Die Gartenlaube (1894)/Heft 15
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Nr. 15. | 1894. | |
Illustriertes Familienblatt. — Begründet von Ernst Keil 1853.
Um die stillgewordene Klause lag die Nacht. Sanft rauschte die Ache im Thal, der kühle Nachtwind machte die Wipfel der Bäume raunen und zahllose Sterne funkelten am Himmel, den der nahende Vollmond über den östlichen Bergen schon zu lichten begann. Aus dem schwarzen Schatten des Waldes trat ein Mann auf die Rodung. Der Anblick des dunklen Balkenhauses und der geheimnisvolle Lichtschein, welcher aus den Fensterluken des Kirchleins schimmerte, bannte seinen Fuß. Lange stand er auf das vorgestreckte Grießbeil gelehnt. Dann wanderte er lautlos über die Lichtung hinweg, im Walde wieder verschwindend. Unter den Bäumen rief ihn eine gedämpfte Stimme an: „Zeitlassen, Nachbar!“
„Zeitlassen auch!“ klang die leise Antwort. „Wohin zur Nacht?“
„Ich mein’, wir haben den gleichen Weg.“
„Wohl wohl, komm nur! Wir müssen gut ausschreiten, wollen wir droben sein, bis Vollmond einsteht.“ Schweigend schritten sie weiter auf dem dunklen Pfad.
Und dieser Pfad war nicht der einzige, der sich belebte in
[242] der stillen Nacht. Ueberall in weiter Runde, auf offener Flur
und in dichtem Walde klangen Schritte, auf jedem Weg und Steg.
Zuwweilen tauchte der Schein einer Fackel auf und ging wieder
unter in Finsternis. Dunkle Gestalten wanderten, bald einzeln,
bald zu dreien und vieren gesellt, und sie alle suchten das gleiche
Ziel. Von der Höhe des Totenmannes reckte sich eine Feuerzunge
über die schwarzen Wipfel empor. Zu der Stätte, an der sie
brannte, war das Thing gerufen, welches entscheiden sollte über
Wazemanns Haus und das Geschick der Klause, über die kommende
Zeit im Gadem.
Dunkle Gestalten wanderten, und jeder Schritt auf rauhem Stein, der klirrende Aufschlag eines jeden Grießbeils klang in der stillen Thingnacht wie das Rollen eines ehernen Würfels. –
Auf der kahlen, von dichtem Urwald umschlossenen Kuppe des Totenmannes loderte in der stillen Nacht das helle Thingfeuer. Die Flammen beleuchteten eine alte dürre Eiche, zwischen deren Wurzeln ein behauener, von Moos und kümmerndem Epheu umwucherter Stein sich erhob. Mit zuckender Helle fiel der Schein des Feuers über die grasige Lichtung, auf welcher einzeln und in Gruppen die zum Thing erschienenen Männer standen oder lagerten, die einen schweigend, die anderen in halblautem Gespräch. Immer noch tauchten, von allen Seiten kommend, neue Gestalten aus dem finsteren Wald hervor und machten mit leisem Gruß oder wortlosem Händedruck die Runde bei den andern.
Neben dem Feuer stand Eigel, der Thingbote, und von dem dürren Holze, welches andere mit vollen Armen herbeitrugen, legte er Ast um Ast in die fressenden Flammen. Vor dem Stein, auf welchem des Richtmanns Messer und ein Wedel aus Wachholderzweigen lag, saßen die beiden Thingschöffen, Kaganhart und der Köppelecker; zwischen ihnen lag ein Bündel dünner Buchenruten, welche sie in kurze Stäbchen zerschnitten … immer eines ließen sie in der dunklen Rinde und das andere schälten sie weiß. Nicht weit von ihnen lag ein an den Füßen gebundener schwarzzottiger Bock im Gras und daneben ein Hahn, an Füßen und Flügeln gefesselt.
Während sich mit dem Schein des Thingfeuers schon das Licht des steigenden Vollmonds mischte, kam einer der letzten, der Schönauer. Sein Gesicht war ernst, und schwer ging sein Atem. Eigel und die Schöffen traten ihm entgegen und reichten ihm die Hand; dann kamen auch die anderen, um den Richtmann zu begrüßen. „Viel’ seh’ ich, aber einen miss’ ich!“ sagte er. „Wo ist Sigenot der Fischer?“
„Er war der erst’, der gekommen ist,“ erwiderte Eigel und deutete gegen den Waldsaum. Dort saß der Fischer im Schatten einer tiefästigen Fichte, das Schwert über dem Schoß, das Gesicht in die Hände gedrückt. Der Richtmann wollte auf ihn zutreten, aber Eigel hielt ihn am Arm zurück und flüsterte: „Die Ramsauer fehlen! Es hat mir gleich geschwant.“ Er hatte kaum ausgesprochen, da kam aus dem Wald ein Zug stiller Männer hervor, wohl dreißig an der Zahl, geführt von einem weißhaarigen Greis; der alte Runot war’s, welcher auf dem Lindthaler Zinsgut saß, der Gaumann der Ramsauer.
„Da sind sie!“ sagte der Richtmann aufatmend und schritt den Kommenden entgegen. „Ihr säumet lang, Männer! Schon will der Vollmond einstehen zur Mitternacht; luget hin. der Eichschatten schneidet den Blutstein!“
„Beim Hirscheneck haben wir uns gesammelt,“ erwiderte der Greis, „und haben geharret auf einen, der nicht hat kommen wollen. Und er ist doch der Best’ von uns!“
„Wen meinst?“
„Unseren guten Bruder Hiltischalk.“
„Es kann nicht kommen, wer nicht geladen ist!“ sagte der Richtmann.
Erschrocken legte Runot die Hand auf des Schönauers Arm, während aus der Schar der Ramsauer unmutige Worte sich hören ließen. „Richtmann, das war übel gethan!“
„Nein, Runot, das war gethan nach Recht und Brauch! Wenn das Thing gerufen wird wider einen im Gadem, so laden wir seinen Vater nicht und nicht seinen Bruder, keinen von seinem Blut und Haus. Heut’ aber hab’ ich das Thing gerufen wider die Klosterleut’, die in unser Thal gekommen sind.“ Eine murmelnde Unruhe ging durch den Kreis der Männer, denn mancher von ihnen hörte mit diesem Wort die erste Botschaft von der Ankunft der Mönche. „Ich hab’ den Hiltischalk nicht geladen, denn er ist ein Gottesmann und der Gottesmänner Bruder; so hab’ ich gethan nach Recht und Brauch.“ Der Widerspruch der Ramsauer wollte nicht verstummen; unwillig hob der Schönauer den grauen Kopf. „Wenn Ihr meinet, ich hätt’ gefehlt an meinem Amt – über vier Mond’ ist Neujahr! Wählet dann einen anderen Richtmann! Heut’ aber halt’ ich das heilige Messer noch, und wer murren will gegen mich, wider den ruf’ ich das Thinggericht.“ Er schritt zum Stein, über dessen Platte der Mondschatten der Eiche fiel, und faßte das Messer. „Vollmond steht ein! Das Thing ist aufgethan! Gauleut’, thut Euch zueinander!“
Während Eigel das lodernde Feuer schürte, sammelten sich die Männer zu getrennten Gruppen. Um den Köppelecker standen die von der Schönau und von Unterstein, um Runot die von der Ramsau, vom Hintersee, vom Schwarzeck und von der Taubenlack, um den Schmied Ilsanker die Männer aus dem Engedein und der Strub, um den Hochgarter die aus der Aschau und dem Loipl, um den Greinwalder die Hochbauern vom Göhl und Untersberg. Sigenot der Fischer stand allein.
„Thingbot’!“ rief der Richtmann. „Geh’ um und zähl’ die Stimmen!“ Von einer Gruppe schritt Eigel zur anderen. Als er zum Richtmann zurückkehrte, sagte er: „Hundert und vier hab’ ich geladen … hundert und drei hab’ ich gezählt. Einer fehlt!“
Der Richtmann spie auf die Erde. „Wie er auch Namen hat und wär’ er mein eigen Blut, keiner soll ihm Freund sein, jeder soll ihm Feind sein! Fallt er in Not, so löst ihn keiner, liegt er in Weh, so tröst’ ihn keiner! Unehr’ über ihn!“
„Unehr’ über ihn!“ klangen hundert Stimmen im Ring.
„Thingbot’, thu’ seinen Namen kund!“
Eigel zögerte. „Der alte Gobl!“
Ein Gemurmel lief durch die Gruppe der Männer. Im Gauring der Schönau aber sagte der Schapbacher. „Hätt’ ich gewußt, daß es der Gobl ist, ich hätt’ nicht geflucht wider ihn. Ueber seinen Weißkopf ist so viel Leid gefallen, daß die Unehr’ daneben kein Platzl nimmer hat.“
Eigel hatte den Hahn von der Erde gehoben und ihm die Füße und Flügel entfesselt. Der Vogel flatterte und krähte, als ihn der Richtmann ergriff. „Was ein Gockel ist, muß gackern!“ sagte der Schönauer. „Wer aber das Thingfeuer hat brennen sehen, muß schweigen können, wenn der Morgen kommt.“ Er hob mit der Linken den flatternden und krächzenden Hahn. „Schau das Feuer an – und thu’ keinen Laut mehr!“ Mit jähem Messerhieb schlug er dem Vogel den Kopf vom Rumpfe und warf ihn zu Boden. Ein Brünnlein spritzte aus dem Hals des Hahns, welcher kopflos, mit schlagenden Flügeln, noch einige Sprünge that. Als er tot zur Erde fiel, hob ihn der Köppelecker auf, riß ihm eine Feder aus, reichte den Hahn weiter und steckte die Feder auf seine Kappe. So wie er, that jeder andere. Eigel, welcher den Hahn zuletzt empfing, warf den gerupften Vogel ins Feuer.
„Wer geredet in der Thingnacht, soll schweigen am Tag,“ rief der Richtmann, „oder eh’ der Mond wieder voll wird, soll er heißen, wie der Boden heißt, auf dem wir stehen! Mannerleut’, hebet die Hand zum Schwur!“
Alle Schwurhände erhoben sich, nur eine nicht. Eigel war, als er den Hahn ins Feuer warf, der Flamme zu nahe gekommen, und sie hatte einen Zipfel seiner grauen Kotze gefaßt – nun mußte er den Brand des Tuches mit beiden Händen ersticken.
„Thingschöffen,“ fragte der Richtmann, „ist kein unberufen Ohr im Ring?“
Kaganhart und der Köppelecker traten vor und sprachen einer mit dem anderen wechselnd: „Die Nacht ist einödig, und unbegangen der Wald. Wir haben gelugt in jeden Gipfel und geschlagen auf jeden Busch. Der Ring ist gezogen auf dreimal hundert Gäng’ in der Weit’, die Wächter stehen und lassen nicht ein, was nicht gerufen ist, sei’s Mensch oder Tier, Haar oder Feder!“
„So wollen wir unter uns Mannerleut’ raiten um unser Wohl, mit Mannswort und Mannsverstand. Zwei Weg’ gehen aus, der eine ist recht und der ander’ ist schlecht; wir wollen meiden den schlechten und suchen den rechten, daß wir hüten vor Schad’ und Nöten unser Haus, Weib und Kind, Stall, Vieh und Gesind’. Mannerleut’, her zur Heilstätt’!“ Während ein enger Ring um Feuer und Eiche sich bildete, hoben die Schöffen den [243] Bock auf den Blutstein. Da gewahrte der Richtmann, daß die Ramsauer zur Seite stehen blieben in getrennter Gruppe. „Ramsauerleut’, her zur Heilstätt’!“
Aber der alte Runot streckte das Grießbeil vor seine Gauleute und schüttelte den Kopf. Thu’ Du mit den Deinen, wie Du meinst, daß es gut und recht ist und Brauch seit alter Zeit. Das soll Euch keiner wehren. Es soll aber auch uns nicht verwehrt sein, daß wir thun nach unserem Brauch, wenn’s gilt, zu hüten vor Schad’ und Nöten unser Haus, Weib und Kind, Stall, Vieh und Gesind’!“ Der Alte stieß das Grießbeil in die Erde. ließ sich auf die Knie nieder und faltete die Hände. Rings um ihn her knieten die Männer der Ramsau, und der helle Feuerschein zuckte auf ihren Gesichtern und glänzte in ihren Augen, welche emporgerichtet waren zum mondlichten Himmel.
Bewegung und Murren ging durch die Reihen der anderen, und die Erregung steigerte sich noch, als Sigenot der Fischer auf die Ramsauer zuging und neben dem alten Runot die Knie beugte. „Fischer!“ stammelte der Richtmann, und es zitterte seine Hand. welche das Messer schon an den Hals des Bockes gelegt.
Der Greinwalder schien dem Fischer folgen zu wollen; auf halbem Weg aber blieb er stehen, kraute sich hinter dem Ohr, schielte zu den Knienden hinüber und drehte die Augen wieder dem Blutstein zu. Eigel, dessen Hände den Bock gefesselt hielten, stieß den Köppelecker mit dem Eckbogen an und sagte mit heiserer Stimme: „Greif’ zu, Schöff’, daß ich die Händ’ ledig krieg’ … ich hab’ einen Weg sell hinüber!“
„Thingbot’,“ rief ihn der Richtmann an. „halt’ fest!“ Und er führte durch den Hals des Tieres mit rascher Hand den tötenden Schnitt, während die Ramsauer mit halblauten Stimmen ihr frommes Lied begannen:
„Mein guter Herre, Du mein Gott
Dein Schild ist wider alle Not,
Du hürdest fest und hagest gut,
Herr, nimm uns auf in Deine Hut!“
Gleich einem sprudelnden Quell rann das Bockblut über den Stein. Der Richtmann tauchte den Wachholderwedel in das dampfende Bächlein und sprengte die Tropfen gegen den Eichbaum.
„Das Blut soll rinnen,
Daß uns die Holden Gutes sinnen!“
Wieder netzte er den Wedel.
„Das Blut soll rinnen,
Daß uns die Unholden nichts Uebles spinnen!“
Während der Richtmann zum Feuer trat, klang mit wachsenden Stimmen das Lied der Ramsauer:
„Mein guter Herre, Du mein Gott,
Thu’ speisen uns mit Hmmelsbrot
Und heb’ uns aus dem Leidenthal
Hinauf in Deinen Freudensaal!“
Das Lied verklang. und die Stimme des Richtmanns hallte: „Das Feuer scheinet, das Feuer reinet!“ Er warf den bluttriefenden Wedel in die Glut; es prasselte, eine schwarz aufsteigende Rauchwolke trübte den Schein der Flammen – aber rasch hatte das Feuer die nassen qualmenden Zweige verzehrt und loderte wieder in reiner Helle.
„Jetzt, Mannerleut’, lasset uns raiten um unser Wohl!“ Vor dem Blutstein ließ sich der Richtmann auf eine Wurzel der Eiche nieder, und um ihn her im Halbkreis lagerten sich die hundert Männer. während die Schöffen dem verbluteten Bock das Fell abzogen und Eigel neben dem Feuer über einem Haufen glühender Kohlen den Bratspieß rüstete. Die Metkannen gingen um, ihre hölzernen Deckel klapperten, und murmelnder Zuspruch und Dank ließen sich vernehmen.
Mit lauter Stimme begann der Richtmann zu sprechen, langsam, als wöge er jedes Wort. Noch hielt er seine eigene Meinung zurück und schwieg von der Zwiesprach, welche Herr Waze mit ihm gehalten. Er sprach von der Stiftung, welche Frau Adelheid auf ihrem Sterbebett gethan, von der Ankunft der Klosterleute, von ihrem Klausenbau beim Lokistein „Sie sind nach Brief und Siegel wohl die Herren im Gadem, Herr Waze aber sitzt auf seinem festen Haus und hat die Macht. Er will nicht weichen von seinem Sitz und will den Gadem nicht lassen aus seiner Hand. Für ihn und seine Buben ist Zins und Steuer, was für die Kuh das freie Futter ist. Und so müssen sie stehen wider die Klosterleut’ wie der Senn’ wider die Wölf’. Sie haben auch schon den Ring gezogen um den Lok’stein und den Wald um die Klaus’ her in schweren Bann gelegt.“
Der Greinwalder sprang auf. „Meine arme Dirn, weil sie Albengab’ getragen hat zur Klaus’, haben sie blutig geschlagen, daß sie schier sterben hätt’ müssen.“
Andere Stimmen schrien dazwischen, sie alle, die vor den Wazemannsbuben wieder umgekehrt waren in Scheu und Furcht. Jeden Ruf, der sich vernehmen ließ, schien der Schönauer gerne zu hören, denn er nickte zu jeder Stimme.
„Ihr sehet, Mannerleut’, es wird ein schieches Raufen anheben zwischen denen beim Lok’stein und denen in Wazemanns Haus. Zu wem sollen wir halten? Stehen wir zu keinem, so haben wir alle beid’ wider uns. Stehen wir zum einen, so ist wider uns der ander’. Jetzt raitet, Mannerleut’, wie wir uns hüten mögen vor Not und Schaden! Runot, Du bist der Aeltest’ unter uns, thu’ Du die erste Red’!“
Der Greis erhob sich. „Ich weiß keine! Und um was denn sollen wir Ramsauer raiten? Wir haben’s gut und wollen’s nicht besser. Solange Herr Waze der Spisar ist, tragen wir ihm Zins und Steuer hin … wenn er mehr will, soll er nur kommen! Unser Herr ist ein anderer, und sein guter Knecht ist Bruder Hiltischalk. Weiter weiß ich keine Red’ und keinen Rat. Ich red’ nicht wider Wazemann, denn es könnt’ für Euch im Gadem zu Not und Schaden sein – ich red’ nicht wider die Klosterleut’, weil’s unseren Bruder Hiltischalk verzürnen könnt’. So raitet halt selber. Ihr Gademer Leut’, es geht ja um Euch her! Ich mein’ wohl, unser Bruder Hiltischalk hätt’ das richtige Wörtl gefunden und den guten Weg gewiesen. Aber Du hast ihn nicht geladen, Richtmann. So haben wir ausgeredet, wir Ramsauer, denn mit ihm ist unsere Stimm’ daheim geblieben.“ Wirr schrien im Kreis, als Runot zurücktrat, alle Stimmen durcheinander. Der Schönauer hob das Messer, doch eh’ er noch sprechen konnte, war Eigel mit geballten Fäusten in den Ring gesprungen „Leut’, Leut’,“ schrie er mit zornigem Gelächter, „ich hätt’ gemeint, die Frag’, zu wem wir halten sollen, wär’ ausgeraitet beim ersten Wort. Wenn ich die Wahl thun muß zwischen Trunk und Durst, zwischen Tag und Nacht. zwischen Lieb’ und Haß … muß ich mich da denn noch besinnen und raiten? Ist denn einer unter Euch. der den Waze nicht kennt und seine Buben? Einer, der ihm nicht gedoppelt steuern hat müssen Jahr um Jahr? Einer. dem er nicht gerissen von seinem Gut und Vieh? Einer, der seine Buß’ nicht geschmeckt hat und nicht weiß, wie seine Ruten brennen? Einer, der vor ihm und seinen Buben nicht gebanget hat um Weib und Tochter? Und da raitet Ihr noch?“ Die Glut seiner Worte faßte die Männer und weckte zornigen Beisall auf allen Seiten. „Not und Unrecht hat er ausgeworfen über uns, so dick wie die Körner fallen aufs Traidfeld. Lieb’ hat er gerissen von Lieb’ und hat uns geschlagen mit Weh und Jammer! Jetzt aber, jetzt kommt für ihn die zahlende Stund’ … und für Euch die gute Zeit!“
Der Schönauer war aufgesprungen. „Kohlmann!“ überklang seine Stimme den wachsenden Lärm. „Kohlmann! Du hast sie wohl schon in der Hand, die gute Zeit? Gelt? So schau’ doch einmal drauf hin beim Lichtschein. ob’s auch die gute ist oder am End’ gar die schlechter’ noch!“
Stimmen. die zur Ruhe mahnten, mischten sich in den Lärm, der sich mühsam dämpfte. Eigel und der Richtmann standen voreinander, sich messend mit funkelnden Augen.
„Kohlmann, Dein Gesicht brennt! Aus Dir redet die heiße Rach’ wider Waze, der Dir die Salmued genommen!“
„Und Dein Gesicht ist weiß! In Dir zittert die Angst um Deinen Buben! Und doch ist die Zeit, die uns die Klosterleut’ bringen, die beste, die uns blühen kann … Dir wie Deinem Buben! Ich hab’ von den Klosterleuten einen geführt … das ist der Oeberst’ von ihnen, derselb’, dem der Gadem gelegt ist in die Herrenhand! Er hat geredet zu mir, und seine Red’ ist mir ins Herz gegangen. Ich hab’ ihm ins Aug’ geschaut, tief hinein und lichtscheinig hat’s mich angeleuchtet wie da droben der Vollmond in der Finsternis! Mit dem ist ein gutes Hausen, Leut’! Und eh’ ich mein Hölzl noch in die Bockshaut leg’, mag von Euch ein jeder wissen, wie ich los’: weiß für die Klosterleut’!“
„Ich auch!“ fiel Kaganhart ein mit hastigem Wort. Während im Ring die Stimmen laut durcheinander schwirrten, faßte Eigel den Kaganhart am Arm. „‚Ich auch‘? Mehr ist Dir nimmer [244] eingefallen? Um die zwei Bettelwort’ wär’s nicht der Müh’ wert gewesen, daß ich Dich geladen hab’. Dein Weib hätt’ das Maul wohl anders aufgethan!“
„Aber so wart’ doch, laß mir doch Zeit,“ brummte der Bauer. „Ich red’ schon noch und stell’ meinen Mann.“
Inzwischen klang über den wachsenden Lärm hinaus die Stimme des Gernroders: „Ich bin den Klosterleuten auch nicht feind! Einer von ihnen ist zu meinem Haus gekommen und hat meinen Kindern Lieb’s erwiesen.“
„Ohne die Klosterleut’ hätt’ meine arme Dirn’ verbluten müssen,“ rief der Greinwalder, „ich steh’ zu ihnen!“ Er ballte die Faust. „Der Fichtengipfel in meiner Kammer wartet auf seinen guten Tag.“ Und der Marderecker schrie: „Ob für oder wider die Klosterleut’, das ist mir alles eins, wenn’s nur wider den Waze geht!“
Immer mächtiger wuchs das Gewirr der Stimmen. Der Schönauer hob das blitzende Messer, aber niemand achtete des Zeichens, mit dem er Schweigen forderte. Da sprang der Schmied von Ilsank auf einen Stein, und mit hallender Stimme, die sich Gehör erzwang, schrie er über die Köpfe hinweg: „Mannerleut’, was wir fürchten und leiden müssen von Waze und seinen Buben, das wissen wir all’! Wer aber sagt uns denn, was wir hoffen und genießen sollen von denen beim Lok’stein?“ Tiefe Stille trat ein. „Das muß uns doch einer sagen. wenn wir raiten sollen!“ rief der Ilsanker. „Wer weiß denn das? Wer sagt es uns?“
„Ich, Leut’!“ Sigenot war in den Ring getreten. Laute Rufe begrüßten den Fischer, und alle Augen hingen an ihm. Der Spannung, die in allen Gesichtern zuckte, war es anzumerken, wie schwer das Wort dieses Einen wog, wie viel er galt in der Meinung aller. Langsam trat wieder Stille ein, und enger zog sich der Ring um Sigenot, der, die Hände über den Knauf des Schwertes gelegt, hochaufgerichtet stand, das bleiche tiefernste Gesicht überstrahlt vom Schein des lodernden Feuers. „Mannerleut’,“ sprach er mit klingender Stimme, „ich weiß vom Thingfeuer weg für mich und Euch alle nur eine Straß’, die geht zum Lok’stein und zu dem, der jetzt der Herr ist über den Gadem!“ Eine stumme Bewegung ging über die Köpfe, und alles drängte noch näher heran. Nur der Schönauer stand regungslos und hing mit bangen Augen an den Lippen des Fischers. „Der Oeberste der Klosterleut’ heißt Eberwein. Nach Brief und Recht, durch eidfeste Schenkung hat er im Gadem Herrenmacht über Land und Leut’. Dawider kann nimmer Streit sich heben, und auf der Seit’, auf der das Recht ist, müssen wir alle stehen, Schulter bei Schulter und Faust bei Faust.“
Unruhiges Gemurmel erhob sich im Ring, und der Ilsanker schrie: „Hut ab vor dem Recht! Aber wissen möcht’ ich halt doch, was ich hab’ davon?“
„Und wär’s auch mehr nicht, Ilsanker: die Ruh’ in Deiner Brust! Aber höret mich an! Ich bin beim Lok’stein gewesen und hab’ geredet mit dem Herrn und hab’ geraitet mit ihm um Leutwohl und Landrecht. und da hab’ ich gespürt, daß er eine Hand hat, lind und gut, und daß in seinem Herzen die Lieb’ ist wie das Feuer auf dem Winterherd. Und wie er es halten will als Herr im Gadem, das laßt er Euch sagen durch mich: Recht soll hausen bei jedem Hag, und Schirm soll haben jeder Blutstropfen an Mensch und Vieh, jeder Span an Thür und Thor, jeder Halm auf Acker und Wiesgrund. Wer unrecht thut, soll stehen nach altem Brauch unter dem Spruch der Gauleut’. Nimmer in heimlicher Nacht soll das Thing gerufen sein, sondern frei am Tag, in heller Sonn’. Ein jeder soll die Felder hagen dürfen wider Hirsch und Reh, und die Jagd soll frei sein auf alles Raubzeug, das von Schaden ist für Mensch und Tier. Keiner soll rühren an den Bergwald, der gegen die Lahnen steht und gegen die Wildbäch’. Im Thal aber soll jedes Haus seinen Heimwald haben, an dem der Bauer schlagen mag, was er braucht für Herd und Bau. Was überbleibt im Thal an Waldgrund, soll gerodet werden, und die Gauleut’ sollen das neue Feld aufteilen unter die Häuser nach gleichem Maß. Und es sollen dem Wild zulieb keine Alben mehr in der Oed’ liegen. Wo ein Kaser gestanden in alter Zeit, soll wieder einer stehen, und jeder Bauer soll an freier Albweid’ haben, was er braucht für doppelt Vieh. Denn wie die Felder sich mehren sollen, soll der Viehstand wachsen, daß bessere Zeiten einkehren für jeden Bauer im Gadem. Und weil der gute Herr gemeint hat, es läg’ an Zins und Steuer zuviel auf jedem Kopf, so laßt er Euch sagen: was Zins und Steuer heißt, soll gemindert sein um das halbe Maß.“
Sigenot konnte nicht weiter sprechen; ein jubelndes Geschrei erhob sich, alle drängten auf ihn zu, alle Hände streckten sich nach ihm, und die ihm zunächst standen, faßten sein Gewand, seine Arme, als wäre er nicht der Bote eines anderen, sondern selbst der gute Herr, der die neue bessere Zeit zu verkünden gekommen.
„Richtmann!“ überschrie der Ilsanker allen Jubel der anderen, „Richtmann, laß die Stäb’ austeilen! Wir wollen losen – weiß für die Klosterleut’!“
Der Schönauer hob das flimmernde Messer mit der vom Opfer noch blutigen Hand. Die Schöffen warfen sich in den schreienden Haufen und drängten die Männer auseinander. „Haltet Ruh’, Leut’, haltet Ruh’! Das Messer weiset auf Still’!“ Allmählich erweiterte sich der Ring und Schweigen trat ein. Da sagte der Richtmann mit heiser klingender Stimme: „Thingbot’, trag’ die Los’ um, ein schwarzes und ein weißes für jeden Mann! Schöffen, thut Met in die Kannen und reichet vom Bockfleisch jedem Mann sein’ Teil! Ihr aber, Leut’, trinket und esset und haltet Ruh’ ein’ Weil’ und höret, was ich zu raiten hab’ mit dem Fischer!“ Langsamen Schrittes trat er vor Sigenot hin. „Du hast mit denen beim Lok’stein geraitet um unser Wohl und Landrecht wie ein rechtschaffener Mann und guter Nachbar, und Deine Botschaft ist lichtscheinig wie der Sonnglanz, der die Bergwänd’ anfallt vor gutem Tag. Aber ich mein’ schier, sie blinket gar zu hell, und das wär’ ein Zeichen auf schiech Wetter. Ich will nicht sagen: ‚Viel versprechen und lützel halten, ist neuer Herren Art und Walten‘; ich will alles glaubenl Aber eine Frag’ noch hätt’ ich.“
„So frag’!“ erwiderte Sigenot, während im Ring die Männer auflauschten mit Unruh’ und Spannung.
„Viel Gutes hast verkündet. Verschwiegen aber hast, was ich gehört hätt’ am allerliebsten. Werden die Klosterleut’ dem Gadem einen neuen Spisar setzen oder soll Herr Waze bleiben, was er ist?“
„Das weiß ich nicht.“
„Warum denn hast nicht gefragt?“
Sigenots Brauen furchten sich, und eine dunkle Röte floß über seine Stirne. „Das hat seinen Grund, Richtmann, und der gehört nicht vor das Thing!“
„So?“ Der Schönauer nickte vor sich hin. „Meinetwegen, verschweig’ den Grund halt! Ich weiß – Du hast beim Lok’stein keine Frag’ thun wollen wider die Wazemannsleut’ … und weiß genug!“ Die Augen des Richtmanns glitten im Kreis über die verblüfft und erschrocken blickenden Gesichter.
Sigenot schien die Worte des Schönauers nicht gehört zu haben; schwer atmend streifte er mit der Hand über die Stirn und starrte vor sich nieder. Da fragte der Richtmann wieder: „Noch eins, Fischer! Wenn die Klosterleut’ halten wollen, was sie versprochen haben, und Herr Waze stemmt sich dagegen und wütet gegen sie und uns mit seinen Buben und Knechten, mit Feuer und Eisen, wer hilft ihnen wider ihn? Wer denn, Fischer, wer?“
Sigenot blickte auf. „Einer, Richtmann,“ sagte er und hob das Schwertkreuz gegen den Himmel. „Einer, der Arm’ hat, stärker als tausend Männer in Wehr und Eisen.“
Ein dumpfes Gemurmel ging durch die Reihen der Gademleute, und mancher von ihnen kraute sich hinter dem Ohr und blickte mit scheuen Augen zum mondlichten Himmel auf. Nur die Ramsauer winkten dem Fischer Beifall zu; und der alte Runot, als er das müde Lächeln sah, das dem Schönauer um die bleichen Lippen zuckte, hob das Grießbeil und rief: „Gieb acht, Richtmann, daß Dir das Lachen nicht vergeht!“
Eigel war in den Ring gesprungen; er hatte das blutige Bocksfell um die Lenden gebunden und zum Sack geschürzt, in welchem die noch unverteilten Lose lagen. „Wer ihnen helfen soll wider ihn? Ja wer denn sonst als wir? Wir alle miteinand’, Schulter an Schulter und Faust an Faust!“
„Wohl wohl! Recht hat er, der Kohlmann!“ schrie Kaganhart und schwang den gespitzten Stecken, an dem er ein dampfendes Stück Bockfleisch umgetragen. „Wir sind hundert gegen die zwanzig in Wazemanns Haus! Auf, Mannerleut’, auf! Gleich vom Thingfeuer weg ziehen wir hinaus zum Falkenstein und werfen die Bränd’ über Haus und Ställ’ und brennen das Blutnest nieder mit dem alten Gauch und seiner Brut, mit seinen Schandbuben und seiner rothaarigen Wetterhex’!“
Lautes Geschrei erhob sich, gemischt aus zornigem Beifall und
[245][246] erschrockenem Widerspruch, während sich Kaganhart zu Eigel wandte. „Das wird wohl eine Red’ gewesen sein, eine richtige Mannsred’!“
Da packte eine Faust ihn an der Brust. „Mordbrenner!“ Der Bauer starrte den Fischer an, welcher vor ihm stand mit funkelnden Augen und fahlem Gesicht.
„Thingfrieden!“ rief der Schönauer und streckte den Arm mit dem Messer zwischen die beiden. „Was einer auch raten mag, jedes Wort ist frei!“ Und als der Fischer schweigend zurücktrat, sich mühsam zur Rühe zwingend, rief der Richtmann, mit hallender Stimme den Lärm übertönend: „Ich mein’ wohl, der Kaganhart hat heißer gekocht, als er essen möcht’. Aber sag’, Fischer … wenn wir thäten, was der da geraten hat, und wir kämen morgen zum Lok’stein und möchten sagen: ‚Herr Waze liegt erschlagen mit Buben, Dirn’ und Knecht’, und sein Haus ist Feuer und Rauch geworden‘ – was meinst wohl, daß er sagen möcht’, Dein Herr?“
Mit zuckenden Lippen erwiderte Sigenot: „Was er sagen muß nach heiligem Recht: wer Feuer wirft, soll die Händ’ verlieren, wer Blut vergießt, soll stehen unter Strick und Messer!“
Der Schönauer nickte und lächelte, während der Schmied von Ilsank mit seiner Bärenstimme den wilden Lärm überschrie: „Ja höret doch, Männer, so höret doch! Wenn wir den Wazemannsleuten ein Härlein sengen und einen Finger brechen, so müssen wir gar noch Gericht beim Lok’stein fürchten!“
Unter dem wirren Geschrei, das diesen Worten folgte, sprang der Richtmann zum Blutstein und hob das Messer. „Höret, nur eins noch höret, was ich sagen muß! Und Du, Nachbar Kaganhart, Du dank’ allen guten Mächten, daß Deine Stimm’ nicht hinaushallt über den eidfesten Ring! Sonst möcht’ Herr Waze von Dir noch träumen in der heutigen Nacht!“ Das seltsame Wort, das mit hallendem Klang an alle Ohren schlug, machte die Schreier verstummen und lauschen. „Höret, Mannerleut’! Der Fischer hat Euch Botschaft getragen vom Lok’stein … so muß ich Euch Botschaft bringen von der andern Seit’. Der Fischer hat es gut gemeint und ist zum Lok’stein gegangen. Herr Waze aber ist zu mir gekommen und hat mir das Messer an den Hals gelegt und hat das Eisen gehoben über meines Buben Kopf. Mannerleut’“ – wie drängende Wellen über das Gebälk der engen Schleuse, so stürzten in treibendem Schwall die Worte von den Lippen des Richtmanns – „Mannerleut’, ich scheu’ mich nicht, vor Euch allen sag’ ich’s grad’ heraus … in mir zittert die Angst um meinen Buben, der mein Alles ist, meine ganze Lieb’ und meine einzige Freud’!“ Lautlose Stille herrschte im Ring, während der Schönauer von Wazes Besuch in seinem Hof erzählte. Jedes Wort, das Herr Waze gesprochen, hatte die Angst und der Kummer in ihm festgehalten. Und er brauchte den lauschenden Männern Wazemanns „Träume“ nicht zu deuten, ein jeder verstand, wie sie gemeint waren. Wie der trübe Schlamm, den der Wildbach nach einem Unwetter aus seinem zerrissenen Bett hinauswälzt in den klaren See, von einer Welle in die andere quillt, so floß die dunkle Angst, welche aus den bebenden Worten des Richtmanns redete, in die Herzen der Lauschenden über, und jeder dachte der eigenen Kinder und sah sie fallen unter dem ersten Schlag, den Herr Waze zu führen drohte. Die Hoffnung der besseren Zukunft, welche Sigenots Botschaft geweckt, ging ihnen unter in der Furcht der Gegenwart, in der Angst vor der Not des kommenden Tages.
„So hat Herr Waze geredet,“ rief der Schönauer, „und was er mir und meinem Buben vermeint hat, das gilt Euch allen! Und schier ein jeder von Euch hat einen Buben oder Kinder, an denen er hänget mit Leib und Seel’. Und ich mein’ doch, es wär’ einem jeden sein Kind, was dem Baum sein Mark ist, das er haget mit Holz und Rind’, mit Aest und Blättern. Lasset den Waze doch thun, wie er mag, soll er doch reißen von unserem Hab und Gut! Wenn er mit keiner Hand nur rührt an unsere Kinder! Oder saget, Mannerleut’, saget, will einer von Euch morgen heimkehren in seinen Hag … und will er seinen Buben oder sein Kindl im Blut und im letzten Schnaufer finden, und wenn sein Liebl, sein armes, ihn anschaut und seufzet: ‚Vater, Vater, was hast Du gerufen über mich!‘ … wer will dann sagen von Euch: ‚Meinetwegen, sei hin – aber ich muß von Neujahr an nur halbe Steuer legen!‘“
Da kam es von allen Lippen wie ein einziger Schrei, sie streckten die Hände aus, als möchten sie den Mund verschließen, der solche Worte sprach; und der Marderecker sprang auf den Schönauer zu und rüttelte seinen Arm. „Drei Kinder hab’ ich, Richtmann, drei! Eines lieber wie’s ander’! Ja sag’ doch, sag’, was thu’ ich denn, daß ich meine Kinder hüt’?“
Der alte Eigel stand, mit dem blutigen Bocksfell um die Lenden, und schüttelte den Kopf. während Sigenots Augen mit verlorenem Blick über die erregten, vom zuckenden Feuerschein erhellten Gesichter hinschweiften, als könnte er nicht fassen, was hier geschah. Da hob sich die Stimme des Schönauers über den Lärm. „Mannerleut’, weil Ihr mich fraget, was ich rat’, so höret! Wir all’ müssen den Weg gehen, den die Not uns weiset. Wir all’ müssen stehen zu Wazemann, so lang’ er Spisar ist im Land. Ihm tragen wir Zins und Steuer hin, ihm bieten wir die Fron, und außer ihm geht uns kein anderer was an. Keiner von uns soll sich einlassen mit den Klosterleuten, keiner von uns soll Albengab’ tragen zur Klaus’!“
„Richtmann!“ rief Sigenot erschrocken und faßte die Hand des Schönauers. „Du hast üblen Rat!“
Aber im Ring schrien die Männer: „Red’ weiter, Richtmann! Weiter!“
„Mein Rat ist, wie die harte Stund’ ihn fordert. Noch allweil ist Wazemann der Herr. Blüht einmal andere Zeit und kommen die Klosterleut’ obenauf … Du selber, Fischer, hast ja gesagt, wie gut ihr Herz ist und wie stark ihre Lieb’ … wenn sie gar so gut und liebreich sind, so müssen sie auch einsehen, daß wir heut’ nicht anders können, und sie dürfen uns auch in einer kommenden Zeit nimmer harb drum sein, weil heut’ der einzige Weg, auf dem wir unsere Kinder hüten, um den Lok’stein herumgeht und dem Wazemann zu!“
„Richtmann. Richtmann!“ mahnte Sigenot mit bebender Stimme. „Dein Rat hat krummen Weg, Du gehst dem Unrecht zu! Richtmann. thu’ die Augen auf. Du hast die Wahl zwischen Tag und Nacht … an Deinen Buben denk’ und reiß’ ihn nicht hinaus auf den Nachtweg! Laß ihn stehen bei Licht und Recht!“
Doch Sigenots Worte erstickten unter dem wirren Geschrei, mit welchem der Rat des Richtmanns aufgenommen wurde. Und alle anderen überschrie der Schmied von Ilsank: „Wir wissen genug! Das Raiten hat ein End’! Richtmann laß die Los’ werfen … schwarz wider die Klosterleut’!“
Der Thingbot’ brauchte nicht im Ring zu gehen, um die Stäbe zu sammeln; haufenweise drängten sich die Männer um ihn her und warfen die dunklen Lose in das Bocksfell. Da schrie der Marderecker mit kreischender Stimme: „Richtmann. die Ramsauer losen nicht!“ Tumult erhob sich, und laute Rufe schwirrten durcheinander. „Das ist wider Brauch und Recht! Sie müssen losen!“
„Wer will uns zwingen?“ fragte der alte Runot und streckte das Grießbeil vor sich und die Seinen hin. „Wir losen nicht! Wir haben all’ nur eine Stimm’, und die ist daheimgeblieben.“
„Das ist eine Ausred’,“ klang’s aus dem Haufen. „Sie wollen sich lösen aus dem Schwurbann und wollen ihrem Kuttenbruder zutragen, was wir geraitet haben in der Thingnacht!“
Die Ramsauer hoben die Fäuste gegen den Schmäher, aber der alte Gaumann hielt das Grießbeil fest. „Gebet Ruh’, Leut’! Was die Lügenzung’ geredet hat, das fallt auf unser’ Ehr’ und Treu’ wie ein Stäubl ins Wasser. Rach einer solchen Red’ aber, mein’ ich, haben wir Ramsauer auf der Thingstätt’ nichts weiter mehr zu schaffen! Kommet, Leut’, wir gehen heim!“ Ohne Gruß ging der Alte dem Walde zu, und die Ramsauer folgten ihm.
Mit zornigem Geschrei drängte der Haufe ihnen nach. Aber da stand der Fischer vor den Schreiern und hob die geballten Fäuste. „Die Ramsauer haben freien Weg … wer ihnen nach will, muß weg über mich! Wollt Ihr raufen im Thing wie Buben in der Hofreut … nur her auf mich! Ich mein’, ich steh’ noch wider Euch alle!“ Vor seinen eisernen Armen und seinen blitzenden Augen wandelte sich die Streitlust in den erhitzten Köpfen zu raschem Frieden.
Inzwischen war Eigel auf den Schönauer zugetreten und hatte das Bocksfell mit den Stäben auf die Erde geworfen, zwei weiße Lose hielt er in der Hand. „Da brauchst nimmer zählen, Richtmann!“ sagte er mit zornigem Lachen. „All’ sind schwarz … bis auf die zwei in meiner Hand! Das erst’ hat der Fischer geworfen und das ander’ ich!“ Da gewahrte er den Kaganhart. „Du! Wo ist denn das Deinig’?“
[247] „Such’ nur, es muß schon dabei sein!“ brummte der Bauer und drängte sich zwischen die anderen.
Der Schönauer blickte auf die dunklen Lose nieder und atmete auf, als wäre ein drückender Stein von seiner Brust gefallen. Er faßte die Hand des Mardereckers, der an seiner Seite stand, und flüsterte: „Nachbar, wenn Du zur Alben kommst, so sag’ meinem Liebli: ich wart’ auf ihn … er kann wieder heim!“ Dann hob er das Messer und sprach mit hallender Stimme: „Mannerleut’! Das Thing hat den Spruch gethan: für Wazemann und wider die Klosterleut’! Wir stehen unter Schwur, das ist ein Weiser für alle!“
„Nicht für alle! Einen nimm aus!“ Mit bleichem Gesicht trat Sigenot vor den Blutstein.
„Fischer!“ stammelte der Schönauer, während die anderen sich erschrocken und lärmend herbeidrängten.
„Was ich sag’, das braucht in keinem die Angst erwecken. Den Schweigschwnr halt’ ich und geh’ von der Thingstätt’ unter der Hahnfeder. Aber ich kann nicht stehen, wo ich Unrecht seh’ und krumme Furcht. Und weil ich gehen müßt’ mit Euch, solang’ ich zur Gemein’ gehör’,“ er riß ein brennendes Scheit aus dem Feuerstoß, löschte mit einem Schlag auf den Blutstein die rauchende Flamme und schleuderte das glimmende Holz hinaus über den Ring der Männer, „so reiß’ ich mich los von Euch und Eurer Gemein’ und will von Stund’ an nimmer teilen mit Euch weder Rat noch That, weder Gut noch Blut, weder Leid noch Freud’, und will als Einschichtiger den Weg gehen, den ich für den rechten halt’!“
Ehe der Schönauer, der bis an die Lippen erblaßt war, ein Wort erwidern konnte, hatte Sigenot sich abgewendet und war den Bäumen zugeschritten. Totenstille war hinter ihm, nur das versinkende Thingfeuer rauschte und knisterte. Doch als er den Wald betrat, erhob sich beim Blutstein ein wüster Lärm …
Mit raschen Schritten folgte Sigenot dem schmalen Waldpfad, auf welchen die sinkende Mondhelle nur mit spärlichen Lichtern niederblickte. Er war nicht weit gekommen, da hörte er klappernde Sprünge hinter sich. „Fischer! Fischer!“ Eigel war es, der Kohlmann.
„Was willst? Keiner wird wenden, was ich gethan hab’! Auch Du nicht!“
„Wenden?“ lachte der Alte. „Ich hab’ Dir’s nachgethan und bin Thingbot’ gewesen zum letztenmal. Die Narrensupp’, die man da droben gekocht hat, schmeckt mir nicht. Jetzt merk’ ich’s: der einzig’ Gescheite von uns allen ist der gewesen, der nicht gekommen ist, der alte Gobl. Aber Verstand muß Unehr’ heißen. Hätt’ ich mir nur den Apfel mitgenommen!“ Wieder lachte der Kohlmann. „Aber wie schon alles geworden ist … da steh’ ich lieber zu Dir als zu den andern. So nimm mich halt mit in die Einschicht und laß mich hausen in Deinem Hag!“
Sigenot zögerte mit der Antwort. „Ich könnt’ Dich brauchen, Kohlmann, aber ich muß Dir sagen: meine Hofreut hat einen heißen Boden.“
„Warum?“
„Mein Weg geht unter Eisen, ich steh’ in Fehd’ wider Wazemanns Haus!“
„Wider Wazemann? Ich könnt’ ein besseres Wort nicht hören! Da hast meine Hand … so lieber geb’ ich mich!“
„So komm!“
Sie tauschten einen Händedruck, dann stiegen sie thalwärts durch die Nacht. Als sie auf vorspringender Bergrippe eine kleine Blöße erreichten, blieben sie erschrocken und lauschend stehen.
Ein dumpfes Rollen wie Donner in der Tiefe ging unter ihren Füßen hin, und noch eh’ es verstummte, lief ein Stoßen und Zittern über den festen Grund. Die Bäume ächzten im Wald, für einen Augenblick erlosch im Thal das Rauschen der Ache, und überall auf dem Berghang kollerte das lose Gestein. „Fischer!“ schrie der Kohlmann und faßte den Arm des Gefährten. „Es rührt sich im Berg’! Ob die da droben beim Feuer wollen oder nicht … die gute Zeit steht ein!“ Die beiden Fäuste streckte er gegen den Untersberg, der fern in der Nacht sich schwarz emporhob aus dem Thal, die Zinnen umflimmert vom letzten Dust des erlöschenden Mondlichts. „Rühr’ Dich Herr Wute, rühr’ Dich! Die hundert Jahr’ sind um, und der Birnbaum harret!“
Es rollte in der Erde und wieder bebte der Grund „Mein guter Herre, Du mein Gott!“ stammelte Sigenot. „Meine Mutter! Mein Haus!“ Und mit jagenden Sprüngen stürmte er den steilen Berghang niederwärts, daß ihm der Kohlmann nicht mehr zu folgen vermochte. –
Droben auf der Thingstätte waren die Männer, die sich mit den Metkannen um das Feuer gelagert hatten, erschrocken aufgesprungen, als jählings im Beben der Erde der glühende Holzstoß zusammenfiel. Bleich und lallend standen sie und starrten einander an, und als zum zweitenmal der Grund erzitterte, faßten sie schreiend, was ein jeder zu greifen fand in seiner Nähe, der eine sein Grießbeil, der andere eine rollende Metkanne, der dritte ein halbverkohltes Scheit, der vierte die Kappe, die seinem Nachbar entfallen, der fünfte einen hüpfenden Stein … keiner sah, wonach seine Hände griffen … ein jeder wollte in sinnloser Angst nur bergen und retten, ein jeder faßte, was ihm vor die Füße kollerte, und so stürzten sie vom Feuer weg und rannten schreiend davon nach allen Seiten.
Oede und schweigend lag die Thingstätte. Da raschelte es im Stamm eines vor Alter morschen Baumes, als wäre rührsames Leben in seinem hohlen Holze; dann knackten die Zweige, und eine Gestalt glitt an der Rinde nieder; sie hnschte über die Thingstätte, rannte thalwärts und verschwand im Wald. Nach einer Weile klangen auf tieferem Hang die Hnfschläge eines Pferdes über kiesigen Grund.
Ueberall im Thal ertönte Geschrei der Menschen, wer geschlummert hatte unter Dach, war aufgesprungen und aus der Hütte gerannt. Die einen standen, geschüttelt von Angst, und starrten hinaus in die Nacht, die anderen liefen um die hölzernen Mauern, ob sie noch stünden und hielten in ihren Fugen. Von den Almen tönte, halb erstickt durch die Ferne, das Gebrüll der scheu gewordenen Kühe, und hoch in den Felsen dröhnten und knatterten die Steinlawinen, welche niedergingen über die steilen Wände. Im Gadem zündeten sie die Feuer an auf dem bedrohten Herd und warfen die dürren Heilbuschen in die Flammen … in der Ramsau sanken sie auf die Knie und beteten, oder sie rannten zum Kirchlein, dessen Glocke sich gerührt hatte, ohne daß eine Hand den Strang gezogen. Und manch einer, der die Hände in christlichem Gebet gesaltet hielt, schielte nach den Alraunen und Feuermännlein im rußigen Winkel der Herdstatt, und manch einem, der die Heilbuschen in die Flammen legen wollte, zögerte die Hand und seine Augen suchten mit zweifelndem Blick die Höhe …
In der Schönau war der alte Gobl unter dem Apfelbaum erwacht, im nassen, zerlegenen Gras, zwischen Schutt und faulenden Aepfeln. Halb richtete er sich auf und lächelte müde: „Schau', jetzt rührt sich richtig der Berg! … Gute Zeit? … Komm oder komm nicht … mir ist alles eins!“ Er legte sich wieder nieder und wollte die Augen schließen. Da bebte der zweite Erdstoß durch den Grund. Ein paar Aepfel klatschten durch die Zweige herab, am brüchigen Hause ächzten die Balken, das Dach begann sich zu bewegen, die morschen Mauern wichen auseinander, und langsam fiel die Hütte in sich zusammen. Das machte keinen großen Lärm; ein träges, kurzes Gepolter – und alles war wieder stille. Gobl hob nur ein wenig den Kopf. „Hätt’ ich drin geschlafen heut’ nacht … nicht einmal erschlagen hätt’s mich!“ Er seufzte und drehte sich auf die Seite. – –
Ueber dem Falkenstein zitterte trüber Lichtschein; er kam aus Reckas Kammer, in welcher die Leuchte neben dem Spiegel brannte; schlummerlos lag Recka auf ihrem Lager, ihre nackten Arme schimmerten, und in wirren Strähnen hing das gelöste Rothaar über das Bärenfell auf die Diele nieder. Als der Stoß durch das feste Haus gegangen war, hatte sie die Arme zur Decke gehoben und gestöhnt. „Fall’ doch! Fall’! Dann hab’ ich Ruh’!“ Und schluchzend war sie hingesunken über das Lager.
Ihren Vater und ihre Brüder hatte das Rollen in der Tiefe und der Erdstoß nicht geweckt; sie lagen im Metrausch und in dumpfem Schlaf. Aber die Knechte und Mägde waren schreiend aus dem Steingeschoß des Hauses und aus den Ställen geflüchtet. Lärm erfüllte den Burghof, und unter den Mauern schwankte der in seinen Tiefen erregte See mit rauschenden Wellen, welche klatschend durch das Röhricht an die Lände schlugen und über den Sand hinausspülten bis an den Fuß des Kreuzes. Matt schimmerten dessen frisch behauene Balken in der Nacht, während am Fischerhaise roter Feierschein aus der offenen Thür und aus allen Fenstern leuchtete.
Alle Rechte vorbehalten.
Wiener Bettlerwesen.
Das Leben einer Großstadt ist ebenso reich an Stürmen und Schiffbrüchen wie der wildbewegte Ocean. Das stolze Lebensschiff des Reichbegüterten ist seinen unberechenbaren Launen ebenso ausgesetzt wie die gebrechliche Barke des Armen, der sich täglich aufs neue dem trügerischen Elemente anvertraut, um den Bedarf des Tages zu erbeuten. Tausend scheinbar festgegründete Existenzen werden von seinem Wirbel erfaßt und in die Tiefe gezogen, tausend hoffnungsfreudige und kampfesmutige Seelen stranden an seinen tückischen Klippen, und während die Unglücklichen einen aussichtslosen Kampf mit den Wellen kämpfen, balgen sich die am Ufer Stehenden, statt ihnen hilfreiche Hand zu bieten, um das angeschwemmte Strandgut.
Zu oft wiederholt sich dies klägliche Schauspiel, als daß es einen mächtigeren Eindruck auf diejenigen ausübte, die vom Schicksal verschont geblieben sind. Der jähe Schicksalswechsel, das Ringen des Opfers mit dem ungewohnten Element, das Aufbrauchen der letzten Mittel, das Anklammern an letzte Hoffnungen und der unaufhaltsame Sturz in die Tiefe – wie oft erlebt man es in nächster Nähe, wie oft ist es geschildert worden!
Der Dämon Geld, der dem Begüterten in so williger, höfischer Weise gehorcht, zeigt nach dem Sturze plötzlich seine abschreckende, grauenerregende Gestalt. Die Tausender und Hunderter, welche ihren Herrn bisher so weltmännisch fein bedient, die alle seine Wünsche stumm und widerspruchslos erfüllt haben, sind plötzlich verschwunden. An ihrer Stelle haust jetzt ein widerwärtiger Tyrann, ein brutaler Geselle – der Kreuzer. So ohnmächtig sein Können ist, so stolz und unerbittlich ist er im Gewähren[.] Anfangs wird er noch verachtet, mit Füßen getreten; aber seine Herrschaft wächst mit jedem Tage. Bald ist er der einzige Herr und füllt die Gedanken und Sorgen seines Sklaven aus. Er fordert in seinem Dienste Schweiß, Mühe, Entsagung und Kummer und gewährt dafür ein dürftiges Dasein in Schmutz, Elend und Siechtum. Er ist der Welttyrann, der unumschränkte Herrscher über die ungezählten Millionen, die ihm in harter Fron dienen, ihm huldigen, ihn halten wollen; aber immer wieder entschwindet er ihren Händen, flieht aus den armseligen Hütten und geht als befruchtender Regen über den Palästen der Reichen nieder. Hier und da greift er einen heraus aus der Menge und überschüttet ihn mit seinen Gaben. Je willkürlicher, grausamer und launenhafter er seine Herrschaft übt, desto gefesteter wird sein Ansehen, desto emsiger buhlt man um seine Gunst.
Auf der untersten Stufe seines hierarchischen Gebäudes hat der Götze eine Pariakaste geschaffen, den Bettler.
In jeder Weltstadt hat das Bettlerwesen infolge der Charaktereigenschaften ihrer Bewohner, des Erwerbssinnes oder der Schlaffheit der unteren Volksschichten, des Wohlthätigkeitstriebes der Begüterten, der staatlichen Fürsorge und der öffentlichen Einrichtungen ein eigenartiges Gepräge. Der starrende Schmutz, das herzzerreißende Elend, das uns in London und in den großen Städten Italiens auf der Straße entgegentritt, ist allerdings in Wien ebenso wenig zu sehen wie in den großen Städten Deutschlands. Die öffentliche Mildthätigkeit ist groß; die Gemeinde giebt jährlich Millionen aus, um dem Elend zu steuern, den Siechen ein Obdach zu geben, die Waisen zu versorgen. Der Verein gegen Verarmung und Bettelei, zahlreiche Asyle, Siechenhäuser, Rekonvalescentenheime, Volksküchen, Schlafstätten für Obdachlose, Wärmestuben, Wohlthätigkeitsvereine zur Bekleidung armer Kinder und eine Unzahl privater Wohlthäter treten wirksam gegen Elend und Not in die Schranken. Es ist ein stattliches Samariterheer, das jahraus, jahrein den Kampf gegen den grimmigen Feind mit mehr oder weniger Erfolg führt. Und dennoch reichen die Schutzdämme nicht aus, um die überall hereinflutende Not mit vollem Erfolg zu bekämpfen. Gegen das Ueberhandnehmen des Straßenbettels tritt das Vagabundengesetz mit unnachsichtlicher Strenge auf. Hierdurch wird der Bevölkerung viel arbeitsscheues Gesindel, das gelegentlich auch nach unerlaubtem Erwerb ausspäht, vom Halse geschafft; anderseits erleben wir aber im Gerichtssaale oft wahrhaft erschütternde, das menschliche Elend und die Ohnmacht der Gesellschaft grell beleuchtende Scenen.
Trotz der ungeheuren Summen, welche die Armenpflege der Stadt Wien alljährlich verschlingt, und trotz der werkthätigen Hilfe der Bevölkerung wird der Wert dieser Hilfeleistungen so lange zweifelhaft sein, bis nicht eine streng gegliederte Organisation dafür sorgt, daß das Geld in die richtigen Hände gelangt; denn neben der wirklichen Dürftigkeit, dem hilfeheischenden, herzbewegenden Jammer wuchert eine weitverzweigte Bettlerindustrie mit großer Dreistigkeit und mit einem Erfolge, der nur in der Gutmütigkeit der Bevölkerung seine Erklärung findet.
Das hilfeflehende Weib, das, abgerissen und barfuß, vor der Kirchenthür steht, die blinde Frau, die an der Brust eine Tafel trägt mit der Erklärung „Blind von Geburt“, der krüppelhafte Arbeiter, dem die Fabrikmaschine ein Glied fortgerissen, das blasse Weib, das eben aus dem Spital entlassen wurde, der Taubstumme, der mit flehender Gebärde unartikulierte Töne ausstößt, das sind Typen, welche eine jede Großstadt aufweist und deren Würdigkeit wohl selten angezweifelt wird.
Mehr Vorsicht und eine schärfere Unterscheidung ist bei den sogenannten „Schnallendruckern“ („Schnalle“ ist ein in Oesterreich vielfach gebrauchter Ausdruck für „Thürklinke“) zu üben, die in den Häusern von Thüre zu Thüre wandern und unter den verschiedensten [249] Vorwänden das Mitleid der Hausbewohner anrufen. Abgesehen davon, daß sich hier vielfach der berufsmäßige Bettel breit macht, dient das „Schnallendrucken“ gar manchen nur als Vorwand, um die Gelegenheit zu einem Diebstahl auszuspionieren.
Es ist Freitag, der große Zahltag der vielen Hausarmen, denen von seiten der mildthätigen Hausfrauen das Almosen als eine Art Rente verabfolgt wird. Es läutet! „G’wiß wieder ein Bettler,“ sagt die Hausfrau verdrießlich, da sie eben bei einer wichtigen Hantierung in der Küche ist. Bald darauf läutet es stärker. Aergerlich eilt sie hinaus und öffnet. Ein alter Mann mit schneeweißem Haar und Bart steht vor ihr. Es ist ein Hausarmer, der schon seit zehn Jahren jeden Freitag sein Almosen von ihr empfängt. „Ein armer, alter Mann thät’ gar schön bitten“, lautet die Formel. Die Frau giebt ihm das Almosen. Ein krampfhafter Hustenanfall bei dem Greise veranlaßt die mitleidige Hausfrau, ihm eine Schale Suppe zu bringen. „Vergelt’s Gott, vergelt’s Gott tausendmal; i wir’ fleißi beten,“ sagt er und schlürft mit Behagen das warme Getränk. „Ihner Suppen is die beste in der ganzen Gegend, Euer Gnaden,“ fährt er dann gemütlich fort. „I hätt’ schon längst die Kundschaft auf’geb’n, denn Ihnere drei Stöck’ werd’n m’r schon sauer; aber i g’freu’ mi allemal schon auf die Supp’n. Delikat, wirklich delikat!“ Man sieht, er steht auf vertrautem Fuß mit seiner Wohlthäterin. Diese betrachtet den treuherzigen Alten, der den Bettel wie ein Geschäft behandelt, als ein Hausmöbel und plaudert mit ihm wie mit einem guten Bekannten. Er will die Gabe einstecken, besinnt sich aber und sagt ganz offenherzig: „I krieg’ no zwa Kreuzer vom vorigen Mal. Wissen S’, Sie hab’n ka klans Geld g’habt und hab’n g’sagt, ’s nächste Mal wir’ i Ihna schon zahl’n.“
Die Frau sucht in ihrer Tasche nach Kleingeld. Der Alte wehrt jedoch ab und sagt: „Muß ja net glei sein; es is nur weg’n der Ordnung, daß ma net vergißt. Sie laufen mir ja net davon. Hätt’ i nur a Million z’ fordern von Ihnen; mir wär’ net bang, daß i zu mein’ Geld kommet.“ Die Frau lacht über die Ungeniertheit des Alten und dieser fährt fort: „Wissen S’ was, i kumm von jetzt an nur alle Monat. Lassen m’r das Geld z’sammkommen. Mir is das viele Stieg’nsteig’n z’wider und Ihnen is das Thüraufmachen z’wider. Is uns allen beiden g’holfen. Mei Suppen geb’n S’ halt an’ Armen.“ Der Alte trollt sich in der Ueberzeugung, seiner Wohlthäterin einen Dienst geleistet zu haben.
Beim Hausthor treffen zwei Weiber zusammen. Die eine trägt ein krüppelhaftes Kind auf dem Arm, die andere hat ein eingebundenes Gesicht. Sie nicken einander verständnisinnig zu.
„Is was los?“ fragt die mit dem Kinde.
„Im ersten Stock krieg’n S’ zwa Kreuzer,“ antwortet die andere. „Die Vergolderin im zweiten Stock giebt Ihnen a alt’s G’wand für’s Kind; aber da müssen S’ das Umhängtuch wegthun, daß ’s Kind recht erfrorn ausschaut. Wo haben S’ denn den Fratzen her?“
„Von der Poschin; denken S’ Ihnen, vierzig Kreuzer verlangt die Person im Tag dafür.“
„Na ja, das is aber auch a selten’s Kind, den schön’ Buckel, den’s hat, und nur a Aug’. Was gut is, is teuer. Da können S’ schon was verdienen damit.“
„Schaut nur so schön aus. Der Racker will ja net weinen. Was ich schon alles probiert hab’, er weint halt net! Das Doppelte könnt’ i verdienen, wann der Fratz weinen wollt’.“
Die würdigen Damen empfehlen sich und jede geht ihren Geschäften nach.
Oft kann man unter den Hausthoren ganze Gruppen von Bettlern aller Art beisammen finden. welche ihre Erfahrungen über die Mildthätigkeit der verschiedenen Parteien im Hause austauschen.
Es läutet irgendwo im ersten Stock. Draußen steht ein junger Mensch, schüchtern und zaghaft. Er hat ein dünnes Röckchen an und zittert vor Kälte. Ganz leise bringt er nur einige abgerissene Worte hervor. Er sei Student. Fürs Essen wäre gesorgt; man hat ihm Marken für die Volksküche zugeteilt. Auch hat er eine Lektion gefunden. Er kann sich aber in seinem fadenscheinigen Röckchen nicht vorstellen. Wenn er eins bekommen könnte, das auch nur ein bißchen besser ausschaute, das könnte ihn retten. Der junge Mensch ist so bescheiden; es wird ihm so schwer, die Bitte über die Lippen zu bringen. Der gutherzigen jungen Frau treten die Thränen in die Augen. Nach kurzer Beratschlagung mit ihrem Manne kommt sie mit einem ganzen Anzug zurück. Der junge Mensch schluchzt ein paar unverständliche Worte des Dankes und entfernt sich freudestrahlend. In der nächsten Gasse steht ein Hausierer, der die Kleidungsstücke sorgfältig prüft. Der schüchterne Student scheint sich sehr gut auf den Handel zu verstehen. Er zankt sich tüchtig mit dem Hausierer herum, bis dieser nachgiebt und ihm drei Gulden fünfzig Kreuzer auf die Hand zählt. Kein schlechtes Geschäft!
Das alte Weibchen, das zögernd vor dem Fenster des Bäckers steht, wird schon längere Zeit von einem Sicherheitswachmann scharf beobachtet. Sie entschließt sich endlich, einzutreten; „Ein armes altes Weib thät schön bitten um a bisserl was.“ Sie erhält einen Kreuzer. Vor der Thür tritt ihr der Wachmann entgegen mit dem Befehl: „Sie haben gebettelt, folgen Sie mir!“ Der Alten versagen die Knie vor Scham und Verzweiflung. „Aber i bitt’, ich bin ja für g’wöhnlich ka Bettlerin. Ich arbeit’ ja und geh’ ins Waschen und Fensterputzen, wann i was kriag; aber mein Enkerl is krank, und ka Brot in Haus. Mein Gott und Herr, wann i net z’Haus’ komm’, was thut denn das Kind? Lassen [250] S’ mi fort, lieber Herr, i werd’s g’wiß nimmer thun; i verlier’ ja sonst meine Pfründen; oder sie geb’n mich ins Versorgungshaus! Was soll denn dann mit dem armen Kind g’schehn?“ Mittlerweile hat sich eine große Menschenmenge angesammelt. Man sucht den Wachmann zu überreden, das Weiblein freizulassen. „Ich darf nicht, meine Herren,“ sagt dieser achselzuckend. „Mir thut’s ja selber leid; aber ich hab’ strengen Auftrag. Paragraph 2 des Vagabundengesetzes. Kommen S’ nur mit, Frauerl! Es g’schieht Ihnen net viel. Sie können ja gleich wieder nach Haus geh’n.“ Die Alte fügt sich zitternd und jammernd ins Unvermeidliche und wird auf dem Polizeikommissariate nach der Protokollsaufnahme „vorläufig“ entlassen.
Wenn auch die Behörde ein wachsames Auge auf den Straßenbettel hat, so gelingt es besonders den Berufsbettlern noch häufig genug, der Polizei ein Schnippchen zu schlagen.
Ahnungslos wandelt da ein Mann auf einer der belebtesten Straßen dahin. Er bleibt vor einer Auslage stehen. Auf einmal hat er einen Begleiter an seiner Seite, der mit ihm geht und ihm eine rührende Geschichte erzählt. Bald ist ihm sein armes Weib gestorben, bald liegen seine Kinder krank danieder; er selbst ist meistens erst aus dem Spital entlassen, schwach und hinfällig und hat den ganzen Tag oder noch länger keinen Löffel Suppe genossen. Der andere kauft sich endlich von der Fortsetzung der immer schauerlicher werdenden Familientragödie durch ein paar Kreuzer los. Der Bettler lüftet den Hut und empfiehlt sich wie ein Bekannter.
In der Nähe der Aspernbrücke geht ein blasses Weib mit einem kleinen Kinde. Mitten in der Straße stürzt sie plötzlich mit einem schrillen Aufschrei zusammen. Dem Kutscher einer Equipage, welche eben daherfährt, gelingt es gerade noch, die Pferde zum Stehen zu bringen. Die Frau, die sich in epileptischen Krämpfen windet, ist nach rückwärts gestürzt, sonst wäre das Kind auf ihrem Arme von der Wucht des Sturzes zermalmt worden. Das arme Kleine fängt fürchterlich zu schreien an, wirft sich auf die Bewußtlose und ruft: „Mutterl, Mutterl!“ Es ist eine herzzerreißende Scene. Eine große Menschenmenge hat sich alsbald versammelt; aus der Equipage steigt eine Dame, welcher der Jammer dieser Hilflosen sehr zu Herzen geht. Sie zieht eine Banknote aus ihrer Geldbörse und giebt sie dem Kind. Die Umstehenden folgen dem wackeren Beispiel, und bald ist eine nicht unansehnliche Summe beisammen. Jetzt erwacht auch das Weib aus der Ohnmacht. Verstört und als ob sie sich erst besinnen müßte, wo sie sei, blickt sie um sich. Doch plötzlich scheint sie wieder ihren Verstand beisammen zu haben. Sie faßt ihr Kind und drängt sich, einen kurzen Dank stammelnd, fluchtartig durch die Menge. „Sie kommen mit!“ ruft ein Sicherheitswachmann sie barsch an. Das Weib blickt hilfesuchend zu ihren Wohlthätern hinüber. „Sie hat nicht gebettelt,“ versichert ein Herr das behördliche Organ, und als dieser das Weib an der Hand faßt und mit sich nehmen will, werden Stimmen des Unmuts laut und einige Anwesende erbieten sich freiwillig, Zeugnis dafür abzulegen, daß das Weib nicht gebettelt hat. „Stören Sie die Amtshandlung nicht!“ sagt die Wache. „Ich kenne meine Leute. Das ist eine abgefeimte Betrügerin. Was Sie gesehen haben, ist simuliert. Sie versucht ihr Glück in jedem Bezirke. Marsch fort!“ Das Kind schreit und die enttäuschte Menge bricht jetzt über die Betrügerin in Verwünschungen aus.
„Da soll der Mensch ein Mitleid haben!“ sagt ein Mann im Arbeiterkittel. „Mein letzt’s Sechserl hab’ ich hergegeb’n für die Gaunerin, weil mir das Elend ans Herz ’gangen is. I gieb aber kan’r mehr ’was, das weiß i.“
„Aber i bitt’ Ihnen, Herr Nachbar,“ sagt eine robuste Marktfrau, „es is immer noch g’scheiter, man laßt sich zehnmal betrüg’n, als man laßt einmal ein’ Hungrigen von der Thür geh’n.“
Die typischen Fälle alle aufzuzählen, mit denen die Bettlerindustrie, dieser gefräßige Parasit der wirklichen Armut, ihre Geschäfte macht, würde hier zu weit führen. Unter den verschiedensten Masken drängen sie sich heran, und was dem unterstützungswürdigen Elend, das sich nicht hervorzudrängen weiß, entzogen wird, das ergattern diese Gäuche durch List und freche Aufdringlichkeit.
Ein Gast tritt aus einem Kaffeehause. Der Marqueur empfiehlt sich und nennt, wie das üblich, den Namen des Herrn[.] Nach einigen Schritten auf der Straße tupft diesen jemand auf die Schulter. Er sieht sich um und blickt in ein völlig fremdes Antlitz. „Grüß’ Dich Gott, Meier,“ sagt der Fremde in vertraulichem Ton, „mir scheint, Du kennst mich nimmer. Wir sind ja miteinander in die Schul’ gegangen.“
Der Angeredete lächelt verlegen, thut, als ob er den Unbekannten kenne, und spricht, nur um etwas zu sagen, von der Schule, von den Lehrern und Mitschülern. Der vermeintliche Mitschüler wird vertraulicher und erzählt dem Kameraden seine Lebensgeschichte[,] die im Verlaufe immer trauriger und trostloser wird. Dem Angeredeten wird bei der Erzählung immer schwüler und unheimlicher zu Mute. Er fühlt sich umstrickt; er merkt, wo das hinaus will, und getraut sich doch nicht, seine Taktik zu ändern; denn er hat den Begleiter ja in der ersten Verlegenheit als Kameraden anerkannt. Jetzt platzt die Bombe. Der „arme Kamerad“ ist gegenwärtig ohne Stellung, seine Mutter – „Du kennst sie ja“ – ist bei Verwandten in Steiermark untergebracht. Eben hat er einen Brief erhalten. Seine Stimme umflort sich. Sie liegt im Sterben. „Mein armes Mütterchen,“ schluchzt er – „und ich soll sie nimmer sehen wegen lumpiger zwei Gulden, die mir noch auf das Reisegeld fehlen!“ Der „Kamerad“ giebt die zwei Gulden her, um die saubere Bekanntschaft los zu werden. Er ist überzeugt, daß er beschwindelt wird; aber er weiß keinen andern Ausweg.
Der Wirtshausbettler zeigt wieder eine andere Physiognomie. Es sind zumeist wirklich Bedürftige, welche in den kleineren Vorstadtgasthäusern von Tisch zu Tisch um milde Gaben gehen, Blinde in Begleitung eines Kindes, Krüppelhafte aller Art, hilflose Greise und alte Mütterchen. Die Kontrolle übt hier der Wirt. Manchmal nimmt der Bettel in diesen Lokalen das Mäntelchen eines Gewerbes um. Der blinde Bettler hat eine kleine Spielorgel umgehängt, die einige Takte klimpert, worauf der Gast den Kunstgenuß mit einem Kreuzer entlohnt. Ein anderes nicht zu billigendes Bettelgewerbe ist das Anbieten von „Planeten“ durch kleine Kinder. „I bitt’, kaufen S’ m’r ein’ Planeten ab! Steh’n drei Numero d’rauf, die g’wiß kommen.“ Mit diesen Worten bietet der kleine Knirps seine Ware an. Die „Planeten“ sind [251] kleine bedruckte Zettel, auf denen eine alberne, aber meist sehr erfreuliche Prophezeiung zu lesen ist, die mit der Versicherung schließt: „Mit den Nummern 23, 65, 80 werden Sie Ihr Glück begründen.“
In den Praterwirtshäusern, beim Heurigen und in den Vorstadtlokalen nimmt der Bettel die verschiedensten Gestalten an. Das Ausspielen von „Kipfeln“, das Anbieten von wertlosen Blumen, der Handel mit Zündhölzchen gehören zu diesem verschämten Bettel.
Die Speisung Armer wird nicht nur in vielen Familien gepflegt, es ist fast in jedem Gasthause Uebung, daß die Ueberreste des Tages an einzelne Hausarme verteilt werden. Größere Wirtschaften liefern diese Ueberbleibsel an die Kapuziner und Franziskaner ab. Und hier, vor der Klosterpforte der Franziskaner, kann man um die Mittagszeit die mannigfachsten Typen des menschlichen Elends beisammen sehen.
Die listigen Gaunerstückchen, mit denen wohlthätige Menschen zuweilen von arbeitsscheuen Geschöpfen in der oben geschilderten Weise geprellt werden, können mit einigem Humor verschmerzt werden, zumal der einmal Geprellte nicht leicht wieder in die Falle geht. Das allgemeine Mißtrauen aber schadet wieder häufig den wirklich Dürftigen. Viel ernster wird die Sache, wenn es sich um verkommene Existenzen handelt, welche die Maske des Bettlers nur so lange tragen, bis sich eine günstige Gelegenheit zu Gewaltakten findet. Und in dieser Beziehung hat die Wiener Chronik leider einige tragische Fälle aufzuweisen. Vor wenigen Jahren erst wurde ein angesehener Wiener Bürger in einem der belebtesten Stadtteile Wiens von einem Bettler in brüsker Weise angesprochen und, als ihm jener das Almosen verweigerte, von dem Strolch mit Messerstichen ermordet. In abgelegenen Straßen und auf großen, menschenleeren Plätzen ist es schon oftmals vorgekommen, daß ein Vorübergehender von einem zerlumpten und verwegen aussehenden Burschen in drohendem Tone aufgefordert wurde, einen größeren Betrag herzugeben. Wer läßt es in einem solchen Falle auf einen Messerstich ankommen! Man kauft sich los und ist froh, Gesundheit und Leben gerettet zu haben.
Ein ganz anderes Gesicht zeigt die Bettlerindustrie im großen. Das sind Leute, welche ihr Geschäft mit kaufmännischer Umsicht und Betriebsamkeit führen. Sie haben ihren Klientenkreis, der streng verbucht ist und dessen Eigenheiten und Wohlthätigkeitsneigungen aufs sorgfältigste geprüft werden. Mit den „Geschäftsfreunden“ stehen sie in lebhaftem Verkehr. Sie teilen ihnen die Adressen der Wohlthäter mit und empfangen dafür andere. Der Mann schreibt Bittgesuche an hohe und höchste Herrschaften, an Großkaufleute und bekannte Wohlthäter. Diese Gesuche sind oft Meisterstücke eines raffinierten Lügengewebes. Die Frau geht, anständig in Schwarz gekleidet, in die vornehmsten Häuser. Gelingt es ihr nur, vorgelassen zu werden, so ist sie ihres Erfolges sicher. Bei dem General ist sie eine Offizierswitwe und erzählt bis ins kleinste hinein die Schlacht, in der ihr „armer Mann“ fürs Vaterland gefallen ist. Bei der frommen Aristokratin ist sie ein Muster von Demut und Frömmigkeit, welches die von Gott auferlegte Prüfung mit Ergebung trägt. Baronin M. hat ihren einzigen Sohn verloren. Ihr erzählt das Weib eine herzergreifende Geschichte von ihrer einzigen Tochter, die durch ihre Künstlerhände Mutter und Geschwister erhält. Aber das schwache Kind droht den Anstrengungen zu erliegen. Sie ist blaß und hinfällig und hustet die ganze Nacht. Der Arzt schüttelt den Kopf. Nur ein Aufenthalt im Süden könnte sie retten. Das ist für so arme Leute ein Todesurteil. Das arme Kind muß sterben! Schluchzend sinkt sie auf die Knie und umklammert die Füße der Wohlthäterin. Die Mutter spricht zu dem Mutterherzen! Wer könnte in einem solchen Augenblicke hart sein? –
In einem Vorstadthaus wohnt ein armer Tagschreiber mit fünf Kindern im größten Elend. Aber er bettelt nicht. Seinen Zimmermieter scheint das Elend zu rühren; er wendet sich an [252] bekannte Wohlthäter, die aber die Gewohnheit haben, sich von der Dürftigkeit und Würdigkeit des Bittstellers zu überzeugen. So oft nun ein Wohlthäter kommt, ist nur der Zimmermieter mit den Kindern zu Hause. Der Augenschein spricht für das größte Elend und der Einmieter nimmt die milden Gaben in Empfang. Der, dem sie zugedacht sind, ist im Amt und der „Zimmerherr“ hütet sich wohl, dessen Stolz durch die Ausfolgung der Almosen zu verletzen.
Zwei barmherzige Schwestern im Nonnengewand gehen von Haus zu Haus, von Thür zu Thür und zeigen ein Büchlein vor, in welchem sie ermächtigt erscheinen, für das Kinderspital auf der Wieden milde Gaben einzusammeln. Da stehen ganz hübsche Summen mit den Namen wohlbekannter Personen verzeichnet. Niemand weigert sich, ein so wohlthätiges Werk zu unterstützen, und weniger als zehn Kreuzer wagt keiner zu geben. Die „frommen Schwestern“ ziehen aber nachmittags ihre Masken aus und fahren im Fiaker zum „Heurigen“ hinaus.
Die schmutzigen Bettlerherbergen, wie sie Eugen Sue und Viktor Hugo in ihren Romanen mit verwegener Phantasie und grellen Farben schildern, würde man in Wien vergebens suchen. Doch sind die Bettler keineswegs selten in den Spelunken entfernter Vororte beisammen zu finden, wo sie nach des Tages „Mühen“ in ihrer Weise recht vergnügt und üppig zu leben verstehen. Sie zahlen natürlich nur in kleiner Münze; aber an dieser haben sie selten Mangel. Die Krüppel und Lahmen sind dort die „Honoratioren“. Mancher hätte es nicht mehr nötig, vor der Kirchenthür zu stehen oder von Haus zu Haus zu wandern; aber er thut es, weil er die süße Gewohnheit des Bettelns nicht mehr lassen kann. Auch in diesen Kreisen äußert der Dämon des Geldes seine herrische Gewalt. Der „Glückliche“, den die Natur mit allem ausgestattet, was zum Betteln gehört, steht in hohem Ansehen bei den übrigen, die von der Mutter Natur stiefmütterlich, etwa nur mit einem kleinen Buckel, bedacht sind.
Erst kürzlich ging eine Notiz durch die Zeitungen über einen Bettler, der seit zwanzig Jahren unermüdlich vor der Kirchenthüre in Währing und in den Gasthäusern Almosen einsammelte. Er starb als reicher Mann mit einem Vermögen von 40 000 Gulden. Sein Testament enthielt die Bestimmung, ihn sechsspännig zu begraben. Merkwürdigerweise ist „eine schöne Leich’“ für so viele aus der niederen Volksschicht „ein Ziel, aufs innigste zu wünschen“.
Von einem anderen Bettler wird erzählt, daß er sein Einkommen dazu verwendet habe, seinen Kindern eine gute Erziehung angedeihen zu lassen. Sie sind nun verheiratet, angesehen und in guten Stellungen. Zu ihrer tiefen Beschämung gelingt es ihnen aber nicht, ihren Vater zu bestimmen, daß er das Betteln aufgebe. Er bettelt nach wie vor und begegnet manchmal in einem Gasthause einem seiner Kinder, an dem er jedoch still vorübergeht. Die Stammgäste stecken dann wohl die Köpfe zusammen und flüstern einander zu: „Das ist der alte Högel, der Vater von dem Ignaz Högel, der dort am Tische sitzt.“
Vor vielen Jahren konnte man in den Straßen von Wien ein Weib sehen, das ein blasses, schwächliches und äußerst verkrüppeltes Kind auf ihrem Rücken trug. Es war ein Knabe mit einem großen Höcker, die lahmen Beine hatte er von sich gestreckt und die Mutter bereitete ihm mit den rückwärts gekreuzten Händen einen Sitz. Die großen dunklen Kinderaugen blickten schwermütig in die Welt und wenige gingen an dem Jammerbilde vorüber, ohne der Mutter ein Almosen einzuhändigen. So sah man die beiden rastlos durch die Straßen und offenen Märkte wandern, Jahr um Jahr. Der Knabe wurde immer größer und ist nun schon ein Mann, dessen fahles Antlitz ein Bart umrahmt. Das Weib trägt aber ihre Last noch immer so leicht und behende wie damals, als sie noch das kleine Kind auf dem Rücken trug, und noch immer blickt der Krüppel über den Kopf der Mutter in die Welt. Das Weib ist trotz ihrer Jahre noch stämmig und frisch; ihre Muskeln haben sich wohl allmählich an die wachsende Last gewöhnt. Es ist ein bekanntes Straßenbild, das den meisten Wienern schon aufgefallen sein wird. Der Krüppel ist wie verwachsen mit seiner Trägerin und hat das Gefühl, als ob er sich seiner eigenen Füße bediente. Mitleidig sieht ihnen mancher nach und stellt sich die Frage: was wird aus dem Aermsten, wenn seine Mutter, von Alter und Krankheit gebeugt, die schwere Last nicht mehr tragen kann? Dann wird er plötzlich inne, was ihm bisher nicht bewußt gewesen, daß es nicht seine Beine waren, die ihn durch die Welt getragen haben.
In den letzten Jahren hat das Bettlerwesen in den Straßen und Häusern Wiens infolge der strengen Handhabung des Vagabundengesetzes bedeutend abgenommen. Der Bettelindustrie und dem Bettlerunwesen ist leider viel schwerer beizukommen, und hätte die Stadtverwaltung die ungeheuren Summen zur Verfügung, welche alljährlich von Gaunern und Industrierittern der gutherzigen Bevölkerung abgeschwindelt werden, so gäbe es vielleicht in Wien keinen Bettler mehr.
by Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig.
Die Perle.
(14. Fortsetzung.)
Herr von Montrose hatte die Gattin des Regierungspräsidenten aus St. zur Tischnachbarin; sie war eine starke Dame mit einem hochrot gefärbten Gesicht, schon ältlich, hörte schwer; mehr ließ sich beim besten Willen nicht von ihr sagen. Sie lächelte freundlich, wenn Herr von Montrose zu ihr sprach, allein ihre Antworten bewiesen, daß sie ihn häufig gar nicht oder nur sehr mangelhaft verstanden habe, und da sie an ihrer andern Seite die zuvor von Clémence erwähnte Excellenz Sonneberg hatte, einen weißköpfigen alten Herrn, der eine Stimme wie eine Trompete besaß und überdies die Präsidentin schon seit Jahren kannte, so zog die Dame es vor, sich lieber diesem bequemen Verkehr hinzugeben, anstatt dem Herrn des Hauses so viel Mühe und sich selbst Verlegenheit zu bereiten.
Herr von Montrose lächelte ein klein wenig und wandte sich Ilse zu. Sie sah, wie sein Blick auf dem Maiblumensträußchen haftete, das sie an der Brust trug, und eine helle Röte flog über ihr Gesicht. „Ich – ich habe Ihnen noch nicht danken können,“ begann sie unvermittelt, in dem gewappneten Ton, in dem sie fast immer zu ihm sprach. „Es war unhöflich von mir, aber ich konnte nicht, es waren zuviel andere dabei! Ich – Sie – Sie sind vielleicht befremdet, daß ich die Kette nicht trage – aber ich werde sie niemals tragen!“
„Und warum nicht?“ fragte Herr von Montrose ruhig.
„Sie ist viel zu kostbar für mich!“
„Ich finde nicht.“ Seine tiefen Augen fanden die ihrigen und hielten sie fest. „Ich hoffe,“ sagte er dann so leise, daß
[253][254] kaum sie, für die seine Worte bestimmt waren, diese verstehen konnte, „ich hoffe, es wird eine Zeit kommen, wo Sie dennoch diese Kette tragen werden!“
„Ich darf Dir doch Sekt eingießen lassen, Ilse?“ fragte Graf Röstems Stimme jetzt von der andern Seite, und das junge Mädchen wandte hastig den Kopf zu ihm. „Ich bitte, lieber Guido!“
Sie leerte den Inhalt ihres Glases beinahe auf einen Zug, was den jungen Mann zu der Bemerkung veranlaßte: „Ich finde es so vernünftig, die Diners und Soupers gleich mit Sekt zu eröffnen, es giebt entschieden Stimmung. Du scheinst auch meiner Ansicht, Du hast einen ganz achtungswerten Zug gethan. Liebst Du den Sekt so sehr oder bist Du so durstig?“
„Beides!“ entgegnete Ilse in halber Gedankenlosigkeit und erlaubte, daß er ihr Glas von neuem füllen ließ. Sie sah hinüber zu ihrem Vater, der unweit von ihr an der andern Seite der Tafel neben der Gräfin Röstem, einer schönen alten Dame, saß. Sie sprach eifrig auf Doßberg ein und sah ihm wohlwollend ins Gesicht – sie wie ihr Gatte schätzten den langjährigen Freund sehr, hatten ihm mehrmals nach besten Kräften geholfen und würden ihm gern die „Perle“ erhalten haben, wenn ihre eigenen Mittel es gestattet hätten.
„Dein Papa und meine Mama scheinen sich sehr gut miteinander zu unterhalten!“ sagte Graf Guido, der Ilses Blick gefolgt war. „Es war ein glücklicher Gedanke, die beiden zusammenzusetzen. Aber hör’ ’mal, Ilse,“ fuhr er, durch den Sekt angeregt, lebhaft fort, „das ist ja auffallend, wie Dich der junge Montrose anstarrt – da links von meiner Mama sitzt er! Der läßt ja kein Auge von Dir, und seine Dame giebt sich soviel Mühe um ihn! Er mag schön wütend sein, daß er Dich nicht zur Nachbarin bekommen hat. Du, nimm Dich doch vor dem gefälligst in acht, der steht in einem gefährlichen Ruf!“
„Ich weiß, Guido.“
„So! Auch schon! Das ist doch seit unseren Kinderjahren so geblieben, daß Du immer alles weißt. Und der Botho Jagemann, der guckt auch in einemfort nach Dir – sollte sich schämen! Hat ja ’ne Braut, wenn sie auch nicht sehr reizend ist.“
Nach diesem ganz ungewöhnlichen Aufwand von Beredsamkeit versank der junge Graf Röstem wiederum in Schweigen.
Was konnten Montroses Worte von vorhin bedeutet haben? fragte sich Ilse. Es werde die Zeit kommen, da sie jenen Schmuck dennoch tragen werde? Sie sann und sann, ohne eine Antwort zu finden. Ach, wäre das Fest erst vorüber, dürfte sie erst wieder in ihrem schlichten dunklen Hauskleid da sitzen, wohin sie gehörte – am Krankenbett ihrer Mutter! Sie wandte sich von neuem dem Grafen zu und suchte ihn in ein Gespräch zu verwickeln, das war aber nicht leicht. Guido setzte ihr die Vorzüge seiner beiden Pferde, die beim nächsten Rennen eine Rolle spielen sollten, mit Eifer und soviel fachmännischen Ausdrücken auseinander, als habe er einen gewiegten Sportsmann an seiner Seite, nicht aber eine elegante junge Dame. Gleichviel! Sie hörte ihm zu oder that wenigstens so und brauchte auf diese Weise nicht mit dem Nachbar zur Rechten zu sprechen, Es kamen aber die unvermeidlichen Trinksprüche, es kam das Anstoßen, und als Ilse sich umwandte, neigte Herr von Montrose den feingeschliffenen Glaskelch, den er in der Hand hielt, dem ihrigen entgegen und sagte leise: „Sie wissen es wohl, Baroneß, daß man beim Glase Wein an geheime Wünsche denkt, die uns in nüchterner Alltagsstimmung unerhört vermessen erscheinen. Wollen Sie mir auf solch einen kühnen Wunsch Bescheid thun?“
Nein, sie wollte nicht – aber sie mußte! Mußte es, weil so viele Blicke auf sie gerichtet waren, die sahen, wie der Herr des Hauses ihr sein Glas entgegenhielt, mußte es vor allem unter dem Bann dieser Augen.
Georges von Montrose, der gerade lebhaft auf seine Dame einsprach, wurde unruhig, blieb mitten in seinen Worten stecken und sprach sie schließlich ziemlich verwirrt zu Ende; es war ihm auch ganz gleichgültig, was aus seinem angefangenen Satz wurde. Der Teufel hole die ganze Tischunterhaltung, wenn man so etwas ruhig mit ansehen soll! Was hatte denn sein Vater für ein Gesicht, als er jetzt dem „süßen Geschöpf“ zutrank – und sie, und sie! Georges reckte sich auf seinem Platz und machte einen langen Hals, um besser beobachten zu können. Wahrhaftig, sie sah ganz sonderbar aus, wie magnetisiert! Was in aller Welt hatte er mit ihr angestellt, daß sie ihn so ansah! Georges blickte nach Clémence hinüber – hatte sie es auch bemerkt? Nein, sie konnte von ihrem Platz aus schwerlich die beiden sehen, außerdem war sie eben in ein eifriges Geflüster mit Botho vertieft – das heißt, sie flüsterte, und Botho hörte zu. Hm, hm! Der Husarenoffizier fing an, sich allerlei „verrückte“ Gedanken zu machen, die er schließlich auf den Wein schob. So ’was war ja einfach unmöglich!
Aber als dann die Tafel aufgehoben war, ereignete sich das Unerhörte, daß, da die Frau Regierungspräsidentin sich an den Arm ihres alten Freundes Sonneberg hing, der Herr des Hauses Baroneß Doßberg den Arm bot, unbekümmert darum, was aus dem jungen Röstem wurde. Es war, dank den vortrefflichen Weinen und den ausgezeichneten Tafelgenüssen, eine außerordentlich heitere zwanglose Stimmung bei dem größten Teil der Tischgesellschaft durchgebrochen, irgend jemand hatte der Musik zugerufen: „Polonaise!“, was lebhaften Beifall von allen Seiten fand, und so eröffnete denn der Gastgeber mit Ilse von Doßberg am Arm einen Rundgang durch die lichtdurchfluteten Räume, die zum heutigen Fest geöffnet worden waren. Wie im Traum schritt Ilse durch die Zimmer und Säle, die sie so zahllose Male als jubelndes Kind, als heiteres unbefangenes Mädchen betreten hatte – waren es noch dieselben Räume? War sie selbst dieselbe noch? Fremd, wie alles um sie her sie anblickte, sah es auch in ihrem Innern aus!
Die Polonaise war beendet; Ilse suchte ihren Vater, sie wollte gehen. Aber Baron Doßberg war nicht zu finden, und die jungen Mädchen umringten sie, die Offiziere erklärten lärmend, sie ließen Ilse nicht durch, und bildeten eine lebendige Mauer vor dem Flüchtling. Georges von Montrose stand dicht neben Ilse, er blickte sie unverwandt und so eigen forschend an, daß sie eine überlebhafte Unterhaltung mit einer ihrer Freundinnen begann, um diesem Blick auszuweichen. Da spielte die Musik einen einschmeichelnden Walzer, und plötzlich sah Ilse sich davongetragen in Georges’ Armen, fühlte, wie er sie leidenschaftlich an sich preßte, und hörte ihn etwas murmeln, was sie nicht verstand. Dem ersten Paar folgten viele andere, auch Clémence fegte mit ihrer majestätischen Schleppe über das spiegelnde Parkett. Als Georges endlich seine Tänzerin losließ, drängten seine Kameraden ungestüm heran, aber Ilse blieb unerbittlich. Sie wollte und sie mußte fort! Sie hatte ihren Vater entdeckt, der am Eingang des Tanzsaals stand und sie mit den Augen suchte; sie winkte ihn heran, und an seinem Arm ging sie quer durch den Saal, sich da und dort verabschiedend. Clémence sprach höflich ihr Bedauern aus, daß Ilse so früh schon das Fest verlasse; Herr von Montrose brachte von den kostbaren Cotillonsträußen den schönsten für Ilse herbei; die Offiziere bildeten ehrfurchtsvoll Spalier, und der Herr des Hauses ließ es sich nicht nehmen, das junge Mädchen bis zur Halle zu begleiten, dem herbeieilenden Diener Pelzmantel und Shawl abzunehmen und eigenhändig seinen Gast einzuhüllen. Baron Doßberg stand daneben und sah dies mit an, sah die Erregung in Montroses Gesicht, dachte an die Perlenkette und seine beschwichtigenden Worte: „Ist Montrose nicht alt genug, um Dein Vater sein zu können?“ Worte, die ihm plötzlich gar keinen Sinn mehr zu haben schienen.
Sie traten beide zum Schloßportal hinaus, froh, den kurzen Heimweg durch die sternklare Winternacht noch vor sich zu haben. Wie auf Verabredung blieben Vater und Tochter stehen, als sie den freien Platz vor dem Schloß erreicht hatten, und blickten zurück. Die Fackeln brannten ruhig in der stillen dunkeln Luft – wie ein riesiger Goldwürfel lag das alte stolze Schloß inmitten seiner totenhaft stillen Umgebung. Gleich bleichen Gespenstern reckten sich die hohen Bäume um all den buntschimmernden Glanz empor – gedämpft klang die Tanzmusik in das feierliche Schweigen der nordischen Winternacht, und am tiefschwarzen Himmel standen in ruhevollem Glanz die Sterne. Mit ihren heißen bangen Augen blickte Ilse empor zum Himmel … konnte dieser klare Glanz keinen Trost in ihre wild erregte, von verworrenen Empfindungen erfüllte Seele bringen? Hoch atmete sie auf, aber der lastende Druck blieb.
Im Verwalterhause waren ein paar Fenster hell – das konnte nicht befremden, Ilse hatte angeordnet, daß eine Lampe zu ihrem Empfang im Vorzimmer brennen sollte, und die kranke Baronin hatte oft die ganze Nacht hindurch in ihrem Zimmer Licht. Als Baron Doßberg, der, tief in seinen eigenen Gedanken [255] befangen, unterwegs kein Wort mit Ilse getauscht hatte, die Hausthür aufschloß, huschte ein dunkler Schatten an einem der erleuchteten Fenster entlang, und gleich darauf fühlte Ilse sich eng von zwei zitternden Armen umschlungen.
„Armin, Du? Wie Du mich erschreckt hast! Warum bist Du noch auf? Es – es – ist doch nichts vorgefallen?“
„Ach, vorgefallen – das gerade nicht, aber – aber – ich bin so froh, daß Du wieder da bist und Papa auch! Ich weiß gar nicht recht, was das ist, mir erscheint Mama so sonderbar –“
Mit einer hastigen Bewegung riß Ilse Pelzmantel und Tücher herunter und eilte Armin voraus ins Krankenzimmer, ohne zu bedenken, was die Mutter zu dem Aufputz, in welchem sie sich befand, sagen würde. Die Baronin blickte ihr aus fieberglänzenden Augen entgegen und schien sich über die Erscheinung des jungen Mädchens keineswegs zu wundern. Sie richtete sich lebhaft auf, was sie lange Zeit nicht mehr ohne Hilfe hatte thun können, und streckte ihrem Gatten, der dicht hinter Ilse eingetreten war, die Hand entgegen.
„Nur gut, daß Du kommst, Hans Gottfried! Ich hab’ mich sehr über Dich gewundert, Du bist doch sonst die Pünktlichkeit selbst, hast mich niemals warten lassen, und nun gar bei solch wichtiger Gelegenheit! Aber jetzt bist Du ja da, und auch schon im festlichen Anzug, da will ich nicht weiter schelten. Nur ich, ich bin noch nicht – oder doch?“ Ihr Blick fiel auf Ilse, sie nickte mit einem träumerischen Lächeln vor sich hin. „Ja, ja, ich bin immer gern in Weiß gegangen. Wann trug ich doch zuletzt dieses Kleid? Wann hab’ ich das Kleid doch zuletzt getragen?“ Ihre schmale heiße Hand betastete unsicher die goldenen Verschnürungen, die Ilses Gewand am Mieder und an den Aermeln zeigte. „Ich weiß es gar nicht wehr ... weißt Du es nicht, Hans Gottfried?“
„Liebe, liebe Elisabeth! Mein Herz!“ Die Stimme wollte ihm nicht recht gehorchen, er bedeckte ihre Hand mit stürmischen Küssen.
Ilse faßte die leichte Gestalt der Kranken in ihre Arme und legte sie sanft in die Kissen zurück, dann wandte sie sich an Lina. „Haben Sie der Frau Baronin nicht die beruhigenden Tropfen gegeben, die der Doktor das letzte Mal verschrieb?“
„Doch, auch schon zwei von den Pulvern. Die Frau Baronin begannen bald, nachdem die Herrschaften fort waren, unruhig zu werden; sie haben keine Minute geschlafen, und die Mittel haben gar keine Wirkung gehabt!“
„Hat sie viel nach Papa und nach mir gefragt?“
„Ein paarmal ja, aber schon in der nächsten Minute war das vergessen, und die Frau Baronin sprachen von anderen Dingen. Immer so, als wenn Frau Baronin sich trauen lassen müßten.“
Die Kranke fing das Wort auf. „Trauen! Natürlich! Lina ist wieder die einzige von allen, die daran denkt. Und es ist die höchste Zeit. Ich muß mir ja noch die Haare auflösen!“ Aber anstatt das eigene Haar anzurühren, begaun sie, mühsam die schwachen Hände hebend, Ilses Blumen abzunehmen und ihr die Schildpattnadeln aus dem Haar zu ziehen. In bebender Angst half diese nach, und bald sank der weiche goldene Schleier bis fast zu den Knien herab.
„Bin ich nun nicht schön, Hans Gottfried?“ Die Baronin sah mit leuchtenden Augen auf Ilse, es war, als blickte sie in einen lebendigen Spiegel.
„Sehr schön, meine Elisabeth, das Schönste auf der ganzen Welt!“
Die Baronin lächelte befriedigt. „Ja, das haben sie immer alle zu mir gesagt, meine Eltern, meine Freunde, alle! Wer ist das?“ fragte sie plötzlich neugierig und zeigte auf Armin, der neben Ilse stand.
„Armin, Dein Sohn – kennst Du ihn nicht?“
„Armin, mein Sohn?“ sie sprach es ungläubig nach. „Wie kann das doch kommen – ich hab’ ihn ja noch nie gesehen!“
„Mama!“ rief Armin und sank schluchzend neben dem Bett in die Knie.
„Ach, nun weint er! Warum denn? Hab’ ich ihm wehgethan? Ich wollte es nicht. Bitte, nein, weine nicht – Hans Gottfried hat nie erlaubt, daß ich eine Thräne weine!“
Ilse gab Lina einen Wink. „Noch einmal die Tropfen!“
Die Kranke wandte den Kopf. „Ich will nichts mehr einnehmen, nichts mehr, nichts mehr! Ich weiß recht gut, Ihr wollt mich betäuben, damit ich nicht mehr in die Kirche kann, aber ich thu’ es nicht, nein, nein!“ Sie wehrte mit der Hand den Löffel ab, den Ilse ihr reichte, und biß fest die Zähne aufeinander. „Nichts einnehmen! Nicht betäuben! Hans Gottfried, laß Du es nicht zu!“
„Gewiß nicht, mein Herz, sei ruhig, es soll Dir nichts geschehen!“
„Ja, so ist es gut! Keine Tropfen – keine Thränen! Den Kranz – aber es ist ein Kranz von Orangenblüten, kein Myrtenkranz – und wo ist der Schleier?“ Die Augen der sterbenden Frau weiteten sich, sahen mit einem Blick an den Anwesenden vorüber, weiter, immer weiter, wie in endlose Ferne.
Es trat eine bange Stille ein. Baron Doßberg schaute mit thränenden Augen auf seine Gattin. Gewiß, er hatte sie sanft durchs Leben getragen, sie hatte die Wahrheit gesprochen: nie hatte er erlaubt, daß sie eine Thräne weine.
„Warum kann ich denn nicht knien?“ fing die matte hohle Stimme von neuem an. „Wenn man den Segen empfangen will, muß man doch niederknien ... und ich stehe doch immer!“ Offenbar sah sie sich selbst in Ilse, die neben dem Kopfende des Bettes stand. Jetzt sank diese neben Armin in die Knie.
„Ja, so ist es recht ... aber noch immer keine Myrten, – Orangenblüten sind da! Nicht so laut die Orgel, nicht so laut – ich will doch die Stimme hören! Was sagt sie? Die Liebe Gottes – die Liebe –“ Das hastige Sprechen verlor sich in ein undeutliches Gemurmel, ein kurzes zuckendes Atmen ließ sich hören, setzte aus, begann von neuem – und plötzlich waren die Augen gebrochen. Eine fremde Starrheit kam in die trotz der Krankheit immer noch so lieblichen Züge, ein seufzender Hauch ging über die Lippen – das Leben war erloschen.
Ohne von der im Verwalterhause eingetretenen Katastrophe eine Ahnung zu haben, schlummerten die Montroses bis in den hellen Tag hinein. Sie hatten viel nachzuholen – die letzten Gäste waren erst gegen vier Uhr morgens aufgebrochen, ein gutes Zeichen für die allgemeine Stimmung. Der Kotillon hatte sich, dank dem erfinderischen Geist der anordnenden Herren, die immer nene Touren ausführen ließen, unendlich lange hingezogen, ihm war eine muntere Damenpolka gefolgt, zuletzt, als alles „Weibliche“ sich entfernt hatte, hatten die Offiziere noch in Georges’ und Bothos Zimmern ein Spielchen gemacht: es war nicht viel dabei herausgekommen, man war eigentlich schon zu müde gewesen, nur Jagemann hatte wie gewöhnlich Pech gehabt, Mock ein unverdientes Glück.
Kurt von Oesterlitz, der Neuling, hatte sich in die Verhältnisse von St. und Umgegend schon hübsch eingelebt, er war rasch beliebt geworden bei den Kameraden, stand mit Zeno auf Du und Du, hatte sich in „Perle“ ausgezeichnet unterhalten und erklärte nur immer wieder, es sei eine Schande fürs ganze Regiment, daß man diese Isolde von Doßberg nicht für die Dauer des ganzen Festes habe halten können, denn die sei doch die Krone des Ganzen gewesen. Er und Zeno citierten begeistert ganze Stellen aus Wagners „Tristan und Isolde“, während sie in eifrigem Spiel Coeurdame mit einem Goldstück belegten.
Der Tag nach einem großen Fest pflegt nie besonders gemütlich zu verlaufen. Zwar die Dienerschaft auf „Perle“ war gut geschult und hatte das Einräumen und Ordnen bereits beendet, als die Bewohner des Schlosses zum Vorschein kamen, allein die blassen Gesichter und übernächtigen Mienen verhießen keine besonders genußreichen Stunden. Clémence hatte grauen Teint und trübe Augen, sah folglich sehr unvorteilhaft aus, der schöne Botho empfand einige Gewissensbisse wegen seines leichtsinnigen Spiels, Aerger über seinen Verlust und über seine namentlich in letzter Zeit rasend angewachsene Schuldenlast; er blinzelte verdrossen in den hellen Wintertag hinein, „gleich einer lichtscheuen Eule“, wie Georges sich ausdrückte. Dieser selbst hatte nur einen bittern Galgenhumor zur Verfügung, ihm war gestern einiges nicht so ganz geheuer erschienen und es war seine Absicht, das gelegentlich zur Sprache zu bringen, ein außerordentlich ungemütlicher Gedanke, da ihm jede sogenannte Familienscene ein Greuel war.
[256] Die drei saßen einsilbig bei einander und thaten dem vortrefflichen Gabelfrühstück, das vor ihnen stand wenig Ehre an. Clémence ließ die Damen des gestrigen Festes Revue passieren und übte eine wenig wohlwollende Kritik an deren Toilette und Erscheinung, Georges lehnte mit halbgeschlossenen Augen in einem tiefen Sessel, klopfte taktmäßig mit einem silbernen Messerchen auf die Stuhllehne und pfiff leise dazu, und Botho schnitzelte gedankenlos an einem Kork herum, mit seinen Gedanken offenbar weitab von den Auseinandersetzungen seiner Braut. Die schweren graublauen Sammetvorhänge an den Fenstern waren halb zugezogen, die helle Wintersonne und der leuchtend weiße Schnee blendeten den Blick.
„Aber jetzt endlich ’mal genug von Kleidern und solchem Firlefanz!“ unterbrach zuletzt Georges sein Pfeifen und warf das silberne Messer auf den Tisch. „Ist Dir gestern sonst nichts aufgefallen, Clémence? Und Dir, Botho?“
Clémence rückte unbehaglich ihren Sessel weiter zurück, ein aufdringlicher Sonnenstrahl hatte sie getroffen. „Ach, meinst Du Papa?“ fragte sie verdrossen.
„Natürlich mein’ ich ihn! Ist’s nicht toll, wie er sich gestern benommen hat?“
„Ich sagte Dir’s immer: er steckt voll übertriebener Rücksichten und mittelalterlicher Galanterien diesen Doßbergs gegenüber, er geht in seinem sogenannten Takt- und Zartgefühl so weit –“
„Aber das war gestern ja tausendmal mehr als Rücksicht und Zartgefühl und derartiges Zeug!“ fuhr Georges aufgeregt dazwischen. „Offenbare Courmacherei war’s, ich hab’s mit diesen meinen Augen gesehen, und ich kenn’ mich aus in dergleichen! Ich sag’ Euch, die Geschichte wird noch ein ganz ernsthaftes Gesicht bekommen, denkt an mein Wort! Papa sah diese Ilse mit ganz unverhüllten Liebhaberblicken an – sie ist freilich ein Juwel, diese süße Ilse, war entschieden die Krone der ganzen gestern hier versammelten Weiblichkeit … thu’ mir die Liebe an und widersprich mir hierin nicht, Clémence, Du blamierst Dich einfach, wenn Du mir nicht recht giebst! Aber, aber – sie am Ende zur Stiefmutter zu bekommen –“
„Georges!“ Die Verlobten stießen gleichzeitig denselben entrüsteten Ruf aus.
„Ja, schreit nur! Das ändert an der ganzen Geschichte kein Jota. Mir ist nie im Leben der Einfall gekommen, unser verehrlicher Herr Papa könnte jemals eine zweite Ehe schließen, der Gedanke erschien mir ebenso ungeheuerlich wie der, ich selbst könnte mich verheiraten – aber jetzt liegen ganz schwerwiegende Anzeichen vor, und wir müssen uns auf alles gefaßt machen. Was ziehst Du für’n Gesicht, Clémence, an was denkst Du?“
„An die Blumen, die ich neulich bei ihr sah, als ich sie einladen mußte – unser halbes Treibhaus hat er ihr hinübergeschickt.“
„Siehst Du!“
„Aber nein, Georges, nein – es ist nicht möglich, Du mußt Dich irren! Wenn ich denke, diese elende Person sollte berechnend genug sein –“
„Halt, meine Teure, erlaub’ ’mal, daß ich die ‚elende Person‘ ein wenig in meinen Schutz nehme, und mäßige Deine Zunge! Ich glaube nicht, daß sie ihre Netze nach einem so bejahrten Freier auswirft, sie ist überhaupt leider nicht die Spur kokett. Ich hab’ schon denken müssen, ob diese süße Ilse nicht am Ende irgendwo in aller Stille ein festes Verhältnis angebandelt hat, sie hat oft so eine eigene sichere Art, nette Leute, die sich ihr in der angenehmsten Absicht nähern, ohne weiteres abfallen zu lassen. Nein, wie sie gestern unsern unternehmungslustigen Herrn Vater anstarrte, das hatte so ’was vom Vogel mit der Klapperschlange … entschuldiget das abgedroschene Gleichnis, mir will kein anderes bekommen, der Schädel brummt mir wie verrückt. Wenn nun aber freilich die Klapperschlange Ernst macht, dann glaub’ ich allerdings, daß der schöne scheue Vogel klug genug sein wird, sich in den goldenen Käfig sperren zu lassen, und das –“
„Das darf nicht sein!“
„Georges, das kann nicht geschehen!“
„Das möchte ich allerdings mit allen Mitteln, die mir zu Gebot stehen, verhindern, nur daß leider mir die Mittel fehlen und er sie hat!“
Clémence war erregt aufgesprungen. „Wie Du in solcher Lage noch den Mut zu schlechten Witzen haben kannst! Wenn Du nicht im Irrtum bist, was ich immer noch hoffe –“
„Bin ich nicht, liebes Kind, bin ich nicht! Verlaß Du Dich fest darauf!“
„Dann müssen wir drei uns zusammenthun, müssen Front machen gegen diesen abenteuerlichen Gedanken! Das können wir nicht dulden!“
„Sehr schön, liebe Clémence, sehr heroisch gesprochen! Erlaube mir nur, zu fragen: mit welchem Recht dürfen wir es nicht dulden?“
Sie trat zornig mit dem Fuß auf. „Also bist Du gesonnen, es zu leiden?“ In Georges von Montroses spöttische Augen trat ein Ausdruck kalter Entschlossenheit. „Nein!“ sagte er hart. „Ich bin nicht gewillt, irgend etwas zu ‚leiden‘, ich hasse das Wort, es hat nichts mit einem Menschen wie ich zu thun. Ich werde, da kannst Du ruhig sein, alles aufbieten, damit diese Verrücktheit nicht zustande komme. Ich werde, wenn mir der Zeitpunkt dafür geeignet erscheint, mit unserem Herrn Papa reden, werde mir erlauben, ihm das Lächerliche dieses Schrittes, seine Pflichten gegen uns wie gegen sich selbst vor Augen zu führen und wenn … was wollen Sie, Merwig?“
Merwig, Herrn von Montroses langjähriger Kammerdiener, ein ältlicher schweigsamer Mann von zuverlässiger Treue und musterhaften Manieren, war nach bescheidenem Anklopfen eingetreten und blieb nun knapp neben der geöffneten Thür stehen.
„Erlaube mir, den Herrschaften ergebenst im Auftrag des gnädigen Herrn zu melden, daß Frau Baronin von Doßberg gestern abend verschieden ist. Der gnädige Herr beabsichtigt, sich in einer halben Stunde zur Beileidsbezeigung hinüberzubegeben, und ersucht das gnädige Fräulein, die Toilette zu wechseln und ihn auf seinem Gange zu begleiten.“
Die drei sahen einander verständnisvoll an.
„Es ist gut, Merwig, sagen Sie meinem Vater, ich werde mich bereit halten!“ erwiderte Clémence.
Georges wartete, bis der Kammerdiener das Zimmer verlassen
hatte. „Jetzt dürfte der Zeitpunkt nicht geeignet sein,“
sagte er mit seinem kalten Lächeln, „wir müssen die angenehme
Auseinandersetzung etwas hinausschieben!“ (Fortsetzung folgt.)
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Die Führerinnen der Frauenbewegung in Deutschland.
Von Zeit zu Zeit erlebt es die Gesellschaft immer wieder, daß ein neuer Gedanke plötzlich an vielen Orten zugleich auftaucht und die Geister bewegt. Man pflegt dann zu sagen: „Er liegt in der Luft!“ und denkt nicht daran, daß ein sehr realer Untergrund von Thatsachen, Zu- und Uebelständen die Wurzel dieses Gedankens ernährte. Lange ehe er in das allgemeine Bewußtsein fällt, haben sich aber einzelne klarsehende Köpfe mit jenen Zuständen beschäftigt und die „Frage“ formuliert, zur Entrüstung oder zum Gelächter ihrer Zeitgenossen, bis dann nach ein paar Jahrzehnten das Kommende zum Gegenwärtigen geworden und als solches auch dem kurzsichtigen Auge erkennbar ist.
Genau so ging es auch mit der „Frauenfrage“. Die ersten Vertreterinnen der „Emancipation“ mußten sich als überspannte Schwärmerinnen verlachen lassen, und heute hat sich aus dem gewaltigen Umschwung der Zeiten, aus veränderten Erwerbsverhältnissen, aus gesteigerten Anforderungen an Bildung und Charakter eine sehr ernste Frauenbewegung mit sehr bemerkenswerten Erfolgen entwickelt, welche mit den alten Schlagworten durchaus nicht mehr abzuthun ist. Die Not- und Brotfrage klopft vernehmlich an die vielen Thüren des Mittelstandes, wo einige unversorgte Töchter ohne Kenntnisse und Erwerbsfähigkeit einer ungewissen Zukunft entgegenharren; die Bildungsfrage sowohl im Sinne einer vertieften und veredelten Geisteskultur für die künftigen Mütter des nachwachsenden Geschlechts, als im Sinne [257] der Freiheit des wissenschaftlichen Studiums für künftige Frauenärztinnen und Lehrerinnen erwächst mit Notwendigkeit aus den Anforderungen des sozialen Lebens. Zum größten Teil aber entstammt die Bewegung dem gestiegenen sittlichen und geistigen Wert weiter Frauenkreise, die ihren Anteil an der Kulturarbeit der Zeit verlangen, zum Wohl der Gesamtheit und zur Erlösung für die Einzelnen aus der Kleinheit des Genußlebens, das so arm ist an edlen Genüssen und so reich an Enttäuschung und Langerweile!
Luise Otto-Peters. | Mathilde Weber. | Henriette Goldschmidt. | Lina Morgenstern. | ||||||||
Marie Loeper-Housselle. | Auguste Schmidt. | Helene Lange. | |||||||||
Luise Büchner. | Bertha von Marenholtz-Bülow. | Marie Calm. | |||||||||
Wenn also auch Zeitbedürfnisse aller Art fördernd auf die Frauenfrage einwirkten, so würde sie, bei der lange währenden Mißachtung durch Staats- und Gemeindelenker, noch an ihren ersten Anfängen stehen, hätten die begeisterten Frauen, welche dereinst den Mut hatten, sie aufzuwerfen, nicht auch die Thatkraft besessen, gleich mit der Lösung Ernst zu machen. In aufopfernder, unermüdlicher Arbeit, im Kampfe mit männlichem Vorurteil und weiblicher Gleichgültigkeit haben erst einzelne durch Rede und Schrift gewirkt, Frauenvereine und Kindergärten gegründet, bis im Jahre 1865 der von Luise Otto-Peters und Auguste Schmidt in Leipzig begründete Frauenbildungsverein sich zum „Allgemeinen deutschen Frauenverein“ umwandelte. Von dort an hatten die Einzelbestrebungen Fühlung untereinander und eine bestimmte Richtung gewonnen, welcher der Verein in den Jahren seines Bestehens unentwegt treu geblieben ist. Der leitende Grundgedanke, dem weiblichen Geschlechte zu helfen durch eigene weibliche Kraft, ist überall erkennbar in den Zwecken: Hebung des Interesses für geistige Bildung, Eröffnung von Anstalten aller Art zu Erziehung und Unterricht, Frauenerwerb, Schutz und Hilfe für Dienstboten und Arbeiterinnen. Ein eigenes Vereinsorgan, die „Neuen Bahnen“, von L. Otto-Peters und A. Schmidt vortrefflich geleitet, vertritt seit 1865 rastlos die Fraunensache und hat ihr zahlreiche Anhänger geworben. Die Hauptwirkung aber übten von jeher und üben noch die alle zwei Jahre wiederkehrenden Wanderversammlungen, welchen mehr als einmal der Erfolg beschieden war, eine bisher ganz teilnahmlose Stadt sozusagen im Sturm zu nehmen und eine bedeutende Wandlung in den Anschauungen der pflichtgemäß, aber nicht gerade freudig erschienenen Bürgermeister, Schulräte und Kultusbeamten hervorzubringen.
Freilich ist das kein Wunder angesichts der ganz hervorragenden Rednergabe der Führerinnen, die samt und sonders durch ihre Person den Beweis liefern, daß klare Logik und bewußte Ueberzeugungstreue nicht unvereinbar sind mit den [258] Forderungen edler Weiblichkeit, sondern ganz im Gegenteil derselben erst zu ihrem rechten und vollen Wert verhelfen. Als eindrucksvollste Persönlichkeit der Versammlungen hält neuerdings in Vertretung der hochbetagten ersten Präsidentin, Frau Otto-Peters, die zweite Vorsitzende, Fräulein Auguste Schmidt, die Eröffnungsrede. Zweimal schon (1871 Nr. 49, 1883 Nr. 44) hat die „Gartenlaube“ die Verdienste dieser seltenen Frau und die geistvolle, warm zu Herzen dringende Beredsamkeit geschildert, womit sie schon oft eine Zuhörerschaft, die zum großen Teil aus Männern bestand, hingerissen hat. Etwas von den militärischen Eigenschaften des Vaters, eines Breslauer Offiziers, muß auf die 1833 geborene Tochter übergegangen sein, denn mit einer in damaliger Zeit für Mädchen ihres Standes sehr ungewöhnlichen Entschlossenheit erwählte sie, von dem Bedürfnis nach ernster Thätigkeit getrieben, den Lehrberuf, den sie erst als Erzieherin, dann als Lehrerin in Breslau und schließlich als Leiterin eines eigenen Instituts in Leipzig ausgeübt hat. Daß eine an Kopf, Herz und Charakter gleichmäßig starke Frauennatur gerade auf diesem Feld das Höchste zu leisten vermag, das beweist die begeisterte Verehrung von Generationen ihrer Schülerinnen. Dabei behielt sie, trotz anstrengendsten Berufsdienstes, Frische und Freudigkeit für die Aufgaben des Frauenvereins, welche sie noch kürzlich (Oktober 1893) in Nürnberg in einer prächtigen Rede entwickelte. Die Schlußworte lauteten: „Nicht im Genießen, in ernster Arbeit werden die Tugenden des Weibes, der Mutter geboren. Nicht im Dilettantismus, in der strengen Schulung reift die Einsicht. Auch die Töchter der bevorzugtesten Klassen sollen sich in Reih und Glied mit der arbeitenden Menschheit stellen, an Arbeit in den Kindergärten, Mädchenhorten etc. wird es nicht fehlen, und würdiger als im Ballsaal lernen sie hier das Leben kennen … Wir brauchen studierte Lehrerinnen für die Oberklassen der höheren Mädchenschulen, wir brauchen tüchtige Aerztinnen …“ Sie führte dann eine Reihe von Humanitätsaufgaben auch für die Frauen und Familienmütter an und schloß: „In diesem Sinne will der Allgemeine deutsche Frauenverein reformieren. Nicht entfremden will er die Frau dem Hause, er will sie dem Mann als erprobte Gefährtin zur Seite stellen. ‚Frauenarbeit und Frauenbildung‘ hat er auf sein Panier geschrieben. In den Dienst humaner Bestrebungen will er das eigene Geschlecht stellen“.
Die aus diesen Worten klingende Idealität kennzeichnet von jeher den Geist des Allgemeinen deutschen Frauenvereins. Dieser Geist lebte schon früher in Luise Otto (geboren 1819 in Meißen), die als Urheberin der Frauenbewegung in Deutschland anzusehen ist. Ihre feurige Seele begeisterte sich zuerst an der Freiheitsbewegung des Jahres 1848, sie gründete eine Frauenzeitung, um ihr Geschlecht aus der geistigen Dumpfheit zu erwecken. Das Blatt wurde freilich von der Reaktion wieder unterdrückt. Aber der mutige, für moralische und rechtliche Freiheit der Frauen kämpfende Geist der „Bürgerin Otto“, wie ihre Freunde sie nannten, war nicht zu unterdrücken. Von schweren persönlichen Schicksalsschlägen [1] richtete sie sich an der Wirksamkeit fürs Allgemeine wieder aus und verfolgte festen Fußes das schon in der Jugend erwählte Ziel, die Veredlung ihres Geschlechtes mit allen Mitteln, welche die liberalere Zeitrichtung und die Vereinigung der Gleichstrebenden an Frauenvereine boten. Seit 1865 leitete sie als Vorsitzende dessen Versammlungen und wirkte durch die „Neuen Bahnen“ unermüdlich für seine Zwecke. Sie lebt heute zu Leipzig-Reudnitz. Ueber die dichterischen Leistungen von Luise Otto-Peters kann in dem kurzen Raum dieser Spalten nicht ausführlich gesprochen werden; ihre zahlreichen Schriften zur Frauenfrage, Gedichte, Romane und Aufsätze (darunter auch manche in den früheren Jahrgängen der „Gartenlaube“) haben ihr einen geachteten litterarischen Namen erworben. Die Hauptgenugthuung ihres Lebens aber muß die große Wandlung sein, die sich in der Stellung der deutschen Frau während der letzten fünf Jahrzehnte unter ihren Augen und durch ihre Hilfe vollzogen hat. Was zu ihrer Jugendzeit undenkbar war; weibliche Berufsthätigkeiten, weibliche Aerzte, Frauen in Versammlungen öffentlich und gut sprechend, Organisationen einführend, deren Wirkungen sich weithin erstrecken – das ist fast alles heute selbstverständlich geworden, dank den mutigen Kämpferinnen für die Selbständigkeit der Frau!
Zu ihnen gehören auch die drei Verstorbenen Luise Büchner, Marie Calm und Bertha von Marenholtz-Bülow.
Die erste, geboren 1821 in Darmstadt und Schwester der begabten Brüder Büchner, übte schon in den fünfziger Jahren durch ihr vortreffliches Buch „Die Frauen und ihr Beruf“ eine lebhafte Wirkung auf das heranwachsende Geschlecht. Ihre ausgezeichneten Geschichts- und Litteraturvorträge erregten bald die Aufmerksamkeit der Großherzogin Alice von Hessen, der Förderin aller weiblichen Interessen, und in nahem Zusammenwirken schufen die edle Fürstin und die schlichte, stark denkende und warm fühlende Schriftstellerin die ausgezeichneten Anstalten: den Alice-Bazar, das Alice-Lyceum und eine Industrieschule für Mädchen. Aus reichem Wirken nahm sie 1877 der Tod hinweg. Ihr Andenken aber bleibt eng verbunden mit der deutschen Frauenbewegung.
Ebenso dasjenige der begabten und bekannten Schriftstellerin Marie Calm (geboren 1832 zu Arolsen), die ihre durch wiederholten Aufenthalt in England erworbene Kenntnis der dortigen kräftigen und erfolgreichen Frauenbewegung durch Rede und Schrift für die erst im Beginn stehende deutsche nutzbar machte und bald nach 1865 schon eine führende Stellung in dem neuen Verein einnahm. Sie war eine geistvolle und gewinnende Rednerin; die bescheidene Liebenswürdigkeit bildete einen solchen Grundzug ihres Wesens, daß man sie in Zeiten, wo den Frauenvereinstagen noch der Schrecken vor den „Emanzipierten“ vorausging, gewöhnlich als erste voraussandte, um die Bildung eines Lokalkomitees zu erreichen. Wie Darmstadt um Luise Büchner, so trauerte Cassel um die in reicher Thätigkeit als Vereinsvorsteherin und Gründerin von Schulen hochverdiente Mitbürgerin, als sie 1887 aus dem Leben schied.
Bertha Freifrau von Marenholtz-Bülow, geboren 1811 in Braunschweig, verkörperte eine andere Seite der großen Erziehungsfrage. Sie war der begeisterte Apostel Friedrich Fröbels und wirkte nach dessen frühem Tode unausgesetzt für sein aus Pestalozzis Lehre begründetes Streben nach naturgemäßer Erziehung der Jugend in Volkskindergärten. Weder Vorurteil, noch Spott, noch förmliches ministerielles Verbot der als gefährlich betrachteten Neuerung schreckte sie ab, sie ging ins Ausland und redete und schrieb dort für die ihr heilige Sache, bis 1861 das Verbot in Preußen aufgehoben wurde und nun der durch ihre Wandervorträge überallhin verbreitete Gedanke rasch zur That werden konnte. An allen Orten entstanden Kindergärten nach Fröbels Plan, bewährten sich ausgezeichnet und die edle Frau erlebte die Genugthuung, das Werk ihres Lebens noch in voller Blüte zu sehen, ehe sich im Januar 1893 ihre Augen schlossen.
Erbin ihres begeisterten Strebens und Ausgestalterin desselben ist Frau Henriette Goldschmidt, geborene Benas, aus der preußischen Provinz Posen. Auch sie besitzt eine vorzügliche Redegabe und weiß auf den Frauentagen durch ihre geistvolle, klare und maßvolle Darstellungsweise die Zuhörer zu fesseln und zu überzeugen. Die Gründung und Ueberwachung von vier Volkskindergärten und einer Lehrerinnenanstalt ist ihr gelungen. Die Vorstandschaft eines Leipziger „Vereins für Familien- und Volkserziehung“ würde eine andere Arbeitskraft vollauf in Anspruch nehmen; Frau Goldschmidt aber, in der festen Ueberzeugung, daß Fröbels Erscheinung vorbedeutend für die naturgemäße und wissenschaftliche Bildung der weiblichen Jugend war, hat mit ernsten und gelehrten Männern zusammen in Leipzig auch ein Lyceum gegründet, um darin die künftige Frau, die Mutter nachwachsender Geschlechter, für ihre große Erziehungsaufgabe vorzubereiten. Zugleich soll dieses Lyceum in Verbindung mit den Volkskindergärten die Vorbereitungsstätte für Töchter vermögender Familien abgeben, zum Dienst für die Allgemeinheit. Ein „Dienstjahr im Volkskindergarten“ für solche Töchter hat Frau Goldschmidt bereits vor 25 Jahren gefordert, und hoffentlich ist die Zeit nicht fern, wo dieser vortreffliche Gedanke zur allgemeinen Uebung wird! An Hindernissen und Kämpfen aller Art hat es auch dieser idealgesinnten Frau nicht gefehlt, sie hat sie überwunden mit der stillen Beharrlichkeit der Ueberzeugung und steht heute neben Luise Otto-Peters und Auguste Schmidt unter den Häuptern des Frauenvereins.
Der gegenwärtige Kreis derselben würde unvollständig sein, wenn nicht neben den Erziehungsbestrebungen auch der eigentlich praktische Hausfrauenberuf darin vertreten wäre. Er ist es auf ausgezeichnete Weise sowohl für Nord- als für Süddeutschland, für letzteres durch Frau Professor Mathilde Weber, geboren 1829 bei Ellwangen, das Urbild einer heiteren, gemütvollen, energisch tüchtigen Hausfrau; sie verfügt über eine ebenso natürliche [259] wie eindringliche Beredsamkeit, die, mit manchem kraftvollen schwäbischen Ausdruck gewürzt, überall ihres Erfolges sicher ist. Wie alle in diesen Zeilen geschilderten Frauen – es ist das kein Zufall! – genoß sie den Segen eines liebevollen, echten Familienlebens und dankt verehrten Eltern ihre geistige Richtung. Eine in den glücklichsten Verhältnissen auf dem Lande verlebte Jugend gab ihrer thatkräftigen, stets hilfsbereiten Natur den praktischen Sinn, die 1851 geschlossene Ehe mit dem landwirtschaftlichen Beamten, späteren Professor an der Tübinger Hochschule Heinrich Weber den weiteren geistigen Ausblick und der Eintritt in den Allgemeinen deutschen Frauenverein, zu dessen Vorstand sie heute gehört, die bestimmte Richtung für ihre stets dem Wohl der Mitmenschen gewidmete Thatkraft. Die Armen, Unwissenden, Schlechtbelehrten sind es vor allem, die ihr am Herzen liegen, sie gründete, von den städtischen Behörden unterstützt, zahlreiche Arbeitsschulen, Nähvereine, Sonntagsheime für Dienstboten und Arbeiterinnen; sie war und ist unermüdlich, das Stück der sozialen Frage, das gelöst werden könnte, wenn alle Besitzenden von gutem Willen durchdrungen wären, für ihr Teil zu fördern und andere ebenfalls herbeizuziehen mit Ernst oder Humor, je nach Umständen. Einen großen Dienst hat die vortreffliche Frau auch der Sache des Frauenstudiums geleistet durch ihr vorzügliches Buch „Aerztinnen“, worin der Nachweis von der Notwendigkeit weiblicher Aerzte für die verschwiegenen Frauenleiden mit soviel Logik, weiblicher Würde und Mäßigung geführt wird, daß viele Gegner, welche schärferen Streitschriften gegenüber sich ablehnend verhielten, gerade durch dieses Buch anderer Ansicht wurden.
Eine äußerlich noch umfassendere Wirkung übt die Gründerin des Berliner Hausfrauenvereins, Frau Lina Morgenstern, geboren 1830 in Breslau. Bereits als Mädchen für das Wohl armer Schulkinder thätig, entfaltete sie seit ihrer 1854 erfolgten Verheiratung mit Theodor Morgenstern in Berlin eine großartig zu nennende Wirksamkeit. Schon 1866 hatte dort der Präsident A. Lette den Verein zur Förderung der weiblichen Erwerbsthätigkeit gegründet, dessen Vorsteherin heute seine hochverdiente Tochter Frau Schepeler-Lette ist. Dieser Verein verfolgt in erster Linie praktische Zwecke und hat hervorragende Erfolge mit seinen Fachschulen aller Art erzielt, er ist heute das Haupt aller Frauenerwerbsvereine, besitzt ein eigenes Haus und glänzend eingerichtete Anstalten. Mit dem Allgemeinen deutschen Frauenverein hat er sich nicht verschmolzen aber die beiden stehen Schulter an Schulter. Unabhängig vom Letteverein nun errichtete Frau Lina Morgenstern Kochschulen und Volksküchen, gründete die große Hausfrauengenossenschaft, eine Akademie zur wissenschaftlichen Fortbildung und zahlreiche andere dem Gemeinwohl dienende Vereine. Außer vielen Schriften zur Frauenfrage und vortreffliche hauswirtschaftlichen Büchern verfaßte sie einige größere Werke. Dabei leitet die unermüdliche Frau die bis heute bestehende „Hausfrauenzeitung“. Ihr Name bleibt mit dem großen Aufschwung der Berliner Frauenthätigkeit unzertrennlich verbunden.
Den Grundsatz, daß jedes Erziehungsbestreben für das weibliche Geschlecht von besserer Vorbildung der Lehrerinnen ausgehen muß, daß diese wissenschaftlich befähigt werden müssen, den gesamten höheren Mädchenunterricht zu erteilen, weil Frauen besser als Männer zur Erziehung heranwachsender Mädchen geeignet sind, diesen Grundsatz im Einverständnis mit Gleichgesinnten im Jahre 1884 aufgestellt und seitdem unermüdlich mit den Waffen eines ungewöhnlichen Geistes in Reden, Eingaben und Schriften verfochten zu haben, ist das Verdienst der hervorragendsten unter den Jüngeren, Fräulein Helene Lange in Berlin. Was auf einem früheren Frauentag einmal angesichts des spärlichen Nachwuchses sorgenvoll gerufen wurde: „Ablösung vor!“ – es braucht heute nicht wiederholt zu werden, denn in Helene Lange (geboren 1848 in Oldenburg) ist der deutschen Frauenbewegung eine Vorkämpferin erstanden, deren litterarische Wirksamkeit ebenso bedeutend ist wie ihre persönliche in der Lehrthätigkeit und als Vorstand des Allgemeinen deutschen Lehrerinnenvereins. Der äußere Gang ihres Lebens ist einfach: mit 16 Jahren verlor sie den Vater, dessen Einfluß auf das ernst denkende Mädchen sehr bedeutend war, die Mutter hat sie kaum gekannt. So fand sie sich unter Verwandten und Fremden auf sich selbst gestellt und entfloh zeitig dem üblichen Leben der Kaffeekränzchen und Bälle, um sich zur Lehrerin zu bilden und einen die ganze Persönlichkeit fordernden Beruf zu haben. Bei ihrer Befähigung gelang ihr dies leicht – sie machte im Jahr 1872 ihr Lehrerinnenexamen, wurde schon 1876 als Leiterin eines Seminars in Berlin angestellt und vertauschte diese Stellung 1890 mit der Oberleitung der zur Vorbereitung auf die Maturitätsprüfung bestimmten Realkurse für Frauen, die sich seit Herbst 1893 in eigentliche Gymnasialkurse verwandelt haben und zu den besten Erwartungen berechtigen.
Geradezu überraschend ist die Bedeutung des 1890 unter dem Präsidium von Fräulein A. Schmidt durch Frau Marie Loeper-Housselle und Fräulein Helene Lange gegründeten großen Lehrerinnenvereins. Frau Loeper-Housselle, geboren 1837 bei Marienburg in Westpreußen, hatte in einer früh ergriffenen Lehrerinnenlaufbahn oft Gelegenheit, zu sehen, wo die Fehler des in Leistung und Ansehen damals so niedrig stehenden Lehrerinnenberufs steckten: in dem Mangel an Bildung und Gemeinschaftsgefühl. So faßte die begabte, durch warme Herzensgüte ausgezeichnete Frau den Entschluß, ein Organ zu gründen, um die vielen einzeln im Leben stehenden Mädchen zu einem Ganzen, zu einem Stande zu verbinden, in dem jedes Glied sich verantwortlich fühlt für die Pflichterfüllung aller. Das Unternehmen glückte über Erwarten. Seit 1884 ist die von Frau Loeper-Housselle redigierte „Lehrerin für Schule und Haus“ ein angesehenes Centralorgan, haben sich die in ganz Deutschland zerstreuten Lehrerinnen zu einem heute 6000 Mitglieder zählenden Verband zusammengeschlossen, dessen Einfluß auf die einzelnen von hoher idealer und wertvoller praktischer Bedeutung ist. Denn der Verein vermittelt auch Stellen in Deutschland, Frankreich und England (dort im Einvernehmen mit dem durch Fräulein Adelmann begründeten und trefflich organisierten deutschen Verein in London) und hat überall seine Vertretungen, die aufs gewissenhafteste das Wohl der Stellesuchenden wahrnehmen.
Frau Loeper-Housselle gehört durch ihre gewinnende, von poetischer Empfindung getragene Redegabe auch zu den beliebtesten Sprecherinnen der Frauenversammlungen. Sie entfaltet an der städtischen Schule zu Ispringen in Baden eine gesegnete Thätigkeit und ist die Vertraute von unzähligen Kolleginnen, die in ihr den trostvollen Mittelpunkt der großen Gemeinschaft sehen.
So ist denn die deutsche Frauenbewegung, die hier nur im flüchtigsten Umriß gezeichnet werden konnte und noch viele, vorstehend nicht erwähnte Namen und Leistungen umfasst, zu etwas ganz anderem geworden, als ihre Feinde anfangs vermeinten. Der stets neu verkündete gründliche Umsturz aller Sitte und Weiblichkeit ist nie eingetreten, es hat sich nur eine langsame Anpassung an veränderte Verhältnisse vollzogen, deren Fortschreiten jetzt eine schnellere Bewegung annimmt, weil eine ganz gewaltige Menge von Anstalten bereits ihre Wirkungen fühlbar macht. Der Allgemeine deutsche Frauenverein verfügt über ein großes Vermögen und hat in den letzten Jahren mehrfache Stipendien für das Studium in Zürich ausgesetzt, bis zu dem von ihm erhofften Tage, wo auch deutsche Universitäten sich den Gymnasial-Abiturientinnen öffnen werden. Die praktische Probe über männliche und weibliche Befähigung wird dann gemacht werden, was jedenfalls den bis jetzt nur theoretisch entwickelten Gründen Für und Wider vorzuziehen ist. Das beste, was dafür und für die ganze Bewegung gesagt werden kann, hat Helene Lange ausgesprochen, zum letztenmal in der Vorrede der von ihr herausgegebenen neuen Zeitschrift „Die Frau“, wo es zum Schlusse heißt: „Wir hoffen, unter den deutschen Männern der Ueberzeugung Bahn zu brechen, daß es sich in der Frauenbewegung um einen Fortschritt der Menschheitsentwicklung handle, wie er noch immer zu verzeichnen war, wo gehemmte edle Kräfte zur Entfaltung gelangten. Wir hoffen, unter den Frauen die Lauen und Trägen aufzurütteln zu dem Bewußtsein, daß die Frau die ihr durch die äußeren Verhältnisse gewordene Muße mit etwas anderem auszufüllen hat als dem Tand des Tages, daß es gilt, innerlich zu reifen, aus dem Gattungswesen zur freien Individualität sich zu entwickeln, um nach Maßgabe dieser Kräfte auf die Umwelt zu wirken.“
Mag es auch vielleicht in manchem anders kommen, als die hochsinnige Schreiberin dieser Zeilen meint, mag der Prozentsatz der zu freier Individualität sich Entwickelnden von der Natur weniger reichlich bemessen sein, als sie hofft – alles dies fällt nicht ins Gewicht gegen die Thatsache, daß jetzt langsam die Bahn sich öffnet, auf welcher die menschliche Tüchtigkeit, sei es des weiblichen oder männlichen Geschlechtes, den Erfolg erringen kann. Daß wir soweit sind, ist zum großen Teil das Verdienst der zehn, in unserem Bild den Lesern vorgeführten Frauen, die zugleich als lebendige Beispiele des von ihnen als möglich Dargestellten ihrem Geschlechte voranleuchten.
- ↑ Sie verlor 1864 nach kurzer glücklicher Ehe ihren Gatten, den Schriftsteller August Peters, der 1850 wegen Teilnahme an den Revolutionskämpfen erst zum Tod verurteilt, dann zum Zuchthaus begnadigt worden war und dem sie sich eben dort in selbstloser Liebe verlobt und nach seiner Befreiung 1858 vermählt hatte.
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Litauischer Bauer im Triebsand. (Zu dem Bilde S. 241.) Kennst Du, lieber Leser, jene weitgedehnte schmale Landzunge, welche im äußersten Norden des Deutschen Reiches die Scheide bildet zwischen dem Kurischen Haff und der benachbarten Ostsee? Abseits von der großen Verkehrsstraße gelegen, ist es der „Kurischen Nehrung“ noch nicht gelungen, die Beachtung weiterer Kreise zu gewinnen, und selbst in ihrer näheren Nachbarschaft giebt es nicht gar zu viele, welche dieses seltsame Gebilde der Natur aus eigener Anschauung kennen. In die Sahara versetzt könnte sich derjenige glauben, der diese etwa 100 Kilometer lange und bis 3 Kilometer breite Halbinsel zu durchwandern hat, denn Sand, nichts als lockerer Sand ist es, worauf sein Fuß tritt, Sand, der sich in der Mitte zu einem Bergzuge aufgetürmt hat, dessen wellenförmiger Rücken sich bis zu einer Höhe von etwa 60 bis 70 Meter emporhebt. Auf dieser Halbinsel nun, welche durch den Unverstand unserer Altvorderen aus einem Waldlande in eine Wüstenei verwandelt worden ist, giebt es gleich Oasen einige wenige Ortschaften, deren Bewohner sich meist vom Fischfange nähren und nebenher dem sandigen Boden mühsam einige Früchte abringen. Zwischen ihnen wird der Verkehr, der übrigens sehr geringfügig ist, vorzugsweise auf dem Wasserwege unterhalten, weil der Landweg beschwerlich und nicht ohne Gefahren ist.
Wie schon erwähnt, tritt der Fuß hier überall auf Sand, welchen das Meer unausgesetzt ans Land spült und der, von der Sonne und der Luft schnell getrocknet, eine lockere Decke bildet, in welche der Wanderer bei jedem Schritte tief einsinkt. Wohl ihm, wenn er dabei immer festen Grund findet, denn gar zu leicht kann es geschehen, daß er eine jener Stellen betritt, wo der Sand einen tiefen Abgrund verhüllt und wo der Schreitende rettungslos versinkt, wenn ihm nicht schnelle Hilfe wird.
Der lose Sand ist nämlich leicht genug, um von einem kräftigen Winde fortbewegt zu werden, ein Umstand, welcher ihn zu einer schweren Gefahr werden läßt; von diesem Triebsande, zu dem sich dann noch der leichtere, höher steigende Flugsand gesellt, sind auf der Nehrung schon mehrfach ganze Ansiedlungen vollständig begraben worden.
Wenn nun gar ein Wirbelsturm über das Sandgefilde dahinbraust, dann geschieht es oft, daß er mit Riesenkraft einen tiefen Kessel in den Sandboden hineinbohrt, der jedem Verderben bringt, der in seinen Bannkreis tritt. Der wie ein Kreisel sich bewegende Triebsand umschlingt sein Opfer und zieht es immer tiefer hinab, um es schließlich ganz zu begraben, ohne daß eine Spur die Stätte anzeigt, wo das Unheil geschehen ist. Solch einem Triebsandkessel scheint der Litauer mit seinem Weibe auf unserem Bilde entgegenzufahren. Wohl hat er selbst die drohende Gefahr nicht zu erkennen vermocht, allein die Pferde haben das Unheimliche gewittert und durch ihr ängstliches Schnauben dem Wagenlenker zu erkennen gegeben, daß da vorn etwas nicht in Ordnung sei.
Rasch reißt der vorsichtige, von einer bösen Ahnung ergriffene Nehrungsbewohner die stutzigen Tiere zurück. Ein Glück für ihn, wenn es noch rechtzeitig geschehen ist! Andernfalls würde er rettungslos mit seinem ganzen Gefährt versinken und sein Hilferuf müßte in der öden Einsamkeit ungehört verhallen.
Kletterübungen der deutschen Infanterie. (Zu dem Bilde S. 253.) „Einigkeit macht stark“, das könnte man eigentlich als Motto über unser Bild von A. Wald schreiben. Denn was einem Einzelnen nach klaren physischen Gesetzen unmöglich wäre, nämlich eine weit über mannshohe glatte Wand ohne künstliche Hilfsmittel zu erklettern, das machen die geschickt vereinigten Kräfte vieler möglich. Ist es nur erst gelungen, durch Bildung eines „Turmes“ von zwei, drei menschlichen Stockwerken einen auf die Höhe der oberen Kante zu bringen, dann haben die übrigen leichtes Spiel: jener hilft von oben, andere schieben von unten, und so nimmt einer um den andern das unübersteiglich scheinende Hindernis. Des letzten freilich harrt wieder eine schwierige Aufgabe, denn ihm fehlt ja die hebende Kraft von unten. Aber auch für ihn wird Rat geschafft. Ein oder zwei Gewehre strecken sich ihm von oben entgegen, ein paar kräftige Züge – und oben sind sie mit ihrer lebendigen Last. Bei der deutschen Infanterie werden solche Uebungen, welche das höchste Maß von körperlicher Gewandtheit und erfinderischer Schlauheit in der Benutzung der Umstände erfordern, regelmäßig an eigens hierfür errichteten Gerüsten ausgeführt, selbst mit feldmarschmäßiger Packung. Nur läßt man dabei das gnte Gewehr M 88 natürlich zu Hause und bewaffnet die übenden Mannschaften dafür mit dem Bajonettiergewehr, dem die derben Stöße nichts schaden können, weil nichts daran zu verderben ist.
Lustiges Volk. (Zu dem Bilde S. 245.) Eine Truppe von fahrenden „Künstlern“ ist auf einen prunkvollen flandrischen Herrschaftssitz des 17. Jahrhunderts gekommen. Ueberall, wohin man blickt, die Anzeichen fürstlichen Reichtums: feine Fayence-Arbeiten, Gobelins, Teppiche, Waffen u. dgl. Selbst die Kette des Hofhundes ist ein kunstgewerbliches Prachtstück. Die „venetianische Tänzerin“, wie sie sich vielversprechend betitelt, übt in einer Halle des Erdgeschosses mit der sie begleitenden Musikbande die Programmnummern ein, mit denen sie am Abend die Schloßherrschaft und ihre Gäste in Entzücken zu setzen hofft; die schrille Musik von Cello und Mandoline, Trompete, Flöte und Trommel aber ist dem Hofhund durch Mark und Bein gegangen, so daß ihn der stämmige Diener kaum von gewaltthätiger Störung der sonderbaren Tanzübung zurückzuhalten vermag. Im Hintergrunde wird ein feister Rehbock ausgeweidet – ob aber der Braten für die Herrschaft oder für die Musikanten und die schöne pistolenbewaffnete Terpsichore bestimmt ist, das muß vorläufig im Dunkeln bleiben.
Die Heimkehr des Fellahs. Schräg fallen die Abendsonnenstrahlen über die Fluren, da bindet der Fellah den Esel von dem Pfluge los, hängt diesen in den hölzernen Haken an der Seite des Tieres und schwingt sich in den Sattel, wodurch das Zeichen zur Heimkehr vom Felde gegeben ist. Das Weib nimmt die in ihr Arbeitsgebiet gehörigen Gegenstände zusammen, den Sack mit dem Säugling und den Korb mit den noch übrigen Lebensmitteln, Brot, Oliven, Ziegenkäse und einigen irdenen Krügen mit Milch und Wasser. Der dreijährige Knabe wird herbeigerufen und der Zug setzt sich in Bewegung. Sobald die Sonne hinunter ist, tritt die Nacht ein, fast ohne den Uebergang der Dämmerung, darum ist Eile nötig: mit den letzten Sonnenstrahlen muß das Dorf erreicht sein, um keinen Preis möchte der Fellah nach eingetretener Nacht noch auf dem Felde sein, denn er fürchtet die Kobolde und Feldgeister, deren Macht mit dem Beginn der Dunkelheit zu wirken beginnt.
Das ist der Vorgang, der sich auf dem von uns abgebildeten Terracotta-Relief von Bildhauer Christoph Paulus abspielt. Dasselbe war im Verein mit 53 anderen vor einigen Jahren auf der Berliner Jubiläumskunstausstellung zu sehen und hat dem Künstler viel Anerkennung eingetragen vermöge der unverkennbaren Naturwahrheit, welche es auszeichnet. Paulus hat dieses Relief auch ganz vor dem lebenden Modell gefertigt. Die erforderlichen Personen fanden sich leicht unter der Landbevölkerung um Jerusalem, und für das Studium der Tiere, der Esel und Kamele besonders, hatte sich Paulus einen eigenen zusammenlegbaren Modellierstuhl anfertigen lassen, mit dem er hinauszog ins Freie oder in die „Chans“, die Einkehrhäuser mit ihren großen Stallungen und Höfen.
Christoph Paulus ist der Sohn eines jener Männer, die sich durch die Gründung der deutschen Kolonien in Palästina (vgl. Nr. 23 d. Jahrg. 1893) einen Namen gemacht haben, des kürzlich verstorbenen Christoph Paulus des Aelteren. Geboren am 11. April 1848 auf dem Salon bei Ludwigsburg, war er früh zum Bildhauer bestimmt worden und hatte an der Kgl. Kunstschule in Stuttgart, dann durch Hähnel in Dresden seine Ausbildung erhalten. 1875 kam er nach Palästina, wo er am Lyceum „Tempelstift“ zu Jaffa hauptsächlich als Zeichenlehrer wirkte, gleichzeitig aber eine künstlerische Thätigkeit entfaltete, deren Früchte in einer Reihe von Porträt-Denkmalen und in eben jener Sammlung von Terracotta-Reliefs vorliegen, aus der wir eine Probe herausgegriffen haben. 1889 kehrte Paulus nach Europa zurück und ließ sich in Stuttgart nieder, von wo er neuerdings seine Schritte nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika gelenkt hat.
Inhalt: Die Martinsklause. Roman aus dem 12. Jahrhundert. Von Ludwig Ganghofer (14. Fortsetzung). S. 241. – Litauischer Bauer im Triebsand. Bild. S. 241. – Lustiges Volk. Bild. S. 245. – Wiener Bettlerwesen. Von V. Chiavacci. S. 248. Mit Abbildungen S. 248, 249, 250, 251 und 252. – Die Perle. Roman von Marie Bernhard (14. Fortsetzung). S. 252. – Kletterübungen der deutschen Infanterie. Bild. S. 253. – Die Führerinnen der Frauenbewegung in Deutschland. Von R. Artaria. S. 256. Mit Bildnissen S. 257. – Blätter und Blüten: Litauischer Bauer im Triebsand. S. 260. (Zu dem Bilde S. 241.) – Kletterübungen der deutschen Infanterie. S. 260. (Zu dem Bilde S. 253.) – Lustiges Volk. S. 260. (Zu dem Bilde S. 245.) – Die Heimkehr des Fellahs. Mit Abbildung. S. 260.