblickend, die er sich schälte. „Wie ist denn das möglich?“

„Sehr leicht, Holdchen, dieweil ich vorhin in Person hier oben gewesen bin.“ –

„Doch nicht in der Absicht, einzutreten?“ rief die Frau Amtsräthin in nachträglichem Schrecken.

„Mit der Eskimofrisur und in dem gräßlichen schwarzen Fähnchen?“ setzte Reinhold mit einer grotesken Abscheugeberde hinzu. „Hast Dich ja ganz famos herausgeputzt in Deinem Berlin, Grete!“

Margarete lachte und sah auf ihr Kleid herab. „Alterire Dich nicht, Reinhold, es ist nicht mein einziges und bestes!“ Sie wandte den Rocksaum musternd und achselzuckend hin und her. [107] „Armes Fähnchen! Frisch ist’s freilich nicht mehr. Es mußte mit mir durch Pyramiden und Katakomben kriechen und ist von Gletschereis und Gebirgsregen oft windelnaß gewesen – der gute, alte Kamerad! Nun habe ich mich seiner geschämt und ihn verleugnet! Onkel Herbert kann’s bezeugen, daß ich mir selbst nicht schön genug war, um vor dem hohen Besuch zu debütiren.“ –

„Ich bitte Dich ums Himmelswillen, Kind, thue mir den einzigen Gefallen und fahre Dir nicht so nach Jungenart durch die Haare!“ unterbrach sie die Großmama. „Eine schauderhafte Angewohnheit! Wie kommst Du nur auf die wahnsinnige Idee, Dir das Haar kurz zu schneiden?“

„Ich mußte, Großmama, und ohne ein paar heimliche Thränen ist’s auch nicht abgegangen, das leugne ich gar nicht. Aber es war oft zum Verzweifeln, wenn die Zöpfe Morgens beim Flechten kein Ende nehmen wollten und Onkel Theobald draußen vor der Thür wartete und auf- und ablief vor Ungeduld und Angst, daß wir den Zug oder die Post versäumen könnten. Und da machte ich kurzen Proceß, als es nach Olympia gehen sollte, und griff zur Scheere. Ich hätte mich kahl geschoren, wenn es nöthig gewesen wäre, so ungeduldig und auf das Weiterkommen erpicht war ich selbst ... Uebrigens ist die Sache gar nicht so schlimm, Großmama. Mein Struwwelhaar wächst wie Unkraut, und ehe Du Dich versiehst, ist wieder ein ganz respektabler Zopf da.“ –

„Da kannst Du warten,“ warf die alte Dame trocken ein. „Unsinn, kapitaler Unsinn!“ platzte sie dann zornig heraus. „Tante Elise konnte auch besser aufpassen und den Streich verhindern!“

„Die Tante? Ach, Großmama, da sieht’s erst schlimm aus! Mindestens um eine Handbreit kürzer, als dies“ – sie zog einen ihrer Lockenringel mit einem schelmischen Lächeln in die Länge.

„Na, Ihr mögt ein schönes Zigeunerleben führen auf Euren gelehrten Touren!“ rief die alte Dame indignirt und strich nervös erregt einige Tortenkrümel auf dem Tafeltuch zusammen. „Wie meine Schwester es fertig bringt, sich den Berufsstudien ihres Mannes so unterzuordnen, das ist mir geradezu unfaßlich. Wo bleibt da das Recht der Frau auf die eigene angenehme Lebensstellung? .. Nun, es ist ihre Sache – wie man sich bettet, so liegt man ... Aber was soll nun werden? Sieh Dir doch einmal das Mädchen an, Balduin! Jahre können vergehen, bis sie wieder präsentabel ist ... Ich frage Dich, Grete, wie willst Du es anfangen, in dem kurzen Gewirr eine Blume fest zu stecken, von einem Schmuckstück gar nicht zu reden? Die Rubinsterne zum Exempel, die Deiner seligen Mama so unvergleichlich standen.“ –

„Ah, die ‚Karfunkelsteine‘? Die schöne Dore im rothen Salon hat sie auf dem Toupet?“ fiel Margarete lebhaft fragend ein.

„Ja, Gretel, dieselben,“ bestätigte der Kommerzienrath, der sich bis dahin schweigend verhalten und eben ein Glas Champagner rasch geleert hatte, an Stelle der Großmama. Er war erblaßt, aber die Augen glühten ihm unter der Stirn, und seine Finger umklammerten das Glas, als wollten sie es zu Scherben zerdrücken. „Ich habe Dich herzlich lieb, Kind, und will Dir geben, was Dein Herz verlangt; aber die Rubinsterne schlage Dir aus dem Sinne – so lange ich lebe, kommen sie in kein Frauenhaar mehr!“

Die Frau Amtsräthin fuhr sich mit dem Taschentuch über die Augen und sah mit traurig gesenkten Mundwinkeln in ihren Schoß nieder. „Ich begreife, ich verstehe Dich, lieber, lieber Balduin,“ sagte sie in tiefmitfühlendem Ton. „Du hast Fanny allzusehr geliebt!“

Ein bitteres Lächeln flog über sein Gesicht, und er hob die breiten Schultern, als wolle er eine namenlose innere Ungeduld abschütteln. Klirrend stieß er das Glas auf den Tisch und ging mit dröhnenden Schritten in das Nebenzimmer, die Thür hinter sich zudrückend.

„Armer Mann!“ sagte die Frau Amtsräthin halblaut und beschattete einen Moment mit der Hand die umflorten Augen. „Ich bin untröstlich über meine Ungeschicklichkeit – ich hätte nicht an diese nie heilende Wunde rühren sollen! ... Und gerade heute war er so heiter, ich möchte sagen, ‚stolz glücklich‘! Seit Jahren habe ich ihn zum erstenmal wieder lächeln sehen ... Ach ja, es waren aber auch wieder einmal ein paar himmlisch schöne Stunden, unvergeßlich schön und beglückend! ... Nur Eines hat mir ein paarmal thatsächlich den Angstschweiß auf die Stirn getrieben, liebste Sophie!“ – das leise Aneinanderklirren

des Silbers hinter ihr verstummte, Tante Sophie horchte pflichtschuldigst dem, was kommen sollte – „Es wurde zu langsam servirt. Mein Schwiegersohn wird wohl für solche Fälle noch helfende Hände acquiriren müssen –“

„Gott behüte, Großmama, was soll denn das kosten?“ protestirte Reinhold. „Wir haben unsern Etat für dergleichen, und der wird absolut nicht überschritten. Franz muß eben seine faulen Beine besser rühren! Ich werde künftig schon Feuer dahinter machen!“

Die Großmama schwieg. Sie nahm ein paar halbwelke Rosen, die Fräulein Heloise von Taubeneck in der Hand gehabt und auf ihrem Platz zurückgelassen hatte, und steckte ihr spitzes Näschen hinein – sie widersprach dem erregbaren Enkel nie direkt. „Es war aber hauptsächlich noch ein Bedenken, das mir im Verlauf des Essens beängstigend aufstieg, beste Sophie –“ sagte sie nach einer augenblicklichen Pause über ihre Stuhllehne zurück – „war nicht doch das Menu in etwas zu derber Weise zusammengesetzt? Wissen Sie, Liebste, ein wenig zu spießbürgerlich für unsere hohen Gäste? Und das Roastbeef ließ auch viel zu wünschen übrig.“

„Sie brauchen sich wirklich nicht zu ängstigen, Frau Amtsräthin,“ entgegnete Tante Sophie mit ihrem heitersten Lächeln. „Der Küchenzettel war, wie ihn die Jahreszeit giebt, und ein Schelm giebt mehr als er hat. Und das Roastbeef war gut, wie es immer auf unsern Tisch drunten kommt. Draußen im Prinzenhof verlangen sie das ganze Jahr durch kein so feines, theures Stück, wie mir der Hofmetzger sagt.“

„So! – Hm!“ räusperte sich die Frau Amtsräthin und vergrub ihr Gesicht einen Augenblick förmlich in den Rosen. „Ach, dieser köstliche Duft!“ lispelte sie. „Sieh ’mal, Herbert – diese weiße Theerose ist eine Neuheit aus Luxemburg, wie mir Fräulein von Taubeneck sagte. Der Herzog hat sie ganz extra für den Prinzenhof kommen lassen.“

Der Herr Landrath nahm die Rose. Er besah ihren Bau, prüfte den Duft und gab sie seiner Mutter zurück, ohne eine Miene zu verziehen.

Wer sah diesem Mann an, daß er einst eine solche weiße Rose mit einer Wuth und Gluth, als sei er plötzlich wahnwitzig geworden, geraubt und vertheidigt und um keinen Preis wieder herausgegeben hatte? Margarete hatte diesen räthselhaften Vorgang nie vergessen können, und jetzt war er ihr freilich kein Räthsel mehr – der damalige Primaner hatte das schöne Mädchen im Packhause offenbar geliebt; es war eine erste schwärmerische „Schülerliebe“ gewesen, die er von seinem jetzigen Standpunkt aus natürlicherweise mitleidig belächelte. Die Zeit der Lyrik war längst vorüber, und die strenge Prosa des trockenen, berechnenden Verstandes war an ihre Stelle getreten.

Da war der Papa, der sich eben mit seinem Schmerz in das Nebenzimmer geflüchtet, doch ein Anderer! Er konnte nicht vergessen. – Das Herz wallte ihr über von Mitleid und warmer, kindlicher Liebe – kaum wissend, daß sie es that, öffnete sie geräuschlos die Thür, die er hinter sich geschlossen und schlüpfte in das Zimmer.

Der Kommerzienrath stand unbeweglich in der dunkelnden Fensternische, in die nur ein schwacher Schein der Hängelampe fiel, und schien auf den Markt hinauszusehen Der dicke Teppich machte die leichten Mädchentritte unhörbar, und so stand sie plötzlich hinter dem in sich versunkenen Manne und legte ihm sanft schmeichelnd die Hände auf die Schultern.

Er fuhr herum, als sei die Berührung ein Faustschlag gewesen und starrte mit verstörten, wie wahnwitzig blickenden Augen der Tochter in das Gesicht. „Kind,“ stöhnte er, „Du hast eine Art, die Hand aufzulegen –“

„Wie meine arme Mama?“

Er preßte die Lippen auf einander und wandte sich ab.

Aber sie schmiegte sich fester an ihn. „Lasse Deine Grete da, Papa! Schicke sie nicht fort!“ bat sie weich und innig. „Der Gram ist ein schlimmer Kamerad, und mit dem lasse ich Dich nicht allein ... Papa, ich werde zwanzig Jahre alt – gelt, schon ein recht altes Mädchen? – und habe mich ganz gehörig draußen in der Welt umhergetummelt. Ich habe viel gehört und gesehen, für alles Schöne und Große die Augen redlich aufgethan und mir manche Lehre ‚brav hinters Ohr geschrieben‘, wie Tante Sophie sagt ... Und die Welt ist so wunderschön.“

[108] „Kind, lebe ich denn nicht auch in der Welt?“ – Er deutete nach dem anstoßenden Salon.

„Ob aber auch unter Menschen, die Dir wirklich und wahrhaftig aus Deiner Seelenfinsterniß empor helfen könnten?“

Er lachte hart auf. „Das freilich nicht! Die wohl zu allerletzt! Aber man kann sich auch mit verschlossener Seele hier und da zerstreuen. Freilich, der Katzenjammer kommt nachher mit doppeltem Elend und stürzt die arme Seele um so tiefer in ihren grausamen Zwiespalt zurück.“

„Nun, so würde ich mich dem nicht aussetzen, Papa!“ sagte sie und sah mit ernstem Blick zu ihm auf.

Ein spöttischer Zug ging durch sein dunkles Gesicht, während er ihr mit der Hand über das Haar strich. „Meine kleine Weise, Du sprichst, wie Du’s verstehst – wenn das so leicht wäre! ... Du bist ‚durch Katakomben und Pyramiden gekrochen‘ und hast in Troja und Olympia an der Hand des Onkels dem Leben und Sein der alten Welt nachgespürt, aber vom modernen Leben weißt Du blutwenig. Mit dem eigenen Selbstgefühl wird jetzt Keiner fertig, der etwas gelten will; dazu gehört auch etwas Sonnenschein, der aus den höchsten Kreisen kommt.“

Er zuckte die Achseln.

„Das ist mir freilich uuverständlich,“ sagte sie, und das Blut stieg ihr in das Gesicht. „Aber ich weiß doch mehr vom modernen Leben, als Du denkst, Papa. Der Onkel in Berlin duldet nichts Zweifelhaftes, im Dunklen Kriechendes in seinem Hause, da kommen nur helle Köpfe zusammen, und es wird frisch und frei vom Herzen weggesprochen. Sieh, und da sagte kürzlich Einer: ‚Ach ja, sie nennen es: den Klassenhaß schüren, wenn wir uns unserer Haut wehren und gegen die drohende Niederdrückung kämpfen! Meine Seele ist rein von Haß – mögen Jene doch steigen, so hoch sie wollen, ich sehe neidlos zu, sie müssen sich nur nicht dabei auf unsere Leiber stellen wollen. Aber das ist’s eben – mit ihrem Steigen wachsen ihnen Kraft und Lust, uns niederzutreten. Allein selbst darum hasse ich nicht: ich trage der Vergangenheit Rechnung. Die Abneigung, dem Bürgerthum Vorschub zu leisten, oder vielmehr das Streben, es nicht stark werden zu lassen, liegt ihnen traditionsgemäß im Blute. Dagegen fühle ich Grimm, unbezwinglichen Grimm gegen die feilen Fahnenflüchtigen aus unseren Reihen, die liebedienerisch und um des persönlichen Vortheils willen das eigene Fleisch und Blut bekämpfen und um so fanatischer wüthen, als sie sich sagen müssen, daß sie der ehrlich Gebliebene verachtet.‘ So sagte Doktor –“

„Auch nur Einer, dem die Trauben zu sauer sind,“ fiel der Kommerzienrath mit lächelndem Hohn ein, „eine Motte, die sich die Flügel nicht verbrennen konnte, einfach, weil sie dem Licht noch nicht nahe kommen durfte! Der schwenkt auch noch einmal, meine liebe Grete! Wir sind eben Kinder unserer Zeit und keine Spartaner ... Und wenn es zehnmal nicht mit rechten Dingen zugegangen ist, und wenn die Speichelleckerei in gröbster, abstoßendster Weise zu Tage liegt, die Welt bewundert trotz alledem das dekorirte Knopfloch und nennt den Liebediener ehrfurchtsvoll bei dem neuen Titel, den er sich erschlichen hat ... Zu jenen Servilen gehöre ich nun allerdings nicht – ich will nichts haben, und zu schwenken brauchte ich auch nie, denn ich habe niemals den Beruf in mir gefühlt, mich wie ein Gladiator dem Herkömmlichen entgegenzustellen und mit volksbeglückenden Tiraden mich lächerlich zu machen. Das ist Verstandessache; die unbezwingliche Scheu aber, das unwillkürliche Beugen vor dem, was man in jenen hohen Regionen sagt und urtheilt, liegt mir im Blute. Es ist stärker als ich – ich kann nicht dafür, ich kann nicht darüber hinaus, mit dem besten Willen, mit aller Kraft nicht!“

Er ließ das junge Mädchen plötzlich allein stehen in dem Fensterbogen und schritt in fast wildem Tempo auf und ab. „Ja, wer plötzlich Alles – Charakteranlage und Erziehungsresultate – abschütteln und wie auf einsamer Insel, ungesehen, sich so zeigen dürfte, wie es ihm in tiefster Seele aussieht, wie er fühlt und leidet, ja der –!“ er brach mit einer leidenschaftlichen Geberde ab.

Die Energie und Bestimmtheit dieses Mädchens hatte ihn offenbar für einen Moment vergesseu lassen, daß es seine junge Tochter war, vor deren Ohr sein Schmerz laut wurde.

„Geh jetzt hinunter, mein Kind!“ sagte er sich bezwingend. „Du wirst müde und hungrig sein – ich fürchte, es hat Dir noch Niemand Etwas angeboten. Nun, von dem Abhub der Tafel sollst Du auch nichts essen. Tante Sophie wird Dir schon drunten einen gemüthlichen Theetisch herrichten, und bei ihr bist Du ja auch am liebsten. Hast auch Recht, Gretel – das ist Gold, lauteres Gold, und ich lasse mich nicht irremachen, so oft man auch versucht, es zu verdächtigen ... Was für eine heiße Hand Du hast, Kind! Und wie Dir Dein sonst so blasses Gesichtchen glüht! Ja, siehst Du, kleine, tapfere Bürgerin, die Politik –“

„‚Die Politik‘? Ach Papa, ich bin ja nur ein Mädchen, ein kleines, dummes – was geht mich die Politik an? Ich erzähle ja nur nach!“ Sie lächelte schelmisch. „Du wirst doch um Gotteswillen nicht denken, daß die Grete den Männern ins Handwerk patschen will? Gott soll mich behüten! Aber ich meine,“ fuhr sie ernst fort, „hier handle es sich ja nur um allgemein Menschliches, um Recht und Unrecht, um moralische Kraft und Feigheit, um wahren Stolz und Niedertracht ... Und wäre Deine Schilderung wirklich die Signatur unserer Zeit und bliebe maßgebend für immer, ei, da möchte man doch lieber gleich eine Mumie von Memphis oder Theben sein und vor Jahrtausenden gelebt haben! Aber das ist nicht wahr!“ Sie schüttelte energisch den Kopf. „‚Wir leben trotz alledem in einer großen Zeit, wenn wir auch inmitten einer gewaltigen Brandung ringen müssen,‘ sagt Onkel Theobald immer. ‚Das Gute und Echte wird schon obenauf kommen, und die widerlichen Blasen, die der Kampf jetzt auf die Oberfläche treibt, werden nicht ewig glitzern und die Schwachen blenden.‘ ... Und Du solltest nicht zeigen, wie Du fühlst? Aus Menschenfurcht Dich verschließen? Du, ein unabhängiger Mann, solltest nicht nach Deiner Façon ruhig und zufrieden werden dürfen? Was helfen Dir Gnaden- und Gunstbeweise von außen, wenn Du innerlich darbst und entbehrst –“

Er zog sie plötzlich unter die Hängelampe, bog ihren Kopf zurück und sah ihr mit düsterdrohendem Blick tief in die Augen, die offen und furchtlos zu ihm aufblickten. „Ist das Hellseherei, oder schleicht man mir nach? ... Nein, meine Gretel ist ehrlich und wahrhaftig geblieben! Da giebt’s kein Falsch!“ Und er schlang seinen Arm wieder um ihre Gestalt. „Mein braves Mädchen! Ich glaube, Du wärst die Einzige in der Familie, die zu mir hielte, wenn mich die Welt in Bann und Acht erklärte –“

„Natürlich, Papa, dann erst recht!“

„Würdest mir helfen eine unselige Schwäche zu überwinden?“

„Ganz selbstverständlich, mit aller meiner Kraft, Papa! Probire es nur mit mir! Ich habe Kourage für Zwei. Hier meine Hand zu Schutz und Trutz!“ Ein schönes Lächeln, halb schalkhaft, halb ernst, flog um ihre Lippen.

Er küßte sie auf die Stirn, und wenige Augenblicke nachher trat sie wieder in den Salon.

Tante Sophie war nicht mehr da. Sie war mit ihrem Silberkorb hinuntergegangen und machte jedenfalls schleunigst den Theetisch zurecht. Der Bediente löschte eben den Kronleuchter aus, und Reinhold nahm das Konfekt, Stück um Stück, von den Krystallschalen und legte es, pünktlich sortirt, „zum Wegschließen“ in verschiedene Glasbehälter. Die Frau Amtsräthin aber saß behaglich zwischen Plüschpolstern hinter einem Sophatisch – weil es oben durch fortgesetztes Lüften schauerlich kühl, hier unten aber noch so köstlich warm und mollig sei, wie sie sagte – und legte ihre allabendliche Patience. Großmama und Bruder hatten somit nicht viel Zeit für die Heimgekehrte, und das „Gutenacht“ Beider klang recht zerstreut und obenhin.

Das junge Mädcheu vermißte nichts, gar nichts! Sie war froh, so leichten Kaufs für heute davonzukommen – hier oben war sie fertig. ... Nur als sie draußen durch den dämmerigen Flursaal schritt, da stand Einer im Fenster und sah anscheinend in den Hof hinunter – der Herr Landrath! – An ihn hatte sie auch nicht mehr gedacht, Kopf und Herz waren ihr übervoll von der räthselhaften Art und Weise, wie sie ihren Vater eben gesehen. Für ihr klares, entschiedenes Denken und Fühlen war ein solch düster geheimnißvoller Seelenzwiespalt etwas ganz Verwunderliches – solch eine Männerseele in ihrem Widerstreite mochte wohl schwer zu verstehen sein ... Ob den dort, den kühlgewordenen, in Amt und Würden stehenden Mann nun doch auch vielleicht für einen Moment die Erinnerung packte und ihn hinüber

[109]

Die Beerdigung Atala’s.0 Nach dem Oelgemälde von Gustav Courtois.
Photographie im Verlage von Ad. Braun u. Comp. in Dornach (Vertreter Hugo Grosser in Leipzig.)

[110] sehen ließ nach dem Gange, wo einst das Goldhaar der schönen Blanka durch die grünen Blätter und Ranken geleuchtet?

„Gute Nacht, Margarete!“ sagte er in diesem Augenblicke in einem anderen Tone, als die beiden Beschäftigten im Salon.

„Gute Nacht, Onkel!“


10.

Die „Hofstube“ hatte von jeher etwas Verlockendes für Margarete gehabt. Sie lag im Erdgeschoß des spukhaften Flügels und stieß dicht an die ehemalige Schlafstube der Kinder. Ein gleicher halbdunkler Gang, wie der unheimliche droben, lief hinter den Zimmern weg und trennte, auch um die Ecke laufend, die Küche von der Wohnstube. – Die beiden Etagen standen in keiner Verbindung – es war „zum Glück“ keine Treppe da; man brauchte deßhalb keine Angst zu haben, daß es der weißen Frau oder dem Spinnwebenrock auch einmal einfallen könnte, herunter zu huschen, wie Bärbe immer sagte. – Die Zimmerreihe der unteren Etage wurde in ihrer Mitte durch eine Thür unterbrochen, die nach dem Hofe ging, eine mächtige, schwere Thür mit massivem Klopfer, und die beiden Seiten flankirt von Steinfiguren in Hochrelief. Breite Stufen führten von ihr nieder auf den Kiesweg, der den Rasen durchschnitt und direkt nach dem Brunnen lief.

In der Hofstube standen lauter Möbel aus der Rokokozeit, die Tante Sophie gehörten. Sie waren spiegelblank polirt, die Metallbeschläge blitzten, und altes ererbtes, vielfach gekittetes Meißner Porcellan stand auf den geschweiften Platten der Kommoden und auf dem Schreibtische mit seinem hohen Aufsatze voll zahlloser kleiner Schiebekasten. Die Stube war sozusagen Tante Sophiens Schmuckkästchen, ihre „gute“ Stube, urgemüthlich und peinlich sauber, wie es nur immer bei einer lustigen lebensfrohen alten Jungfer sein kann. Nun waren auch noch alle die umherstehenden feingemalten Schalen und Vasen, selbst die Potpourris mit mächtigen Blumensträußen aus dem kleinen Garten vor dem Thore gefüllt – die bunten Rabatten mußten der Heimkehrenden zu Ehren völlig abrasirt worden sein – und auf den weißen Dielen, die nie ein Firnißanstrich „verunreinigt“, lag ein neuer, warmer Teppich, den Tante Sophie aus eigenen Mitteln beschafft hatte …

Und da war ihr der endlich heimgekehrte Liebling gleich beim Eintreten, als der Lampenschein sich über alle die geliebten, wohlbekannten Familienreliquien der alten Jungfer ergossen, um den Hals gefallen und hatte sie fast erdrückt … Das Bett hatte auch richtig auf dem alten Platze gestanden, und Tante Sophie hatte noch lange daneben gesessen und erzählt – lauter Liebes und Lustiges, nicht ein Mißton durfte in das neue Zusammensein fallen. Und jede der Pausen, welche die heitere, humordurchtränkte Stimme gemacht, hatte das alte, eintönige Brunnenlied der strömenden, plätschernden Wasser vom Hofe her ausgefüllt; dazwischen hinein war auch ein paarmal das scharfe Kreischen der Packhausthorflügel gefahren, und dann hatte die ehemalige wilde Hummel, die nun weit, weit die Welt durchflogen und Kopf und Herz beutebeladen heimgebracht, mit einem so süß und lieblich schlafenden Kindergesicht in den Kissen gelegen, als habe sie sich nur bis nach Dambach und wieder heim müde gelaufen …

Ja, das geliebte Dambach! Nun ging das Hin- und Herwandern wieder an. Der Großpapa war ja nicht beim Diner gewesen – er hatte sich, „wie immer, aus guten Gründen um den auserlesenen Kreis herumgedrückt“, wie die Frau Amtsräthin sehr pikirt bemerkte.

(Fortsetzung folgt.)

Die Gefahren des Milchgenusses und ihre Abwehr.

Von Dr. Fr. Dornblüth in Rostock.

Seit einigen Jahren hat sich, wie gewiß auch ohne Zahlenbelege zugegeben wird, der Milchverbrauch in den Städten sehr bedeutend gesteigert, und wie die Aerzte in guter und richtig behandelter Kuhmilch den allen künstlichen Mischungen vorzuziehenden Ersatz der Muttermilch für Säuglinge erkannt haben, so tritt die Milch auch als Volksnahrungsmittel mehr und mehr in ihr Recht. Denn die Kuhmilch ist in der That nicht nur wegen ihrer Verdaulichkeit eins der besten, für die ganze Kindheit ein geradezu unersetzliches Nahrungsmittel, sondern sie ist im Verhältniß zu ihrem Nährwerth auch eins der billigsten, wenn nicht das allerbilligste, da man für den gleichen Preis in ihr mehr als doppelt so viel von allen zum Leben nothwendigen Nahrungsstoffen (Käsestoff, Fett und Zucker) kauft als z. B. im Rindfleisch. Auch andere, an sich billigere Nahrungsmittel, wie Brot und Hülsenfrüchte, bedürfen theils mehr Ergänzung durch andere theure Nahrungsstoffe, besonders Fett, um volle Nahrung zu werden, theils werden sie auch so viel weniger leicht und vollständig verdaut, das heißt in nützliche Blutbestandtheile verwandelt, daß der scheinbare Vortheil damit wieder verloren geht, oder gar in Nachtheil verwandelt wird. Die Milch genügt bekanntlich im ersten Lebensjahr allein zur Erhaltung und zum Wachsthum; später bedarf sie nur der Ergänzung durch Mehl oder Brot und, wenn viel Arbeit geleistet werden soll, durch Fett, um auch den Bedarf arbeitender Männer zu decken und wenigstens eine genügende Grundlage der Kost zu geben, die nur noch weniger Erregungs- oder Genußmittel nöthig hat, um allen Anforderungen des Lebens zu genügen. Nur weil die Milch die Nahrungsstoffe in verhältnißmäßig großen Mengen Wassers enthält, sind nach der frühen Kindheit koncentrirtere oder stoffreichere Nahrungsmittel erwünscht, die theilweise durch die Molkereiprodukte Butter und Käse, theilweise durch Fleisch und Speck (neben Brotfrüchten etc.) bezogen werden müssen.

Der regere Milchkonsum hat bereits in weitem Umfange den erfreulichen Erfolg gehabt, die Marktmilch wesentlich zu bessern. Nicht nur wird von den größeren Milcherzeugern und den zur bessern Verwerthung ihrer Erzeugnisse gebildeten Molkereigenossenschaften sorgsam danach gestrebt, durch gute Auswahl und Haltung des Milchviehs, so wie durch zweckmäßige Behandlung der Milch ihre Kunden unmittelbar mit tadelloser Milch zu versorgen, sondern durch diese Konkurrenz werden auch die kleineren Milcherzeuger und Milchhändler gezwungen, gute Milch zu liefern, denn Niemand, der gute Milch kennt und haben kann, wird sich noch mit schlechter begnügen. Aus dem Kreise meiner eigenen Beobachtung kann ich die Thatsache hinzufügen, daß in Folge hiervon die Erkrankungen und die Sterblichkeit der auf Kuhmilch angewiesenen Säuglinge sich erheblich vermindert haben. Den sogenannten Kurmilchanstalten, die übrigens kaum den Milchbedarf für Säuglinge und Kranke zu decken vermögen, soll der Ruhm unverkürzt bleiben, daß sie durch Beispiel und Lehre der allgemeinen Milchversorgung einen mächtigen Antrieb zur Abschaffung vieler Uebelstände gegeben haben.

Je mehr die Kuhmilch nun aber wirklich allgemeines Kinder- und Volksnahrungsmittel wird, desto sorgfältigere Beachtung verdienen die Gefahren, die mit ihrem Genusse verbunden sein können, und die, um vermieden zu werden, nicht blos den Aerzten, sondern auch den Milcherzeugern und den Konsumenten, ganz besonders den Müttern genau bekannt sein müssen.

Die erste dieser Gefahren, die aber nur für kleine Kinder und Leute mit recht schwacher Verdauung besteht, ist aller Kuhmilch eigen und beruht darauf, daß ihr Käsestoff bei der Magenverdauung zunächst zu einem mehr oder weniger festen Kuchen gerinnt, der nicht leicht auflöslich ist, während der Käsestoff der Muttermilch feine, leicht wieder auflösliche Flöckchen bildet. Dies ist der Grund, weßhalb mit Kuhmilch genährte Säuglinge fast regelmäßig feste, weiße Käseklumpen nach unten oder auch nach oben ausleeren, und daß in diesen unverdauten Milchtheilen während ihres Aufenthalts im Darme sehr oft fremdartige Umwandlungen vor sich gehen, die den Kindern Beschwerden machen, ihre Ernährung stören und meist mit Durchfall und Erbrechen verbundene Krankheiten erzeugen. Die Empfehlung frischgemolkener, „kuhwarmer“ Milch „vom Euter weg“ beruht darauf, daß diese weniger fest gerinnt, als die länger gestandene, wobei noch andere wichtige Veränderungen eintreten, mit denen wir uns alsbald näher beschäftigen werden. Bei der Kinderernährung sucht man durch Wasserzusatz die feste Gerinnung zu hindern, was zwar nicht völlig gelingt, aber doch die Verdauung erleichtert; nur darf diese Milch nicht vorher abgerahmt sein, sondern muß eher noch [111] Rahm und jedenfalls Milchzucker zugesetzt erhalten. Zu gleichem Zwecke wird die Milch auch mit einer dünnen Auflösung von arabischem Gummi, oder mit einer dünnen Schleimsuppe (von Graupen oder präparirtem Mehl) vermischt, Zusätze, die vor dem vierten Monate überhaupt nicht, später nicht immer gut verdaut und vertragen werden. Es bleibt also von höchster Wichtigkeit, Kindern und Kranken die Milch ganz frisch oder in künstlich frisch erhaltenem Zustande zu reichen.

Zweitens kann die Milch in ungesunder Beschaffenheit abgesondert werden. Auf die Zusammensetzung der Milch hat die Rasse, das Alter, die Milchperiode, die Haltung und Fütterung, so wie der Gesundheitszustand der Kuh großen Einfluß: soll also die Milch einer oder weniger Kühe (aus kleinen Wirthchaften) für Kinder und Kranke benutzt werden, so muß man sich über alle diese Dinge genau unterrichten. Bei größeren Herden ist dies weniger wichtig, weil die weniger gute Milch einzelner Kühe in der Masse verschwindet, und weil man durchweg annehmen darf, daß größere Viehbestände verständig und sorgfältig behandelt werden. Hier ist besonders der Uebergang von der Stallfütterung zum Weidegang zu beachten, wobei die Milch solche Veränderungen erleidet, daß sie Säuglingen gefährlich werden kann. Kindermilch muß deßhalb entweder ausschließlich durch Trockenfütterung (im Stall) erzielt werden, oder es muß wenigstens der Uebergang zu anderm Futter allmählich oder staffelweise eintreten. Besonders nachtheilig erweist sich die ausschließliche oder überwiegende Fütterung mit Kohl- und Rübenblättern, Rüben- und Kartoffelschnitzeln, so wie mit den Resten (Bärme, Schlempe) der Branntweinbrennereien. Reinlichkeit der Ställe und der Kühe ist eben so wie gutes Futter unentbehrlich für die Gesundheit der Kühe und ihrer Milch. In schmutzigen, schlechtgelüfteten Ställen, so wie bei ungeeignetem Futter werden viele Kühe krank, besonders schwindsüchtig, und können durch die Milch ihre Krankheit auf Menschen übertragen.

So ist seit alten Zeiten bekannt, daß der Genuß roher Milch von Kühen die an Maul- und Klauenseuche leiden, eine ähnliche mit Fieber und Bläschenbildung im Munde und selbst an den Fingern auftretende Krankheit erzeugt, ferner kann Milzbrand durch Milch übertragen werden und ist die Milch von perlsüchtigen Kühen jedenfalls schädlich, wenn auch noch nicht ganz sichergestellt ist, ob geradezu Schwindsucht dadurch erzeugt wird. Da die Perlsucht oder Schwindsucht bei unrein gehaltenen und schlecht gefütterten Kühen besonders häufig ist, so darf daher kommende Milch wenigstens für Kinder nicht gebraucht werden. Auch in dieser Beziehung geben größere Milchwirthschaften, so wie gut eingerichtete und überwachte Molkereigenossenschaften größere Gewähr, als kleine Wirthschaften. Letzteres gilt auch in Bezug auf giftige Kräuter, die besonders von Ziegen oft ohne allen Schaden gefressen werden, aber ihre Milch giftig machen, und ferner in Bezug auf die den Thieren gereichten Arzneimittel, von denen nach innerem, wie nach äußerem Gebrauche mehrere, namentlich Quecksilber, Blei, Arsenik, Nikotin (nachdem Kühe zum Schutz gegen Insekten mit Tabakaufguß gewaschen waren), in der Milch oder an den Folgen des Milchgenusses als schädlich erkannt worden sind.

Drittens kann jede an sich gute Milch nach dem Melken schädliche Veränderungen eingehen, und zwar beruhen hierauf weitaus die häufigsten und größten Gefahren des Milchgenusses.

Frische Milch ist weder sauer, noch alkalisch, sie färbt blaues Lackmuspapier schwach roth, rothes schwach blau, nach einigem Stehen der Milch aber wird die erstgenannte Färbung stärker, die letztere bleibt aus, beim Kochen läuft die Milch zusammen und ihr Geschmack wird sauer, endlich gerinnt die ganze Masse zu einem mehr oder weniger festen Kuchen, aus dem sich durch festere Gerinnung des Käsestoffs Molken abscheiden. Ein Theil des in ihr enthaltenen Milchzuckers hat sich in Milchsäure verwandelt, diese verbindet sich mit dem Alkali, welches den Käsestoff aufgelöst oder aufgeschwemmt enthält, und letzterer scheidet sich aus. Diese Umwandlung wird durch eine besondere Art äußerst kleiner Stäbchenpilze (Bacillen) hervorgebracht, die von außen in die Milch gelangen und sich rasch vermehren.

Wird die Milch in der Zeit der Säurebildung genossen, so verursacht sie bei gesunden Erwachsenen meistens, bei Kindern immer Leibschneiden und Durchfälle, die oft sehr heftig werden und sogar das Leben bedrohen. Da reife Sauermilch oder Dickmilch aber von den meisten Menschen, selbst von vielen mit schwacher Verdauung, gut vertragen wird, so darf man annehmen, daß nicht die Milchsäure, sondern die Bacilleu jene schädlichen Wirkungen ausüben, namentlich wenn sie in der ersten Zeit ihrer massenhaften Vermehrung genossen werden. Manchmal, in der Regel etwas später als die Milchsäurebacillen, finden sich noch andere kleine Pilze, welche Buttersäure erzeugen, noch andere machen die Milch schleimig und fadenziehend, wodurch sie unschmackhaft und schädlich wirkt. Oder es bilden sich beim Stehen und Gerinnen der Milch auf der Oberfläche des ungleich ausgeschiedenen Rahmes blasige Stellen und Wucherungen von Faden- oder Schimmelpilzen, deren eine Art, bei gehöriger Vergrößerung besehen, aus verästelten, Sporen oder Samen tragenden Fäden besteht (Weißer Milchschimmel, Oidium lactis); eine andere Art, ebenfalls aus verästelten Fäden bestehend, erzeugt auf den Enden aufrechtstehende Aeste, Quirle oder Pinsel, von denen jeder Faden eine lange Kette kugeliger Sporen enthält, die anfangs weiß, später grünlich sind (Graugrüner Pinselpilz, Penicillum glaucum). Der Milchschimmel erzeugt im Munde der Säuglinge die bekannten Schwämmchen oder den Soor, die anfangs aus oberflächlich sitzendem und leicht abwischbarem Schimmelrasen bestehen, aber bald in die Haut hineinwachsen, auch sich durch das ganze Verdauungsrohr bis über den After hinaus ausbreiten und dadurch schwere Störungen hervorbringen können.

Zuweilen bilden sich nach zwölf bis zwanzig Stunden auf der Oberfläche der Milch kleine indigoblaue Punkte, die sich rasch vergrößern und zusammenfließen, so daß schließlich die ganze Oberfläche blau und nach einigen Tagen grün oder röthlich wird. Auch diese blaue Milch ist das Werk von sehr kleinen stäbchenförmigen Spalzpilzen, die willkürlich auf andere Milch, auf gekochte Kartoffeln, Reisbrei u. dergl. m. übertragen werden können, selbst farblos sind, aber durch Zersetzung der Milch die obenerwähnte anilinartige Farbe erzeugen. Die aus blauer Milch bereitete Butter ist schmutzig weiß, schmierig und bitter. Daß die blaue Milch, abgesehen von der immer gleichzeitig vorhandenen Säure und den Milchsäure-Bacillen, giftig sei, wird von Landwirthen, so wie auf Grund neuerer Untersuchungen bestritten, übrigens ist die auffallende Farbe sicher hinreichend, um vor der Benutzung zu warnen.

Wie die Milch ein ausgezeichneter Entwickelungsboden für die genannten und noch manche andere niedere Organismen ist, so vermag sie auch die theilweise noch unbekannten, wahrscheinlich aber alle zu den kleinsten Spaltpilzen gehörenden Keime gewisser Krankheiten von Menschen auf andere zu übertragen. Von Scharlach, Typhus und Cholera ist solches sicher beobachtet, und zwar geschieht diese Verunreinigung entweder direkt durch Kranke, welche mit der Milch zu thun gehabt haben, durch das Aufbewahren derselben in Krankenzimmern, oder indirekt durch mit den Krankheitskeimen verunreinigtes Wasser, welches zur Verdünnung der Milch, oder auch nur zum Spülen der Gefäße benutzt war, wobei es nicht unwahrscheinlich ist, daß auch diese krankmachenden Pilze in der Milch einen günstigen Boden für ihre Vermehrung finden.

Daß die Luft der Räume, in welchen Milch steht, und die Gefäße, in denen sie aufbewahrt wird, großen Einfluß auf die Beschaffenheit der Milch haben, ist ja längst bekannt gewesen, ehe wir die mikroskopischen Organismen kennen gelernt haben, welche sie verursachen, und zwar allein verursachen, weil keine dieser Veränderungen eintritt, wenn nicht der besondere Pilz in die Milch gelangt ist. So machen sich schmutzige Ställe und Milchkammern oft durch schlechten Geruch und Geschmack der Milch bemerklich, so tritt in Holzgefäßen besonders leicht Säuerung und Verderbniß ein, weil dieselben wegen der Unebenheit und Porosität ihrer Wandungen sehr schwer völlig zu reinigen sind; so sind ferner die engen Gummiröhren, die seit einigen Jahren viel zu Saugflaschen der Kinder benutzt werden, höchst ergiebige und gefährliche Quellen der Milchverderbniß. Seltener, aber doch auch zuweilen beobachtet ist der Uebergang schädlicher Metalle, namentlich von Kupfer, Zink und Blei, aus Milchgefäßen in die Milch, welche in solchen Gefäßen sauer geworden ist. In dieser Beziehung muß vor Kupfer-, Messing- und Zinkgefäßen, auch Zinkröhren und Zinkkapseln (die oft auch Blei enthalten), so wie vor schlecht glasirten Eisen- und Thongefäßen nachdrücklich gewarnt werden, um so mehr, als die schädlichen Wirkungen dieser Metalle, von denen in jeder Milchportion nur sehr kleine Mengen enthalten zu sein pflegen, sehr allmählich und unter dunkeln, oft höchst räthselhaften Erscheinungen eintreten. Jedenfalls ist Vorsicht in Bezug auf Milchgefäße nicht weniger nothwendig, als in Betreff der aus schädlichen Stoffen bestehenden oder mit giftigen Farben bemalten Spielsachen.

[112] Wie schützen wir uns nun vor den Gefahren des Milchgenusses? Das deutsche Reichsgesetz vom 14. Mai 1879, betreffend den Verkehr mit Nahrungsmitteln etc., bedroht mit Gefängniß bis zu sechs Monaten und mit Geldstrafe bis zu 1500 Mark oder mit einer dieser Strafen denjenigen, der „wissentlich Nahrungs- oder Genußmittel, welche verdorben oder nachgemacht oder verfälscht und, unter Verschweigung dieses Umstandes, verkauft oder unter einer zur Täuschung geeigneten Bezeichnung feilhält.“ Ist diese „Handlung aus Fahrlässigkeit begangen worden, so tritt Geldstrafe bis zu 150 Mark oder Haft ein.“ Ferner: „Mit Gefängniß, neben welchem auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden kann, wird bestraft: ... wer wissentlich Gegenstände, deren Genuß die menschliche Gesundheit zu beschädigen geeignet ist, als Nahrungs- oder Genußmittel verkauft, feilhält oder sonst in den Verkehr bringt.“ „Der Versuch ist strafbar. Ist durch die Handlung eine schwere Körperverletzung oder der Tod eines Menschen verursacht worden, so tritt Zuchthausstrafe bis zu fünf Jahren ein.“ War die schädliche „Eigenschaft dem Thäter bekannt, so tritt Zuchthausstrafe bis zu zehn Jahren, und wenn durch die Handlung der Tod eines Menschen verursacht worden ist, Zuchthausstrafe nicht unter zehn Jahren oder lebenslängliche Zuchthausstrafe ein. – Neben der Strafe kann auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden.“

Wenn die Polizeibehörden die in dem Gesetze ihnen beigelegten Befugnisse zur Ueberwachung des Milchverkehrs ausgiebig anwenden, so können dadurch manche der vorbezeichneten Gefahren des Milchgenusses verhütet werden. Nur genügt dazu nicht eine Kontrolle der Marktmilch in Bezug auf ihren Gehalt an Rahm und anderen festen Bestandtheilen, sondern es ist eine Ueberwachung verdächtiger Milchwirthschaften und entsprechende Belehrung der Milcherzeuger und Milchhändler nothwendig. Namentlich dürfte die Beaussichtigung der Ställe und Wirthschaften, welche „Kindermilch“ liefern, wie sie schon in einigen Theilen von Nordamerika üblich ist, sehr zu empfehlen sein. Wir würden dann wenigstens kaum noch Milch von krankem Vieh in den Handel gebracht sehen.

Da indessen zur Zeit auf solche Art nicht alle schädliche Milch vom Verkehr ausgeschlossen wird, und da andererseits viele, vielleicht die meiste Milch schädliche Eigenschaften erst im Hause der Konsumenten annimmt, so werden diese selbst es nicht an der nöthigen Sorgfalt im Ankauf, wie in der Aufbewahrung und Behandlung der Milch fehlen lassen dürfen, um Schaden zu verhüten. Dazu gehört – nächst der schon mehrfach erwähnten Vorsicht in Bezug auf die Milchquelle – zuvörderst Reinlichkeit in den Aufbewahrungsräumen und mit den zur Aufbewahrung und Verabreichung von Milch dienenden Gefäßen, besonders wenn dieselbe für Säuglinge, kleine Kinder und Kranke benutzt werden soll. Da sich die gefährlichen Spalt- und Schimmelpilze auf allem organischen Schmutz und Abfall, auf zurückgestellten Speisen, in dumpfen und feuchten Räumen ansiedeln und vermehren und ihre Samen durch die Luft verbreiten, so dürfen niemals solche, sondern nur trockene, luftige, reine und staubfreie Räume zur Aufbewahrung der Milch dienen. Für Kindermilch ist noch die besondere Vorsicht zu empfehlen, sie nur in reinen und gut verschlossenen Porcellan- und Glasgefäßen zu versenden und aufzubewahren. Da Wärme die Entwicklung der Milchpilze und die Zersetzung der Milch begünstigt, so sind die Milchräume und die Milch selbst kühl zu halten, wozu Eis (Eisschränke) oder fließendes Wasser, oder Einhüllen der Milchflaschen in feuchte Tücher in bewegter Luft dienen können.

Durch starke Abkühlung der Milch auf + 2 bis 4 Grad unmittelbar nach dem Melken wird dieselbe für längere Zeit haltbar: eine Erfahrung, die vermittelst der Swartz’schen Eiskühlung oder des Lawrenz’schen Milchkühlers und Benutzung von durch Eis oder Wasserverdunstung kühlgehaltenen Milchwagen die Versendung frischbleibender Milch auf große Entfernungen möglich macht. Wohleingerichtete Molkereigenossenschaften schreiben deshalb ihren Mitgliedern eine bestimmte niedrige Temperatur vor, mit welcher die Milch in den Sammelstellen abgeliefert werden muß.

Während aber durch Kälte die Keime der Pilze nur zeitweilig in der Entwicklung aufgehalten, gleichsam gelähmt werden, ist Hitze im Stande sie völlig zu tödten. Darauf beruht die allbekannte Thatsache, daß frische Milch durch Aufkochen vor dem Sauerwerden geschützt wird, und aufgekochte Milch würde überhaupt nicht sauer werden, wenn nicht immer wieder neue Säurebacillen hineinkämen. Aber sogar im Sommer ist Milch lange unzersetzt zu erhalten, wenn man sie alle Tage oder jeden zweiten Tag einmal aufkocht. Da beim Aufkochen die Milch ihren Geschmack sehr, und wohl für die meisten Menschen nicht angenehm verändert, und da große Aufmerksamkeit erforderlich ist, um Anbrennen und Ueberkochen zu verhüten, so erhitzt man sie besser im Wasserbade, das heißt in einem Gefäße, welches in Wasser hängt, sodaß jenes und die Milch nur vermittelst des heißen Wassers erwärmt wird, wobei dann weder Anbrennen, noch Ueberkochen möglich ist. Aeußerst empfehlenswerth zu diesem Zwecke ist Becker’s Patenttopf (bereits in Nr. 26 der „Gartenlaube“ von 1879 von mir empfohlen), der außerdem noch zu vielen anderen Werken der Kochkunst, namentlich zur Bereitung aller Arten Milch- und Mehlsuppen, Breien und anderer Speisen sehr tauglich ist, wie ich in meiner „Schule der Gesundheit, 2. Aufl.“ ausführlich beschrieben habe. Ja, es genügt sogar, die Milch gar nicht ins Kochen kommen zu lassen, sondern sie nur bis etwa 60° C. oder 48° R. zu erwärmen und sie dann, mit einem gutschließenden Deckel versehen, vermittelst einer kleinen Flamme (Petroleum oder Spiritus) oder auf dem Herde zwei Stunden lang auf einer Wärme von 50 bis 60° C. oder 40 bis 48° R. zu erholten, was lange nicht so schwer ist, als man denkt, wenn man es noch nicht versucht hat. Nachher wird diejenige Milch, die nicht gleich verbraucht wird, durch Einsetzen in kaltes Wasser oder Eiswasser möglichst rasch abgekühlt und in reinen, gut verschlossenen Gefäßen aufbewahrt. Durch diese einfache Behandlung wird nun die Milch, ohne ihren Geschmack wesentlich zu verändern, nicht blos für einige Tage haltbar, sondern auch leichter verdaulich als rohe und gekochte Milch, sodaß sie selbst von Säuglingen vertragen wird, die keine andere Milch zu verdauen im Stande sind. Prof. Soltmann’s Milchkocher beruht auf den gleichen Grundsätzen und ist ebenfalls sehr brauchbar.

Starke Erhitzung mit nachfolgender Aufbewahrung in vollkommen reinen (pilzfreien) und sicher verschlossenen Flaschen, oft mit gleichzeitiger Eindickung auf die Hälfte oder noch weniger der ursprünglichen Masse, sodaß sie zum Gebrauche für Kinder nur mit der erforderlichen Menge abgekochten Wassers vermischt zu werden braucht, wird nun auch bereits an verschiedenen milchreichen Orten im Großen angewendet. Auch diese Milch ist sehr wohlschmeckend, leicht verdaulich und daher sogar bei kranken Kindern brauchbar, und endlich ganz außerordentlich haltbar, sodaß sie schon viel zur Verproviantirung von Schiffen gebraucht wird, nachdem ein auf meine Veranlassung auf einer Reise von Hamburg nach Montevideo unternommener Versuch mit Scherff’scher eingedickter Milch den Beweis ihrer Haltbarkeit und Güte geliefert hatte. Diese reine eingedickte Milch ist gar nicht zu vergleichen mit der unter Zusatz von Zucker bereitete kondensirten Milch, die außer anderen Unannehmlichkeiten den großen Nachtheil des übermäßigen Zuckergehalts darbietet, weshalb sie wohl auf kurze Zeit als Milchersatz dienen kann, bei längerem Gebrauche aber die Verdauung und Ernährung stört und von Kindern nicht selten ganz abgelehnt wird.

Da durch starke und länger unterhaltene Erwärmung der Milch nicht nur die eigentlichen Milchpilze, sondern auch die meisten andern kleinen Organismen, welche die Milch schädlich machen, zerstört werden, so haben wir darin ein vorzügliches Mittel, um die Gefahren des Milchgenusses größtentheils zu verhüten und namentlich unseren Kindern unter allen Umständen eine gute, leicht verdauliche und nicht übermäßig kostbare Milch zu reichen. Hier wie immer darf man es natürlich an der sorgfältigsten Reinlichkeit der Aufbewahrungs- und Darreichungsgefäße nicht fehlen lassen, denn wenn die beste präservirte Milch in unserem Hause aus der Luft, aus den Gefäßen oder mit dem zugesetzten Wasser schädliche Stoffe aufnimmt, so kann sie selbstverständlich ebenso verdorben werden wie frische Milch.

Also: Vorsicht in Betreff der Bezugsquelle der Milch und im Hause, besonders wenn die Milch kalt oder als Sauermilch genossen werden soll. Konservirung durch Eis oder durch Hitze, Tödtung der organischen Keime und Löslichmachen des Käsestoffs durch angemessene Erwärmung können der Milch ihren hervorragenden Werth als Nahrung für kleine Kinder und Kranke fast für alle Fälle sichern, größeren Kindern und gesunden Erwachsenen ein vortreffliches und vorzüglich preiswerthes Nahrungsmittel verschaffen.




[113]

Zur 200jährigen Geburtstagsfeier Georg Friedrich Händel’s.


Wie viele bedeutende Männer der Kunst und Wissenschaft auch aus den niederen Schichten des deutschen Bürgerstandes hervorgegangen sind, so haben doch nur Wenige dessen treulichste Eigenschaften: Ehrbarkeit, Ausdauer, Festigkeit und Stärke des Charakters, in gleichem Maße in ihr höheres Leben und Wirken hinübergenommen, wie der mächtige Meister der Tonkunst, dessen Jubelfest wir in diesen Tagen begehen. Händel gleicht hierin Luther. Sein Vater, der sich vom einfachen Barbier zum fürstlichen Leibchirurgus emporgeschwungen, glaubte mit seinem ihm aus zweiter Ehe am 23. Febr. 1685 zu Halle geborenen zweiten Sohn, Georg Friedrich, schon hoch hinauszu wollen, als er ihn zum Gelehrten bestimmte: die Natur des Knaben aber hatte Höheres mit ihm im Sinne. Selten oder nie hat der Beruf eines Genies sich so frühzeitig angekündigt. Musikalische Instrumente waren das Lieblingsspiel des Knaben, der sich aus ihnen bald ein Orchester zusammengesetzt hatte. Ja, da er zur Schule heranwuchs, erschien dem Vater der musikalische Trieb bereits so mächtig in dem Knaben, daß er durch ihn seine Pläne für gefährdet hielt und Allem wehrte, was demselben weitere Nahrung zu bieten schien. Heimlich nur konnte der Kleine ihn zu befriedigen suchen, heimlich wurde ein Klavichord ins Haus unters Dach geschmuggelt, heimlich, wenn Alles schon schlief, bildete er hier sein Talent weiter aus. Eine Reise nach Weißenfels, wo der Vater Geschäfte bei Hof hatte, sollte jedoch eine Wendung herbeiführen. Der siebenjährige Knabe erregte hier unter den Musikern die größte Verwunderung, und da ihn eines Tages zum Schluß des Gottesdienstes der Organist auf die Orgelbank hob, um seine Künste ihn zeigen zu lassen, lenkte dieses sogar des Fürsten Aufmerksamkeit auf ihn hin, der Vater und Sohn zu sich her beschied, dem ersteren sein Vorurtheil gegen die Musik verwies und ihn ermahnte, sich dem Winke der Natur und Vorsehung nicht zu widersetzen, dem Knaben aber die Taschen mit blinkenden Goldstücken füllte. Obschon der Alte auf seiner Meinung bestehen blieb, erhielt Georg Friedrich doch nun einen Lehrer, was er dem Vater durch emsigen Fleiß in der Schule vergalt. Zachau war ein tüchtiger Orgelspieler, im Kontrapunkte bewandert und überhaupt ein trefflicher Führer. Georg Friedrich lernte bei ihm nacheinander Klavier und Orgel, Violine und Oboe und so allmählich das ganze Orchester kennen und entwickelte sich rasch zu einem ebenso sichern Virtuosen wie fruchtbaren Komponisten.

Auch nach dem Tode des Vaters fuhr Händel noch fort, sich dessen Lieblingswunsche zu beugen. Er durchlief die Klassen der lateinischen Schule, bezog 1702 die Universität seiner Vaterstadt, und wenn er daneben auch zeitweilig den Organisten der Hauptkirche vertrat, wendete er sich doch erst nach glücklich bestandenem juristischen Examen mit Einwilligung seiner Familie dem Studium der Musik als ausschließlichem Lebensberufe zu.


Georg Friedrich Händel.
Nach dem Gemälde von Hudson, gestochen von J. Faber 1749.


Hamburg war damals zu einem Mittelpunkte der nationalen musikalisischen Bestrebungen geworden, wo Keiser mit großem Erfolge der italienischen und französischen Oper eine deutsche entgegenzustellen versucht hatte. Hierhin wendete Händel zunächst seine Schritte. Mit der Bescheidenheit eines Lernenden trat er auf, obwohl er im Orgelspiele schon ein Meister war und der eitle Matheson zugestehen mußte, ihm manchen „Kontrapunktgriff“ zu verdanken. Dagegen gewann er hier neue Einblicke in das Wesen der Melodie und des Gesanges, sodaß er, selbst Keiser gegenüber, dem er in der ausdrucksvollen Behandlung des Recitativs und der Arie Vieles verdankte, mit seinen Opern „Almira“ und „Nero“ Triumphe feierte. Indessen war sein Blick immer auf Italien als die hohe Schule der Musik, insbesondere der Oper, gerichtet. Was andere Nationen, dem scholastischen Geiste ihrer Zeit entsprechend, auch Großes in der Musik gewirkt, es erhielt doch erst in Italien, im Geiste der Renaissance, die Weihe der Schönheit. Auch hier verstand Händel, durch bescheidenes Auftreten sich mit der Neigung die Achtung der großen und stolzen italienischen Meister rasch zu erwerben. Er wurde thatsächlich Mitglied der römischen „Arcadia“, obschon er, um es auch formell werden zu können, noch nicht das nöthige Alter besaß. Mit Corelli, Ottoboni, Scarlatti u. A. wurde er innig befreundet. Sein Talent, vielleicht auch seine Persönlichkeit, zog die gefeiertste Sängerin des Landes, Vittoria Tesi, ihm nach. Sie theilte zu Florenz in seinem „Rodrigo“, zu Venedig in seiner „Agrippina“ seine Triumphe. Wo er erschien, wurde der „Caro Sassone“ von der Volksgunst emporgetragen und die sonst so eifersüchtigen italischen Musiker sahen es neidlos mit an. In Rom entstand neben seiner „Resurrezione“ und einer Reihe von Psalmen sein „Trionfo del tempo e del disinganno“. Zweimal hat Händel ihn neu überarbeitet.

Dieses ist vielleicht das schönste Werk seiner Jugend. Er konnte nun einmal nicht ruhen, seinen Lieblingswerken oder einzelnen Theilen derselben eine neue, höhere Form, einzelnen seiner Motive oder auch nur Theilen davon eine neue Entwickelung zu geben. Was man ihm oft als Armuth ausgelegt hat, zeugt vielmehr für den Reichthum und die Stärke seines nach immer größerer Vollendung ringenden Geistes.

Unter den vielen Bekanntschaften, die Händel in Italien gemacht, befanden sich auch verschiedene vornehme Engländer, die ihn zum Besuch ihres Landes einluden. Doch folgte er zunächst den Aufforderungen des Barons von Kielmannsegge und des Kapellmeisters Steffani, sie nach Hannover zu begleiten, auf deren Empfehlung er hier von dem neuen hannöverschen Kurfürsten zum Kapellmeister ernannt wurde. Ehe er dieses Amt jedoch antrat, ging er nach London (1710), wo die von Purcell auf eine überraschende Höhe gehobene nationale Musik eben Gefahr lief, von den Italienern wieder völlig erdrückt zu werden. In Händel erschien [114] aber gerade der Mann, der die Bestrebungen des ihm verwandten Geistes der Vollendung entgegenzuführen die Fähigkeit und die Kraft hatte. Der ihm vorausgegangene Ruf bereitete ihm eine glänzende Aufnahme. Der in vierzehn Tagen mit Hill zu Stande gebrachte „Rinaldo“ überstieg aber noch die Erwartungen, sodaß alle gegen Händel gerichteten Angriffe in dem Sturm der Begeisterung verhallten. Der kurze Aufenthalt in Hannover, der diese Triumphe unterbrach, war indeß kein verlorner. Der fruchtbare Einfluß Steffani’s zeigt sich in den hier geschriebenen Kammerduetten.

Ende 1712 war Händel wieder in London auf Urlaub. Er hatte die Kühnheit, denselben diesmal so weit zu überschreiten, daß ihm die Rückkehr unmöglich gewesen sein würde. Die Strafe sollte nicht ausbleiben, da der plötzliche Tod der Königin Anna seinen von ihm beleidigten Dienstherrn auf den Thron von England berief. Händel wagte es nicht, sich vor ihm zu zeigen, sondern brachte längere Zeit bei dem Grafen von Burlington zu. Kielmannsegge führte jedoch endlich eine Versöhnung herbei. Eine Spazierfahrt des Königs auf der Themse gab die Gelegenheit. Hier sollte dieser durch eine neue Händel’sche Komposition, die später unter dem Namen der „Wassermusik“ bekannt geworden ist, überrascht werden. Die List gelang. Seine Majestät nahm den angetreten Musiker wieder in Gnaden auf und bewahrte ihm seine Gunst bis zum Tode. Bald darauf wurde Händel von dem Herzog von Chandos als Musikdirektor nach Cannons berufen, für den er eine Reihe Anthemen (Antihymne) schrieb, welche als Vorläufer seiner Oratorien gelten, von denen die ersten auch noch in Cannons entstanden. Zunächst seine „Esther“, die sich in fünf gewaltigen Tongemälden entrollt, in denen die Großheit des Tondichters durch die gewaltigen Chöre sich bereits ankündigt. Das Schäferspiel „Acis und Galatea“ bildete dazu einen lieblichen Gegensatz.

Das Jahr 1720 rief Händel wieder nach London. Schon Burney bezeichnete dieses Jahr als einen entscheidenden Wendepunkt in dem Leben des Meisters. Bis dahin war er ununterbrochen vom Glücke begünstigt gewesen, jetzt auf die Höhe desselben gehoben, sollte er alle jene Kämpfe beginnen, in denen sich sein Genie erst zur vollen Größe entfaltete. Die Bildung einer Akademie der Musik von Seiten des hohen Adels, unter dem Schutze des Königs, gab dazu die Veranlassung. Händel ward mit an die Spitze der künstlerischen Leitung berufen, die er jedoch mit den Italienern Bononcini und Attilio zu theilen hatte. Diese Rivalität war aber nicht die einzige Ursache der ausbrechenden Kämpfe.

Der Parteigeist, welcher England seit mehr als hundert Jahren gespalten, hatte sich auch auf die Bühne geworfen. Die puritanischen Gegner derselben griffen natürlich diejenigen Erscheinungen am heftigsten an, die hier die größte Anziehungskraft ausübten. Die Anhänger des Dramas dagegen waren zugleich die erbittertsten Feinde der dasselbe verdrängenden Oper, die Anhänger der nationalen Musik aber die der begünstigten Ausländer.

Es gehörte die Kraft eines Titanen dazu, durch so viele Jahre diesem Sturme zu trotzen. Die Ausdauer, die Festigkeit, mit der es von Händel geschah, gereicht ihm und dem deutschen Namen zu ewigem Ruhme. Bononcini und Attilio wurden zwar bald aus dem Felde geschlagen, aber alle einzelnen Triumphe hinderten nicht den Zusammenbruch der Akademie. Die zwischen den Anhängern der Cuzzoni und der Faustina Bordone ausbrechenden, bis dahin unerhörten Feindseligkeiten beschleunigten denselben noch. Auch der Wiederbelebungsversuch hatte nur einen verhältnißmäßig kurzen Bestand. Inzwischen hatte ein anderes Theater sich seiner für Cannons geschriebenen Oratorien zu bemächtigen versucht, was Händel veranlaßte, die Sache selbst in die Hände zu nehmen. Die Aufführung seiner „Esther“ mit Dekorationen, doch ohne schauspielerische Aktion öffentlich im Theater, wurde epochemachend. Händel glaubte den hiermit eingeschlagenen Weg weiter verfolgen zu sollen. Die Anstrengungen der Gegner bereiteten seiner „Debora“ aber eine so entschiedene Niederlage, daß er sein nächstes Oratorium gar nicht in London, sondern in Oxford aufführte, wo der Erfolg ihm die Doktorwürde eintrug.

Zum dritten Male wagte Händel, sich an der Gründung einer Oper zu betheiligen. Ein neuer, vier Jahre lang andauernder, verzweifelter Kampf, der ihn Vermögen und Gesundheit kostete. Es war aber, als ob das Unglück seinem Genius neue Schwingen verliehe. In rascher Folge entstanden „Saul“, „Das Alexanderfest“, „Israel in Aegypten“, „Allegro“, „Messias“ – das größte Chorwerk und, wie Herder gesagt: eine christliche Epopöe in Tönen – und „Samson“. Händel gründete mit diesen Oratorien, die in Wahrheit Musikdramen im größten Stile waren, eine ganz neue Gattung.

Neuer Wohlstand erblühte, der von ihm in edelmüthiger Weise verwendet wurde. Doch blieb es ein mächtiges Ringen mit dem auf und nieder wogenden Glück. Der letzte furchtbare Schlag, der ihn traf, war das Erlöschen des Augenlichts. Auch dieser warf ihn nicht nieder. Wie Milton sein großes Gedicht, diktirte auch er in diesem traurigen Zustande seinen „Jephtha“. Nachdem er am 6. April 1759 noch selbst ein Koncert dirigirt, gab er am 13. April den rastlosen Geist auf. Händel war groß bis ans Ende und Größe ist der Charakterzug seiner Werke. Er konnte in ihnen – wie Köstlin sagt – manchmal leer, niemals klein, manchmal breit, niemals arm erscheinen. Er hat der deutschen Musik zuerst den reichen, vielgestaltigen, gewaltigen Ausdruck, den großen Stil gegeben und den Weltruf der deutschen Tonkunst begründet.Robert Prölß.     




Rom im Rausch.

Von Woldemar Kaden.0 Mit Originalzeichnungen von Salvatore de Gregorio.


Neugieriger Reisender: „Ist das nicht Maskeraden-Spott?
Neugieriger Reisender: Soll ich den Augen trauen?“
Neugieriger Reisender: „Ist das Goethe, „Walpurgisnacht“.

Paul Heyse schrieb im Jahre 1879 eine Novelle „Romulusenkel“. Veranlassung dazu hatte ihm das moderne Rom in Frack und Cylinderhut gegeben, das mit dem der Väter, wie es der Dichter vor fünfundzwanzig Jahren kennen gelernt, und dem der „Großväter“ vom Ende des vorigen Jahrhunderts, wie Goethe es geschaut und geschildert, nur wenig Aehnlichkeit noch hat und aus diesem Grunde unserem Dichter und uns nicht mehr recht behagen will.

Diese frisirten Enkel leben fast ausschließlich von der Tradition der Väter, Großväter und Urahnen, aber die echte römische Weise ist dahin, dahingegangen mit dem weltlichen Besitz des Papstes, mit dem letzten ritterlichen Räuber der pontinischen Sümpfe. Die Königsstadt Rom, die Kapitale Italiens ist eine Stadt geworden (Hut ab!), eine vornehme Stadt, mit einem großstädtischen Gesicht, geradlinig, geregelt, mit französischer Schminke geschminkt, und ihre Freuden und Leiden gleichen wie ihre Straßen und Verkaufsläden denen von Wien, Berlin, Frankfurt und Köln fast auf ein Haar. Selbst die Ruinen sehen gar nicht mehr so ursprünglich römisch aus. Die originellen römischen Figurenbilder sodann, die noch immer auf unseren Ausstellungen erscheinen, sind meist zu „konventionellen Lügen“ geworden, wie die Begeisterungshymnen der Dichter, die nach Originalen im Volke suchen, deren es vor dreißig, vierzig Jahren, wo Wilhelm Waiblinger, Wilhelm Müller u. A. in Rom sich begeisterten, noch die Fülle gab, die aber jetzt schon mit der Laterne müssen gesucht und in Wahrheit nur von schwärmenden Damen gefunden werden.

Nur zweimal im Jahre spukt so etwas wie der alte Geist durch die Menge: in den Oktoberfesten und zum Karneval. Aber – der römische Karneval, den wir seit Goethe’s Vorgang in unzähligen Schilderungen kennen gelernt haben, ist im Laufe der Jahre, und besonders seit 1870 ein so anderer geworden, daß wir, wenn wir mit den aus jenen Schilderungen gewonnenen Voraussetzungen ihn zu genießen kommen, denselben kaum wieder erkennen werden. Ein Glöckchen, ein bunter Lappen nach dem andern ist von seinem Narrengewande abgefallen, er fängt an im Sande der politischen und socialen Prosa zu verlaufen; wenige Jahre noch, und die Geschichte des römischen Karnevals wird uns anmuthen wie ein „Märchen aus alten Zeiten“, das da anfängt wie alle Märchen: „Es war einmal …“

Es war einmal ein Prinz, der hieß Karneval. Er war aus ältestem Blute und stand bei dem Volke in großem Ansehen. Niemand aber wußte, wo er das Jahr über wohnte, man erzählte nur, daß er von Zeit zu Zeit unter dem Volke sich zeigte, wenn dieses zu Guitarrenspiel, zu Tanz und Morra in den baumumschatteten Osterien am Monte Testaccio oder vor der Porta del Popolo sich zusammenfand. Da erschien er und übte den lustigen Zechern und tanzlustigen Mädchen und Weibern neue Weisen und Witze ein und weckte die Seele zu toller Lustigkeit. Acht Tage aber vor den großen Festen (wo man dem weltlustigen Fleische, der carne, Valet sagen mußte) erschien er auf einmal, von keinem Komité berufen, triumphirend inmitten der Stadt mit dem bunten Gepränge eines Narrengefolges, in grellfarbigem Anzuge, die Schellenkappe auf dem schwarzlockigen Haupte, den Thyrsus der Lust und die übermüthige Pritsche statt des Scepters in der Hand, und das Volk jubelte ihm wie einem alten angestammten Herrscher zu, und die Obrigkeit beugte sich vor ihm und fügte sich seinen Gesetzen, welche die Freiheit, die absolute Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit (die lieblichen Schwestern nicht zu vergessen) proklamirten.

Eine fieberhafte Thätigkeit entwickelt sich nun in allen Sälen, Kellern, Werkstätten und Bottegen; die Schneider und Schuster, die Putzmacherinnen, die Bäcker, Konditoren und Gastwirthe haben alle Hände voll zu thun; die armen stillen Gärten mit ihren Rosen, Reseden und Kamelien, die Wiesen, Felder und Wälder der Campagna, wo unter dem süßen Athem des Lenzes die Anemonen und Veilchen soeben sich erschlossen, werden von hundert Händen geplündert, ganze Wagenladungen von Blumen [115] kommen in die Stadt, und tausend Hände winden sie zu Sträußchen und vornehmen Bouquetts; die Musiker probiren ihre Instrumente, der Staub wird von den ältesten Guitarren gefegt, und die Leierkasten setzen neue Tanzwalzen auf.

Die Hôtels, Gasthäuser und „Cafe mobiliate“ füllen sich mit blonden und rothhaarigen „Barbaren“, und gleichzeitig strömt das stattliche Landvolk der Albaner-, Sabiner-, Herniker- und Volskerberge in malerischen Trachten schaarenweis zu allen Thoren der heiligen Stadt herein, die in diesen Tagen die Heiligkeit an den höchsten Nagel des Vatikan hängt, um einmal recht als weltliche Thörin sich auszutoben.

Es kann losgehen!

Vorher aber, o Wanderer aus Norden, laß dir rathen, deine deutsche Ernsthaftigkeit, dein Spießbürgerthum und alle griesgrämige Anschauung ebenfalls an jenen Nagel zu hängen, sonst genießest du nichts und schreibst am Ende gar wie Goethe am 21. Februar 1787 die unfreundlichen Worte in das Tagebuch: „Den Karneval in Rom muß man gesehen haben, um den Wunsch völlig loszuwerden, ihn je wieder zu sehen.“ Auf das Wie des Genießens kommt es an, o Freund! Und um richtig zu genießen, müßte man denn eben aus seiner deutschen Haut herausschlüpfen und ein Südländer, ein Römer werden.

„Der Römer,“ sagt Wilhelm Müller, der die Römer und – Römerinnen so gut verstand, „hat einen vortrefflichen Takt im Genusse, hingegeben und rücksichtslos, und doch immer bewnßt und anständig. Wir armen Nordländer! Wenn wir einmal den Wein der Freude in vollen Zügen kosten, so steigt er uns in den Kopf und wir schlafen oder zanken und prügeln uns. Der Römer genießt ihn mit dem täglichen Brote, und je mehr er trinkt, desto besser er ihm schmeckt.“

„Gönn’ ihm, nordischer Freund, die beneideten Freuden, und schelte
0 Keinen um flüchtigen Rausch, keinen um menschliches Glück.“

Ja, ein Rausch ist es, der sich jetzt des gesammten Volkes bemächtigt, und zwar nicht ein flüchtiger, der vom Abend zum Morgen verfliegt, sondern einer, der acht lange Tage vom Morgen bis zum Abend und dann die Nacht hindurch andauert. Acht Tage des übermüthigsten ausgelassensten Tosens und Tobens, Singens, Schreiens, Musizirens, Danzens und Zechens! Und zwar ohne je zu ermüden, ohne das Anzeichen der Sättigung oder des Ueberdrusses im Auge, in der Bewegung, in der Stimme.

Es ist zwei Uhr. Der langersehnte Kanonenschuß ist gefallen. Der Korso in seiner ganzen Länge, vom Obelisken des Platzes bis zum venetianischen Palaste und bis zum Kapitol hinab, muß jetzt von Karren und Lastwagen und allem Gefährt, das kein hochzeitlich Gewand trägt, geräumt werden, und wer philisterhafte Angst vor dem Gedränge im Herzen, oder einen schwarzen Rock oder einen vornehmen Cylinder trägt, drängt sich gleichermaßen in die Seitenwege hinein.

Denn jetzt strömt sie herbei, die tolle Fluth, brandend an den Palastreihen zur Rechten und Linken, Welle auf Welle, verschlingend und von der nächsten verschlungen, gedrängt und drängend, eine bunte kompakte Masse; aus der Höhe geschaut, eine bewegliche Mosaik von Menschenköpfen, in der das Individuum, das doch so gern durch auffallende Tracht, Masken und Gebahrung sich bemerklich machen möchte, nicht mehr zu bemerken ist. Aus dieser Bestrebung des Einzelnen, von Tausenden und aber Tausenden wiederholt, nachgeahmt und fortgepflanzt, entsteht ein so augenberückendes Treiben, ein so sinnbethörendes Gewirr, daß die Blicke des unbetheiligten Zuschauers wie die eines Trunkenen zu starren beginnen und erst nach und nach zum Sehen kommen.

Dann aber ist es ein prächtiges Bild, das sich auf der Straße und auf allen Balkonen entwickelt, und die römische Frühlingssonne funkelt und blitzt in die bunten Farben hinein und vergoldet selbst den aufwirbelnden Staub der von den Fenstern aus der Höhe auf alles Vorübergehende hinabgeschleuderten Confetti oder Coriandoli, die von den Hufen der Pferde oder den geschäftigen Menschenfüßen zerstampft werden. Denn der Confettikrieg ist die Hauptsache. Mit brausendem Jubelgeschrei übermüthiger Belagerer oder Belagerter wird er geführt und Hunderte von Centnern dieser schneeigen Gipskügelchen wirbeln, von Schaufeln und Händen geschleudert, durch die Luft, und helles Gelächter begleitet jeden wohlgezielten Wurf. Die Wagen, die in zwei langen Reihen, einer dicht hinter dem andern, langsam auf- und abfahrend, gleich dem Zuge der Kinder Israel das Volksmeer theilen, sehen bereits aus wie Müllerwagen und ihre Insassen wie Mühlknappen. Lange weiße Schutzmäntel, graue breite Filzhüte und Gesichtsmasken aus Draht tragen die Meisten aber auch an Kostümen und Kleidern der übrigen charakterlosen oder Charakter-Masken ist wenig zu verderben: derbe Stoffe, derber Schnitt, viel alter Plunder, viel Buntpapierwaare. Der Pulcinella, der Harlekin oder Bajazzo, hat seine Rolle noch lange nicht ausgespielt, in ungezählten möglichen und unmöglichen Exemplaren taucht er an allen Ecken und Enden auf; hier sogar als echter neapolitanischer „Signor Cetrolo“ auf der Hochzeitsreise von Neapel nach Rom begriffen, seine überspannte perfide junge schlanke Sposa am Arme eines echt neapolitanischen Stutzers, diese Drei und ihr verwandtschaftliches Gefolge werden durch eine Deputation der Quiriten mit Adresse, Radieschenbouquetts, Tamburo- und Mandolinenklängen empfangen und begrüßt und in eine der öldunstdurchschwängerten Kantinen zum rothen Castelliwein, zu Sang und Saltarello geschleppt.

Draußen aber fluthet und tost es weiter, und was man anfangs einer Steigerung nicht für fähig hielt, ist in stetigem Crescendo, vom musikalischen f zum ff, zum fff und noch weiter gewachsen. Und doch ist Maß in aller Tollheit, die Ausgelassenheit wird nie zur Rohheit, der kühnste Scherz nie zur Beleidigung, eine gewisse stolze Würde, der freie Anstand kommt dem Römer nie abhanden, und das mag besonders der Damenwelt zu Gute kommen, die, obgleich heute eben Alles erlaubt ist, von der Prinzessin bis zur verdächtigsten Trasteverinerin, sich frei und ungekränkt unter der Menge bewegen darf. Freilich übelnehmen darf Niemand etwas; auf einen kecken Spaß gehört eine kecke Antwort oder ist lustiges Lachen die beste. Die fremde Dame im feinen Zweispänner, die im hellen Zorn nach dem räubermäßig verkleideten Burschen, der, ihren Wagen von rückwärts her erkletternd, der Schönen einen großen Krautstrauß an den Busen stecken wollte, mit ihrem Sonnenschirm schlägt, ist verloren. Hunderte von lachenden, schreienden, johlenden Feinden nehmen den Wagen in die Mitte, weißer Staub umwirbelt ihn, er füllt sich in wenig Minuten mit Confetti, mit zerrupften und zertretenen Sträußen, und die böse Belagerung dauert noch vor der Hôtelthür fort.

Die graziös lächelnde Schönheit aber, die dem Volke echte Zuckerconfetti, Blumen und Kußhände zuwirft, wird von tausend Händen und Stimmen gefeiert. Die Wagen der Nobili halten unter ihrem Balkone und ein reizendes Blumenbombardement beginnt, dem die Schar der Gassenjungen nur zu gern assistirt, denn ein Bouquett, das, sein Ziel verfehlend, aus die Straße fällt, ist ihre Beute, die am nächsten Brunnen vom Gipsstaube gesäubert und Kauflustigen um wenige Soldi überlassen wird. „Fiori, fiori, belli fiori!“ Blumen! Blumen! ist der allüberall ertönende Ruf, der Blumenhandel an diesem Tage das blühendste Geschäft! Und in der That, wer hätte den Muth, die schönen Römerinnen mit den großen siegesgewissen Augen, den kußverheißenden Lippen, den schwarzen Haaren und junonischen Nacken mit schnödem Gips zu begrüßen? Nur ein Blumengruß ist hier am Platze, nur die Blumensprache die artigste.

Ein schönes Bild, ohne Zweifel das anziehendste, ist ein mit schönen Römerinnen besetzter Balkon, von dessen Balustrade lichtblaue oder purpurrothe Teppiche herniederhangen, über die sich die schlanken Mädchenleiber zum Blumenwurfe nach vorüberziehenden Bekannten beugen oder getroffen lachend, leicht wie eine Feder zurückschnellen, um mit frischgefüllten Blumenkörbchen wieder hervorzutreten. Die helle Sonne dazu, der blaue Himmel, die althistorischen vornehmen Paläste – ein schönes unvergeßliches Bild.

„Blumen fliegen auf und nieder;
Ist es nicht, als strömten junge
Neckisch kecke Liebesgötter
Einen Regen hier von Rosen,
Dort von Veilchen in die Straße;
Nicht, als schleuderten sie lachend
Im Triumph auf Tausende
Zartverwundende Geschosse?“

Von all den andern Bildern, von all den fliehenden Gestalten nur Eines festzuhalten, will uns nicht gelingen. Hundertmal werden wir angelockt, hundertmal im nachbrandenden Strudel mit hinweggerissen; das kommt und schwindet, fast wesenlos, und wenn wir allein gekommen, bleiben wir auch allein, trotz der uns umgebenden Menge, trotz der allgemeinen Gleichheit und Brüderschaft. [116] Wir sehen tausend verschiedene Figuren, eine Procession ohne Ende, und haben am Ende doch nichts gesehen, und den bunten Wechsel mit Feder und Stift festzuhalten will weder dem Dichter noch dem Maler gelingen, sie geben ein Nacheinander, wo doch die Gleichzeitigkeit ihre Hauptwirkung thut.

„Don Niccolo“ vor dem Laden der Wildbretthändler.

Einen hohen, ja den höchsten Reiz für den Römer hat der Karneval verloren durch das Verbot der „Barberi“. Seit zwei Jahren hat auf hohen obrigkeitlichen Befehl, weitere Unglücksfälle zu verhüten, das Wettrennen der Barberi aufgehört. Die Barberi sind zur Mythe geworden. – Früher donnerte am bestimmten Tage ein Kanonenschuß vom Obelisken her, und die Kutschen verschwanden vom Korso, und das Volk bildete zu beiden Seiten desselben ein dichtes Spalier. Dann sprengten die päpstlichen Dragoner die Straße herab und machten die Bahn frei bis zum Venezianischen Platz hinab. Jetzt klopften die Herzen, jetzt reckten die Hälse sich, jetzt stand Alles auf den Zehen ... sie mußten kommen, die wilden Rosse der Campagna, die ohne Sattel und Zaum, in ungezügelter Freiheit um die Ehre ihrer Besitzer liefen. Und sie kamen: donnernder Hufschlag, Wiehern, Schnauben, ein wildes Gewirr von Köpfen, Schweifen und Mähnen, lautes anfeuerndes Gebrüll des Volkes, Beifallsklatschen, das wie Kleingewehrfeuer mit den dahinjagenden Rossen die Straße entlang läuft und - das Spiel ist vorüber, ein letzter Rest der römischen Rennen antiker Zeit im Circus Maximus, ein Rest auch des päpstlichen Roms, wo neben den Vierfüßern auch die Zweifüßer zum Wettrennen angehalten wurden.

In früheren Zeiten mußten nämlich die Juden zur Karnevalsbelustigung laufen, um die Wette laufen wie die Barberi, und zwar nackt. So sah sie Michel Montaigne im Jahre 1581, und in dem Tagebuche eines römischen Kanzlisten vom Jahre 1583 (16. Februar) liest man die erbauliche Stelle: „Am Montag fand der gewöhnliche Wettlauf der acht nackten Ebräer statt, begünstigt von Wind, Regen und Kälte, wie es diese Treulosen, maskirt vom Koth und begleitet vom Hohngeschrei der Menge, verdienten.“ Der „Spaß“ ward aber noch größer, als der Karnevalsvorstand auf den Gedanken kam, die zweibeinigen Renner vorher zu überfüttern und betrunken zu machen.

Diese Schmach dauerte bis 1668. Am 28. Januar 1668 bestimmte Clemens IX. Rospigliosi durch ein Breve, daß die „Corsa degli Ebrei“ aufzuhören habe.

Auch von den alten Masken, wie sie Goethe noch gesehen, sind heute viele verschwunden, und die übrig gebliebenen treten so zahlreich wie früher nicht mehr auf; und was vom niederen Volke noch sich maskirt, verbindet damit meist den Zweck, die Zinsen seines im abnehmenden Monde stehenden Kapitals durch allerhand Spaßmacherei vor den Bänken der Fleischer, Bäcker, Wildbrett-, Frucht- und Weinhändler in kleinen und kleinsten Münzen einzutreiben. Diese „Don Niccolo“ entwickeln bei aller Gravität eine Zungenfertigkeit, die uns Nordländer in Erstaunen setzt, obwohl wir von dem Wortgeplätscher keine Silbe verstehen. Das originellste Karnevalsleben, von dem kein Dekret noch etwas hat hinwegschneiden können, finden wir aber, und besonders am Abend, in den Kneipen, „Osterien“, wie sie der Römer benennt. Hier, beim Wein, wird der alte Römergeist lebendig, hier wirbelt die Lust so voll und toll, daß uns zahmen Menschen angst und bange wird.

Wir schleichen hinaus. Eine laue Frühlingsluft umfängt uns. Schreien, Rufen, Räderrollen, abgerissene Musikklänge überall. Eben werden auf dem Korso die ersten Gasflammen entzündet, helle Laternen schimmern an den zahlreichen Kutschen, und nun beginnt er, der Irrlichtertanz. Dicht vor uns zuckt ein Flämmchen auf, drüben ein anderes, ein drittes, viertes ... eins, zwei ... ein Dutzend auf dem Balkone, ebenso auf einem andern; es ist ein beständiges Aufblitzen geworden, eine Wolke

[117]

Karneval in Rom:0Hochzeitsreise des Signor Cetrolo aus Neapel.

[118] von Johanniskäfern scheint in die Straße hereingeweht zu sein; aus dem letzten Dachfensterchen schimmern die zuckenden Flämmchen, tauchen auf, verschwinden. Aus Hunderten sind bald Tausende geworden, aus blitzenden Tropfen ein leuchtender Strom, eine Milchstraße von Lichtern, ein Sternenhimmel. Keine Hand erscheint ohne ein Lichtchen, und diese Hände fahren auf und fahren nieder und hinter allen erscheint ein lachendes Gesicht, angestrahlt von dem gelben Flammenschein. Welche Lust in diesen Gesichtern der glattwangigen Knaben, der schwarzbärtigen Männer, der übermüthigen Frauen und Mädchen! Die Narrheit hat ihren Höhepunkt erreicht, das ist der Moccoli-Abend, an ihm wird der Prinz Karneval zu Grabe getragen, nachdem man ihm im wörtlichsten Sinne das Lebenslicht ausgeblasen. Nach diesem Lebenslicht, dem Moccolo, hascht Jung und Alt in wirbelnder Hast, es auszulöschen mit Kraft der Lungen, mit tappenden Händen, wehenden Taschentüchern, mit Stöcken, Stangen, Fahnen und Blasebälgen, im offenen Sprung oder durch schleichende Hinterlist. „Es ist gestorben, das Moccolo! Welche Schande, ohne Moccolo!“ Geschrei, Gelächter, Angstrufe aus dem gar zu argen Gedränge ... Die ganze Walpurgisnacht wird lebendig, und nirgends besser als hierher passen die Verse des Mephistopheles:

„Das drängt und stößt, das rutscht und klappert!
Das zischt und quirlt, das zieht und plappert!
Das leuchtet, sprüht und stinkt und brennt!
Ein wahres Hexenelement!“

„Moccoli“.

Mit diesem sinnbethörenden Gebrülle aus tausend Kehlen, denen acht lustbewegte Tage den süßen Schmelz doch schon einigermaßen genommen, mit dem Erlöschen des letzten Moccolo hat die Freude für diesmal ein Ende. Die ganze bunte Zauberwelt, die unser Auge erfreut, nimmt die gestaltenlose ernste Nacht unter ihren grauen Mantel. Morgen ist Aschermittwoch, die soll dich an den Tod erinnern nach dem lustigen Schattenspiel des kurzen Lebensrausches.

Die Gaslaternen blinzeln zu dem tiefblauen Himmel hinan, im tiefen Schatten liegen die Seitengäßchen ... Schritte verhallen in der Ferne, hier noch ein verspäteter Wagen, ein Liebespaar unter einem Thorbogen ... ernst, fast bedrohlich schauen die altersschwarzen Ruinen über den Platz herein ... ein Duft von Gras und Kraut haucht von der Campagna herüber. War es ein Traum?

Der Lumpensammler hat sein Werk begonnen, er hält eine reiche Ernte: bunte Kleiderfetzen, Spitzenreste, abgerissene Schleifen und Bänder, halbverbrannte Taschentücher und unzählige Wachskerzenstümpfchen füllen seinen Korb. Wenn es ihm von Werth wäre, er könnte auch manches Herz finden, das im Gedränge an irgend eine „Here“ verloren gegangen ist.

Ist dieser Lumpensammler aber ein Pessimist, so seufzt er am Ende seiner Arbeit und spricht: „Ach, in ein paar Jahren giebt es keinen römischen Karneval mehr!“



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Die Ballschuhe.
Von Arthur von Loy.


Comtesse Ida Hahn saß im Erkerzimmer des väterlichen Schlosses und überzog sich eigenhändig ein Paar rosa Atlasschuhe. Wahre Kinderfüßchen, die Füßchen Aschenbrödels mußten es sein, die diese zierlich kleinen Formen tragen konnten. Ihre junge Besitzerin befestigte eine Schmetterlingsschleife auf dem kurzen Spann, nähte schmale Kreuzbänder an – es war zu Mitte der zwanziger Jahre – und betrachtete dann das vollendete Werk mit unverhehlter Zufriedenheit. Sie dachte dabei an die hübsche Geschichte, welche man anläßlich der Verlobung der Königin Luise erzählt. Ob es wohl wahr gewesen war, daß die junge Prinzeß von Mecklenburg-Strelitz auch just gesessen und sich ihre Ballschuhe frisch bezogen hatte, als der preußische Kronprinz, nachmalig Friedrich Wilhelm der Dritte, von Berlin kam, um ihre Hand zu erbitten?

Die Comtesse seufzte, indem sie sehnsüchtig durchs Fenster auf die langen öden Schneeflächen der Heimath hinausblickte. Holstein und Mecklenburg – wohl waren es zwei reizende gesegnete Schwesterländer, besonders im Sommer, wenn die üppigen Kornfelder und die goldenen Rapssaaten bis zum Horizonte wogten und der Storch sein Familienleben auf den grauen Strohdächern der malerisch gestreuten Einzelgehöfte entwickelte. Wo fand man einen schöneren Strand, an welchem die schaumgekrönten Wogen des herrlichen grün-blauen Baltischen Meeres unmittelbar die prächtigsten Buchenwälder bespülten, und nirgends langweilige Sanddünen störten? Aber ach, war die Ratnr auch poetisch, so gestaltete sich das Leben desto prosaischer. „Praktisch und uninteressant“ lautete seine Devise. Die Frauen redeten hier nur von kleinen Kindern und schlechten Dienstboten, die Männer sprachen über Pferde und Dünger; waren diese Themata erschöpft, so bildete das Wetter den eisernen Bestand der Unterhaltung für beide Geschlechter. Das ergab eine dürre trostlose Atmosphäre für ein phantasiereiches Köpfchen, dessen Stirn sogar der Genius der Poesie geküßt hatte! Und deßhalb entschädigte sich die nach Glück und Abwechselung dürstende Seele des erst einundzwanzigjährigen Mädchens längst durch die Zauberkreise eines selbstgeschaffenen Traumlebens, in welches aber die frühreife Klugheit der Comtesse auch schon zuweilen einige graue Fäden der Resignation mit einwebte. Doch die holde Illusion der Jugend drängte trotz des Mangels an Wahrscheinlichkeit noch zu einem freudigen Abschlusse; und so hoffte auch Ida heimlich auf einen Befreier, der gleich dem Märchenritter hergezogen käme, um das Dornröschen aus den Banden der Alltäglichkeit zu erlösen, in denen es ersticken zu müssen wähnte.

Die Thür des Erkerzimmers ward jetzt hastig geöffnet, und ein älterer Herr, welcher vornehm und excentrisch zugleich aussah, trat herein. Er hielt einen Brief in den Händen, dessen Inhalt ihn offenbar bewegt hatte.

Ida war es gewohnt, ihren Papa aufgeregt und von bestimmten Ideen hingenommen zu sehen, doch zählte er trotzdem zur Klasse der zärtlich rücksichtsvollen Väter. Sie durfte deßhalb erstaunt sein, daß er heute ohne Weiteres auf sie zu schritt, sie unter das Kinn faßte, ihr prüfend ins Gesicht schaute, so ungenirt, als betrachte er ein Bild, dann die Hand mit einer kleinen unschmeichelhaften Geberde des Mißmuthes wieder sinken ließ und voll ungeduldigen Bedauerns sagte:

„Ich fürchte, Ida, .. Du bekommst niemals einen Mann!“

„Weil ich ein Blaustrumpf bin?“ meinte die Comtesse erröthend.

„Nun, Dein Schreiben schreckt wohl hin und wieder auch Jemand ab, aber davon rede ich doch jetzt nicht. Nein, weil wir zur armen Linie gehören und Dein Vater der ‚Theatergraf‘ ist, jener sanguinische Thor, welcher sein Herz an das deutsche Theater gehängt hat und gleich einem zweiten Wilhelm Meister die Welt mit einer Schauspielertruppe durchzieht, die er ernährt und bekleidet ... weil Du die Tochter des allgekannten ‚verdrehten‘ Hahn bist, deßhalb nimmt Dich Keiner!“ rief der alte Graf mit überquellender Bitterkeit. „Wer möchte der Schwiegersohn des Verschwenders werden, der, immer wieder von Neuem hoffend auf unverbürgte Lorbeeren und noch ungewissere Einnahmen, das Vermögen seiner Familie hinopfert ...“

„Von wem ist denn der Brief?“ fragte Ida den sich immer mehr Aufregenden, in der liebevollen Absicht, ihn von seinen plötzlichen Reue-Anfällen, die ja doch keine Aenderung der Dinge erzielten, abzulenken.

„Das ist ein Schreiben des Erbgrafen Friedrich aus Schloß Basedow, der auch nur Glück hat, wie alle Dummen und Reichen,“ antwortete der Gefragte übellaunig.

„Inwiefern?“ forschte die Comtesse.

„Nun, Du weißt es ja auch, daß man sagt, der junge Erbgraf von Hahn-Basedow ginge auf Freiersfüßen. Zum Zweck der Brautschau scheint er zuerst eine Rundreise durch Holstein und Mecklenburg machen zu wollen - gnädig berücksichtigt auch der stolze Vetter von der reichen Linie den armen Ast der Familie dabei. Auf morgen hat er sich herablassend bei seinem halbbankerotten Verwandten angemeldet – morgen, wo wir den großen Ball geben, zu dem ich die ganze hochadelige Nachbarschaft zusammengetrommelt habe, der ich unter dem Vorwande eines ‚Balles‘ ein auserlesenes theatralisches Quodlibet darzubieten gedachte, um unsere unlitterarische Gesellschaft etwas aus ihrer Gleichgültigkeit aufzurütteln und für mein Theater zu erwärmen! Nun werden meine guten Schauspieler vor ungeduldigen Zuhörern spielen, die Jugend wird ungestüm zum Tanze drängen, und Erbgraf Friedrich wird der Held des Abends sein. Dem machen wir es mit unserer Mühe und unseren Kosten wahrlich prächtig bequem! Denn einen volleren Strauß liebreizender Mädchenblumen sieht er schwerlich je wieder vereint, als er morgen bei uns findet. Die reichen Bernstorffs, Bülows, Moltkes und Stojentins, sie werden jubeln über den wunderbaren Freiersmann, den das blinde Glück ihnen auf die Bahn wirft, und ihn wahrscheinlich auch erringen, denn Geld drängt sich ja stets zum Gelde ... und ich bin es gewohnt, für Andere zu arbeiten.“

Die väterlichen Worte frischten ein halbverlöschtes Bild in der töchterlichen Erinnerung wieder auf. Vor etlichen Jahren hatte Ida den Erbgrafen Friedrich auf einem Rennen gesehen. Da war er ein mannhaft hübscher Jüngling gewesen, mit kecker Miene und flotten Manieren, von schlau berechnenden Müttern und heirathsfähigen Töchtern wie ein Stück Kuchen von hungrigen Fliegen umschwärmt. Ein wildes Pferd hatte er mit leichter Mühe gebändigt und dann unter Paukenklang und Beifallsrufen „den Fürstenpreis“ aus großherzoglicher Hand erhalten. ... Die junge Comtesse war dem glücklichen Sieger damals wahrlich nicht gram gewesen – er hatte ihr sogar sehr gut gefallen!

Der alte Graf ging im Zimmer umher, wie Jemand, der ausschließlich mit einem Gedanken beschäftigt ist. Beim Vorüberschreiten fiel sein Blick auf die rosa Ballschuhe, welche zierlich gepaart auf der Tochter Schoß lagen. „Reizend!“ rief er ganz entzückt, erfaßte die Schuhe und hielt sie betrachtend empor. [120] „Ach Ida, wenn doch Alles so hübsch an Dir wäre, wie Deine Füße, dann ...!“ Er hielt inne, fühlend, daß ihm eine Unzartheit auf den Lippen schwebte. Reuig darüber, küßte er die Tochter zärtlich und vollendete:

„Ich liebe Dich ja so, wie Dich die Natur geschaffen hat. Aber mir blutet doch das Vaterherz, wenn ich sehe, wie wenig Du am richtigen Platze stehst und in der Werkeltagsarbeit aufgehst, tugendsam Dir Deinen Putz selbst anfertigst und Dich ehrlich abmühst, den Groschen in einem Haushalt zu sparen, wo der Thaler nicht geachtet wird. Ach, die vornehmen Aschenbrödel der Gesellschaft, sie erreichen nur sehr selten jene Belohnung, wie sie dem Urbilde im Märchen zu Theil wird! Es wird zwar auch ein Märchenprinz in unser Haus kommen, ein schöner junger reicher Graf, aber er wird wahrscheinlich an Dir vorübergehen, armes Kind, weil Du keine Märchenschönheit besitzest! Der Mann schätzt leider gewöhnlich das Verdienst beim Weibe nur, wenn es mit der Schönheit gepaart ist .... Daß Väter vom Ruin durch glänzende Heirathen ihrer Töchter gerettet werden, gehört wohl auch in das Reich der Romantik! .... Nun, laß es Dich nicht anfechten, meine tapfere Ida, wir wollen unsere Gedanken nicht länger an unnütze Dinge heften, sondern uns mit den Vorbereitungen zum Balle beschäftigen.“ Damit verließ der Graf das Gemach.

Ida aber sprang auf und eilte vor den großen Pfeilerspiegel hin. War sie denn wirklich so reizlos, daß der Märchenprinz auf jeden Fall an ihr vorübergehen mußte? Besaß sie denn wirklich gar nichts, womit sie ihn zu fesseln vermochte?

Gräfin Ida Hahn-Hahn hat in ihren späteren Romanen der weiblichen Schönheit begeistert Kränze geflochten. Ihre Lieblingsheldinnen - halb Madonnen, halb Helenen - pflegte sie immer mit siegender Aeußerlichkeit auszustatten. Daneben schilderte sie angenehm überzeugend die Häßlichkeit mit schöner Seele, die dennoch den Geliebten schließlich gewinnt. Doch nie erwähnt ihre Feder jenes Durchschnittsschicksal der Weiblichkeit, die fatale, uninteressante Mittelmäßigkeit der Reize – so oft sie auch sich selbst schilderte! Sie theilte ihren berauschenden Frauengestalten von ihrem Geist und ihrer Feuerseele mit, sie gab ihnen ihre Faustinennatur, aber nicht ihre Züge, nicht die eigene Statur. Nur die Grazie, die Eleganz und die Hände, „weißer Mull mit rosa Seide gefüttert“, sind wahrheitsgemäß. Und doch hätte die Gräfin wohl zufrieden sein können, denn sie soll in den Jahren der Reife, zwischen dreißig und vierzig, eine ganz bezaubernde, reizende Frau gewesen sein. Trotzdem verzieh sie es dem Schicksal nicht, daß es ihr die Gabe der Schönheit versagt hatte. Sie ähnelte darin ihrer berühmten Kollegin, Frau von Staël, durch deren ganzes Leben und sämmtliche Schriften die Klage über die eigene Reizlosigkeit wie ein zorniger Schmerzensruf klingt.

Der Pfeilerspiegel zeigte eine nüchtern-blonde Mädchenerscheinung mit schlanker, doch eckig magerer Figur. Die Stirn war viel zu groß und zu rund, die Nase stand etwas schief im Gesicht, was freilich ein Zeichen der Klugheit sein soll. Von den sanften blauen Augen der Comtesse schielte leider das eine, besonders wenn sie verlegen oder angegriffen war. Hauptsächlich fehlte aber jener Verklärungsschimmer, den die Jugend oft sogar über noch viel weniger hübsche Mädchengestalten ausgießt. Ach, und gerade ein Ball, wo das Vergnügen und die Wohlthat der Toilette selbst den fast Unschönen auf Augenblicke den Gürtel der Venus leihen, war für Ida leider ganz besonders unvortheilhaft, trotz der angeborenen Grazie ihrer Bewegungen und obgleich sie leicht wie eine Feder tanzte. Denn bei solchen Gelegenheiten spielte ihr das erregte junge „Blaublut“ lauter ärgerliche Streiche, es streute ihr entstellende Hitzflecke auf Stirn und Hals, und das heftige Echauffement löste ihre schönen blonden Locken – die weichen Haare der Intelligenz – frühzeitig in trübselige Verwirrung auf, dergestalt, daß die Comtesse schon nach den ersten Tänzen einer zerwehten Frühlingsblume zu ähneln pflegte. Und aufgelöste Locken waren damals ganz besonders mißfällig, denn man lebte im Stadinm des Glatten. Die Jugend trug den zierlichen Coeurscheitel, vorn entweder dicktoupirte kurzgesteckte Kanonenlocken oder langherabhängende sentimentale Schmachtlocken, letztere erhielten dann später in ihrer Ausartung den Namen „Korkzieherlocken“. Im Nacken band man das Haar empor und wand es um ein Drahtgestell. Das nannte man einen Hasenzopf; er war sehr schwer zu machen, namentlich übten zu weiche und schwere Haare die Unart, sich unbemerkt loszuziehen, dann schwebte das Drahtgestell wie ein leeres Vogelbauer sehr komisch einsam und allein auf der Spitze des Hinterkopfes.

Selbst die berühmten schönen Hände der Gräfin litten einst vom Schicksal der Jugend, indem die Hitze sie roth, die Kälte hingegen blau machte. Und der Reiz des Ungewöhnlichen fehlte noch ganz und gar, die später so gewandte Salondame, welche auf den Flügeln der Genialität die Welt durchreiste und auch namentlich durch den eigenartigen Zauber ihrer Persönlichkeit wirkte, sah in ihrer ersten Jugend wie ein unbedeutendes kleines Provinzmädchen aus, „ganz entsetzlich mecklenburgisch“, wie eine schlesische Schwester in Apollo von ihr gesagt haben soll.

Comtesse Ida war viel zu klug, um nicht einzusehen, daß sie leider sehr wenig besaß, was einen anspruchsvollen jungen Lebemann hätte bezaubern können. Es gefielen ihm vielleicht manchmal noch unschönere Frauen – hatte man ihr doch jüngst auf einem Hofball in Schwerin eine Dame gezeigt, mit welcher Erbgraf Friedrich im Gerede war, und die geradezu häßlich genannt werden durfte – aber die kämpften dann wohl mit anderen Waffen als eine bescheidene unschuldige Landcousine zu gebrauchen wagte. Einen Augenblick erlag das junge Mädchen jenem beschämenden Gefühl der Ohnmacht, welches die beste und solideste Frau empfindet, wenn sie merkt, daß es ihr versagt ist, mit ihren äußerlichen Mitteln einen Eindruck zu machen. Dann aber regte sich in ihr der Stolz des geistigen Uebergewichts, und eine gewisse Zuversicht breitete sich wie eine wohlthätige Hülle über ihr zagendes Gemüth. Wozu besaß sie denn ein erfinderisches Hirn? Weßhalb sollte man stets die Intrigue in das Reich der Poesie bannen? Ließ sich denn das Leben selbst nicht auch einmal umdichten? ...

Der traurige Ausdruck verschwand aus Ida’s Antlitz. Sie trat von dem Spiegel zurück und ergriff ihre Ballschuhe – der Schalk blitzte wieder aus ihren Augen – wahrlich, mit ihrem Kopfe – mit diesen Füßen – sie brauchte doch vielleicht noch nicht ganz zu verzweifeln!

*      *      *

Anderen Tages langte Erbgraf Friedrich Hahn-Basedow schon um zwölf Uhr Morgens an. Ida’s Vater hatte zu seinem Empfange ein Champagnerfrühstück besorgt und mehrere junge Kavaliere der Nachbarschaft dazu eingeladen.

Die Comtesse und ihre gräfliche Mutter machten als einzige Damen die Honneurs. Ida sah allerliebst aus im dunklen Hauskleide, ein weißes Latzschürzchen vorgebunden, der Zuschnitt der Häuslichkeit stand ihrem frischen Teint und ihrer mädchenhaften Figur vorläufig eben am besten. Der junge Erbgraf unterließ auch nicht, der neuentdeckten Cousine sofort zu huldigen, was aber im Grunde doch leider freilich von nur geringer Bedeutung war. Einmal konnte der Erbgraf überhaupt kein halbwegs niedliches junges Mädchen sehen, ohne ihr den Hof zu machen, zweitens war keine Rivalin vorhanden, und drittens hatte dem Erbgrafen aus Ida’s lebhaften Zügen jener Ausdruck entgegengeleuchtet, den kein Mann mißversteht. Die Comtesse nämlich, obgleich ja eigentlich nur erst die Knospe eines Weibes, theilte doch schon im vollsten Maße die wunderbare Vorliebe der geistreichen Frauen für flache Männerschönheit, und so hatte sie es nicht verhindern können, daß ihr der Vetter keineswegs um seines Reichthums willen allein gefiel, sondern daß bei seinem Anblick dieselbe Saite in ihrem Herzen wieder erklang, die sich schon einmal auf dem erwähnten Rennen in ihrer Seele geregt hatte.

Als die Frühftücksstimmung der Herren gar zu lebendig wurde, zogen sich die Damen zurück. Ida’s Mama bemerkte indeß zu ihrem Erstaunen, daß ihre Tochter die Thür des Eßzimmers geflissentlich nur anlehnte und offenbar auf das Gespräch da drinnen zu horchen beabsichtigte.

„Laß das,“ warnte die alte Gräfin, „was junge Herren beim Wein reden, taugt nicht für Mädchenohren.“

„Ei, ich muß Charakterstudien machen für meinen schriftstellerischen Beruf,“ entgegnete Ida, „die Herren Recensenten behaupten ja ohnedies, Frauenfedern schilderten nur Männerschemen und Männerschablonen, die Helden in weiblichen Romanen unterschieden sich nur durch die Bartfarbe von einander!“

Anfangs hörte die Lauscherin nichts, was sie interessirte. Jagdgeschichten wechselten mit kecken Anekdoten. Endlich kam man [121] von den Pferden auf die Damen, speciell auf das Thema der weiblichen Schönheit – und Erbgraf Friedrich wurde tüchtig geneckt mit seiner Vorliebe für kleine Füße!

„Parbleu, ich ziehe doch ein schönes Gesicht einem hübschen Fuß vor!“ rief der lange Junker von Plüskow, „Sie aber, bester Graf, sollten lieber einen Schuster für Ihre Brautschau engagiren, der den heirathsfähigen Töchtern des Landes gleich das Maß nimmt und sie numerirt wie in einem Schuhladen – die kleinste Nummer zöge dann wahrscheinlich als glückliche Herrin auf Schloß Basedow ein.“

„Der kleine zierliche Fuß ist mir allerdings eine Hauptsache bei der weiblichen Schönheit,“ erwiderte ernsthaft der Geneckte. „Abgesehen davon, daß ich ihn bewundere, gilt er mir auch als ein untrüglicher Seelenspiegel. Ich kann den ganzen Charakter einer Dame in ihrem Fuße erkennen; aus der Form ihres Schuhes weissage ich mit Zuverlässigkeit, ob sie klug, bestimmt, zartfühlend, hingebend ...“

„Hören Sie auf, Sie Fußfanatiker!“ lachten alle durch einander. Und der kleine Graf Behr-Regendanck rief: „He, Oertzen, das ist etwas für Sie – in Ihrer Familie ist ja eine hervorragende Dichterader – Sie müssen uns die Auslassungen des Grafen Friedrich in Verse kleiden. Dichten Sie uns eine ‚Apotheose des Fußes‘, oder schreiben Sie eine Abhandlung ‚Der schmale Hacken‘, Beitrag zur Charakteristik des Weibes ...“

Diese Unterhaltung wurde nicht fortgesetzt, denn der Gastgeber trat herein – welcher dringend wünschte, wegen der Vorbereitungen zum Balle und zur Theateraufführung sich seiner Gäste bis zum Abend zu entledigen und sie bis dahin passend zu unterhalten – indem er verkündete, daß die Wagen angespannt wären, welche die Herren nach einem entfernten Vorwerk bringen sollten, woselbst eben angekommene ungarische Schweine der Besichtigung harrten.

Das erste Kapitel des „Romanes“.

Als nach einer Weile der alte Graf unvermuthet durch den Korridor schritt, auf welchen des reichen Vetters Logirzimmer mündete, war er sehr erstaunt, seiner Tochter dortselbst zu begegnen. Er hätte schwören mögen, sie käme aus des jungen Grafen Zimmer! Doch das war ja ganz unmöglich, denn die Comtesse wußte als wohlerzogene junge Dame genau, was sich schickte.

„Wie kommst Du denn hierher?“ fragte er befremdet und blickte forschend auf ein Stück zerknittertes Papier, welches die Comtesse sichtlich verlegen zu verbergen strebte.

„Ich versuche eben das erste Kapitel zu einem Roman zu entwerfen,“ lautete die überraschende Antwort.

„Aber ich bitte Dich, Ida,“ ries ungeduldig der Vater, „so denke doch lieber an die Bowle, das Souper und an Deine Toilette! Wie kommst Du denn nur heute auf die absonderliche Idee zu schreiben?“

„Mein Roman wächst auch wahrscheinlich gar nicht über den eben begonnenen Anfang hinaus,“ erwiderte die Comtesse mit eigenthümlich melancholischem Tone.

*      *      *

Als Erbgraf Friedrich mit Eintritt der Dämmerung von der Besichtigung der ungarischen Schweine zurückkehrte, war sein Hauptgedanke, nach den Strapazen eines üppigen Frühstücks und vor dem Ereignisse eines großen Balles „einen langen Schlaf zu thun“. Er fand in seinem Zimmer ein behagliches Eckchen, wo ein teppichbehangener Divan unter einem Holz-Sims an der Wand stand. Der junge Mann streckte sich lang aus auf dem angenehmen Lager; daß von dem Rande des Simses ein Paar rosa Bändchen herabflatterten und ihm fast die Stirn berührten, nahm er sich gar nicht die Zeit zu bemerken, sondern versank gleich in festen Schlummer.

Fast eine Stunde lag er ohne sich zu rühren. Dann ward sein Schlaf ein unruhiger, der Graf veränderte die Lage, brachte auch den Kopf etwas höher ... sonderbar – gab es denn jetzt noch Fliegen? Er schlug danach ... wieder berührte es ihn - was baumelte ihm denn nur immer an die Nase? Ein energischer Griff ... platsch – da kollerten zwei Gegenstände von der Wand herab, der eine schlug neben ihm auf den Boden nieder, der andere fiel ihm auf die Brust und blieb just auf seinem Herzen liegen. Nun war es nur gut, daß eben auf dem Korridor die Flurlampe angezündet wurde und deren helles Licht auch einige Strahlen durch ein großes Fenster in des Grafen dunkles Zimmer entsendete. Da konnte er doch wenigstens sehen, was ihm denn da auf das Herz gefallen war ... ein reizender Atlasschuh! Ein kleineres Füßchen glaubte der Graf sich nicht vorstellen zu können. Er wendete bewundernd die zierliche Form in seinen Händen um und um, eine ganze Liste der schönsten weiblichen Eigenschaften ahnend. Wie originell die Sohle gebogen war, kräftig, doch maßvoll, ein geniales Köpfchen gehörte sicher zu diesem Fuße! Offenbar war der Schuh schon getragen – desto besser, dann hatten sich die Eigenschaften der Besitzerin recht genau darin ausgeprägt. Am leisen Wachsfleck, der sich mitten unter der Fußspitze festgesetzt hatte, sah der Graf, daß die Herrin des reizenden Liliputaners einen geraden festen Tritt habe. Der feine Hacken verrieth eine zarte nervöse Konstitution. Die schmale Spitze bekundete einige Anlage zur Koketterie, und das leichte Ueberschweifen des Oberzeuges in der Gegend der kleinen Zehe deutete Vorliebe für [122] Glanz und Pracht, Freigebigkeit, große Lebenslust an. Also keine Duckmäuserin! Fast hatte der Graf schon etwas dergleichen gefürchtet, als er den schmalen, schwach entwickelten Ballen bemerkte. Denn je weniger Ballen vorhanden ist, je karger ist das sanguinische Element vertreten, und Zahlensinn, Ordnungsliebe und Pedanterie überwiegen.

Der Graf hob nun auch den andern Schuh vom Boden auf. Wie hübsch sauber die niedlichen Dinger noch waren! Er bog sich näher dem Licht, um besser sehen zu können – ei, das Pärchen war neu bezogen und zwar mit großem Geschick! Ob das eigenhändige Arbeit der Besitzerin war? Auch noch nadelgewandt und sparsam bei so viel Genialität? Entzückend! Und inwendig hatte ein liebenswürdiger Sinn für Aesthetik die Schuhe mit rosa Seidenpapier ausgekleidet – sie mußten wirklich das Eigenthum einer Fee sein – nein, besser noch, sie gehörten einem hochidealen jungen Mädchen an, in dem alle bestrickenden Eigenschaften des Weibes schlummerten. Glücklich Derjenige, an dessen Herzen solche Knospen zu Blüthen reifen durften – „der Teufel soll mich holen wenn ich den Engel nicht heirathe, dem diese Schuhe zu eigen sind!“ rief der Graf plötzlich ganz laut.

Doch er war noch so müde – wieder schlief er ein. Jetzt träumte er von der Cousine Ida. Sie bog sich im weißen Brautgewande mit Myrthenkranz und Schleier über ihn, wie ein holdes Räthsel, welches Lösung verlangt. Der Graf wollte ihr die rosa Schuhe anpassen, doch stets, wenn er ihr nahe kam, glitt sie wie ein Schemen weiter, mit rhythmischen Bewegungen voll lieblichster Anmuth. Mädchenhaftigkeit – o, reizende Neuheit, wie sie den Weltmann berauschte! Heftig, leidenschaftlich eilte er der Comtesse nach – fast hatte er sie erreicht und wollte sie umfassen, da –

„Poch – poch!“ klang es mit kräftigen Schlägen gegen des Grafen Zimmerthür. Der erwachende Träumer mußte sich erheben und öffnen.

Draußen stand die stämmige Landzofe Ida’s. „Ach, Herr Graf,“ klagte dieselbe, „meine gnädige Comtesse ist in Verzweiflung, sie zieht sich zum Balle an und kann ihre eigenhändig bezogenen Ballschuhe nicht finden! Das ganze Schloß haben wir schon durchsucht. Nun meinen wir, daß bei der allgemeinen Umräumerei für unser Fest und unsere Gäste vielleicht eine unberufene Hand die Vermißten in Ihr Zimmer gestellt haben könnte. Gestatten der Herr Graf, daß ich einmal eintreten und nach den Ballschuhen suchen darf?“

„Hier sind sie!“ sagte der Graf, indem er einen Kuß auf jede der kleinen Sohlen drückte. „Bestellen Sie zugleich meine unterthänigsten Empfehlungen an Ihre gnädige Comtesse und sagen Sie ihr – da ich persönlich so kurz vor einem Balle nicht mehr zu stören wage – daß ich sie um die Gunst bitten lasse, heute Abend mit mir den ersten Walzer und den Cotillon zu tanzen!“

*      *      *

Einen erfolgreicheren Ball hatte der alte Graf Hahn noch nie gegeben.

Ida erschien in einem weißen Tüllkleide, die rosa Schuhe an den Füßen, einen idealen Rosenkranz auf dem Haupte. Fast noch nie in ihrem Leben hatte die Comtesse so hübsch ausgesehen, denn nichts verklärt so, wie der Strahl des Beifalls. Erbgraf Friedrich wich nicht von ihrer Seite, und der beglückte Pulsschlag von Ida’s Herzen schien selbst dem jungen Blaublut zu gebieten, denn kein Hitzfleck und keine unangenehme Röthe beeinträchtigten an jenem Ballabend den Ausdruck des geistigen Lebens und die Fülle poetischer Innerlichkeit, welche Ida’s Physiognomie widerspiegelte, wenn sie vergnügt und angeregt war. Sogar die Locken hielten sich so lange als möglich und lösten sich erst ganz zuletzt in kleidsame Unordnung auf. Ida’s Grazie übertraf ja stets die aller Damen und so bemühten sich denn die sämmtlichen anderen jungen Töchter des hohen Adels vergebens um den begehrenswerthen Freier – sie mußten es erstaunt mit ansehen, wie rasch Erbgraf Friedrich sich zur Rolle des Königssohnes im Märchen Aschenbrödel entschlossen hatte.

Nach Ablauf einer Woche verlobte sich Ida mit ihrem Vetter, und sehr bald fand dann auch die Hochzeit statt. Auf dem Polterabende las Herr von Oertzen einen „Hymnus auf den kleinsten Fuß der schönsten Seele“ vor, und der glückliche Bräutigam ließ es sich nicht nehmen, nach alter galanter Polensitte den kleinen rosa Ballschuh, der sein Herz gefangen genommen, mit Champagner zu füllen und auf das Wohl der Braut bis zur Nagelprobe zu leeren.

„Wie waren denn aber die famosen Schuhe nur überhaupt in das Zimmer gekommen?“ fragte der alte Graf unschuldig, „wer hatte sie denn eigentlich hineingesetzt?“

„Ich, lieber Vater!“ antwortete Ida, indem sie den guten Papa herzlich küßte, „das war jener Anfang eines Romans, von dem ich sprach – das erste Kapitel in der Geschichte meines weiblichen Lebens!“

*      *      *

Ob diese Ehe glücklich wurde? Nein und abermals nein! Denn es war dasjenige zu wenig dabei berücksichtigt worden, wonach überhaupt leider viel zu selten gefragt wird, und was doch nur allein den Keim der Zufriedenheit und die Möglichkeit des Glücks in sich birgt – das ist die Ebenbürtigkeit der Seelen! Poesie und Prosa, Bildung und Rohheit soll man aber gewiß am wenigsten zusammenfügen, und deßhalb war auch die Katastrophe fast unvermeidlich, welche schon nach drei Jahren erfolgte, nämlich die Scheidung. Sie war einst ein vielbesprochenes Ereigniß in der vornehmen Welt. Grausame Verleumdung, aber auch leider eigene Schuld, zogen einen verhängnißvollen Ring um die junge Frau, selbst das Auge des Wohlwollens vermag nicht ganz klar bei dieser Angelegenheit zu sehen und ein richtiges Endurtheil zu fällen.

Wer sich für die Gräfin Hahn-Hahn interessirt, muß ihre Romane lesen, die einst zündeten und ihren Namen durch ganz Europa trugen. Der Rechte – Faustine – Levin – sind Gebilde einer glühenden Phantasie und eines ganz außerordentlichen, wenn auch mitunter ungesunden Geistes. Die Romane ihrer katholischen Epoche besitzen einen geringeren Werth und haben weniger Reiz. In ihnen erscheint die hochgeniale Schriftstellerin nur noch wie der verblaßte Schemen ihrer selbst. Sie war eben ein Weltkind, die Klosterschwester vertrug sich mit ihrem Talent nicht, welches nun einmal wurzelte in der irdischen Liebe Freud und Leid.




[123]

Blätter und Blüthen.

Atala. (Mit Illustration S. 109.) Chateaubriand († 1848), der freiheitbegeisterte große französische Schriftsteller und Staatsmann, den die Ermordung des Herzogs von Enghien zum Todfeinde Napoleons machte, hatte mit 22 Jahren sein Vaterland verlassen, um in den Urwäldern Amerikas seinem Drange nach Unabhängigkeit und ungebundener Freiheit leben zu können. Mit Indianern durchschweifte er das Land vom Niagara bis Louisiana, und dieser Zeit verdankt seine Erzählung „Atala“, durch welche er seinen dichterischen Ruhm begründete, ihre Entstehung. Atala, die Tochter eines Weißen und einer Indianerin, wird von ihrer Mutter, die dann später einen Häuptling der Muscogulgen heirathete, im Christenthume erzogen. Schakta, der Sohn eines Häuptlings der Natches, wird von den Muscogulgen gefangen und zum Feuertode verurtheilt. Atala rettet ihn davor unter eigener Lebensgefahr, und die beiden jungen, in Liebe zu einander entbrannten Leute fliehen. Unter unsäglichen Mühsalen in der einsamen Wildniß des Urwaldes gelangen sie endlich zur Hütte eines christlichen blinden Einsiedlers, der Schakta zum Christenthume bekehren und dann Beide als Gatten verbinden will.

Doch Atala ist durch einen Schwur, den sie ihrer Mutter auf dem Todtenbette geleistet, zur Ehelosigkeit und Entsagung verurtheilt und vergiftet sich, um in dem Kampfe ihrer Liebe und Leidenschaft gegen das Gelübde nicht zu unterliegen. Schakta ist zerschmettert von dem Entsetzlichen, rast und tobt und flucht dem Gotte der Christen, der so Unnatürliches zugelassen, wird aber von dem Einsiedler endlich beruhigt, und Beide schreiten zur Bestattung der lieblichen, so früh dahingerafften Menschenknospe.

Diese Beerdigung Atala’s hat das ergreifende Gemälde Courtois’, dessen Holzschnitt nach einer im Verlage von Braun u. Comp. in Dornach erschienenen Photographie ausgeführt ist, zum Vorwurf.

Unter dem Bogen einer natürlichen Brücke sollten die Ueberreste der so Heißgeliebten bestattet werden. Der Eremit hatte sie in ein Stück europäischer Leinwand gewickelt, die seine Mutter selbst gesponnen hatte und die – das Einzige, was ihm aus seinem Vaterlande geblieben – für sein eigenes Grab bestimmt war. Zu schlafen schien die Jungfrau, ihre Lippen, einer kaum geöffneten Rosenknospe gleich, schienen in süßem Verlangen zu lächeln. Ihre schönen Augen waren geschlossen, der herrliche Kopf, die Schultern und die Füße waren entblößt. So trug der verzweifelte Schakta den Leichnam der geliebten Braut zu der einsamen Stelle des vertrockneten Gießbaches, und in der Wildniß des Urwaldes lagen der junge Wilde und der alte Eremit auf den Knieen einander gegenüber und gruben ein Grab für ein unglückliches junges Mädchen, das durch den tragischen Konflikt zwischen Liebe und Pflicht in den Tod getrieben war. – Schakta blieb ein gebrochener Mann, er kehrte zu seinem Stamme zurück und nahm erst kurz vor seinem Tode das Christenthum an. –r.     


Weber’s „Silvana“. Es geht die freudig begrüßte Kunde durch die Zeitungen, daß eine „nachgelassene“ Oper von Karl Maria von Weber auf dem Hamburger Stadttheater mit Erfolg aufgeführt und sofort von großen Hof- und Stadtbühnen angenommen worden sei. Diese Oper ist kein „nachgelassenes“, sondern ein altes und vergessenes Werk des großen Meisters, das durch einen Dichter und einen Komponisten in zeitgemäßer Neugestaltung ins Leben zurückgebracht worden ist. Der Komponist ist Ferdinand Langer, der Dichter unser Mitarbeiter Ernst Pasqué, und diesem verdanken wir die nachstehenden Mittheilungen.

In seinem 22. Lebensjahre begann Weber die Komposition einer neuen Oper, „Silvana“, seines sechsten Bühnenwerks. Leider litt das Textbuch, von F. K. Hiemer zusammengestellt, ebenso an Inhalt wie an dramatischer Form. Dennoch vollendete Weber die Oper 1810 in Darmstadt. Aufgeführt wurde sie zuerst in Frankfurt am Main und dann an den meisten großen Theatern bis in die ersten dreißiger Jahre. Noch einmal tauchte sie 1855 in Dresden und 1858 in Berlin auf, um dann, durch die Schuld des Textbuchs, für immer unmöglich zu werden.

Dieses Werk ist es, an welchem die beiden genannten Männer den Versuch der Wiederbelebung machten. Pasqué legte der Weber’schen Komposition einen neuen Text unter. Er entnahm den Stoff der rheinischen Sagenwelt, insbesondere der Sage von den Burgen Sternberg und Liebenstein. Mußte nun der Dichter Situationen schaffen, welche Gelegenheit boten, die sämmtlichen Nummern der alten Silvana-Partitur anzubringen, so erstand, weil die reiche Handlung sich statt auf drei, auf vier Akte ausdehnte, für Langer die Aufgabe, den musikalischen Mangel für den neuen Text aus Weber’s reichen und mannigfaltigen Kompositionsschätzen, namentlich auch den Klavierwerken zu decken und eine Oper herzustellen, welche ausschließlich Weber’sche Musik darbietet, ohne an zu mosaikartiger Zusammensetzung zu leiden. Das kühne Unternehmen ist vollendet, hat seine Feuerprobe bestanden und tritt nun seine Reise über die deutschen Bühnen an. F. H.     


Bacillenfreies Trinkwasser. Die Furcht vor den winzigen Trägern und Verbreitern der ansteckenden Krankheiten hat unter Anderem auch das Entstehen einer neuen Industrie gefördert. Um die Menschheit vor aller Ansteckung durch verunreinigtes Wasser zu sichern, fabricirt man seit Kurzem bacillenfreies Trinkwasser. Bis jetzt rieth man, das Wasser zur Zeit der Epidemien zu kochen und so die Bakterien durch Hitze zu tödten oder unschädlich zu machen. Aber gekochtes Wasser ist bekanntlich kein besonders labender Trank.

In dem Pariser Laboratorium von L. Pasteur, in dem so viel Großes und manchmal auch Unbedeutendes über die winzigen mikroskopischen Pilze entdeckt, was dann mit gehörigem Pomp der Welt verkündet wurde, hat nun Dr. Chamberland eine Entdeckung gemacht, die der Menschheit den Genuß frischen und doch bacillenfreien Wassers sichert. Er hat Filter

konstruirt, die alle Mikro-Organismen zurückhalten, aus Cylindern von porösem Porcellan bestehen und darum auch Bougies Chamberland genannt werden. Diese Erfindnng ist bereits praktisch verwerthet worden, denn wie der in Genf erscheinende „Fortschritt“ berichtet, hat dort ein Herr Joly mit Beihilfe von Professor Monnier ein Etablissement eingerichtet, in welchem durchaus bacillenfreies Trinkwasser fabricirt oder filtrirt wird. Bis jetzt ist dieses „reinste“ Trinkwasser nicht besonders billig, da ein Liter acht Centimes, also etwa sechs Pfennig kostet. Für die großen von Epidemien bedrohten Volksmassen dürfte somit dieses gesundheitliche Fabrikat noch lange ein unerschwingliches Luxusgetränk bilden. –i.     


Zu nützlich, um erschossen zu werden. Auf den von den Nordamerikanern während des Bürgerkrieges errichteten 24150 Kilometer Feldtelegraphenlinien wurden 6 500 000 Militärtelegramme ausschließlich mit Klopfapparaten empfangen, und es liegen keine Klagen über Verstümmelnng der Depeschen oder über irgend ein Mißlingen vor, das den militärischen Unternehmungen durch unrichtig beförderte Depeschen bereitet worden wäre. Im Gegentheil sind genügend Berichte vorhanden, welche auf den Vorzug des Klopfsystems hindeuten, wenn sich derartige Apparate in den Händen ausgebildeter Telegraphisten befinden. Im nordamerikanischen Kriege haben Klopftelegraphisten wiederholt in Ermangelung irgend eines Apparats Telegramme mit der Zunge empfangen. Aus den vielen derartigen Fällen sei nur der folgende erwähnt: Telegrapheninspektor Fuller erhielt Befehl, in großer Eile eine Telegraphenlinie von Lebanon nach Columbia zu errichten, um daselbst mit der Division des Generals Boyle telegraphische Verbindung herzustellen. Nachdem Fuller Columbia mit der Telegraphenlinie erreicht hatte, stellte es sich heraus, daß der Stationsapparat abhanden gekommen war. General Boyle, der gerade wichtige Depeschen zu befördern hatte, gerieth über das Ausbleiben des Stationsapparates dermaßen in Zorn, daß er drohte, Fuller erschießen zu lassen. Dieser dagegen nahm ruhig die Telegramme des Generals entgegen, telegraphirte sie in Ermangelung eines Telegraphenschlüssels mittelst Berührung der Enden des durchschnittenen Drahtes und empfing alle Antworten korrekt durch Anlegen beider Enden ober- oder unterhalb der Zunge. General Boyle, hierüber im höchsten Grade erstaunt und vielleicht auch beschämt, wandte sich an Fuller, indem er ihm auf die Schulter klopfte, mit den Worten: „Sie sind zu nützlich, schon jetzt erschossen zu werden!“ E. K.     


Wem verdanken wir den Fingerhut, jenen Helfer in den Nöthen aller Näharbeiten? Vor zweihundert Jahren hat ihn ein holländischer Goldschmied, Nikolaus van Benschoten, erdacht und zum ersten Mal fabricirt. Aber dem Erfinder galt er nur als Luxusartikel, und erst im Laufe der Zeit wurde der hohe Werth dieses Spielzeugs von der Frauenwelt anerkannt. –i.     

Allerlei Kurzweil.

Magisches Tableau:
Das geflügelte Rad.


Auflösung des Karneval-Räthsels in Nr. 6: Wer nicht liebt Wein, Weib und Gesang etc.


Kleiner Briefkasten.

O. F. in Nürnberg. Die Allgemeine deutsche Pensionsanstalt für Lehrerinnen und Erzieherinnen, welche ihren Sitz in Berlin hat, dürfte Ihnen zu empfehlen sein. Dieselbe, unter dem Schutze der deutschen Kronprinzessin 1875 begründet, nimmt ohne Unterschied des religiösen Bekenntnisses alle staatlich geprüften Lehrerinnen auf, die an öffentlichen oder privaten, Anstalten, in Familien oder sonstwie den Lehrberuf ausüben. Die Beiträge bemessen sich nach dem Alter der Eintretenden und der Höhe der versicherten Pension. Vorsitzender des Centralausschusses ist zur Zeit der Ministerialdirektor Greiff, Berlin W. Behrenstraße 72.

H. K. in S. Gewöhnliche „Deutsche Marken“ von 1871 bis jetzt sind nicht anzubringen; das Elisabeth-Krankenhaus in Berlin nimmt sie aber, für mildthätige Zwecke geschenkt, an.

Skat-Gesellschaft in Düsseldorf. In einigen Gegenden gestattet es der Brauch, in anderen dagegen nicht.

Ein Abonnent von Linz. Anonyme Anfragen werden nicht beantwortet.

[124]

3. Quittung. Für die Hinterbliebenen des Schaffners Claus und die anderen bei Hanau verunglückten Bahnbediensteten

gingen ferner ein: A. B. in Hildesheim 1; Helene in Berlin 1; Kegly Karl in Preßburg 3; durch Karl Wagner in Suhl: vom Männerchor der „Erheiterung“ 7,55, ein Scherflein von Arbeitern ges. durch O. W. 1,20, ges. durch C. W. 8 zusammen 16,75; Ertrag einer besonderen Sammlung bei einer Abendunterhaltung des Deutschen Reichsfechtschulen-Verbandes Reichenbach i. V. 33,25; Fr. Kch. in München 10; G. T. in München 5; Ed. Egert in Berlin 6; H. S. in Berlin 10,05; E. H. u. J. Z. in Buckau 8; F....... a V. in Ballenstedt 2; J. M. in Leisnig 1,50; Gg. Grau jr. in Koburg 5; Kegelgesellschaft „Zwölferklub“ in Dresden 12; Steffen, Major in Straßburg i. E. 50; im Auftrage des „Pfeifenklubs“ einges. von L. Ittershagen in Langensalza 10; ein „junger Abonnent“ in Erfurt 6; E. S. in Hlbrg. 3; Gesellschaft „Erholung“ in Dahlhausen a. d. W. 7,70; A. Z. in Bessungen 4; die Obertertia d. Realgymnasiums zu Posen durch Dr. Beck, Ordinarius 13,85; Jean Htm. in Frankfurt a. M. 5; Oekonomie- Com. Floegel in Neiße 5; „Karlchen“ in Augsburg 5; von einem „Vielreiser“. Mariahilf-Wien (3 Fl. ö. W.) 4,95; aus vier Sparbüchsen. Köln a. Rh. 20; den Zehnten eines Gewinnes. Dresden-Neust. 2,20; ein alter Bekannter von Herm. Oelschläger in Zeitlofs 2; A. K. in Grünberg in Hessen 1; ein wenig Bemittelter in Chemnitz 1; Louis Leseritz in Iserlohn 3; S. Salomon in Iserlohn 1; A. B. in Taucha 2; B. Sch. in Berlin 1; W. Q, in Berlin 0,50; „Unbekannt“ in Hannover 1,50; Joh. Gg. M. in Nürnberg 2; J. M. in Stadtlauringen 5; Prof. E. in Heidelberg 20; B. in Osterburg i. d. Altmark 3; „Treu bis zum Tod“. Aus Bremen 3; Stammtischges. im Löwen zu Arheilgen 6; R. Roeser in Wittenberg (Bez. Halle) 5; P. Walter M. in Dresden 5,05; M. J. in Berlin 5; ges. in der Wagner’schen Brauerei durch J. Güllich in Rothenburg a. d. T. 7,10; ein Oldenburger Landwirth in Bardenfleth 5; aus Tübingen 1; ein Petersburger Abonnent (3 Rbl.) 6,30; P. F. in Küstrin 30; R. N. in Frankfurt a. M. 2; aus Gingen a. d. F. 2; N. N. in Bremerhaven 2; „Ein Oesterreicher“ in Wien 22; aus Rheydt, Reg.-B. Düsseldorf 10; R. A. S. in Rosenberg in Ob.-Schl. 10; A. G. in Graudenz 3; A. Loewenthal in Duisburg 3; A. O. in Dortmund 5; M. v. H. in S. 5; Adolf Pollack in Rawitsch 15; S. in Halle a. d. S. 3; L. L. in Hagen im Bremischen 0,50; W. S. in Hagen im Bremischen 0,50; C. u. L. B. in Neustadt-Magdeburg, mit dem Motto: „Meine Festfreude“ 100; „Wenig aber mit Freuden“ von Frau P. u. ihren Kindern in Idar 1,30; Otto in Riga (1 Rbl.) 2,10; von zwei Familien H. in U. 30; E. T. E. B. in Nürnberg 2; Frau Dr. Koenig in Kriegshaber b. Augsburg 2; ohne nähere Bezeichnung des Absenders – Briefbogen mit einer Taube 5; St. N. in Ulm 3; X. W. in Tübingen 10; B. M. in M. 3; E. S. in Berlin 20; M. K. in Nürnberg 5; J. Leistner in Nürnberg 3; Regine Runzler in Regensburg 3; G. Dg. in Danzig 20: von einem Kränzchen in Dresden d. J. Lippold 5; H. † K. in Berlin 2,80; durch Dr. Oelschläger in Weimar: Portraitmaler Behmer 5, ein Freund der „Gartenlaube“ 3, Kurt und Jenny 2, Bergrath Hofmann 3, Frau Pastorin Schubart 2, Dr. Schnbart 3, Ungenannt 1, Martha Kürstner 1, Pension Martini 10, F. L. 5, G. G. 1,50 zusammen 36,50; Br. H. in Dresden 3; S. Lehrer in W. p. G. 6; B. in Ansbach 3; H. Edler, Reg. Geometer in Gotha 3; R. R. in Kirchdorf b. Sulingen 6; aus Elly’s u. Heinrich’s Sparbüchse in Rügenwalde 7; Helene, Elisabeth, Willy, Hugo, Johanna u. Hedwig, Geschwister Pulsack in Wilmshagen 12; X. in W. 2; Ungenannt in Bamberg 5; ges. d. Fritz Eick u. Gust. Högemann in Zittau 39,25; J. van Setten in Ragnit 5; Mittwochs-Abend-Klub der Loge Minerva zu den 3 Palmen in Leipzig 20; N. N. in M.-Gladbach 11; Gewinn einer Spielpartie von F. G. in Schlawe 1; C. F. Bester sen. in Mittweida 5; aus Berlin S. 15. 10; Z. in Offenbach a. M. 5; von der 9 Monat alten Else Ellerbrok in Hamburg 1; durch S. Saemann in Frankfurt a. M.: Frau Eva Raders, Café de Paris 2, R. Morgenstern 6, S. S. 2, L. u. L. 3, Bloch 2, durch denselben von S. 3, eine Woche Skatgewinn von der Skatgesellschaft im Café Paris und zwar: Z. 19,40, Mayer 7,10, S. 2,80, Leschkau 2,70 zusammen 50; Max Willy, Ritterstr. in Berlin 3; Albrecht Köpping in Oschatz 3; Braun in Mainz 5; aus Landsberg am Lech 3; Otto u. Jenny Glasser in Dresden 2; von den Stammgästen der Bahnrestauration Langenweddingen 9; Paula Feder in Magdeburg 3; L. S. u. G. F. Berlin 6,05; durch Dr. Oelschläger in Weimar: Buchhändler Zuckschwerdt in Weimar 3, Pfennigsammlg. d. Schule Niedergrunstedt b. Weimar 3,02 zusammen 6,02; Richard Stoß in Crimmitschau 3; von den Mitgliedern des Kegelklubs „Simson“ durch Louis Bodenstab in Bremerhaven 100; „Vertrau’ auf Gott und rette den Bedrängten“. Berlin 5,55; Fr. M. Koch in Berlin, Behrenstr. 20; Moritz Loewenthal in Stettin 3; ges. am 12./12.84. auf einem Geburtstage durch Ida Schade in Stettin 4; Karl Weill, WIntergasse 17 II. in Aufsburg 3; N. N. in Sebnitz in Sachsen 6; „Anonymus“ in Troppau (2 fl. ö. W.) 3,25; M. W. 5; Frau C. G. in Herrstein (Oldenburg) 10; O. S. in Altenburg S.-A. 3; vom Stammtisch im „Gänsedieb“ in Dresden durch Bruno Bernhardt 10,05; O. A. in Zwickau i. S. 10; R. B. in Halle a. d. S. 3; Fritz Heinze in Eisleben 5; Ernst L. in Berlin, Victoriastr. 3,10; A. v. R. in Neidenburg in Ostpreußen 3; Julius Petri, Jägerstraße 66 in Berlin 20; „Einige Geschäftsreisende“ in München 10,50; Familie G .... in Berlin, Lichtenbergerstraße 1; aus Walsrode: „Niemand hat größere Liebe, denn die, daß er sein Leben läßt für seine Brüder“ 20; Th. M. in Leipzig 1,50; Herrmann B. aus Erfurt 3; A. B. und Paul B. aus Erfurt 3; sieben fidele Reisende im Restaurant Oertel in Leipzig durch T. Heydenreich 7; Erika! Karlsruhe i. B. 20; aus Lübben i. d. Lausitz 1; J. R. in Stollhamm 5; Gebrüder Leuze in Urach 20; Arthur Leuze in Urach 20; „Tropicus“. R’dam 5; aus Braunschweig: Klein die Gabe, wie die Habe – des Absenders 2; A. Baumann in Berlin 1,50; Henny u. Amöne in Bremen 1,50; Ungenannt in Sagan 1; Ernst Arnold in Greiz 20; Consul A. Crotogino jr. in Rostock i. M. 3; Ah. in Rostock 3; H. P. in Flensburg 5; P. H. in Posen 1; von dem im Hôtel „zum neuen Hause“ tagenden Donnerstags-Club in Oldenburg i. Gr. 4; Sammlung am Vortragsabend in der Gemeinde Guthmannshausen nach Vorlesung des trefflichen Oelschläger’schen Gedichts, eingesandt durch Pfarrer Schmidt 11,18; gesammelt auf dem frohen Geburtstage von Th. B. in Altona 10: Carl Joh. Vogt in Mainz 3; Marie in Altenburg 2; M. Schöneberg in Brackwede 3; Rohne, Invalid von 1870/71 in München 3; eine Sammlung in Heiligenbeil 20; Familie W. in Berlin 3; gesammelt unter Freunden bei Zorbel und in der „Deutschen Weinstube“ von Carl Grübel in Gotha 16; von J. in Leipzig 5; C. S., Abonnent seit 1872 in Connern a. d. S. 2; W. Ghn. in Freiberg i. S. 1; „Strafgelder für Gebrauch überflüssiger Fremdwörter“ von S. F. und S. in Düsseldorf 3; A. Focke in Bremen 5; O. F. in Kronenberg i. Rhnpr. 10; „Freundin der ‚Gartenlaube‘ in Petersburg“ 20; C. K. Kassel 10; von G. Th. K. in Leipzig 5; Adolf Henne in Hannover 5; ein alter Commis voyageur in Berlin 1; Rudolf Schumann in Leipzig 3; W. E. in Dresden-Neustadt 20; Wittwe B. in Berlin 2; Dr. Kffm. in Berlin 5; als Weihnachtsgrüße von der Wittwe Rückert in Tangermünde durch Th. Meyer 30; L. Hecker, eine Thüringerin in Dresden 2; A. R., ein schweizerischer Postbeamter in Lichtensteig 4; von einer deutschen Familie in Oldham (England) 10,20; F. B. in Leipzig 15; eine langjährige Leserin in Reutlingen 5; A. S. H. in Heidelberg 3; Hn. in Kattowitz 10; ein Abonnent in Woldegk i. M. 2; „Dispositionsfonds“. Köln a. Rh. 21; Gebrüder Loewenstein in Königsberg 5; T. in Eisleben 5; H. Miles in Berlin 5; P. Merck, Gr. Stiftsrechner in Darmstadt 2; A. S. in Charlottenburg 3,05; K. L. R. in Chemnitz 6; G. Bardey in Bad Stuer 3; Ferd. Ruscheweyh in Hamburg 10; aus Forst i. d. Lausitz 5; Hedwig Adam, Lehrerin in Kattowitz 2,50; F. H. in W. 20; N. F. in Dortmund 12; Rud. Hochstein in Nürnberg 4; A. U. in Düsseldorf 1; G. v. R. in Dresden (zweiter Beitrag) 3; L. G. in Hamburg 1; Verein jüng. Buchhändler „Lahn“ in Marburg in H. 6; H. B. in Frankfurt a. M. 2; J. N. in Berlin 5; M. H. in Kreuznach 2; Dr. J. K. in Greifswald 5,05; von dem Whistkränzchen der munteren vier Damen in Köln a. R. 7; A. u. M. Fr. in Karlsruhe i. B. 10; N. N. in Koblenz 20; gesammelt im Hôtel „Piqueurhof“ in Aurich 13,50; Klomburg in Pattensen 3; von J. F. in Wiesbaden 1,50; gesammelt in der Abendunterhaltung für die Lehrlinge der hiesigen Gewerbtreibenden u. von seinen eigenen Kindern durch Lehrer J. Schaible in Schw.-Hall 2,50: Frau Bau-Inspector L. E. in Berlin 5; Al. Spgbg. in Merzig 5; Dr. Herm. Oelschlaeger in Weimar 20; A. Hahn Schulgutstr. 5 III in Dresden 2; Genzko in Parchim 5; Abonnent F. in Heppenheim a. B. 3; A. J. in St. Gallen 20; K. B. 3; gesammelt von den Stammgästen im Restaurant Gelfort, Brüderstr. 38 in Berlin 50; einige Studenten, durch stud. jur. W. Marquardt in Stettin 6,50; E. Backofen in Mittweida 5; M. O. in B. 2; Frl. O. in Dessau 2; E. S. in Dessau 3; J. N. in Dessau 2; von den Familien Hermes-Hahn in Berlin 27; R. in Charlottenburg 3; die Schwestern Br. in Magdeburg 8; R. Loholm in Berlin 10; aus Hildesheim 5,85; S. in Michelstadt i. O. 5; Fr. Hille in Bovenden b. Göttingen 10; Max Kühn, Trachenberge 24 b. Dresden 5; L. Dannier, Unterwiek 22 in Stettin 6; Elfriede u. Bruno in Braunschweig 2; ein langjähriger Abonnent der „Gartenlaube“ und Bewunderer des bis in den Tod pflichtgetreuen Beamten in Porrentruy (Schweiz) 3; von einem ehemaligen Eisenbahn-Schaffner in Darmstadt 1; E. H. in Wittenburg i. M. 3; H. G. Fink in Kronstadt i. Siebb. (2 Fl. ö. W.) 3,32; Albert Grau, Architekt in Breslau 5; B. in Bromberg 10; Frau Valerie Fiedeler in Hannover 6; von S. durch J. P. Diel’s Sort. in Darmstadt 3; von Ida u. Sophie in Hamburg 8,05; von M. R. in Berlin 10; C. G. in K. in O. Pr. 7,50; von einem Leser der „Gartenlaube“ unweit Hannover 2; J. G. aus Wien (5 Fl. ö. W.) 8,25; Weihnachten 1884, Leipzig 20; Ergebniß einer Sammlung in einem kleinen Kreis von Züricher Bajuwaren, eingesandt durch Dr. Franz Stubenvoll, altkath. Pfarrer 16,43; Joh. Weingaertner in Liverpool 5; aus Darmstadt 5; Rentier Nölp in Wiesbaden 10; vom Sparkäßle der Geschw. P. in R. 2; Sammlung von Regnüb in Berlin 11; E. A. B. in Bernburg 3; gesammelt durch H. L. am 23. Dez. auf der Neuen Börse in Halle a. S. 15; M. Johst in Jakunowen 3; Clara Sparmann in Berlin 10; Bruno Drabandt in Magdeburg 5,05; Frau Hauptmann Meißner in Marienberg in S. 6; H. L. in Artern 10; E. Sixtus in Berlin 10; H. S. in Magdeburg 20,05; gesammelt v. d. „Schlaraffia Francovadia“ zu Frankfurt a. O. bei ihrer Weihnachtsbescheerung, einges. d. Ferd. Patek, Kantzler 12,60; J. B. P. in O. 5; aus der Sparbüchse von vier kleinen Mädchen in Leipzig 2,70; A. in Neumarkt in Schl. 1; von R. F. in Karlsruhe in B. 5; H. A. in Frankfurt a. M. 10; H. Z. in Wiesbaden 1,50; A. K. in S. 5; A. Hüttig in Kamburg a. S. 3; Ph. Abresch in Havre 4,15; V. in Uetze 5; J. G. in Frankfurt a. M. 3,50; Hack Caspary in Berlin 9; M. Th. in Krimmitschau 60; aus der Sparkasse der Familie H. in Lennep 30; R. Simon in Naumburg a. Qu. 5; G. L. D. in Frankfurt a. M. 20; H. Kempf, Gr. Distr.-Einn. in Groß-Gerau 5; Schmölder in Biebrich 10; C. A. S., Wülfingstr. 9 in Elberfeld 50; S. J. in B. 3; N. N. in Bad Nauheim 5; D. C. in Königsberg in Pr. 5; D. in Betzenstein 4; Dr. Fischer, Kurfürstenstr. 53 in Berlin 10. 0 Summe der 3. Quittung ℳ 2475,16 (enthält die vom 12. bis 28. December 1884 eingegangenen Beiträge). Gesammtbetrag der 1., 2. und 3. Quittung ℳ 5134,70.


Inhalt: Die Frau mit den Karfunkelsteinen. Von E. Marlitt (Fortsetzung). S. 105. – Kinderscherze. Illustration S. 105. – Die Gefahren des Milchgenusses und ihre Abwehr. Von Dr. Fr. Dornblüth in Rostock. S. 110. – Zur 200jährigen Geburtstagsfeier Georg Friedrich Händel’s. Von Robert Prölß. Mit Portrait S. 113. – Rom im Rausch. Von WOldemar Kaden. S. 114. Mit Illustrationen S. 116, 117 und 118. – Die Ballschuhe. Von Arthur von Loy. S. 119. Mit Illustrationen S. 119, 121 und 122. – Blätter und Blüthen: Atala. S. 123. Mit Illustration S. 109. – Weber’s „Silvana“. – Bacillenfreies Trinkwasser. – Zu nützlich, um erschossen zu werden. – Wem verdanken wir den Fingerhut? – Allerlei Kurzweil: Magisches Tableau: Das geflügelte Rad. – Auflösung des Karneval-Räthsels in Nr. 6. – Kleiner Briefkasten. – 3. Quittung der Sammlung für die bei Hanau Verunglückten. S. 124.


Verantwortlicher Herausgeber Adolf Kröner in Stuttgart. Redacteur Dr. Fr. Hofmann, Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger, Druck von A. Wiede, sämmtlich in Leipzig.