Die Gußstahlfabrikation

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Titel: Die Gußstahlfabrikation
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aus: Album der Sächsischen Industrie Band 2, in: Album der Sächsischen Industrie. Band 2, Seite 35–37
Herausgeber: Louis Oeser
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Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Louis Oeser
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Erscheinungsort: Neusalza
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Die Gußstahlfabrikation.


Der Gußstahl hat in der neueren Zeit durch die Mannichfaltigkeit seiner Anwendung eine immer größere Wichtigkeit erlangt, er ist gleichsam unentbehrlich geworden; deshalb wollen wir über dieses wichtige Erzeugniß der Industrie hier einige Worte sagen.

Der Stahl ist eine Verbindung des Eisens mit Kohlenstoff, welche mehr Kohle enthält als das Schmiedeeisen, aber weniger als das Gußeisen, und unterscheidet sich von dem Roheisen durch seine Schweißbarkeit, von dem Stabeisen durch seine Schmelzbarkeit; mit dem Gußeisen hat der Stahl die Fähigkeit gemein, durch schnelles Erkalten hart zu werden, sonst aber zeichnet er sich vor allen Eisen durch seinen hohen Grad der Elasticität aus. Die Farbe ist grauweiß bis fast ganz weiß, mit Metallglanz. Seine Teptur ist körnig-zackig und selbst zu den dünnsten Dräthen ausgedehnt nicht sehnig; je dichter und gleichartiger dieses Korn ist, desto besser ist der Stahl. Ungehärteter Stahl verhält sich, wie das härteste Roheisen; durch das Härten – schnelles Abkühlen nach dem Glühen – wird er so hart, daß die Feile ihn nicht mehr angreift und er Glas schneidet; durch Erhitzen – das sogenannte Anlassen – verliert er seine Härte wieder, und auch seine Biegsamkeit schwindet mit abnehmender Härte. – Um die Qualität der verschiedenen Stahlarten zu vergleichen und zu beurtheilen, hat man ein einfaches Mittel, man taucht den angelassenen Stahl in wässrige Salpeter- und Salzsäure und reinigt ihn nachher, wodurch die Teptur blosgelegt wird.

Man unterscheidet je nach dem Verfahren bei der Darstellung zwei Hauptstahlarten: den Roh- oder Schmelzstahl und den Cement- oder Brennstahl. Ersterer wird durch theilweises Entkohlen des Roheisens, selten nur noch direct aus Erzen erzeugt. Das Material zu dem Rohstahl ist hauptsächlich das unter dem Namen Spiegeleisen aus Spatheisenstein erblasene Roheisen, das man auch Rohstahleisen nennt, und das genwöhnlich mit Holzkohlen und nur in seltenen Fällen mit Coaks erzeugt wird. Der aus gewöhnlichen, Holzkohlen- oder Coaksroheisen erzeugte Rohstahl steht in Hinsicht auf Güte dem aus reinem weißen Roheisen bereiteten bedeutend nach.

In Preußen, wo die Stahlfabrikation besonders in den Regierungsbezirken Arnsberg und Koblenz, sowie dessen Antheil vom Thüringerwalde blüht, wird jetzt aus sehr verschiedenen Sorten Roheisen und Rohstahleisen in dem Puddelofen Puddelstahl erzeugt, der sehr billig im Preise steht und hauptsächlich zu schwerern Gegenständen verwendet wird, wie Bandagen für Locomotiv- und Eisenbahnwagenräder u.s.w. Der Puddelstahl aus dem Siegenschen zeichnet sich vorzüglich aus und ist überdieß als Material für die Gußstahlfabrikation wichtig.

In den eisenreichen österreichischen Provinzen Steiermark, Kärnthen und Krain wird ein trefflicher Schmelzstahl bereitet, der zwar weit theurer als der Puddelstahl, aber zu einzelnen Zwecken unersetzbar ist.

Der Cement- oder Brennstahl wird durch anhaltendes Glühen von Stabeisen mit kohligen [36] Substanzen dargestellt, und erfordert vorzüglich gutes Stabeisen, welches aus Schweden eingeführt wird; doch ist das russische Uralstabeisen von gleicher Güte. Aus Schweden werden ansehnliche Massen von Stabeisen nach England und Frankreich ausgeführt, wo es zu Cementstahl umgearbeitet wird, namentlich in Sheffield und Umgegend. Das Verfahren dabei ist Folgendes: Die Eisenstäbe werden schichtenweise mit Holzkohlenpulver in thönerne Kästen eingelegt und diese dann überall luftdicht verschlossen. Zwei solche Kästen sind in einem Ofen angebracht, der mit Steinkohlen, selten nur mit Holzkohlen, gefeuert wird und sieben bis acht Tage in der Rothgluth bleibt, worauf man ihn erkalten läßt und die fertigen Stahlstangen herausnimmt. Der von dem Sectionsrath Tunner in Loeben direct aus Roheisen hergestellte Glühstahl hat ebenfalls viel Vorzügliches an sich.

Der Rohstahl sowohl, wie der Cementstahl lassen sich wegen ihrer Ungleichartigkeit nicht direct verarbeiten, sondern sie müssen noch einem Prozeß unterworfen werden, entweder werden die Stahlstangen durch wiederholtes Strecken und Ausschmieden in Gerbstahl verwandelt, oder durch Umschmelzen in Gußstahl, welches die gleichartigste und beste Stahlart genannt werden kann.

Zur Darstellung des Gußstahles giebt es viele Methoden, doch wird er am häufigsten aus Rohstahl, Puddelstahl oder Cementstahl erzeugt, welche in feuerfesten Tiegeln, entweder bei Glühfeuer von Coaks, nur selten durch Holzkohlen, im Windofen, oder mittelst Steinkohlenflammenfeuers in nach Art der Glasöfen construirten Flammengefäßöfen geschmolzen werden. In Steiermark sind Gasflammenöfen bei Feuerung mit Braunkohlen in Anwendung. Schweißbarer, also weniger kohlenhaltiger Stahl, erfordert, da er strengflüssiger ist, eine höhere Temperatur beim Schmelzen, als unschweißbarer. Während des Schmelzens giebt man entweder eine Decke von Glas, mit oder ohne Boraxzusatz oder deckt den Tiegel nur zu, so daß keine Kohlen hineinfallen können, indem der Fluß bei dem Ausgießen des Stahls in die Formen hinderlich sein kann. Die Dauer des Schmelzens hängt von den Oefen, dem Brennmaterial und der mehr oder minderen Strengflüssigkeit des Metalls ab.

Die Tiegel mit der geschmolzenen Masse werden dann mit Bruchzangen aus dem Ofen genommen und in eiserne Barrenformen ausgegossen, deren Oberfläche mit Thon oder fetter Erde bedeckt ist, damit der Stahl beim Erkalten nicht blasig wird. Der geschmolzene Stahl hat auf dem rauhen, feinkornigen Bruche eine graue Farbe, ohne allem Stich ins Blaue und ist mit kleinen runden Löchern von schillernder Oberfläche übersäet. Um ihn daher gleichartig zu machen, werden die Stahlbarren noch warm, oder wieder glühend gemacht, unter Hämmern oder zwischen Walzen ausgestreckt und das so bearbeitete Material heißt alsdann: raffinirter Gußstahl.

Die Gußstahlfabrication erfährt fortwährend wichtige Verbesserungen, wie die Erfindung von Meier in Bochum, größere Gegenstände aus einem Stück zu gießen, wodurch das Schweißen vermieden, dem fraglichen Gegenstand aber eine bei weitem größere Festigkeit gegeben wird.

Wichtig ist auch die Erfindung des Artilleriehauptmanns Uchatius in Wien, den Gußstahl direct aus Roheisen zu erzeugen, wodurch der Preis auf 6½ Thaler auf den Centner vermindert wird. Eine von dem französischen Handelsministerium ernannte Commission erkannte die Trefflichkeit des Uchatiusschen Gußstahls an. – Uchatius entdeckte, daß die Kleinheit der zur Stahlbereitung verwendeten Roheisenstücke von entschiedenem Einfluß auf die Qualität des erzeugten Stahles sei und darauf hin geht sein Verfahren. Sein Proceß beginnt mit der Granulirung des Roheisens, das in Graphittiegeln geschmolzen und dann durch Aufgießen auf bewegtes Wasser granulirt wird. Dieses Granulireisen wird dann mit Gemengen Pulvers von Eisenerz und Magansuperoxyd, auch Stabeisen, je nach der beabsichtigten Qualität, niedergeschmolzen. Man kann so harten, halbharten und weichen Stahl fertigen und zwar in der Zeit von einigen Stunden, während die andere Methode einige Wochen Zeit beansprucht.

Eine eben so wichtige Erfindung ist die von Bessemer, welcher in seinem Flammenofen das Roheisen unmittelbar in Gußstahl, oder auch in Schmiedeeisen verwandelt. Um sieben Centner Roheisen in Schmiedeeisen zu verwandeln, brauchte Bessemer nur 30 Minuten Zeit.

[37] Die Verwendung des Gußstahls ist höchst mannichfach. Es wird zu Locomotiv- und Eisenbahnwagenrädern, allen Maschinentheilen, Werkzeugen u.s.w. angewendet; in neuerer Zeit wurden in der Fabrik in Bochum große Glocken aus Gußstahl geliefert, und die jetzt häufigen gezogenen Gußstahlkanonen sind bekannt. Diese Geschütze sind bedeutend leichter als die früheren, und nach dem übereinstimmenden Urtheil von Sachkennern übertreffen sie die besten Bronzegeschütze an Zähigkeit und Härte um mehr als das Doppelte. – Gußstahlkanonen und Gußstahlglocken sind eine deutsche Erfindung.

Die ersten aus Gußstahl gegossenen Kirchenglocken wurden von Meier in Bochum in Paris ausgestellt. Die Sache war so überraschend, daß die Gußstahlnatur dieser Glocken selbst von dem Meister Krupp stark bezweifelt wurde. Meier ließ ohne Weiteres eine von den Glocken in Gegenwart einer Jurycommission zerschlagen und löste alle Zweifel durch Aufschmieden und Abhärten der Scherben.

Unter den deutschen Gußstahlfabriken nimmt die von Friedrich Krupp in Essen die erste Stelle ein. Sie umfaßt gegenwärtig: 161 Schmelz-, Glüh- und Cementiröfen; 12 Dampfmaschinen von 4 bis 200 Pferdekräften; 7 Dampfhämmer von 7 bis 150 Centner; 2 Aufwerfhämmer von 10 und 20 Centner; 1 Schwanzhammer von 1½ Centner; 45 Schmiedeessen; 57 Drehbänke; 18 Hobelmaschinen; 15 Fräsbänke; 10 Bohrmaschinen und 5 Schleifbänke. Dieselbe erzeugte 1858 7,000,000 Pfund Gußstahl und beschäftigte 1000 Arbeiter. Das Etablissement soll noch weiter ausgedehnt werden.

Auch in unserem Sachsen wendete sich die Aufmerksamkeit bald auf die so wichtige Gußstahlfabrikation und sie wurde auch hier bald eingebürgert. Zuerst betrieb sie neben der Roheisenerzeugung die Königin Maria Hütte zu Kainsdorf, dann aber wurde in Döhlen im plauenschen Grunde ein eigenes, sich nur mit diesem Industriezweige beschäftigendes Etablissement, die „Sächsische Gußstahlfabrik“ gegründet, über welches wir uns später weiter verbreiten werden. – Kleinere mehr oder minder günstig ausgefallene Versuche in der Gußstahlfabrikation und überhaupt Stahlerzeugung sind hin und wieder von einigen der größeren sächsischen Eisenwerke gemacht.