Die Heimath in der neuen Welt/Dritter Band/Vierzigster Brief

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Neununddreißigster Brief Die Heimath in der neuen Welt. Dritter Band
von Fredrika Bremer
Einundvierzigster Brief
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Textdaten
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Autor: Fredrika Bremer
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Titel: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band
Untertitel: Vierzigster Brief
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Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 1854
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Verlag: Franckh
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Erscheinungsort: Stuttgart
Übersetzer: Gottlob Fink
Originaltitel: Hemmen i den nya verlden. Tredje delen.
Originalsubtitel:
Originalherkunft: Schweden
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung: Erinnerungen über Reisen in den USA und Cuba
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Vierzigster Brief.
Richmond, den 16. Juni 1851.  

Guten Morgen, mein Schwesterchen, in dieser schönen Morgenstunde in Virginiens Hauptstadt! Ich komme soeben von einem Spaziergang im Park um das Capitol her zurück, von wo ich den schönen St. Jamesfluß (auf indianisch Powhatan) mit schäumendem Fall und ruhigen silberklaren Wellen in zahlreichen Biegungen durch grüne Ebenen und an schönen Hügeln entlang durch das Land ziehen sah. Eine herrliche Aussicht von diesem stattlichen Capitol aus! Ich wünschte, die geistige Aussicht vom Hauptsitze des Staates aus entspräche ihr. Aber Virginien ist Sklavenstaat, und seine Aussichten öffnen sich, sein Lebensstrom fließt, wie dieß in allen Sklavenstaaten der Fall ist, bloß für die Hälfte seiner Bevölkerung. Man wird gleich an den Thoren des capitolinischen Parkes daran erinnert. Denn an den Pfeilern der Thore ist eine Bekanntmachung angeschlagen, die in großen Buchstaben verkündet, daß jeder Sklave, der sich in diese Thore wage, 39 Peitschenhiebe empfange. In den Sklavenstaaten kann man nie Etwas genießen oder bewundern, ohne durch diese Peitschenhiebe gestört zu werden.

Aber in materieller Beziehung wie schön durchwässert ist nicht Nordamerica! Ueberall in allen seinen Staaten diese schönen schiffbaren Flüsse, die gleich großen Pulsadern unzählige kleinere Ströme und Bäche in sich aufnehmen und allerwärts das Leben und die Früchte der Cultur verbreiten. Ich kann diese schönen Flüsse nicht betrachten, ohne mich der Hoffnung hinzugeben, daß sie für die edelsten der Früchte der Cultur den Weg bereiten werden.

Von meiner guten Mrs. Howland, die mir wie eine Schwester lieb geworden, und ihrer Familie trennte ich mich mit einen Schmerz, dem ich kein Gehör zu schenken bemüht war. Denn es mußte geschehen.

Es war am Nachmittag des zwölften Juni, als ich Charleston und Südcarolina, wo ich so manches Gute genossen hatte, verließ. Die See war rauh und das Schiff so überfüllt mit Menschen, daß ich es im Stillen bereute, daß ich mich von meinem Wunsch, bei Mrs. Holbrook zu sein, hatte verleiten lassen dieses Schiff zu wählen, statt meine Abreise noch einige Tage hinauszuschieben. Denn ich fürchtete jetzt Andere zu belästigen und selbst belästigt zu werden. Aber Mrs. H. wurde mein Trost und meine Hülfe. Sie kannte die Negerin, die im Damensalon aufwartete, und bestimmte die gute Alte uns auf weichen Sitzen an den Fenstern zu betten, denn alle Cajüten im Schiff waren bereits in Anspruch genommen. Dadurch entgingen wir den heißen Cajüten und genossen die Nacht hindurch frische Luft von den Salonfenstern her.

Als es sich zur Nacht neigte, wurde die See immer unruhiger, die Wolken wurden sturmschwanger, die Luft war drückend heiß; die Fahrt gehörte zu den gefährlichsten und das Dampfschiff stand nicht im besten Ruf.

Aber ich tröstete mich und dachte: Wenn der Mond aufgeht! … denn ich habe den einbildischen Glauben, daß der Mond mein Freund sei. Schon in meinen Kinderjahren zog er meinen Blick an sich, und ehe ich irgend ein anderes Wort sagte, ehe ich Vater und Mutter sagen konnte, sagte ich: Mond. Meine ersten Verse waren dem Mond gewidmet. Sie waren schlecht genug, aber der himmlische Körper, den ich als glückselig und als Tröster der Unglücklichen begrüßte, ist mir gleichwohl stets hold gewesen, und noch nie auf meinen Seereisen hat er ermangelt durch seinen Aufgang die Wolken zu zerstreuen und unruhige Wogen und Winde zu beschwichtigen. Ich habe deßhalb meine Seereisen immer so einzurichten gesucht, daß sie von dem Mond beschienen werden konnten. So hatte ichs auch bei dieser ausgerechnet, für deren Annehmlichkeiten ich mich auf Mrs. Holbrook und den Mond verließ. Weder die eine noch der andere täuschte mich.

Mrs. H. war als seekrank und im Gedränge auf dem Dampfschiff dieselbe liebenswürdige, vollkommene Lady, wie im Salon und in den Myrthenhainen von Belmont; und der Mond war, sobald er über dem Meer aufstieg, derselbe liebenswürdige schützende Planet, als welcher er sich mir schon früher erwiesen hatte. Die Wolken verschwanden zwar nicht, aber sie standen gleichsam still da, oder zogen sich in pittoresken Gruppen zurück. Die Wogen wallten zwar, aber sie waren nicht stürmisch; es blitzte unaufhörlich gar hübsch in den Wolken, aber ohne Donner. Es war, als hätte das klare Angesicht des Mondes die Wildheit der Elemente zurückgehalten. Sie wagten es vor ihm nicht loszubrechen. Ich betrachtete den Mond und erfreute mich an dem hübschen, aufgeregten, aber nicht beunruhigenden Leben am Himmel und im Meer während der Nacht. Denn ich befand mich wohl, obschon alle anderen Passagiere mehr oder weniger an der Seekrankheit litten, und ich ging oft hinauf, um mich an dem schönen Schauspiel zu weiden. Dazwischen hinein schlummerte ich, lieblich gefächelt von den Seewinden durch die offenen Fenster her.

Am folgenden Tage gingen wir ans Land und fuhren auf der Eisenbahn durch Nordcarolina, das sich als eine fortlaufende Strecke von Tannenwäldern mit einigen offenen Plätzen zur Anpflanzung von Baumwolle und Mais erwies — ein plattes, einförmiges und armes Land, mit Ausnahme des Saftes der Tannenwälder, woher es auch seinen Volksnamen „alter Theer und Terpentin“ (Old tar and turpentine) erhalten hat. Die nordwestlichen Theile des Staates sind bergig und haben viele Naturschönheiten. Mrs. H. sagte, der alte Theer und Terpentin sei durch nichts Anderes berühmt, als durch seine Ehrlichkeit und seine einfachen Sitten. Als andere Staaten in der Union sich weigerten, ihren Antheil an der Schuld gegen England zu bezahlen, welche sie gemeinschaftlich eingegangen hatten (ein verunglücktes Anlehen), gab der „alte Theer und Terpentin“ ein Beispiel von Treue und Pünktlichkeit im Worthalten und bezahlte seinen Theil an der Schuld ohne alle Umstände. Nordcarolina ist, obschon Sklavenstaat, einer der Hauptsitze der Quäcker in America gewesen und war stets durch sein patriarchalisches Leben und seine patriarchalischen Sitten bekannt.

An einigen Orten, wo wir unterwegs anhielten, war Laubwald, und dieser war wie gewöhnlich in den südlichen Staaten reich an mancherlei Baumarten. Ich zählte ihrer mehr als vierzehn in einem Walde. Mrs. H. war für mich unterwegs wie immer eine Quelle der Erquickung und des Vergnügens. Ich habe nie Jemand, weder Mann noch Frau, getroffen, der im Gespräch eine so anregende, ich möchte fast sagen, so entwickelnde Wirkung ausübte. Wir folgen uns wie zwei Vögel, die zwischen Himmel und Erde, von Stern zu Stern, von Land zu Land, von Baum zu Baum, von Blume zu Blume auf und abfliegen. Ich lerne viel bei ihr. Mit ihrem Mann, dem hochgeachteten Naturforscher Holbrook, ihrer Schwester Miß Lucas und ihrer alten schönen Mutter, führt sie ein schönes und reiches Familienleben.

Gegen Abend dieses Tages kamen wir an das Dörfchen Weldon auf der Gränze zwischen Nordcarolina und Virginien, wo der wilde schäumende Fluß Roanoke seine Wellen rollt und die beiden Staaten trennt.

In der Abenddämmerung ging ich an den Fall hinab und sah ihn schäumen und tosen. Die Feuerfliegen tanzten funkelnd unter den düstern Gewölben der Bäume. Die Natur war hier romantisch wild und schön, die Gegend aber so öde und still, als wäre sie ohne Menschen.

Wir hatten eine gute Nachtherberge, und obschon ich von einer Migraine heimgesucht wurde, so konnte ich doch zu meiner Freude an folgenden Tag die Reise auf einem langsamen Eisenbahnzug fortsetzen, der uns ganz gemächlich und gemüthlich durch Virginiens Wälder nach Virginiens Hauptstadt Richmond führte, welche 30,000 Einwohner (die Hälfte davon farbig) zählt und eine romantische Lage auf den Höhen und in den Thälern am St. Jamesflusse hat. Und da bin ich jetzt. Von meinen Reisegesellschaftern mußte ich schon gestern Abend Abschied nehmen. Sie setzten heute früh ihre Reise nach Saratoga fort, wo sie den Brunnen trinken und baden wollen. Später im Sommer gedenke ich ebenfalls dahin zu gehen, aber nicht um den Brunnen zu trinken, sondern um diese Scene des americanischen Gesellschaftslebens zu sehen, welche, wie man mir gesagt hat, die schlimmite Seite desselben darstellt, die fashionable, kalte Unsittlichkeit und Gewissenlosigkeit im Galakleide.

Später.  

Pfui über eine solche Predigt! Just eine Predigt um, wenn sie die einzige Quelle zur Erkenntniß Gottes wäre, die Leute zu Atheisten oder Kohlköpfen zu machen. Mich machte sie ungeduldig und ärgerlich. Der junge Geistliche goß mit großer Selbstgefälligkeit den Kelch des Zornes voll von Drohungen und Strafgerichten in seiner calvinistischen Strafpredigt über Sünder aus, die sich in der Kirche nicht vorfanden, wenigstens wenn ich nach ihrem äußeren Ansehen urtheilen darf. Die Kirche war sehr schwach besucht; ein Theil des Publicums schlief. Einige sehr wohlgenährte und wohlgekleidete ältere Herrn, die auf einer Bank vor mir saßen, zogen von Zeit zu Zeit ihre Uhr heraus, vermuthlich nur um zu sehen, wie sich die Stunde zur Mittagszeit verhielt, denn an das jüngste Gericht dachten sie offenbar nicht, obschon der junge Geistliche gewaltig von ihm und von der bevorstehenden Strafe für die Gottlosen donnerte. Freilich hielt sich der Strafprediger auch so am Abstracten und Leeren, daß keine seiner Sündenbeschreibungen die Häupter der Leute zu berühren schien, die auf den Bänken saßen. Aber ich habe auch schon manchen andern Priester für eine Zuhörerschaft predigen gehört, die sich offenbar in der Kirche nicht vorfand.

Ich bleibe ein paar Tage hier und will dann unserem Landsmann Professor Scheele de Vere in Charlotteville, der Universität Virginiens, einen Besuch abstatten, kehre aber hernach auf einige Zeit hieher zurück.

Den 18. Juni.  

Ich habe gestern und heute eine ganze Menge freundlicher Besuche und ditto Einladungen erhalten. Unter den letzteren war auch eine Einladung auf ein Landhaus in der Nähe der Stadt, die ich für die Zeit meiner Rückkehr von Charlotteville sogleich annahm, so wohl gefielen mir die Personen, von denen sie ausging, eine Mrs. van Lee (Wittwe) und ihre Tochter; so viel seelenvolle Güte und Zartheit des Gefühls strahlte aus ihren sanften Gesichtern. Die Tochter, eine anmuthsvolle, bleiche Blondine, äußerte sich über den Zustand der Sklaven mit einer Theilnahme, die mich sogleich zu ihr hinzog.

Sie führte mich gestern zu Wagen in Richmonds schönen Umgebungen spazieren. Zu ihnen gehörte der große parkartige Kirchhof mit Anhöhen und Thälern. Die ganze Gegend von Richmond bietet einen reichen Wechsel von Hügeln und Thälern, und überall ist der St. Jamesfluß ein bedeutender und erfrischender Zug in der Landschaft, die er in mannigfachen Biegungen und Krümmungen durchschneidet. Obschon wir demnächst in der Mitte des Sommers sind, war es doch so kalt, daß ich in dem offenen Wagen ordentlich fror, und die Luft war hart und scharf.

Hernach fuhren wir nach einer großen Tabaksfabrik, denn ich wünschte die Einrichtung zu sehen, wo Virginiens Hauptproduct verarbeitet wird. Hier hörte ich die Sklaven (ungefähr hundert an der Zahl) während ihrer Arbeit in großen Sälen vierstimmige Choräle singen. Sie sangen so rein und so vollkommen harmonisch, daß ich kaum glauben konnte, daß sie Autodidacten waren. Und dennoch war es so. Gott hat diesen armen Geschöpfen die Gabe des Gesanges zum Trost in ihrer Prüfungszeit verliehen. Und ihr Leben in der Tabaksfabrik ist wahrhaftig kein Leben im Lande Canaan. Ein Theil der Arbeit, z. B. das Rollen der Tabaksblätter, womit sie gerade beschäftigt waren, scheint leicht genug zu sein; aber das Zusammenpressen derselben zu festen Kuchen mittelst Schraubmaschinen, welche durch die Kraft der Hände und der Brust gewendet werden, ist so schwer, daß es nicht selten Brustkrankheiten verursacht, und die Arbeiter Gesundheit und Leben kostet. An den Gestank und Schmutz, der in den Tabaksfabriken immer vorherrscht und mir mörderisch vorkommt, kann man sich vermuthlich gewöhnen, wenn man von Kindheit an da beschäftigt ist. Da die Arbeit hier in der Fabrik Abends um sechs Uhr aufhört und die Arbeiter dann für den Rest des Tags frei werden, so klang, da diese Stunde jetzt herannahte, der schöne Gesang der Sklaven: „Hallelujah! Amen!“ nicht wie eine Parodie. Aber heiter tönte er eben so wenig, und die Singenden sahen nicht heiter aus. Die gute Miß van Lee vermochte ihre Thränen nicht zurückzuhalten. Die Sklaven waren sämmtlich Baptisten und sangen keine andere als geistliche Lieder. Die heitern, sonnigen Negerlieder bekommt man hier bloß in den Sklavenverkaufhäusern oder den sogenannten Negrojails zu hören. Hätten diese Sklaven nur irgend eine Zukunft, irgend Etwas, worauf sie hoffen, wornach sie streben, wofür sie leben könnten, irgend eine Aussicht .... dann würde ich ihr Loos nicht beklagen; aber Nichts, Nichts!!! Die unendlich wenigen, welche durch die Colonisationsarbeit ihre Freiheit erlangen, können im Verhältniß zu der Menge derjenigen, die gar keine Hoffnung haben, nicht gezählt werden.

Bei meinem Abschied aus der Fabrik erhielt ich von dem Eigenthümer, einem dicken und freundlichen Herrn, rath einmal was, zum Geschenk — einen großen Kuchen Kautabak. Das Geschenk war so characteristisch sowohl für die Fabrik als für Virginien, daß ich es mit besonderem Vergnügen annahm, zumal da es von ausgesuchter Güte sein soll. Ich hielt es auf der Heimfahrt so lang als möglich vor meine Nase, aber ich weiß in Schweden Munde genug, die seine Annehmlichkeit sehr preisen werden.

Auf den Abend war ich zu einer großen Parthie eingeladen, bei welcher tausend Personen, der Rahm von Richmonds Gesellfschaft, sich einfinden sollten.

„Er ist der härteste Sklavenbesitzer in der ganzen Gegend. Man erkennt seine Sklaven auf der Straße sogleich an ihrem ausgehungerten Aussehen.“

„Ja, er ist ein böser Mann, aber er ist sehr reich.“

So hörte ich einige meiner Bekannten und selbst Sklavenbesitzer gestern Abend mit einander reden. Ich fragte: „Wer ist so böse und zugleich so reich?“

„Just dieser Herr, zu welchem Sie auf morgen Abend zu dem großen Fest eingeladen sind,“ lautete die Antwort. Ich erkundigte mich bei einigen andern Personen noch näher nach dem Verhältniß und fand, daß die Sache allgemein bekannt war.

„Und gleichwohl wird sein Haus von der besten Gesellschaft der Stadt besucht?“ sagte ich verwundert; „und dennoch behaupten Sie, daß die öffentliche Meinung den Sklaven schütze und den bösen Herrn bestrafe?“

„Mr. N.'s Frau und Tochter sind so gut und so liebenswürdig! Nur ihnen zu liebe geht man mit Mr. N. um.“

Ich aber vermuthe, daß Mr. N.’s Reichthum eben so großen Antheil an dieser Nachsicht hat, als die Seelengüte seiner Frau und Tochter.

Ich dankte für die Einladung, sagte aber ab.

Wenn diese vielgepriesene Gerechtigkeit der öffentlichen Meinung sich gegen den reichen Sklavenbesitzer kehren soll, so muß irgend etwas recht Schreckliches und Augenfälliges ans Tageslicht gekommen sein. Dieß ist auch neulich in Virginien geschehen. Ein reicher Plantagenbesitzer nicht weit von hier hat vor einiger Zeit einen seiner Hausklaven, einen Mann, der sein vertrauter Diener war, durch die grausamste Mißhandlung getödtet und zwar bloß um eines Verdachtes willen. Die Sache war so abscheulich, daß sie allgemeinen Unwillen erregte und der Mörder vor Gericht gezogen wurde. „Hätte Gerechtigkeit gewaltet, so hätte der Mann hängen müssen,“ hörte ich gute Sklavenbesitzer sagen; aber er war reich, er opferte einen bedeutenden Theil seines Vermögens den Advocaten, und diese wandten und drehten die Sache und das Gesetz so, daß das Gericht, das erst kürzlich seinen Spruch gethan hat, den Mörder bloß zu fünf Jahren Zuchthaus verurtheilte. Viele aufrichtig gesinnte Menschen hier nennen dieß eine Schande. Aber das Gewissen der Sklavenstaaten ist zum Sklaven gemacht.

Zu einer gleich großen Strafe wurde neuerdings eine alte freie Negerin verurtheilt, weil sie einer jungen Negerin zur Flucht in die freien Staaten zu verhelfen suchte. Der Gouverneur schlug ihr Gnadengesuch ab „aus Rücksicht auf die gegenwärtig obwaltende Stimmung zwischen den freien und den Sklavenstaaten.“

Mammon und Menschenfurcht!

Heute habe ich auf dem Kapitol einer Sitzung des großen Convents angewohnt, der hier versammelt ist, um die Verfassung des Staats umzubilden oder vielmehr weiter auszubilden. Ich hatte da das Vergnügen, viele wohlgebildete Köpfe und Stirnen, und männliche, kräftige Gestalten unter den 130 hier versammelten Gesetzgebern zu sehen, und ich schüttelte mehreren von ihnen freundlich die Hand. Aber eine Frage wegen eines Beitrags zur Förderung des Erziehungswesens wurde bis auf Weiteres ad acta gelegt, ohne große Aufmerksamkeit zu erwecken. Die Versammlung beschäftigte sich hauptsächlich mit Fragen, welche die Einsetzung mehrerer Richter auf dem Land wegen der vermehrten Volksmenge berührten. Die Richtung dieses Convents war dieselbe wie bei dem Convent in Ohio und ging darauf hinaus, in die Hände des Volkes eine größere Macht zu legen, als vorher, durch seine Theilnahme an der Wahl der Richter und anderer Beamten, die früher unmittelbar von der gesetzgebenden Gewalt des Staates eingesetzt worden waren. Es freut mich, America in seiner demokratischen Richtung seinem Grundprincip getreu voranschreiten zu sehen. Denn wenn auch die neuen Schritte, die jetzt auf diesem Weg gethan werden, keinen augenblicklichen Nutzen mit sich bringen, so haben sie doch einen entschiedenen Nutzen für die große Volkserziehung zum bürgerlichen Bewußtsein, die hier vor sich geht.

In dem großen rotundaartigen Vorsaal des Capitols steht eine Bildsäule Washingtons, ausgeführt von dem französischen Bildhauer Houdon. Ich bin mir nicht bewußt ein älteres Kunstwerk und eines, das auf vollkommenere Weise das Menschenideal in dem Alltäglichen und Wirklichen darstellt, gesehen zu haben. Das ist der Präsident Washington mit dem starken Kinn und der etwas steifen Gestalt in dem alten Costüm, und das ist zugleich der Typus für den Mann der neuen Welt, mit diesem edeln, selbstbewußten und wohl gewiegten Geist, den die Americaner für die höchste Vortrefflichkeit erklären, in Harmonie mit sich selbst, seines Wegs und seines Zieles sich bewußt, entschlossen bis ans Ende auszuharren, ohne Jemand zu fragen außer dem göttlichen Rathgeber. Er hat das Schwerdt an den Pfeiler gebunden und steht am Pfluge, in nachdenklicher Ruhe, ohne Stolz, aber ohne Zögern, den großen, seelenvollen Blick auf die Zukunft gerichtet — — in Wahrheit ein herrliches Bild, eine herrliche Säule, und ich freue mich sie noch einmal zu besuchen, wenn ich hieher zurückkomme.

Aber jetzt räume ich die Stadt und reise nach Charlotteville.




Charlotteville, den 20. Juni.  

In Professor Scheele de Veres schönem Haus! Professor de Vere hat sich, seit er in Schweden war, ein allerliebstes Weibchen, hübsch und gut, angeschafft, und beide Gatten empfingen mich aufs Freundlichste. Ich befinde mich hier in einer schönen Berggegend mit der Aussicht auf die Bergkette the blue ridge (die blaue Erhöhung), welche das große Virginienthal begränzt, das zwischen diesem Bergrücken und einen andern genannt north mountain ridge liegt, welche beide Theile der Alleghanikette sind. Rund um die Universitätsgebäude, welche der frühere Präsident Jefferson mit Pracht und Regelmäßigkeit aufgeführt, liegt die Gegend mit wogenden Höhen und Thalabhängen gleich einer grünen Matte, mit zierlichen Landhäusern und kleinen Farms geschmückt — eine schöne, fruchtbare Landschaft, wo Nichts fehlt als das Wasser. Zuvörderst unter den hübschen Villen liegt auf einem hohen Hügel Jeffersons Sommerlust Monticello, mit schönen Bäumen und einer freien Aussicht über die Gegend und über die Universität, deren Stifter er war. Ich besuchte den Platz gestern Nachmittag mit meinen neuen Freunden. Das Haus stand jetzt verödet, es war sehr verfallen und ging offenbar seiner Zerstörung entgegen. Die Einrichtung deutete auf einen Eigenthümmer, der kein übermäßiger Anhänger der republicanischen Einfachheit war. Ein Salon mit Mosaikboden war sehr prachtvoll. Aber überall vermißte ich das Ansehen der Behaglichkeit, einer angenehmen, freundlichen Heimath.

Jefferson war ein Freund von Thomas Payne und gleich ihm Atheist, und seine Sitten verriethen einen Mann von minder strenger Moral. Seine Portraits und Büsten, zeigen eine Physiognomie von energischem aber unruhigem Leben; man sieht eine kämpfende Natur, hartnäckig und durch Widerspruch leicht zu Extremen geneigt, im Uebrigen thätig, heiter, mittheilsam. Die Stirne ist mehr breit als hoch. Washingtons edles Wesen und seine Ruhe wird vermißt. Jefferson liebte sein Volk und brachte dessen Freiheitsbestrebungen zum Ausbruch in dem großen Act der Unabhängigkeitserklärung, die noch mehr ein Product des Zeit- und Volksgeistes als seiner Stirne und seiner Feder war.

Von Monticello aus sah ich die Sonne schön untergehen, nachdem sie sich aus verdüsternden Wolken befreit hatte; ein Sonnenuntergang, der mehr dem Lebensathem Washingtons als Jeffersons glich. Im Park umherwandelnd labte ich mich an dem unendlich lieblichen Wohlgeruch, welcher die Luft erfüllte, und den ich in America oft gefunden habe. Man sagte mir, er komme von den Blüthen der wilden Weinranke. Sie wächst hier üppig wie in allen Staaten Nordamericas. Nirgends so wie hier scheint die Prophezeiung in Erfüllung zu gehen, daß Jedermann im Schatten seines eigenen Weinstocks und Feigenbaums ruhig sitzen und Niemand ihn verhindern werde.

Später am Abend sah ich einen großen Theil der Universitätslehrer und ihrer Frauen, unter welchen einige recht hübsche waren. Der Präsident M. Harrison, ein Mann mit schönen, tiefen Augen und einem stillen gemütlichen Wesen, gewann meine Neigung ganz besonders. Die Universität wird wegen der gründlichen Gelehrsamkeit, die hier zu Hause ist, sowie wegen der strengen Forderungen, die man an die Studirenden macht, gerühmt. Der Jüngling, der auf dieser Universität das Diplom erhalten hat, kann mit Sicherheit auf eine gute Anstellung und ein Amt rechnen, sobald er abgeht. Es ist auch eine besondere Einrichtung da, welche armen Jünglingen mit guten Anlagen und Lust zum Studiren Gelegenheit gewährt sich kostenfrei auf der Universität aufzuhalten.

Als Jefferson die Akademie gründete, verwies er Kirche und Priester daraus. Sie bekamen keinen Raum an seinem Gelehrsamkeitssitz. Aber so klar ist bei diesem Volk die Einsicht, daß das Staatsleben des kirchlichen Lebens und des Priesters in der Gemeinde bedarf, daß bald nach Jeffersons Tod in einem der Universitätsgebäude ein Saal zur Kirche eingerichtet wurde, und die Vorsteher der Universität übereinkamen Priester verschiedener kirchlicher Confessionen zu berufen, um abwechselnd den Dienst zu versehen, so daß die vornehmsten kirchlichen Secten in den Vereinigten Staaten, Episcopalen, Calvinisten, Methodisten u. s. w. hier vertreten waren, daß Niemand über illiberale Ausschließung klagen konnte, und die studirende Jugend Gelegenheit erhielt Lehren aller Art zu vernehmen. Die academische Dienstzeit für jeden auf solche Art berufenen Priester ist auf zwei Jahre festgesetzt. Der gegenwärtig hier angestellte Prediger gehört der episcopalen Kirche an. Diese gute Anordnung ist von den studirenden Jünglingen so aufgenommen worden, daß sie, obschon ihre Theilnahme am Gottesdienst sowie ihre Beiträge für den geistlichen Lehrer lediglich ihrem eigenen Gutdünken anheimgestellt sind, den ersteren selten, selbst bei den Morgen- und Abendgebeten nicht, versäumen und sich den letzteren nicht entziehen.

Der an die Kirche überlassene Saal ist höchst einfach und liegt niedrig, gleich als trüge er Scheu sich über die Erde zu erheben, um nicht von dem Geist von Monticello bemerkt zu werden. Er scheint noch gespensterscheu zu sein.

Ich gedenke über den großen Examens- und Preisvertheilungstag in Charlotteville zu bleiben, um noch Einiges mehr von Virginiens jungen Söhnen und die Blüthe seiner Schönheiten zu sehen, die auf dieses Fest hier erwartet werden. Inzwischen beabsichtige ich einen Ausflug über die blauen Berge und in das Virginiathal hinein, wo ich eine berühmte Grotte zu sehen wünsche, die nach ihrem Entdecker Weihers Cave heißt. Vielleicht dehne ich meinen Ausflug noch weiter westwärts nach den Berggegenden Virginiens aus, um da die natürliche Brücke und andere Naturwunder zu sehen, die sehr gerühmt werden. Es kommt da auf Zeit und Umstände an. Mein gefälliger Wirth und Landsmann, Professor de Vere, ist mir ein guter Freund und Rathgeber. Heute Nachmittag reise ich in der Diligence ab, begleitet von einem prächtigen gelehrten und guten alten Herrn.

Charlotteville, den 26. Juni. 

Ich komme just von meinem Ausflug auf die blauen Berge zurück, aber nicht in der Diligence. Dort war es so eng und heiß, daß ich kaum hineingekommen sogleich wieder herauseilte, sie fahren ließ, und durch Vermittlung meines freundlichen Wirthes einen eigenen Wagen mit zwei Pferden und einem Neger als Kutscher miethete. Und jetzt, mein Herzchen, siehst du mich ganz allein da sitzen, frei und leicht wie ein Vogel auf dem Zweig, und ganz glücklich darüber, daß ich so in Einsamkeit und Freiheit die großartige, romantische Gegend überschauen darf. Und mein Neger Davis ist der gutmüthigste Neger von der Welt, er fährt sicher, kennt alle Plätze, ist um die Pferde und um mich besorgt. An diesem Tage kamen wir nicht weiter als bis an den Fuß der „blauen Höhe,“ wo wir eine Nachtherberge nahmen.

Am folgenden Morgen, am 24., wanderte ich im Sonnenaufgang über die blauen Berge hin und zwar meistens zu Fuß, um das herrliche Schauspiel des Sonnenaufgangs über die Thäler von Ost- und Westvirginien auf beiden Seiten des Blue Mountain ridge (blauen Bergrückens) zu genießen. Es war ein schöner, klarer, aber kalter Morgen in der frischen Bergluft. Der Weg war gut und reiche Massen von schönem Laubwald begleiteten ihn den Berg hinan. Mein bescheidener Neger folgte mir zu Fuß, bezeichnete mir Albemarle und Nelson County, und erlabte sich mit unverkennbarem Vergnügen an den großen schönen Aussichten, woran bloß Wassergänge mangelten. Auf der Höhe des blauen Bergrückens angelangt, sah ich gerade gegenüber einen andern gleich hohen blauen Bergrücken ganz von derselben Lage. Es war der nördliche Bergrücken. Zwischen diesen beiden Bergrücken streckte sich das Virginienthal in Osten und Westen hin, eine große fruchtbare Landschaft, mit wohlbestellten kleinen Höfen, Aeckern und Waideplätzen — ein stille blühendes, angebautes Land, dessen freundliche Häuser den Eindruck machen, als müsse aus ihnen ganz natürlich ein Vaterunser emporsteigen; denn Alles ist idyllisch, hübsch und friedlich, kein stolzer Herrenhof, keine arme Hütte, alle Loose scheinen gleich gut, und nur die Kirchen, die Gotteshäuser ragen ein wenig hervor in den Gemeinden.

Wir fuhren ins Thal hinab und um die Mittagszeit kam ich zu der berühmten Grotte, die in einem Berg am Ufer des muntern Flüßchens Shenandoah liegt. Daneben ist ein Gafthof für Reisende, und ein dicker freundlicher Wirth begleitet sie beim Besuch in der Grotte. Ich war jetzt allein da und konnte die Grotte ganz allein für mich haben; der Wirth und Davis folgten mir mit Fackeln und zündeten da und dort in der Grotte Lichter an.

Man kommt durch eine ganz kleine Thüre oben im Berge hinein, und einige Gänge sind schmal und beschwerlich genug, daß man hindurchkriechen muß, aber dafür wird man auch durch den Anblick prächtiger Bergsäle und überraschender Figuren belohnt. Es nahm uns ungefähr zwei Stunden weg, um in den bedeutendsten Theilen der Grotte herumzukommen. Die Stalactitbildungen waren denjenigen ähnlich, die ich in den Grotten auf Cuba gesehen hatte, aber gewisse bestimmte Formen kehrten hier öfter zurück. Unter ihnen waren besonders die geriefelte Säule, Orgelpfeifen, Thürme, Wasserfälle wie von gefrornen schäumenden Wassern, aus den Mauern hervorstehende Schilde nebst Spießen, ungeheure Draperien, die oft in den weichsten plastischsten Falten herabhingen; — wenn man mit dem Stock darauf schlug, so gaben sie einen starken klangvollen Ton, der in den unterirdischen Gewölben wiederhallte; — ferner Alcoven und in diesen vereinzelt stehende Bilder, die Menschenlarven gleichen. Zwischen diesen Gestalten ist an den Bergwänden entlang ein Gewimmel phantastischer Formen, von Thieren, Blumen, Flügeln, die sich von den Wänden losmachen zu wollen scheinen, Städten, die aus dem Boden heraufdringen, mit Straßen, Märkten und Thürmen, kurz Alles, was eine gute Einbildungskraft hier sehen will. Es ist eine geheime Kirche, wo die ganze Naturwelt in steinernen Larven vorgebildet ist, ein dunkler Traum des Bergkönigs vom Leben der Lichtwelt; denn auch Sonne und Mond sind hier in großen, runden, weißen Scheiben vorgestellt, die aus tiefen Gewölben hervorscheinen. Da sind große Säle, in deren Mitte zwei bis drei einsame Steinbilder immer mit dem Schatten von Menschen stehen. Man sieht den Helden bereit sein Schwerdt zu ziehen; da ist der Philosoph in seine Betrachtungen versunken; da ist ein Weib mit einem Kind in seinen Windeln; im Ganzen ist es eine unheimliche Welt, in welcher das Leben mitten unter seinen Ahnungen erstarrt ist. Eine kleine klare Quelle, deren musicalisch tropfender Fall weithin gehört wurde, bot einen kalten Labetrank an und war das Einzige, was hier Leben verkündete. Es war so kalt in der unterirdischen Welt, und ich befand mich sowohl körperlich als geistig so unwohl, daß ich froh war hinauszukommen und wieder Gottes warme Luft und Sonnenlicht zu trinken.

Es war ein unendlich schöner Abend und die Gegend glich der schönsten Idylle. Ich erfreute mich daran unter einsamen Wanderungen an dem munter brausenden und tanzenden Flüßchen Shenandoah hin und oben unter den duftenden Feldern, wo das Heu ungemäht lag und wo man vor Kurzem die Weizenernte begonnen hatte. Die goldenen Aehren fielen vor großen Sensen, die mit einer hölzernen Vorrichtung versehen waren, welche das Korn büschelweise auf die Seite warf. Es sah schwerfällig aus, ging aber ganz gut von Statten. Nur Männer, keine Weiber waren auf den Feldern sichtbar. Die Männer verrichten hier zu Lande alle Geschäfte außer dem Hause und melken auch die Kühe. Die Weiber bleiben im Hause, die weißen nemlich; die schwarzen werden nicht als Angehörige des schwächeren Geschlechts betrachtet.

Als ich in meine Nachtherberge zurückkam, saß ein schöner alter Mann auf dem Gras unter den Bäumen am Hause und las in einem dicken Buch. Später ließ ich mich in ein Gespräch mit dem Manne ein, und bat ihn mir das Buch zu zeigen. Es war von der Sekte der Vereinigten Brüder herausgegeben und stellte ihre Lehre in Worten und Kupferstichen dar. Diese schien mir eigentlich in einer mehr buchstäblichen Befolgung der Gebräuche der ersten Christen zu bestehen, als in der Regel üblich ist. So sind unter den Mitgliedern der Sekte die Fußwaschung als religiöse Ceremonie, das Küssen, wenn sie einander begegnen, und ähnliche Gebräuche aus früheren Zeiten üblich. Diese Sekte, die auch Dunkers genannt wird, ein Wort, das Täufer oder Taucher bedeuten soll, ist zahlreich in diesem Theil des Virginienthales; sie soll ursprünglich aus Holland stammen und zeichnet sich durch ihre religiöse Beschränktheit und ihren Stillstand in dieser Beziehung, im Uebrigen aber durch große Eintracht, Bruderliebe unter einander und bedeutende Betriebsamkeit aus.

Vor zwei Wochen sah man an der Weihersgrotte eine berathende Versammlung von Dunkers, in welcher 200 Männer mit langen Bärten und langen Haaren die wichtigsten Angelegenheiten der Sekte verhandelten. Eine der Hauptfragen, welche vorkamen, war, ob es Sünde sei oder nicht Blitzableiter auf seine Häuser zu setzen. Der Beschluß, zu welchem die Versammlung nach zweitägiger Erörterung kam, ging dahin, daß die Brüder, die bereits Blitzableiter auf ihren Häusern hätten, nicht ermahnt werden sollten sie wegzunehmen, aber die Brüder, die noch keine angebracht hätten, sollten stark ermahnt werden dieß zu unterlassen und dem Herrn allein mit Zuversicht den Schutz ihrer Häuser anheimzustellen. In Folge dieses Stillstandsprincips lassen die Dunkers Haar und Bart in schönster Ruhe wachsen, und würden, wenn sie recht consequent wären, auch ihre Nägel nicht schneiden; sie machen aber Ausnahmen, wenn sie es für gut finden. Sie taufen einander in Flüssen, indem sie den ganzen Körper ins Wasser hinabsenken — daher wahrscheinlich auch ihr Name — ; sie haben Versammlungshäuser und Versammlungen wie die Quäker, in denen bald gesprochen wird, bald allgemeine Stille stattfindet und überdieß noch die Fußwaschung. Sie treiben den Ackerbau, haben dabei ihr ganz gutes Auskommen, sind mittheilsam gegen einander, aber etwas hochmüthig und herb gegen diejenigen, die sie Weltkinder nennen.

Während die Dunkers auf diese Art festgewachsen am Buchstaben und an der Erde im Virginienthal stillstehen, bildet sich im westlichiten Theil Virginiens eine große Colonie unter dem Namen Egalitarier, die unter der Leitung französischer Colonisten bedeutende Ländereien gekauft haben, um allda einen Staat zu gründen, dessen Richtung von der Dunker'schen wesentlich verschieden ist. Glückliches Land, wo Alles versucht werden kann, wo jede Richtung des menschlichen Gemüths ihren Wirkungskreis und ihren Platz erhält zum Nutzen der vielseitigen Entwicklung des Menschengeistes und ohne Schaden für irgend Jemand.

Als ich am nächsten Morgen von der Weihersgrotte wegreiste, besuchte ich eine Farm, die einer Dunkerfamilie gehörte. Sie lag nicht weit von der Landstraße und schien mir das Ideal eines kleinen Bauernhofes zu sein, so nett und ansprechend, so hübsch gebaut und so gut gehalten mit ihrem Garten und ihren Obstbäumen. Der langbärtige Mann war außen auf dem Felde, aber die Frau, eine derbe Alte in quäkerähnlichem Aufzug, war daheim und betrachtete mich mit schiefen argwöhnischen Blicken. Sie hatte einen stark holländischen Accent, war nicht leicht ins Gespräch zu bringen, und nachdem ich das erbetene Glas Wasser bekommen und mich ein wenig sowohl in als außer dem Hause umgesehen hatte, setzte ich meine Reise an dem schönen Morgen zwischen den beiden Bergrücken zu meiner Rechten und Linken nach dem Städtchen Staunton fort. Hier dinirte ich en famille bei einem Advocaten, Mr. Baldwin, dessen Unterhaltung mich interessirte. In Staunton sind einige schöne allgemeine Anstalten, worunter ein großes Irrenhaus, das nach denselben Grundsätzen wie Blumenthal und das Irrenhaus von Philadelphia eingerichtet ist und dieselben erfreulichen Resultate liefert. Die Heilung ist Regel, wenn die Geisteskranken im Anfang ihrer Krankheit hingebracht werden; Unheilbarkeit ist Ausnahme.

Man bat mich wohlwollend in Staunton zu bleiben; aber ich wünsche meine Rückreise fortzusetzen und bei Sonnenuntergang befinde ich mich wieder auf der Höhe der blauen Berge mit den stillen Thälern im Osten und Westen unter meinen Füßen, mit weißen kleinen Gehöften zwischen den goldenen Ackerfeldern — dem Ansehen nach Wohnstätten des Friedens, allein der Kampf um Mein und Dein wird auch dort mitunter sehr heftig behandelt und verursacht viele Spaltungen. In der Dämmerung kehrte ich am Fuße des Berges in einem schönen und freundlichen Hause ein, wo Alles so gut und die Luft so frisch war, daß ich in Versuchung gerieth dazubleiben. Aber Davis und seine Pferde waren mir eine theure Zugabe; deßhalb fuhr ich weiter nach Charlotteville und hatte eine schöne Reise dahin durch die fruchtbare Gegend.

Ich verweile jetzt ruhig über die Examenstage hier, reise dann nach Richmond zurück und will nach mehrtägigem Aufenthalt daselbst Harpers ferry besuchen, wie man sagt, eine der schönsten und romantischsten Gegenden Virginiens bei der Vereinigung des Potomak und des Shenandoah, des muntern Flüßchens, das an der Weihersgrotte vorbeitanzt, gelegen. — Ich will mich fertig halten zu Ende Augusts America zu verlassen, und deßhalb muß ich meinen Wunsch noch mehr von den Gebirgsgegenden Virginiens zu sehen aufgeben. Ohnehin hat Virginien keine Gebirgsgegenden, die sich an Größe mit den weißen Bergen vergleichen ließen, und diese will ich noch besuchen.

Während ich in diesem schönen und friedlichen Hause verweile, wo zwei gute junge Eheleute einander glücklich machen und ihren Genuß darin finden die Freuden des Lebens mit einem Kreis von Freunden zu theilen, lese ich Virginiens älteste Geschichte und male Bilder aus derselben. Virginiens erste bekannte Geschichte zeichnet sich durch eine romantische Episode aus, die so hübsch und so rührend ist, daß ich sie hier für Dich niederschreiben muß, wie ich das Portrait ihrer Heldin, der jungen Indianerin Matoaka oder Pocahuntas für Dich gezeichnet habe.

Als Nordamericas östliche Küstenländer zum ersten Mal von englischen Seefahrern unter der Regierung der Königin Elisabeth untersucht wurden, machten diese so bezaubernde Schilderungen von ihrer Schönheit und Fruchtbarkeit, daß Elisabeth das neue Land dadurch näher mit sich verbinden wollte, daß sie ihm den Namen gab, den sie selbst zu führen liebte, nemlich Virginia. Virginien wurde der symbolische Name für die neue jungfräuliche Erde und England kannte sie Anfangs bloß unter diesem Namen. Auch die Pilger von Leyden glaubten, als sie von Wind und Wellen an den Strand von Massachussets getragen wurden, nach den nördlichen Theilen Virginiens zu fahren, wo sie ihre Colonie gründen wollten.

Vor ihnen waren englische Abenteurer aus den südlichen Theilen Virginiens im Land eingedrungen, um Gold zu suchen. Die meisten von ihnen waren in Folge von Ausschweifungen und climatischen Krankheiten elend zu Grunde gegangen. Der ehrgeizige und kühne Abenteurer John Smith, der ebenso viel Klugheit als Muth besaß, brachte es durch seinen persönlichen Einfluß dahin, daß er einer kleinen Colonie, die sich am St. Jamesfluß niedergelassen und daselbst eine Stadt mit Namen Jamestown gegründet hatte, einigen Bestand geben konnte. Da wo jetzt Richmond steht und etwas über dem Fall des Flusses hatte um diese Zeit der mächtige Indianerhäuptling Powhatan, der auch Kaiser genannt wurde, seine Residenz, und ihm gehorchte eine Menge kleinerer Indianerstämme, die ringsum in der Gegend gelagert waren, wo sie Ackerbau trieben. Als John Smith weiter über den St. Jamesfluß hinauf zu dringen versuchte, kamen er und seine Leute mit den Indianern ins Handgemenge. Seine Begleiter wurden massacrirt, er selbst gerieth in Gefangenschaft. Er war schon früher Gefangener gewesen und als Sklave in die Türkei verkauft worden, und unter manigfaltigen Abenteuern, die ihn sein rastloser Geist in Europa, Asien und Africa zu suchen gedrängt hatte, war er mit der Gefahr wohl bekannt geworden und zeigte sich unverzagt in jeder Lage, in die er kommen mochte. Mitten unter den Indianern, deren Haß und Grausamkeit er wohl kannte, stand er ruhig da und fesselte ihr Interesse dadurch, daß er ihnen einen Compaß zeigte und verschiedene Proben seiner Gelehrsamkeit und Kunst zum Besten gab. Dieß erweckte Staunen und Bewunderung. Er wurde als ein Wunderthier und Zauberer von einem Stamm zum andern umhergeführt und endlich vor den Kaiser Powhatan gebracht, der über sein Schicksal bestimmen sollte. Während Pomwhatan mit seinen Häuptlingen über den Fremdling und die Behandlung, die ihm zu Theil werden sollte, berathschlagte, brachte er seine Zeit damit zu, daß er Streitäxte für den Kaiser und ein Perlenhalsband für seine kleine Tochter, die Prinzessin Pocahuntas machte, ein Mädchen von 10 oder 12 Jahren, das durch die Schönheit und den Ausdruck ihres Gesichtes alle jungen Indianerinnen weit überragte und wegen ihres Geistes und Verstandes unter dem Volke nonpareille (ohne Gleichen) genannt wurde. Der Kaiser und seine Häuptlinge verurtheilten Smith zum Tode. Er sollte öffentlich den Göttern des Volkes geopfert und sein Kopf mit Keulenschlägen zerschmettert werden.

Man bereitete sich dazu als zu einem hohen Feste vor. Feuer waren vor den Götzenbildern angezündet. Powhatan saß auf seinem Ehrensitz, rund um ihn her standen seine Krieger. Smith wurde vorgeführt und auf die Erde gelegt. Sein Kopf wurde an einen Stein gelegt und die Streitkeulen über demselben geschwungen. Auf einmal sprang des Kaisers Töchterlein Pocahuntas vor, warf ihre Arme um Smiths Hals und legte ihren Kopf auf den seinigen. Die Keulen, die seinen Kopf zerschmettern sollten, mußten zuerst den ihrigen zerschmettern. Vergebens waren Drohungen, Bitten und Vorstellungen. Das Kind blieb hartnäckig dabei das Opfer mit seinen schützenden Armen zu umgeben und hielt fest seinen Hals umschlungen. Dieß rührte endlich die Herzen Powhatans und seiner wilden Krieger. Smith wurde der kleinen Prinzessin zu liebe begnadigt, und statt ihn als Feind zu behandeln, schloßen die Häuptlinge einen Bund mit ihm und ließen ihn zu seinem Volke gehen.

Das Verhältniß zwischen diesem und den Indianern blieb indessen fortwährend ein mißtrauisches und feindseliges, und die Indianer spähten fortwährend nach Gelegenheiten die Engländer zu überfallen. Aber Pocahuntas blieb beharrlich ihr guter Engel. Einmal als sie in großer Noth waren, kam das Mädchen mit Korn und Speisewaaren zu ihnen; ein andermal kam sie allein durch den Wald mitten in der Nacht, blaß und die Haare im Winde flatternd, in ihr Lager, um sie vor einem nahen Ueberfall zu warnen.

Ihre Schönheit und Lieblichkeit führte einige Jahre später einen gemeinen alten Abenteurer in Versuchung mit Hülfe einer Schaar gleich gewissenloser Gesellen sie ihrem Vater zu rauben. Aber ein edler und enthusiastischer junger Mann im englischen Lager, Namens Rolfe, wurde ihr Beschützer. Er meinte beständig, ja sogar im Schlaf eine Stimme zu hören, die ihm gebot, daß er das indianische Mädchen zu Christo bekehren und dann zur Frau nehmen solle. Und wenn der h. Geist ihn im Tone des Vorwurfs fragte, wofür er lebe, so lautete seine Antwort: „Um die Blinden auf den rechten Weg zu leiten.“ Er bekämpfte lange sein Gefühl für die junge heidnische Prinzessin als eine gefährliche Versuchung, gab aber doch endlich der mahnenden Stimme nach. Er gewann ihr Vertrauen und wurde ihr Lehrer. Sie lauschte willig dem Geliebten und Lehrer und wurde einige Zeit nachher öffentlich getauft in dem Kirchlein von Jamestown, dessen Gewölbe getragen wurde von den ungehobelten Fichtenstämmen aus ihres Vaters Wäldern, und wo auch der Taufstein aus einem ausgehöhlten Fichtenstamme bestand. Bald darauf ließ sich Rolfe ebenfalls dort mit Pocahuntas trauen und sprach ihr am Altar den englischen Trauungseid vor.

Dieß geschah, sagt man, mit Einwilligung ihres Vaters und ihrer Angehörigen, und ihr Oheim, der Indianerhäuptling Opachisco führte sie selbst zum Altar. Die Verbindung fand auch englischer Seits allgemeinen Beifall, und Rolfe segelte im Jahr 1616 nach England mit seiner indianischen Gemahlin, die unter dem Namen Lady Rebecca bei Hof vorgestellt wurde und durch ihre Schönheit, sowie ihre kindliche Naivetät allgemeines Entzücken hervorrief. Als Gattin und Mutter eines Sohnes war sie vortrefflich, sagt die Chronik von ihr; aber die jungen Gatten sollten ihr Glück nicht lange genießen. Das Clima Europa’s wurde für die Americanerin gefährlich und sie starb mit 22 Jahren in England. Ihr Sohn wurde in Virginien Stammvater mehrerer Geschlechter, die noch jetzt stolz darauf sind ihre Ahnen von der Indianerin Pocahuntas herzuzählen. Und ich wundere mich nicht darüber. Ihr Gedächtniß steht in seltener Schönheit und reinem Glanze da. Das Volk, das eine solche Tochter hervorgebracht, hätte von dem Volk, dem sie ihren Schutz verlieh, eine bessere Behandlung verdient, als ihm später zu Theil wurde.

Das Portrait der Pocahuntas, das ich copirt habe, zeigt sie in der Tracht vornehmer Engländerinnen zu den Zeiten Elisabeths; aber die indianischen starren Haarflechten hängen unter dem Hut an den Wangen hinab und verrathen ihren Stamm. Das Gesicht hat einen rührenden Ausdruck von kindlicher Güte und Unschuld; des Auges melancholische Anmuth und die Bildung des Gesichtes erinnern mich an das Federwolkenweib in Minnesota. Das Portrait ist im Jahr 1616 genommen, als sie 21 Jahre alt war, und trägt die Inschrift: Matoaka Rebecca, Filia Potentiss. Princ. Powhatan Imp. Virginiae.

Smiths Portrait, das ich auch abgezeichnet habe, zeigt einen entschlossenen, aber unschönen und sehr bärtigen Krieger. Seine Geschichte, auch in Virginien, ist eine Reihenfolge von Kämpfen, kühnen Handlungen und unglücklichen Ereignissen, bei denen er zuletzt unterging, ohne daß sein rastloses Kämpferleben eine schönere Erinnerung hinterließ als diejenige, die ihm durch die kindliche Zärtlichkeit des Indianermädchens zu Theil wurde. Was sein starker Arm nicht zu gewinnen vermochte, das gewannen für den ehrgeizigen Mann zwei zarte Kindesarme, die sich um seinen Hals schlangen.


Meine Vormittage habe ich wie gewöhnlich für mich selbst; die Nachmittage sind der Gesellschaft, Promenaden u. s. w. gewidmet. Ich habe einige der kleinen Farms in der Nähe, die von freien Negern verwaltet werden, besucht und sie ebenso sauber und freundlich gefunden, wie diejenigen, die den weißen Ackerbauern gehören.

Ich bin auch bei den Eltern meiner lieben Wirthin gewesen, einer Pflanzerfamilie nicht weit von hier, der Classe der guten Sklavenbesitzer angehörig, nicht reich genug, um ihre Sklaven zu emancipiren, aber zu gut, um sie nicht wohl zu versorgen und glücklich zu machen. Sie gehören zu den Vielen in diesen mittleren Sklavenstaaten, welche die Sklaverei so gerne aufgehoben sehen und weiße Arbeiter statt der schwarzen haben möchten, um ihren Mais und ihre Tabacksfelder zu bebauen.

In der Dämmerung sitze ich gern auf der Piazza unter den schönen Bäumen mit meiner lieben Wirthin und verlocke sie mir von ihrem reichen Leben im elterlichen Hause, von ihrer ersten Bekanntschaft mit ihrem jetzigen Mann, von der Freiwerbung und was dazu gehört, von ihrer Glückseligkeit als Gattin und Tochter zu erzählen — einen kleinen Roman, so rein und lieblich wie die Luft und die Blumendüfte, die uns in der stillen Abendstunde umgeben, während die Feuerfliegen in den dunkeln Schatten des Baumes umhertanzen. Die Liebe zu ihrem Vater war ihre erste Liebe; die Liebe zu ihrem guten Manne ist ihre zweite; und die dritte, zu dem Kind, das sie erwartet, erwacht jetzt, jedoch mit Angst und Zittern in ihrer jungen Brust.

An den Abenden sehe ich Gesellschaft zu Hause oder bin fort bei den Professoren. Die guten Herrn haben jetzt viel mit dem Examen und der Ausfertigung von Zeugnissen und Diplomen zu thun. Ein paar junge Studenten werden Abschiedsreden an den akademischen Senat halten, bevor sie diese Universität verlassen, wo sie jetzt ihre Studien mit Ehren vollendet haben, und ich bin eingeladen sie zu hören.

Den 28. Juni.

Eine von ihnen hörte ich gestern Abend, und ist die andere, die ich heute Abend hören soll, von demselben Schrot und Korn, wie ich vermuthe, so verspreche ich mir wenig Freude davon. Es ist merkwürdig, wie lähmend das Sklavereiinstitut auf die Jugend und auf gewöhnliche Intelligenzen wirkt, und der junge Redner von gestern Abend gehörte zu diesen letztern. Er war ein Jüngling mit feinen Zügen, von einem gewissen aristokratischen Ausdruck, aber ohne eigentlichen Adel darin. Man rühmte ihn wegen sehr guten Studien und ungewöhnlichen Rednertalents. Seine Rede strömte wirklich mit brausender Raschheit dahin; aber ein solches Geprahle über die Vereinigten Staaten Americas, ein solch pompöses Großsprechen vom Süden und des Südens Söhnen, „der Blüthe und Hoffnung der Union,“ nein, das war unerträglich! … Das einzige Hinderniß für die Größe, das Wachsthum und die wunderbar mächtige Zukunft der Vereinigten Staaten war — der Abolitionismus. Er war dieser Scorpion, diese Hyder im socialen Leben der Vereinigten Staaten, die man zertreten (der Redner stampfte heftig auf den Boden) und vernichten mußte; dann erst konnten der Süden und der Norden wie zwei mächtige Ströme sich vereinigen und gemeinsam ihrem großen ehrenreichen Ziele zueilen.

Was dieses ehrenreiche Ziel sein sollte, hörte ich nicht sagen, aber die Studenten, die in großer Menge versammelt waren, müssen es verstanden haben, denn sie applaudirten stürmisch und jede heroische Apostrophe auf den Heroismus und den Edelsinn des Südens rief eine Klatschsalve hervor. Nach der Rede erneuerten sich diese zu verschiedenen Malen und schienen kein Ende nehmen zu wollen. So zufrieden waren die Söhne des Südens mit dem Redner, mit einander und mit sich selbst.

Ich verließ den Saal mit betrübtem Herzen. Soll ich denn in den Sklavenstaaten nicht treffen, was ich bis jetzt geglaubt hatte, nämlich eine edle, freisinnige Jugend, welche die Verheißung künftiger Befreiung in sich trägt? Werde ich immer und immer wieder unter jungen Männern diesen Mangel an richtigem Blick, an Muth und Redlichkeit finden müssen?! Ich habe keine Lust den Redner heute Abend zu hören. Ich bin dieses alten Liedes müde.

Den 29. Juni.

Ich habe eine große unerwartete Freude gehabt; ich habe ein neues Lied singen gehört und … doch ich will Dir das in Ordnung erzählen.

Ich saß da wieder in dem vollgedrängten Saal bei Kerzenschein, und der Jüngling, der sprechen wollte, saß allein auf der erhöhten Estrade gegenüber der Versammlung, während diese zusammenkam. Es währte eine gute halbe Stunde, und mir schien, als müsse die Lage des Jünglings, der so allein dasaß und allen Blicken ausgesetzt war, nicht ohne Verlegenheit sein, und ich fragte mich, ob dieses Gefühl es sei, was einen gewissen Schleier über seine Augen werfe. Er war ein hochgewachsener Jüngling, von schönem kräftigem Gliederbau, schien mir jedoch noch nicht vollkommen ausgewachsen zu sein; sein Gesicht war rein und gut, nicht regelmäßig schön, aber dennoch schön mit seiner jugendfrischen Farbe und seinen bestimmten Zügen. Neugierig suchte ich aus ihnen die Seele des Jünglings zu erforschen. Aber diese lag wie verschleiert da. Die Stirne war offen, das Haar dunkelbraun und üppig.

Endlich kam der Augenblick, wo er sich erhob, um zu sprechen. Er that dieß mit großer Einfachheit, ohne Grazie aber ohne Verlegenheit, und begann seine Rede ohne die Leichtigkeit des früheren Redners, aber mit Ruhe und Klarheit. Im ersten Theile gab er eine kurze Uebersicht über die Völker der Vorzeit in Bezug auf das was sie groß gemacht oder gestürzt habe. Er wies nach, daß die Sklaverei überall, wo sie sich vorgefunden, die Völker, welche sie hatten, hinabgezogen und zuletzt ihren Verfall verursacht habe.

Als ich diese Ausführung hörte, da gestehe ich, daß mein Herz hoch zu klopfen begann. Ists möglich, dachte ich, werde ich wirklich einmal, und zwar hier im Sklavenstaat, vor dieser Versammlung von eigenliebigen und eigensüchtigen Sklavereibegünstigern, einen Jüngling hören, der öffentlich und mannhaft gegen die schwache Seite des Südens und den Nachtschatten der neuen Welt seine Stimme erhebt?

Ja, diese Freude sollte mir zu Theil werden. Der Jüngling fuhr muthig fort auf America die Grundsätze anzuwenden, deren Folgen er in der Geschichte Asiens und Europas nachgewiesen hatte. Mit klarer Logik und mit ungemeiner Reinheit und Bestimmtheit im Ausdruck sagte er zu seinen Landsleuten: „Ich klage euch nicht an, daß es euch an Muth, Adel und Sinn für das Gute und Schöne, an Unternehmungsgeist, Gottesfurcht u. s. w. fehle, aber ich klage euch an, daß ihr den Armen unter eurem Volk keine Erziehung gebt, daß ihr nicht auf die Emporhebung der niedrigen Classen im Lande hinarbeitet[1].“ Der Redner erklärte, America habe die Mission die Segnungen der Freiheit und Bildung allen Völkern zu bringen. Wenn America diese Pflicht erfülle, so werde es groß und glücklich werden; wo nicht, so werde es untergehen, und die Größe seines Wracks werde sich bloß mit der Größe seiner Aufgabe, der Zukunft, die es verfehlt habe, vergleichen lassen.

Ich kann Dir nicht sagen, mit welchem Gefühle von Seligkeit ich diese wahrhaft großsinnige und muthige Rede aus reiner Jünglingsseele gehört habe. Sie war so verschieden von Allem, was ich bis jetzt in den Sklavenstaaten vernommen. Das war es, was ich zu hören mich gesehnt hatte. Ich fühlte, daß meine Thränen flossen, aber ich kümmerte mich nicht darum, ob man es sah. Ich war so glücklich.

Aber wo war jetzt der Enthusiasmus, der am vorhergehenden Abend die Söhne des Südens belebt hatte? Sie lauschten still, gleichsam etwas verblüfft, und die Applause, die am Ende der Rede gespendet wurden, waren spärlich, gleichsam verlegen,

Der herrliche Jüngling sah aus, als ob Beifall oder Tadel ihn nichts anginge. Er hatte seine Ueberzeugung ausgesprochen. Seine jugendfrische Wange flammte wie von der Farbe der Morgenröthe, und das dunkle Auge und die Stirne leuchteten klar wie ein wolkenfreier Himmel.

Ich konnte nicht, wie ich gewünscht hatte, mit ihm sprechen, denn ein Bote rief ihn zu seinem Vater, der gefährlich erkrankt war, und er mußte noch an diesem Abend abreisen. Aber seine Hand durfte ich doch drücken und ihm in Gegenwart seiner Lehrer und Kameraden ein herzliches Dank sagen. Sein offener, heiterer Ausdruck dabei zeigte mir eine neue Schönheit in seinem jugendfrischen Gesicht.

Die guten Professoren waren gleichsam ein wenig verblüfft über die unerwartete Haltung, die der junge Mann einnahm, aber an Beifall durften sie es natürlich nicht fehlen lassen. „Sie hatten eine solche Rede nicht erwartet;“ wahrhaft ungewöhnlich, „über dem gewöhnlichen Niveau“ u. s. w. Und der junge Alexander Brown wurde als a fine fellow, a smart young man (ein tüchtiger gescheidter, junger Mann) erklärt; auch der Präsident äußerte sich mit vielem Beifall u. s. w. Aber die gesetzeskundigen und schriftgelehrten Herrn hatten doch ein wenig Angst davor dem Kaiser zu geben, was des Kaisers war, und suchten sich durch gewisse herablassende, halb entschuldigende Zugeständnisse zu befreien.

Dieß war einer meiner glücklichsten Abende in den südlichen Staaten, und mit fröhlicheren, liebevolleren Blicken betrachte ich jetzt dieses schöne Land, seit ich weiß, daß es einen solchen Jüngling birgt. Wie edel und wie glücklich muß nicht seine Mutter sein!



Richmond, den 1. Juli.

Wiederum guten Morgen in Virginiens Hauptstadt; aber jetzt nicht in der Stadt selbst, sondern in einer ihrer ländlichen Vorstädte, wo ich eine hübsche, schön gelegene Villa auf einer hohen Terrasse am Jamesfluß, umgeben von einem Park mit hohen, schattigen Bäumen, bewohne. Es ist die schöne Wohnung der Mrs. van Leu, und ich befinde mich da wohl im Kreise guter Freunde.

Von Professor de Vere und seinem artigen Weibchen verabschiedete ich mich gestern früh unter den besten gegenseitigen Glückwünschen und hoffe, daß ich bald frohe Nachrichten von ihnen erhalten werde. Die Promotion, die am Samstag in Charlotteville stattfand, bestand hauptsächlich in Reden und Austheilung von Diplomen. Ich konnte von den ersten nicht viel hören und hatte mein größtes Vergnügen an der Betrachtung der anwesenden Frauenzimmer, unter denen ich eine große Menge sehr schöner und glücklicher Gesichter bemerkte. Man sieht in America keine junonischen Schönen wie in Europa, aber eine weit größere Anzahl heiter schöner Gesichter und beinahe gar keine häßlichen. Die Männer sind nicht schön, sehen aber mannhaft aus und sind meistens wohlgebildete, kräftige Gestalten. Ich habe dieß zwar schon ein paar Mal gesagt; aber was ich nicht gesagt habe und was doch gesagt werden sollte, ist die Thatsache, daß man bei den Americanern nicht den bestimmten Typus eines gewissen Volksstammes findet, wie wir ihn bei den Engländern, Irländern, Franzosen, Spaniern, Deutschen u. s. w. finden. Ein Americaner und eine Americanerin könnten jedem beliebigen Volke in seinem schön menschlichen, aber am wenigsten nationalen Character angehören, ja sogar dem schwedischen, wenn es nemlich sein regelmäßigstes Gesicht zeigt; denn wohlgebildete, feine Nasen und ovale Gesichter, besonders bei den Frauenzimmern, sind allgemein. Unsere Vollmondsgesichter und Nasen, die so zu sagen steil aus ihnen hervorkommen, wie eine hervorschießende Klippenspitze, diese sieht man hier nicht, und Kartoffelnasen, wie meine eigene, kommen gar nicht zum Vorschein. Aber ich habe in Americas nördlichen Staaten manches blühende Mädchen, manchen schönen jungen Mann gesehen, die weit mehr Aehnlichkeit mit Schwedinnen und Schweden hatten, als mit Engländern und Franzosen. Helle Haare und blaue Augen sind inzwischen selten.

Richmond, den 2. Juli.

Wie ermüdend ist es dieses Gefrage, dieses leere und gedankenlose Geschwatze von Kommenden und Gehenden, besonders von Frauenzimmern! Mangel an Aufmerksamkeit, Mangel an Ohr für das wahre Leben ist doch eines der größten Gebrechen hier, und die Schule, deren die neue Welt vor allen andern bedürfte, ist die uralte pythagoräische.

Das Leben mit seinen großen heiligen Interessen, seinen ernsten Auftritten, geht an diesen kindlichen, unentwickelten Wesen vorüber, ohne daß sie es sehen oder daran denken. Zerstreut durch diese äußeren und alltäglichen Dinge lauschen sie nicht auf die große, aber stille Stimme, die ihnen täglich mitten aus dem Leben zuruft, das sie wie Tagesfliegen führen.

Den 3. Juli.

Mit einem ehrlichen deutschen Herrn, der in Richmond ansäßig ist, habe ich heute einige negrojails, oder die Gefängnisse besucht, wo man die Neger theils abstraft, theils bis zum Verkauf eingeschlossen hält. In einem dieser Jails sah ich einen großen starkgliedrigen Neger still und düster dasitzen, die rechte Hand mit einem Tuch umwunden. Ich fragte ihn, ob er krank sei. „Nein, antwortete der gesprächige Aufseher; aber er ist ein ganz böser Hallunke. Sein Herr, der weiter oben am Flusse wohnt, hat ihn zur Strafe von Weib und Kind getrennt, um ihn nach dem Süden zu verkaufen, und nun hat sich der Schurke aus Rachsucht und damit sein Herr keinen hohen Preis für ihn bekomme, die Finger an der rechten Hand abgehauen. Der Gauner bat mich um eine Axt, damit er Nägel in seine Schuhe schlagen könne; ich gab sie ihm ohne allen Argwohn und nun hat er sich auf immer verstümmelt.“

Ich ging zu dem Neger, der allerdings kein gutmüthiges Gesicht hatte, und fragte ihn, ob er ein Christ sei. Er antwortete kurz: „Nein.“ Ob er von Christo gehört habe? Er antwortete wieder: „Nein.” Ich sagte zu dem Sklaven, daß er, wenn er ihn gekannt hätte, diese That nicht verübt haben würde u. s. w., aber daß er sich auch jetzt noch nicht verlassen glauben dürfe, denn derjenige, der gesagt habe: „Kommet her zu mir, alle die ihr mühselig und beladen seid,” habe auch zu ihm gesprochen und könne auch ihn trösten und erquicken.

Er hörte mich anfangs mit düsterer Miene an, allmälig aber erheiterte sich sein Gesicht, und endlich sah er ganz weich aus. Diese verbitterte Seele war offenbar noch zugänglich und offen. Die Sonne glänzte auf den Hof des Gefängnisses herein, wo er mit seiner verstümmelten Hand und mit schweren Ketten an den Füßen saß, aber kein Christ kam hieher, um ihm das Evangelium der Gnade zu predigen.

Die Thüre des Gefängnisses wurde von einem Neger geöffnet, der gleichfalls schwere Ketten am Fuß hatte. Dieser Mann sah so gutmüthig und so gefällig aus, daß ich mit einiger Verwunderung fragte:

„Aber dieser da, was hat er denn gethan, um so gefesselt zu werden?“

„O, antwortete der Aufseher lächelnd, just nichts; aber sein Herr hatte ihn ausgeliehen, um in den Kohlengruben zu arbeiten, und dort geschah etwas Unangenehmes. Seitdem wollte der Bursche nicht mehr dort arbeiten und weigerte sich hinzugehen. Zur Strafe will ihn sein Herr jetzt verkaufen und hat ihn zu fesseln befohlen, bloß um ihn zu demüthigen.”

Dieß war vollkommen gelungen. Der arme Neger war so verlegen und so beschämt, daß er nicht zu wissen schien, wohin er seine Augen wenden sollte, während der Aufseher seine Geschichte erzählte; dabei sah der starke Mann so gutmüthig und so weich aus, daß man wohl bemerkte, daß er leichter eine Ungerechtigkeit erlitt, als sich zu Trotz und Rache reizen ließ wie der andere Neger. Er war offenbar ein guter Mensch und hätte einen bessern Herrn verdient.

In einem andern Gefängniß saß ein schöner kleiner weißer Junge von sieben Jahren zwischen großen Negermädchen. Der Junge hatte helle Haare, die schönsten hellbraunen Augen und Rosen auf seinen Wangen; er war jedoch von einer farbigen Mutter, einer Sklavin da, und sollte verkauft werden. Sein Preis war 350 Dollars. Die Negermädchen schienen den weißen Jungen sehr zu lieben, und er war ihrer Pflege übergeben; ob zu seinem Besten, möchte ich kaum glauben. Kein mütterliches, christliches Weib besuchte den unschuldigen gefangenen Knaben oder die jungen Mädchen. Sie waren dem heidnischen Leben und den Finsternissen des Gefängnisses preisgegeben.

In einem andern Jail wurden sogenannte Fancy girls (Lustdirnen) für geneigte Käufer gehalten. Sie waren schöne, helle Mulattinnen oder beinahe weiße Mädchen.

In einem Jail sahen wir das Zimmer, wo die Sklaven (Weiber sowohl als Männer) gepeitscht werden. Sie werden dort mit eisernen Ringen, die im Boden befestigt sind, festgehalten und an Händen und Füßen gefesselt, nachdem man sie niedergelegt hat.

Ich sah an dem Kuhhautriemen das Stück Holz, womit sie gepeitscht werden, und ich bemerkte: „Schläge von diesem Ding da können doch nicht sehr wehe thun?“

„O doch, antwortete der Aufseher grinsend und mit bedeutungsvoller Miene. Das Ding kann so große Schmerzen machen wie irgend ein anderes Instrument, denn man kann mit diesem Riemen viel schlagen, ohne daß es äußere Spuren hinterläßt; es schneidet nicht ins Fleisch ein.“

Die Sklaven können mehrere Monate in diesen Gefängnissen sitzen, bevor sie verkauft werden.

Die südlichen Staaten sollen sich, sagt man, durch Religiosität auszeichnen; die Leute gehen in die Kirche, schicken Missionäre nach China und nach Afrika. Aber die unschuldig gebundenen Sklaven in ihren eigenen Gefängnissen lassen sie ohne Unterricht und Trost.

Noch einmal — was könnten, was sollten nicht die Frauen hier thun!

Ich habe schöne junge Mädchen erklären gehört, sie seien stolz darauf Americanerinnen und ganz hauptsächlich Virginierinnen zu sein. Ich hätte sie in diese Jails führen und sehen mögen, ob sie Angesichts derselben auf ihre Eigenschaft als Virginierinnen und auf die Institutionen Virginiens stolz sein könnten.


Den 5. Juli.

Auch hier, wie überall auf meiner Pilgerfahrt, habe ich gute und denkende Menschen kennen gelernt, die ein vollständiges Gegengewicht gegen die nichtdenkenden oder nicht guten bilden und mich an den Ort und die Gesellschaft fesseln, worin ich lebe. Zuvörderst unter den guten steht die Familie, in der ich jetzt als Gast verweile; ja die Frauenzimmer da sind so zartherzig, besonders gegen das Negervolk, daß ich hier auf der rückhaltenden und weniger liberalen Seite stehe, während ich mich doch innig daran erfreue warme Herzen bloß durch übertriebene Güte für einen bedrückten Völkerstamm fehlen zu sehen. Ein solcher Anblick ist selten im Sklavenstaat. Angenehme und kluge Frauenzimmer, gefällige und denkende Männer haben mir manchen frohen Augenblick bereitet und mein Herz durch ihre Freundlichkeit und Gastfreundschaft erwärmt.

Unter meinen männlichen Bekannten habe ich besonderes Vergnügen an einem älteren Priester, ich glaube von der episcopalen Kirche, gehabt, der mir verschiedene interessante Mittheilungen über das religiöse Leben und die Gesänge der Neger machte, wie auch an einem Quäker mit einem schönen, regelmäßigen Gesicht und stillem denkendem Wesen. Er erzählte mir viel Interessantes von den Quäkern und ihren Regirungsformen. Neulich wurden in New-York Quäkerinnen vor das Gericht citirt, um in einem verwickelten Rechtsstreit Zeugniß abzulegen, und die Bestimmtheit und Klarheit, womit sie das thaten, ist allgemein in den Zeitungen besprochen und gepriesen worden. Mr. B. schrieb das ruhige und klare Wesen, das die Quäkerinnen auszeichnet, ihrer frühen Gewöhnung an selfgovernment (Selbstregierung) und allgemeine Discussionen während ihrer Theilnahme an der Verwaltung der Gesellschaft zu.

Gestern am 4. Juli wurde wie gewöhnlich Americas großer Tag mit Reden, Paraden, Toasten und Verlesung der Unabhängigkeitserklärung gefeiert. Sie wurde hier in der africanischen Kirche der Stadt verlesen; warum man zur Verlesung dieser Erklärung, welche dem Sklavereiinstitut so entschieden widerspricht, die Negerkirche wählte, das begreife ich nicht; denn dieß muß als ein handgreiflicher Spott erscheinen.

Heute habe ich mit einer angenehmen, freundlichen Dame, mit Mrs. G., das Correctionshaus dahier besucht. Das System, das hier befolgt wird, ist das alte, und der alte galante Oberst, welcher der Anstalt vorstand, sah aus wie ein versteinertes Ueberbleibsel von Washingtons Staat. Es überraschte mich, daß ich hier nicht eine einzige weiße Gefangene traf. Weiße Männer dagegen waren an 200 da. Einige schwarze Weiber saßen hier, unter ihnen die freie Negerin, welche der jungen Sklavin zur Flucht hatte verhelfen wollen. Sie hatte ein sehr gutmüthiges und ehrliches Aussehen, war aber jetzt zu fünfjähriger Gefangenschaft dahier verurtheilt. Die Zimmer, wo diese Weiber saßen, waren hell, groß und sauber, und Mrs. G. wurde von den schwarzen Weibern mit sichtlicher Liebe und Freude empfangen. Sie gehört zu dem Frauenverein, der sich hier wie überall in den Vereinigten Staaten zum Besuch der Gefängnisse organisirt hat, der aber in den Sklavenstaaten gewöhnlich diejenigen Gefängnisse vergißt, wo Unschuldige sitzen, und man sah, daß zwischen ihr und den schwarzen Gefangenen das herzlichste Verhältniß obwaltet.

Der reiche Plantagenbesitzer, der seinen Sklaven mißhandelt und umgebracht hatte, und deshalb zu fünfjährigem Zuchthaus verurtheilt war, sollte seine Strafe ebenfalls hier absitzen, war aber noch nicht eingebracht. Vielleicht kauft er sich immer noch frei. Der Mammon ist mächtig.

In Virginien herrscht ein zunehmendes Gefühl für die Lästigkeit und Schädlichkeit der Sklaverei, wie in sämmtlichen mittleren Sklavenstaaten Americas, die weit größere Vortheile von der Arbeit der Weißen als der Schwarzen hätten und jetzt ihre Entwicklung sowohl in geistiger als in materieller Beziehung durch das Sklavereiinstitut gehemmt sehen; und ich halte es für wahrscheinlich, daß die genannten Staaten, wie Virginien vor einigen Jahren schon im Begriffe stand, diese Kette bereits abgeschüttelt hätten, wenn sie nicht durch den unklugen und ungerechten Abolitionismus im Norden zurückgehalten und zum Widerstand gereizt worden wären.

Ich sage nicht, daß dieß ein hoher Standpunkt sei, denn keine Ungerechtigkeit darf uns hindern das Rechte und Vernünftige zu thun; aber er ist natürlich, und ich kann bis auf einen gewissen Grad damit sympathisiren.

Jetzt nachdem die nördlichen Staaten, um Frieden mit den südlichen zu halten, das für sie ehrenvolle und heilige Asylrecht aufgegeben, nachdem sie aus Achtung für die constitutionellen Rechte der südlichen Staaten das kostbare Recht geopfert den flüchtigen Sklaven zu beschützen, und nachdem der gewaltsame Abolitionismus immer mehr einem edleren und ruhigeren Platz gemacht, dürften, scheint mir, die mittleren Sklavenstaaten durch Nichts mehr verhindert werden Etwas auszuführen, was ihr eigenes höchstes Interesse sein würde.

In Virginien ist in Folge des Sklavereiinstituts nicht bloß eine große Menge weißer Bevölkerung (man hat mir von mehr als 80,000 gesagt) herangewachsen, ohne lesen und schreiben zu können, und dabei ebenso roh an Sitten als unwissend geblieben. Dieses Institut hat hier auch wie anderswo die Entwicklung der Industrie sowie die Zunahme der Einwanderung verhindert; es hat Mangel an Unternehmungsgeist in Bezug auf allgemeine Arbeiten und dadurch auch Mangel an Arbeit für eine zunehmende arme Bevölkerung verursacht. Die Folgen davon haben sich mit jedem Jahr drohender erwiesen. Hier findet sich nicht wie in freien Staaten ein Hintergrund von starkem und edlem Volksleben, aus welchem die Staatsämter und die Lehrsäle wie aus einem frischen Kern heraus besetzt werden könnten. Roheit und Armuth greifen immer mehr um sich. Und das kann auch nicht anders sein im einem Land, wo die eine Hälfte der Bevölkerung die andere in der Sklaverei hält. Die Pflanzer Virginiens, stolz auf ihre Erinnerungen, auf ihre Sklaven, unter denen sie gleich Feudalfürsten des Mittelalters zu sitzen behaupten, was jedoch ein großer Irrthum ist, verschanzten sich in ihren Traditionen oder Sklaveninstitutionen, nannten sich „highblooded, highminded” (Leute von edlem Blut und edlem Sinn) u. s. w., und blieben still sitzen, während der Wagen des Zeitalters an ihnen vorbeirollte. Das rasche Aufblühen der freien Staaten der Union während eines Lebens voll von großen Unternehmungen, zur Entwicklung sowohl der Intelligenz als der Industrie, und die Thatsache, daß Virginien im Verhältniß zu ihnen in Wohlhabenheit und geistiger Cultur bedeutend zurückblieb, hat dem Volk die Augen zu öffnen angefangen, und in den letzten Jahren hat sich ein neues Leben in industriellen Unternehmungen gezeigt, die man früher als gemein und nicht nothwendig verschmäht hatte. Eisenbahnen werden angelegt, Communicationsmittel werden gefördert, ein frischeres Leben beginnt im ganzen materiellen Gebiet des Staates zu circuliren. Und dabei wird es nicht stehen bleiben.

Der Convent, der gegenwärtig in Richmond versammelt ist, entdeckt in diesem Augenblick neue Schwierigkeiten, welche das Sklavereiinstitut verschuldet. Ost- und Westvirginien liegen in offener Fehde wegen der Bedeutung ihrer Stimme bei öffentlichen Voten. Ostvirginien hat Plantagen und Sklaven und will nach angenommenem Brauch für seine Sklaven stimmen, so daß drei Sklaven für die Stimme eines freien Mannes gerechnet werden. Westvirginien, das ein Gebirgsland ist, keine Plantagen und sehr wenig Sklaven hat, will Ostvirginien das Recht bestreiten sich mit den Stimmen seiner Sklaven zu verstärken und hat auf dem Convent einen gewaltigen Kämpen erhalten in einem Mr. Weise, der gleich einem modernen Nimrod in voller Jägerrüstung aus den Wäldern kommt und mit unbändigem Jägermuth um sich schlägt, indem er in folgendem Styl spricht:

„Was? Ihr wollt die Stimmen Eurer Sklaven bei Abstimmungen gegen die unsrigen wägen? Ihr vergeßt, daß Ihr selbst erklärt habt, daß Negersklaven keine Seelen haben. Kommt her und widerleget mich. Ich sage Euch, daß Ihr dieß hundert Mal durch Gesetze, Gebräuche und Verordnungen erklärt habt. Antwortet mir, kommt hervor und widersprechet mir, wenn Ihr könnet. Habt Ihr diese Sklaven nicht wie unvernünftige Thiere gekauft und verkauft? Habt Ihr nicht verboten ihnen Unterricht zu geben? Habt Ihr ihnen nicht verboten wie vernünftige Menschen zu fühlen, zu denken und zu sprechen? Ich will demjenigen hundert Dollars geben, der mich widerlegen kann. Aber das Beste ist, Ihr schlaget Euch auf den Mund und schweiget. Das ist das Vernünftigste, was ihr thun könnt, gute Freunde. Will einer mucksen, so werde ich ihn mit meinen Worten todt schlagen. Ich bin ein Prosklavereimann; ich hasse den Abolitionismus. Ich will von ihm und von der Emancipation der Sklaven Nichts hören. Aber wenn Ihr herkommt und behauptet, daß Eure Sklaven Seelen haben, und daß ihnen wie Menschen ein Stimmrecht gegen freie Männer zustehe — seht, meine Herrn, das ist doch gar zu verrückt, gar zu albern, nachdem Ihr selbst in Worten und Thaten bewiesen habt, daß die Neger keine Seelen haben, sondern als unvernünftige Thiere betrachtet werden müssen. Schwatzet hin und schwatzet her, schwatzet so viel Ihr wollt, mich schwatzet Ihr nicht zu Boden.“

So eifert und perorirt Hr. Weise ein Langes und Breites auf dem Capitolium in Richmond, mit solcher Kühnheit und so grobkörniger Lebhaftigkeit und Streitlust, daß er Alle aus dem Concept bringt, und während er die Sklaverei zu billigen scheint, deckt er die Widersprüche und Abnormitäten auf, zu denen sie führt. Seine Reden machen gegenwärtig großes Aufsehen und füllen die Spalten aller Zeitungen.

In diesen werden jetzt auch Ereignisse in Virginien veröffentlicht, welche abschreckender als alles Andere gegen ein Institut zu sprechen scheinen, das offenbar die Sitten und den Verstand der weißen Bevölkerung untergräbt, weil es alle eigenwilligen und despotischen Leidenschaften der Jugend begünstigt. In Lynchburg einer größern Stadt Virginiens, haben neulich zwei junge Männer, beide Zeitungsredacteure, auf offener Straße mit Pistolen einander erschossen, nachdem sie sich eine Zeit lang in den Journalen herumgebalgt und einander bedroht hatten. Jetzt begegneten sie sich zufällig eines Morgens, und ohne Vorbereitung oder Verabredung schoßen sie auf einander nach Mörderart. Der eine von ihnen starb am gleichen Tage, der andere liegt in den letzten Zügen. Beide hatten sich noch nicht lange verheirathet, der eine erst seit einigen Wochen.

Die andere Tragödie ist eine Entführungsgeschichte. Ein junger Doctor Williams liebte eine Miß Morris in *. Ihr Vater und ihre Familie, Plantagenbesitzer in Virginien, widersetzten sich ihrer Verbindung, und nun entführte er sie. Vater und Bruder reisten den Flüchtigen nach und erreichten sie in einem Städtchen. Sie trafen in einem Gasthof an der Wirthstafel zusammen. Der junge Morris, Mr. Williams und ein junger Mann, sein Freund, der bei der Entführung mitgeholfen hatte, kamen im Speisesaal in Wortwechsel, zogen ihre Pistolen, wechselten Kugeln, und die Folge dieses Auftrittes waren drei Leichen, unter welchen der Geliebte und der Bruder von Miß Morris. Der alte Morris kehrte nach Hause zurück, die Leiche seines Sohnes und seine wahnsinnig gewordene Tochter mit sich führend.

Das Ereigniß wird viel besprochen und beklagt, ist aber gerade nichts Besonderes oder Ungewöhnliches.

Die Familien in den Sklavenstaaten können unmöglich das Gemüth des Kindes hegen und pflegen, wie in den freien Staaten; sie erzeugen selbst Charactere und Launen, die später ihren Frieden morden.

In der guten, liebevollen Familie, wo ich jetzt lebe, sehe ich bloß das schöne Verhältniß zwischen Weißen und Schwarzen und habe Gelegenheit von Neuem die musikalischen Talente der Neger zu bewundern. Ein junger Neger, der bei Tisch aufwartet, singt Lieder, wie er athmet, er singt auch mit dem Bauch (als Bauchredner), und wenn er während der Mahlzeit die Fliegen wie gewöhnlich mit einem großen Federwedel verscheucht, so thut er dieß unbewußt im Takt nach irgend einer Melodie, die still in seiner Erinnerung erklingt.

Ich stehe jetzt im Begriff die Sklavenstaaten zu verlassen, um nicht mehr dahin zurückzukehren. Ich will auch auf das Thema der Sklaverei nicht mehr zurückkommen, sondern hier mein Abschiedswort sagen. Ich thue dieß mit dem Wunsch:

Daß die edlen klar denkenden Männer und Frauen, die sich, wie ich weiß, in allen Sklavenstaaten Nordamerikas vorfinden, bestimmter auftreten und sich offener von der Masse trennen mögen, indem sie durch Wort und That beweisen, daß sie wohl überlegt haben, was die Wohlfahrt ihrer Völker und ihrer Staaten fordert. (Ja könnte ein Convent, eine Art von höchstem Gerichtshof aus den besten Männern des Südens und des Nordens zur Berathung der Sklavenfrage gebildet werden, so glaube ich, daß die Union und die Freunde der Freiheit sich gleich sehr an den Folgen einer solchen zu erfreuen hätten).

Daß die ältesten der Sklavenstaaten den übrigen vorangehen mögen durch Annahme der Freiheitsgesetze für die Sklaven, welche gegenwärtig die spanische Monarchie vor der americanischen Republik voraus hat.[2]

Keine Staaten scheinen mir näher daran sich bei einer solchen freisinnigen Bewegung an die Spitze zu stellen, als unter den südlichen das junge freimüthige Georgien und unter den mittleren Virginien, einer der ältesten unter den Staaten Americas, einer der ersten in bürgerlicher Freiheit und im Krieg für die Freiheit; Virginien, dieses Mutterland Washingtons, Jeffersons und anderer großen Männer, vor allen Washingtons, dieses ächten Typus für den Mann und Bürger der neuen Welt, einer jener seltenen Größen, die wachsen, je näher man zu ihnen kommt, und die sich gleich jedem wahrhaft freien Mann nicht von der Zeit und den Menschen beherrschen lassen, sondern sie selbst beherrschen.

Ich habe mich an Washingtons herrlichem Bild auf dem Capitol Virginiens erfreut; ich erfreue mich an demjenigen, das ich jetzt auf der letzten Seite des dritten Bandes von Bancrofts Geschichte der Vereinigten Staaten vor mir sehe:

„Zur selben Zeit, wo der Aachener Congreß Verträge festgestellt hatte, welche darauf ausgingen den Frieden der Welt zu stiften, und wo die Mächte, die sich hier als die Beherrscher des Menschengeschlechts betrachteten, dieselben mit allen Formen monarchischer Magnificenz feststellten, just zu dieser Zeit wuchs, in Virginiens Wäldern verborgen, der junge Washington, einer Wittwe Sohn, heran. Geboren am Ufer des Potomac, unter dem Dache eines Westmoreländerfarmers, hatte er das Schicksal beinahe von seinen Kinderjahren an vaterlos zu sein. Keine Akademie hatte ihn in ihrem Schooße empfangen, kein College hatte ihn mit Auszeichnungen gekrönt: Lesen, Schreiben und Rechnen, das war seine ganze Wissenschaft. Und jetzt, im Alter von sechzehn Jahren, wo er ein ehrliches Auskommen suchte unter unglaublichen Mühen, aufgemuntert dadurch, daß er sich im Stande fühlte einem Freund aus den Schuljahren zu schreiben: „Lieber Richard, eine Dublone ist mein Verdienst täglich und mitunter sechs Pistolen,“ sein eigener Koch, selten im Bette schlafend, ein Bärenfell für ein stattliches Bett haltend, froh, wenn er bei Nacht ein wenig Heu oder Stroh als Ruheplatz bekam, oft in den Wäldern gelagert, wo der Platz zunächst dem Feuer ein großer Luxus war; über die Höhen der Alleghanyberge, oder an den Ufern des Shenandoah entlang streifend, mit offenem Sinn für die Schönheit der Natur begabt und zuweilen den besten Theil des Tages in Bewunderung der Bäume und Reichthümer des Landes zubringend; mitten unter thierfellbedeckten, wilden oder rohen Emigranten, „die niemals englisch reden wollten“ — so bildete dieser Jüngling, der Durchforscher der Wälder ohne andre Gesellschaft als seine ungelehrten Kameraden, ohne wissenschaftliche Hülfsmittel außer seinem Compaß und seiner Feldmesserkette, einen seltsamen Contrast gegen die kaiserliche Pracht des Congresses in Aachen. Und gleichwohl hatte Gott nicht Kaunitz oder Newcastle, nicht einen Monarchen aus dem Hause Habsburg oder Hannover, sondern den virginischen Jüngling ausersehen, um den menschlichen Angelegenheiten einen neuen Impuls zu geben. Er hatte die Rechte und Schicksale von unzähligen Millionen Wesen unter die Obhut des Sohnes einer Wittwe gestellt.“

Als dieser seine große Aufgabe vollbracht und seinem Vaterland Selbständigkeit erworben hatte, krönte er sein ehrenreiches Leben dadurch, daß er seinen Sklaven die Freiheit schenkte, nachdem er getreulich für ihre Zukunft gesorgt hatte.

Wie lange noch wird Virginien hinter seinem edelsten Sohne zurückstehen!

Aber während wir für die Abschaffung der Sklaverei und für Americas Ehre eifern, wollen wir nicht vergessen, wie es noch jetzt in Europa und auch in unserem Lande mit den geringeren unter unsern Arbeitern steht. Gleicht nicht ihr Arbeitsleben oft genug einer harten Sklaverei, besonders was die Weiber betrifft? Ist nicht der Taglohn einer Arbeiterin auf dem Lande so erbärmlich, daß sie, selbst wenn sie Jahr aus Jahr ein täglich arbeitet, kaum sich selbst und ein paar Kinder ernähren und kleiden kann? Kommt das dritte Kind, so kommt auch die Noth. Ist es nicht etwas Gewöhnliches, daß man Bauernweiber auf dem Lande wie über eine Strafe Gottes klagen hört, wenn sie von Neuem ein armes Kind zur Welt bringen sollen, daß man Mütter Gott als für eine Gnade danken hört, wenn er ihnen von einem Kinde geholfen hat, d. h. wenn es gestorben ist? Es ist wahr, daß unsere Arbeiter sich ihr geistiges und leibliches Gedeihen schaffen können, daß Jedermann bei uns der Schmid seines Glückes werden kann; und dieß ist schon ein großer Vorzug. Aber oft sind die Umstände so bindend, daß diese Freiheit nicht viel hilft.

Ich verlasse Virginien, dankbar für das Gute, was es mir an schönen Naturscenen und liebenswürdigen Freunden gegeben, dankbar für dieses Leben in einer Familie voll von Herzensgüte und für die Erinnerung an einen Jüngling, aus dessen reiner Seele ich neue Hoffnung für Americas Zukunft geschöpft habe, mit frohem Glauben an die Jugend, deren Repräsentanten ich in ihm erblicken will.


  1. Diese Anklage hat hier einen guten Grund, da in Virginien in Folge der hemmenden Kette der Sklaverei, welche die Zunahme der Schulen verhindert, über 80,000 weiße Menschen sind, die weder lesen noch schreiben können. Die Bevölkerung Virginiens wird, Weiße und Schwarze zusammengenommen, auf ungefähr 11/2 Million Seelen berechnet.
  2. Man hat als Grund für die Unmöglichkeit der Emancipation der Negersklaven in den Vereinigten Staaten oft angeführt, daß man sie unmöglich des americanischen Bürgerrechts theilhaftig machen könne, und die Vorschläge, die in einigen der freien Staaten gemacht wurden, die Neger an den Abstimmungen im Staate theilnehmen zu lassen, haben immer eine starke öffentliche Meinung gegen sich gehabt. Ich glaube, diese hat Recht. Aber was hindert wohl, daß die Neger in den Vereinigten Staaten kleine freie, christliche Gesellschaften für sich selbst bilden könnten, gleich den Shäkern, den Dunkern u. s. w., so daß sie innerhalb der großen Staatsgesellschaft ein selbstständiges Leben führen würden, ohne an den Angelegenheiten derselben theilzunehmen oder sie zu stören? Aus dem Character der Neger ist leicht abzusehen, daß sie sich um die Regierung der Vereinigten Staaten wenig bekümmern werden, wenn sie nur ihre Kirchen, ihre Feste, Gesänge und Tänze, ihre eigenen Priester und Häuptlinge haben. Der Negerpräsident wird immer ein Unding bleiben. Laßt sie ihre Häuptlinge oder Fürsten haben und laßt die Negergesellschaft das pittoreske, heitere Bild bleiben, wozu Gott bei der Schöpfung sie bestimmt hat, und das er deutlich in den Naturanlagen anzeigte, die er ihnen verliehen. Das große Reich der Vereinigten Staaten wird dann eine natürliche Familie und ein pittoreskes Schauspiel mehr vorweisen, und zwar nicht das mindest interessante unter denjenigen, die man auf seinem Boden erblickt.
Neununddreißigster Brief Die Heimath in der neuen Welt. Dritter Band
von Fredrika Bremer
Einundvierzigster Brief
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