Die Heimath in der neuen Welt/Dritter Band/Einundvierzigster Brief

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Vierzigster Brief Die Heimath in der neuen Welt. Dritter Band
von Fredrika Bremer
Zweiundvierzigster Brief
{{{ANMERKUNG}}}
Textdaten
<<< >>>
Autor: Fredrika Bremer
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band
Untertitel: Einundvierzigster Brief
aus: Vorlage:none
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 1854
Erscheinungsdatum: Vorlage:none
Verlag: Franckh
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Stuttgart
Übersetzer: Gottlob Fink
Originaltitel: Hemmen i den nya verlden. Tredje delen.
Originalsubtitel:
Originalherkunft: Schweden
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung: Erinnerungen über Reisen in den USA und Cuba
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

Einundvierzigster Brief.
Philadelphia, den 14. Juni 1851.

Seit meinem letzten Schreiben habe ich folgende kleine Ausflüge und Abenteuer gehabt. Von meinen seelenguten Gastfreunden in Richmond verabschiedete ich mich letzten Montag und fuhr den St. Jamesfluß hinab zwischen Virginiens Hügeln und Wäldern hin nach Baltimore in Maryland. Der Tag war gleichsam lustlos und drückend heiß und wurde mir noch drückender durch einen gewissen pedantischen Rector, der sich zu meinem geistigen Cicerone machte, und jede seiner Unterweisungen mit Ausstreckungen und Bewegungen der Arme begleitete, gleich als wollte er sich zum Boxen in Bereitschaft setzen oder irgend eine wichtige Operation vornehmen, wobei mir jedesmal ein Angstschweiß ausbrach, welcher den Eindruck seiner Lehren und die Erinnerung daran gänzlich vernichtete. Ein artiger warmherziger junger Student aus Charlotteville war meine Erfrischung. Er hatte Vorurtheile des Sklavenstaates in seinem Kopf; aber sein Herz war gut und gesund und ich zweifle nicht, daß ich mich auf seines Vaters Plantage an dem schönen Fluß wohl befinden würde. Wie liebenswürdig und erfrischend ist nicht die Jugend, wenn sie es nur sein will! Die Ufer des Flusses waren romantisch schön und prangten in üppigem Grün — kein Wunder, wenn sie die ersten weißen Entdecker entzückten, so daß sie das Land als ein irdisches Paradies beschrieben.

Die Ruine der ersten Kirche in Jamestown stand noch, wenigstens eine Mauer davon, und glänzte ziegelroth aus einem hellgrünen Walde an dem Fluß.

Bei Nacht auf dem Meer war es wiederum erstickend heiß. Eine gute freundliche Negerin bediente mich und wir hatten verschiedene Besprechungen. Sie war Sklavin in Baltimore gewesen und ihre Herrschaft daselbst hatte ihr zur Freiheit verholfen. Ich fragte sie, ob sie sich als frei eben so gut befinde, wie als Sklavin bei ihrer guten Herrschaft.

„Besser, Maam, besser,“ war ihre energische Antwort. Und sie fügte hinzu: „Ich glaube nicht, daß der Herr irgend einen Menschen dazu bestimmt hat der Sklave eines andern zu sein.“

Das gute Weib war ausnehmend vergnügt und zufrieden mit ihrem gegenwärtigen Leben.

Im Damensalon waren nicht viele Passagiere. Ein paar schöne matronenartige ältere Frauen saßen da in halblautem Gespräch über das Leben und seine Ereignisse; sie sprachen von den Schicksalen von Freunden und Bekannten; sie sprachen von einem Todtenbett, wo ein gottloser Mann neulich sein Leben beschlossen, ohne einen Rückblick der Reue auf die Vergangenheit, ohne einen Blick der Hoffnung auf die Zukunft. Sie stellten Betrachtungen darüber an; ihre Gesichter waren sanft und ernst. Drei junge Mädchen von zwölf bis fünfzehn Jahren sprangen dabei im Zimmer aus und ein, wie wilde Füllen oder Kälber, die man zum ersten Mal auf die Weide gelassen hat; ich hütete mich wohl ihnen in den Weg zu kommen. Die Frauen sahen ihnen zu.

„Wilde junge Mädchen!” sagte die eine mit sanfter Mißbilligung.

„Laß sie ihre Freiheit genießen,“ versetzte die andere noch milder und mit einem halben Seufzer; „es ist ihre Zeit; das Leben wird sie bald genug zähmen.“

Aber dennoch wäre es besser, wenn das junge Mädchen so erzogen würde, daß sie sich der Hand des Zähmers in einem andern Sinn unterwärfe, als das Füllen dem Gebiß. Der Kampf würde dann milder und würdiger als nach dieser Füllenfreiheit.

Am Morgen befand ich mich in Baltimore, und reiste von da noch an demselben Vormittag mit der Eisenbahn nach Harpers ferry. Man hatte mir so viel von der Schönheit der Landschaft in dieser Gegend Virginiens erzählt, daß ich dahin zu fahren beschloß, um recht in Ruhe den Eindruck von Virginiens erhabenster Scenerie zu betrachten.

Der Bahnzug flog in Krümmungen und unzähligen Verschlingungen an den waldbewachsenen Ufern eines kleinen Flusses hin, mit einer Heftigkeit und Unregelmäßigkeit, die an eine scheugewordene Kuh erinnerte und mich jeden Augenblick fürchten ließ, ich möchte in den Strom geworfen werden. Dennoch kamen wir glücklich in den kleinen Flecken bei Harpers ferry. Ich blieb hier drei Tage lang allein und unbekannt und erfreute mich an einsamen Wanderungen über die Berge hin und in der romantischen Gegend. Sie erinnert an gewisse Berggegenden in Dalekarlien und noch mehr an das Mindener Thal in Deutschland, wo die Flüsse Fulda und Werra zusammenstoßen, denn die Gebirgsformation und die Vegetation da und dort haben verwandtschaftliche Aehnlichkeit. Hier sind es der muntere spielende Shenandoah und der ernste Potomac, die zusammentreffen, sich vereinigen und zusammen den großen Potomacfluß bilden. Der Shenandoah ist ein heiteres, gutes junges Mädchen, das sorglos, lachend und hüpfend in unschuldiger Lebenslust zwischen grünenden Ufern hintanzt. Der Potomac ist ein älterer Herr, der ernst und still aus den Wäldern herab mit trägem Schritt und geringem Leben einhergegangen kommt. Er trifft mit der heitern Shenandoah zusammen und zieht sie still an sich. Sie fällt besinnungslos in seine Arme und wird darin verschlungen. Man hört und sieht nichts mehr von der brausenden und tanzenden Shenandoah, es ist vorbei mit ihrem heitern Humor, vorbei mit ihr selbst, sie ist Frau Potomac geworden und hat keine Existenz mehr, die von Herrn Potomac getrennt wäre. Aber Herr Potomac breitet sich mit steigenden schwellenden Wassern, eben so ruhig, aber majestätischer als vorher aus und setzt seinen Lauf fort nach Washington und von da ins Meer. Arme kleine Shenandoah! Ich liebte sie und hege Sympathie mit ihr, und obschon ich gerne von den Höhen herab sah, wie der Potomac in ruhigen, tiefen Biegungen durch die westlichen Hochlande hergegangen kam, so ging ich doch noch lieber im Thale südlich vom Berge, wo Shenandoah, noch ein junges Mägdelein, an den Klippen hin tanzte, die ihre bacchantischen Häupter mit den schönsten Kränzen und Kronen von Laub schmückten, oder unter hohen Bäumen, auf welchen Schaaren von gelben Vögelein, Kanarienvögeln ähnlich, umherhüpften und fröhlich zwitscherten. Die Gegend war hier unendlich hübsch und romantisch. Und Shenandoahs Wogen sind trotz ihrer Seichtigkeit krystallhell.

Weiter unten in Thal auf dieser Seite ist eine große Gewehrfabrik, wo eine gewaltige Thätigkeit herrscht. Auf dem Hochland lagen die Wohnungen der Arbeiter, kleine steinerne Häuser, gut gebaut, alle einander gleich und schöne Aussichten darbietend.

„Wir sind hier alle gleich,“ sagte ein junges Weib in einer dieser Wohnungen, wo ich ausruhte, zu mir. Wir haben alle dieselben Bedingungen.” Diese waren ganz gut. Wir saßen in einem Wohnzimmer, wo Alles comfortabel und sogar zierlich aussah. Die junge Frau hatte ein Knäbchen auf dem Arm. Gleichwohl war sie nicht glücklich; das war mir sogleich klar. Etwas in ihrem sanften, melancholischen Ausdruck sagte mir, daß sie nicht glücklich verheirathet war. In einem andern Hause machte ich die Bekanntschaft einer ältern Frau, welche das Gepräge des tiefsten Kummers trug. Sie hatte ihren Gatten verloren und er war die Freude ihres Lebens gewesen. Sie sprach davon auf eine Art, welche mich veranlaßte meine Thränen mit den ihrigen zu vermischen.

Während der schönen Abende waren die Hausthüren gewöhnlich offen, und die Weiber standen davor mit ihren kleinen Kindern, oder saßen sie außen und nähten. Ich machte zuerst mit den Kindern, dann mit den Müttern Bekanntschaft.

Alle gleich in Glücksloosen und dennoch diese Ungleichheit des innern Glückes! So ist es immer. Aber diese innere Ungleichheit erträgt sich leichter, als diejenige, die durch Kastenvorurtheile verschuldet wird. Sie erregt weniger Murren und weniger Bitterkeit.

Eines Abends war eine Hochzeit unten im Flecken, und von den Gebirgswohnungen her wandelten festlich gekleidete Hochzeitgäste auf Fußwegen ans Ufer hinab. Sie waren einfach, aber geschmackvoll gekleidet, ungefähr so wie man sich in den Städten zur Gesellschaft anzieht, obschon sie schlichtere Zeuge trugen.

Eines Abends als ich etwas spät über die Berge nach Hause ging, sah ich auf dem Fußweg, in dem ich dahinwandelte, einen Mann in blauer Arbeiterblouse sitzen, die Stirne an die Hand gelehnt, in welcher er ein Nastuch hielt. Als ich näher kam, nahm er die Hand weg und sah mich an, und ich sah eine irländische Nase in einem gutmüthigen, freundlichen Gesicht, das mir ein Mann von etwa dreißig Jahren zeigte. Er sagte auf englisch:

„Es ist sehr warm.“

»Ja,” sagte ich, indem ich stehen blieb; „und Sie haben schwer gearbeitet?“

„Ja, meine Hände sind ganz verderbt!“ Und er zeigte blaue und geschwollene Hände.

Ich fragte ein wenig nach seinen Umständen. Er war ein Irländer, hieß Jim und war hieher gekommen, um Arbeitsverdienst zu suchen. Diesen hatte er hier auch gefunden und er konnte in der Fabrik 20 Dollars monatlich verdienen. Aber dennoch liebte er das alte Land mehr und beabsichtigte dahin zurückzukehren, sobald er 1000 Dollars beisammen hätte.

Ich fragte ihn, ob er verheirathet sei.

„Nein;“ er hielte es fürs Beste unverheirathet zu bleiben. Er fragte hierauf, ob ich verheirathet sei.

Ich antwortete „nein,“ ich denke wie er, daß es am besten sei ledig zu bleiben, und dann sagte ich ihm ein freundliches Lebewohl.

Aber er stand auf und folgte mir mit den Worten:

„Und Sie wandern hier so allein herum, Miß! Finden Sie es nicht langweilig, so allein herumzugehen?“

„Nein, Jim, ich liebe es allein zu gehen.“

„Ei, Sie würden sich doch weit besser fühlen, Sie würden sich viel, viel glücklicher befinden, wenn Sie einen jungen Mann hätten, der mit Ihnen herum ginge und für Sie sorgte.“

„Ei, ich befinde mich ganz wohl, Jim.”

„Sie würden sich aber noch weit, weit besser befinden, wenn Sie einen jungen Mann hätten, das versichere ich Sie, einen jungen Mann, der Sie lieben würde und überall mit Ihnen hinginge. Für ein Frauenzimmer ist dieses Leben das größte Unglück in der Welt, das versichere ich Sie.“

„Aber, Jim, ich bin jetzt ein altes Frauenzimmer, und ein junger Mann würde sich nicht viel um mich bekümmern.“

„Sie sind nicht zu alt, um zu heirathen, Miß, und dann sehen Sie gut aus, Miß (you are good looking); Sie sehen sehr gut aus, Maam, und ein hübscher junger Mann würde Sie gerne haben wollen und überall mit Ihnen hingehen.“

„Aber, Jim, vielleicht möchte er nicht dahin gehen, wohin ich gehen will, und wie sollte es dann mit uns werden?“

„O, er würde schon wollen, Maam, ich versichere Sie, daß er wollen würde und … vielleicht haben Sie tausend Dollars, womit Sie ihn unterhalten könnten, Maam.”

„Aber, Jim, ich würde einen Mann nicht lieben der bloß um meiner Dollars willen mit mir gehen wollte.”

„Darin haben Sie Recht, Miß, vollkommen Recht; aber Sie würden weit glücklicher sein mit einem hübschen jungen Mann, der für Sie sorgte u. s. w. u. s. w.”

„Da sehen Sie her, Jim,“ sagte ich endlich, „da droben über den Wolken ist ein großer Gentleman, der für mich sorgt, und wenn ich ihn habe, so bedarf ich keines andern.”

Dieser Gedanke fand Anklang bei meinem warmherzigen Irländer und er rief:

„Darin haben Sie Recht, Miß, ja er ist der Mann, das ist wahr. Und wenn Sie ihn haben, so brauchen Sie um nichts bange zu sein.”

„Ich bin auch nicht bange, Jim: aber jetzt gehen Sie voraus, denn der Fußweg ist zu schmal für uns beide.“ Und so trennten wir uns. Wie gefiele Dir der beabsichtigte Schwager?

An dritten Tag meines Aufenthalts verlautete Etwas über die einsame Wandererin in der Gegend und es kamen freundliche Einladungen und Besuche, die ich zu meinem großen Leidwesen wegen Zahnwehs nicht annehmen konnte. Die Hitze war jetzt wieder drückend und preßte auf Seele und Leib.

Von Harpers ferry reiste ich nach Philadelphia. Der Tag war einer der schönsten; aber die Reise war beschwerlich wegen mehrfachen Wechsels zwischen Dampfbooten und Eisenbahnen, und weil ich ganz allein für mein Gepäck zu sorgen hatte, weil kein befreundeter Herr bei mir war und ich keinen Fremden belästigen wollte. Ich war jedoch gesund und stark; aber sehr leid that es mir um eine Dame, die wie ich ganz allein, aber schwach und kränklich war und mit dem Nachtsack, den sie zu tragen hatte, gar nicht fertig werden konnte. Und als ich große kräftige Männer ohne Etwas in ihren Händen an dem offenbar hülfsbedürftigen Frauenzimmer, das ganz das Aussehen einer Lady hatte, vorübergehen sah, ohne sich ihrer anzunehmen, da dachte ich mit einiger Verwunderung: Wo ist jetzt die gepriesene americanische Artigkeit? Gar zu gern hätte ich selbst ihr geholfen, wenn ich nicht von meinen eigenen Sachen beinahe niedergedrückt und sehr pressirt gewesen wäre, denn diese Wechsel hier gehen mit ungeheurer Eilfertigkeit vor sich.

Ich verabscheue es, wenn die Frauenzimmer auf die Artigkeit und Dienstfertigkeit der Männer pochen, und glaube, daß Frauen, die Achtung vor sich selbst haben, just diejenigen sind, die am wenigsten Ansprüche darauf machen wollen. Aber es sollte doch nicht vergessen werden, daß die Frauen innerhalb des Hauses den Männern dienen, daß sie es gewöhnlich gerne und liebevoll thun, und es gibt wohl wenige Männer, die nicht manchmal die Annehmlichkeit solcher Dienste erfahren dürften, noch wenigere, die nicht die Pflege ihrer Kindheit und Jugend der sorgsamen Dienstfertigkeit von Frauen zu verdanken hatten[1]. Es ist also nicht zu viel, wenn sie auf den Landstraßen des Lebens im Vorbeigehen ihnen eine hülfreiche Hand reichen, zumal wenn dieß wenig Zeit und gar keine Selbstaufopferung kostet. Und gewöhnlich sind es nicht die americanischen Männer, denen man Artigkeit predigen muß. Wenn ich hier und sonst noch einige Male in den Vereinigten Staaten Etwas gesehen habe, was den Gesetzen der gewöhnlichen Artigkeit und sogar der Menschlichkeit widerstritt, so beweist dieß bloß die Wahrheit des alten Spruches: Keine Regel ohne Ausnahme.

Es ist übrigens in America, wo doch so Vieles für die Bequemlichkeit der Reisenden wohl bestellt ist, noch ein großer Fehler, daß da nicht wie in England und in andern Ländern Europas an den Eisenbahnstationen dienstthuende Leute aufgestellt sind, welche dafür bezahlt werden, daß sie den Passagieren bei allen ihren Bedürfnissen an die Hand gehen. Und in America, wo die Frauenzimmer oft allein reisen, wäre dieß noch nöthiger als anderwärts und würde ihnen zur größten Beruhigung gereichen. Denn welches Frauenzimmer von einigem Zartgefühl will einen Dienst in Anspruch nehmen, der für beschwerlich gehalten werden kann?

Ich genoß den schönen Tag später sehr gut in stiller Gesellschaft mit meiner neuen und einzigen Bekannten auf der Reise, der bereits erwähnten freundlichen Dame; ich sah die Sonne herrlich untergehen und den Mond herrlich aufsteigen. Abends war ich in Philadelphia aufs Angenehmste eingewohnt in dem schönen und bequemen Haus des freundlichen Quäkerpaares Townsend.

Das engelgleiche Mädchen, Mary Townsend, die Schwester meines Wirths, die ich im vorigen Jahr in weißen Kleidern auf ihrem Bette liegen sah, war jetzt seit einigen Tagen in die Erde unter grünen Bäumen gebettet. Ihr Tod war heiter wie ihre Lebensflamme, und im Grab wurde ihr Gesicht der aufgehenden Sonne zugekehrt. Sie, die über die Metamorphosen der Insecten schrieb und so gerne den Augenblick schilderte, wo sie ihre Flügel aus der Puppe lösten, sie ist jetzt erlöst und frei wie diese. Mit ihrem guten Bruder besuchte ich gestern Abend ihre letzte Ruhestätte auf Erden, ein schönes, friedliches Plätzchen unter laubigen Bäumen.

Den 15. Juni.

Ach, mein Kind, wie freue ich mich über die Zeichnungsakademie für junge Mädchen, die ich gestern besuchte! Das ist eine vortreffliche Anstalt, die unendlich viel Gutes wirken wird. Hier können Talent und Bildungstrieb bei jungen Mädchen Nahrung und Entwicklung erhalten, und geduldiger Fleiß und Arbeitskraft können auf die angenehmste Art Beschäftigung und Verdienst finden. Junge Mädchen können in dieser Akademie (die armen unentgeltlich, die vermöglichecheren gegen eine unbedeutende Bezahlung) zeichnen, malen, Muster für Zeuge, Tapeten und Teppiche componiren, Holzschnitte machen, lithographiren und dergleichen lernen; und die Anstalt hat bereits einen solchen Erfolg und so groß sind die Fortschritte der Schülerinnen, so zahlreich die Bestellung von Mustern, Holzschnitten und dergleichen, auch die Bezahlungen so gut, daß die jungen Mädchen bereits etwas Ansehnliches verdienen können und man mit Gewißheit voraussehen darf, daß die Anstalt binnen wenigen Jahren vollkommen sich selbst erhalten kann.

Es ist dieselbe Schule, die ich im vorigen Jahr bei der warmherzigen Mrs. Peter (Gemahlin des brittischen Consuls dahier) in ihrer Kindheit sah, wo sie noch gänzlich vom Schutze dieser Dame abhing. Seither hat sie sich sehr rasch entwickelt, ist ins Leben hinausgezogen, mit dem vortrefflichen Franklinschen Institut dahier einverleibt worden, hat einen jährlichen Beitrag von dessen Capitalien erhalten und wächst jetzt aus eigener Kraft. Mehrere der jüngern Schülerinnen verdienen bereits 10 bis 15 Dollars in der Woche. Der Herausgeber von Sartaines Magazin sagte mir, das Bedürfniß und die Nachfrage nach solcher Arbeit in den Vereinigten Staaten für Zeitungen, literarische Magazine, Manufakturen u. s. w. sei so groß, daß alle Frauenzimmer im Land, welche die Zeit hätten sich der Sache zu widmen, Arbeit im vollauf bekommen könnten. Und niemals habe ich in irgend einer Schule so viele fröhliche lebensvolle Gesichter gesehen. Eines der heitersten war das von einem jungen Mädchen, das sich bisher mit Kleidernähen durchgebracht hatte; sie entwickelte jetzt ein so entschiedenes Talent zum Zeichnen, daß sie darauf rechnen konnte durch diese Kunst ihr ganzes Leben lang ein anständiges Auskommen zu gewinnen.

Die heitere, gefällige Vorsteherin, Mrs. Hill, sagte mir, die jungen Mädchen hätten eine solche Freude an ihrer Arbeit, daß sie zuweilen den ganzen Tag in der Schule bleiben statt der fünf Stunden, welche die eigentliche Schulzeit ausmachen. Ich bin entzückt über diese Anstalt, die so manchem mittellosen Kinde eine helle Zukunft eröffnet und den Schönheitssinn bei armen jungen Mädchen weckt, während sie ihnen die Möglichkeit bereitet, in verschiedene Industrien einzutreten. Ich bin besonders darum so erfreut darüber, weil sie sich auch in Schweden einführen läßt und dort manchem Mädchen Aussicht auf geistiges und körperliches Gedeihen eröffnen kann. Ich habe von dieser Anstalt eine Menge Proben und Muster, die mir wohlwollend geschenkt wurden, sowie alle Aufschlüsse, die ich bekommen konnte, mitgenommen.

Ach laßt uns wo möglich Pensionen und Asyle für die Armen, Schwachen oder Kranken schaffen; aber den Jungen laßt uns Arbeit, freie Concurrenz, offene Bahnen zur Entwicklung und edle Lebenszwecke geben. Das ist die einzige wahrhaft gute Hülfe für mittellose Mädchen, denn sie schließt Emporhebung in sich, sie bereitet Glück durch selbsterworbenen Werth. Mehr davon, wenn wir uns wieder treffen. Die Zeit dazu scheint mir so nahe zu sein, daß ich es kaum der Mühe werth finde, noch lange Briefe zu schreiben.

Den 17. Juni.

Derselbe freundliche, gefällige Herr (Dr. Elder), der mich in die Zeichnungsakademie begleitete, führte mich heute in das medicinische Collegium für Frauenzimmer, das vor einem Jahr hier gestiftet worden ist und den Mädchen Gelegenheit geben soll sich wissenschaftlich zum ärztlichen Beruf vorzubereiten. Diese Anstalt ist nicht ohne starken Widerspruch in Gang gekommen, aber sie ist doch in Gang gekommen, dem Geist und der Billigkeit der neuen Welt zu Ehren! Uebrigens dürfte auch die Festigkeit und das Talent einer jungen Americanerin, sowie der Ruf, den sie außer Lands gewonnen, dazu beigetragen haben. Elisabeth Blackwell widmete sich, nachdem sie durch mehrjährige angestrengte Arbeit mehrere jüngere Geschwister erziehen und unterhalten geholfen, dem ärztlichen Beruf, mit dem festen Entschluß auf diesem Weg für sich und andere Weiber eine Bahn zu brechen. Sie stieß auf zahllose Widerwärtigkeiten; Vorurtheile und Widerwille belästigten alle ihre Tritte. Aber sie überwand alle Schwierigkeiten und durfte endlich in der Stadt Genf im westlichen New-York studiren und als Arzt promoviren. Darauf reiste sie ins Ausland und erlangte in Paris Zutritt in die medicinische Schule daselbst. Der Vorsteher der Schule erschrack. „Sie müssen sich als Mann verkleiden, sagte er, es geht sonst unmöglich an.“ — „Ich werde kein Band an meinem Hut verändern, antwortete sie. Thun Sie, was Sie wollen, aber Ihr Benehmen wird bekannt gemacht werden. Sie haben meine Zeugnisse gesehen, Sie haben kein Recht mir den Eintritt zu verweigern.” Hr. L. mußte sich fügen. Eliabeths weibliche Würde und Haltung, verbunden mit ihren ausgezeichneten Kenntnissen, imponirten dem Lehrer und den Studirenden an der Anstalt. Man ließ das junge Weib in Ruhe, unter dem Schutze ihres Ernstes und ihrer Wissenschaft. Mit ausgezeichnetem Lob verließ sie die Lehrsäle in Paris und reiste nach London, wo sie sowohl in der medicinischen als in der chirurgischen Wissenschaft neue Lorbeeren erntete. Gegenwärtig wird sie in America zurückerwartet, wo sie als Aerztin zu practiciren beabsichtigt. Dr. Elder wünscht, daß ich die Bekanntschaft dieser jungen Dame machen soll, die er innig bewundert, an der er sich väterlich erfreut und die eine so kräftige Seele in einem zarten und feinen Leibe erhalten hat. Er sagte von ihr: „Sie ist nicht größer als Sie; aber sie wird Sie unter den einen, meine Tochter unter den andern Arm nehmen und so mit Ihnen beiden die Treppe hinaufspringen.” Das möchte ich doch sehen.

Es waren jetzt Ferien im Institut, das bereits etliche und siebenzig Studentinnen zählt; aber der Curs sollte bald wieder beginnen, und der Professor der Anatomie, ein schöner, freundlicher Mann, war mit der Aufstellung eines menschlichen Skeletts beschäftigt. Sehr wünschenswerth scheint es mir, daß diese Anstalt die Aufmerksamkeit der Studentinnen vorzugsweise auf denjenigen Theil der medicinischen Wissenschaft, welchem sie vorzugsweise angehören sollten, richtet oder daß sie selbst diesen Theil besonders ins Auge fassen. Denn gibt es hier nicht wie in allen Sphären, Wissenschaften, Künsten und Gewerben des Lebens ein Gebiet, das vorzugsweise dem Weibe angehört auf den Grund ihrer Naturanlagen? In der Medicin ist dieß offenbar theils das Präventive oder das was durch Gesundheitspflege und Diät der Krankheit zuvorkommen soll, besonders bei Weibern und Kindern; theils das vorzugsweise heilende und curirende Element. Die Weiber haben zu allen Zeiten ausgezeichnete Gaben für diese Heilkunst gezeigt; sie haben das Talent bewiesen durch Wurzeln und sogenannte Hauskuren Schmerzen zu heilen oder zu lindern. Ihre medicinische Kunst wird vor allen Dingen die schmerzlindernde, tröstende Partie sein. In dieser können sie es weit bringen. Der Instinct des Herzens wird sich bei ihnen mit dem Wissen des Kopfes vereinigen. Die botanische Medicin wird ihnen also näher stehen als die Chirurgie. Und die schönen, wohlthätigen Pflanzen, die auf Hügeln und Feldern gleich heilenden Engeln im Sommerwinde winken, werden von den Händen des weiblichen Arztes in die Wohnungen der Leidenden gebracht werden und durch milde wunderthätige Kräfte, hervorgerufen durch Liebe und Kunst, das Evangelium der Gesundheit immer mehr auf Erden sich ausbreiten und selbst die oft fürchterliche Arbeit des Todes so sehr als möglich in einen friedlichen Uebergang sich verwandeln lassen. O, wer noch jung wäre und sein Leben dieser herrlichen Wissenschaft widmen könnte!

In allen Ländern und zu allen Zeiten haben die Frauen den ärztlichen Beruf in dieser Richtung, die ihre Natur ihnen anweist, ausgeübt. Die wissenschaftliche Anstalt muß das bereits begonnene Werk vervollkommnen. Die Arbeit, die ein beharrliches Studium, eine raschere Entschlossenheit, eine stärkere kühnere Hand fordert, wird hier, wie bei allen Berufsthätigkeiten, Männern zufallen, weil sie von ihnen am besten vollbracht wird.

Den 2. Juli.

Ich bin noch hier zurückgehalten durch die Ereignisse in der Familie, deren Gast ich jetzt bin. Denn eine Woche nach dem Tod Mary Townsends folgte ihre geliebteste Schwester ihr nach, und Mr. E. Townsend, der mich nach New-York begleiten sollte, muß über die Beerdigung seiner zweiten Schwester hier bleiben. Diese zwei jungen Schwestern, die beide kränklich waren, besaßen frische wohlbegabte Seelen und hatten immer in innigem Freundschaftsverhältniß gelebt, während sie zusammen literarische Gegenstände zum Besten der Jugend bearbeiteten. Im Leben zärtlich verbunden, war es gut, daß sie einander auch im Tode folgen durften. Aber sie lassen eine große Leere in dem Hause zurück, wo jetzt nur noch eine Tochter da ist. Die zuletzt gestorbene lebte den ganzen letzten Tag ihres Lebens in den schönsten Visionen von der dahingegangenen Schwester und von ihrem gemeinschaftlichen Emporschweben in eine verklärte Welt.

Die Beerdigung, der ich gestern beiwohnte, ging nach Quäkersitte ohne allen unnöthigen Pomp, ohne alle Ceremonien vor sich. Sie ging vor sich unter abwechselnden kurzen Reden von Männern und Frauenzimmern, sowie Pausen, je nach den Eingebungen des Geistes. Wahrhaft rührend und ergreifend war es, als im Todtenhause, nachdem alle Verwandte und Freunde still in einem Zimmer versammelt dagesessen, die tiefbetrübte alte Mutter ihre zitternde Stimme mit folgenden Worten erhob:

„Mein Herz ist hart geprüft worden; aber Gott hat in Gnaden auf mich gesehen.”

Alles was sie sagte, kam so rein aus der Tiefe eines christlichen Mutterherzens und war zu gleicher Zeit so zart von Gefühl und so stark in Glauben und Ergebung, daß es gar nicht besser sein konnte. Das Schönste war ihr Trost in dem Bewußtsein von der Reinheit der dahingeschiedenen Töchter in Bezug auf Absicht und Lebenszweck, und die Erinnerung an die letzten Worte der jüngsten kurz vor ihrer Todesstunde. Nachdem die Mutter unter den Thränen der Anwesenden verstummt war, ergriff eine andere ältere Dame das Wort auf eine Art, welche dazu beitrug sie zu trocknen; denn ihre Rede war bloß ein kalter, dünner Absud der ersten. Sodann kam ein älterer Herr, welcher die dritte aber nicht verbesserte Auflage gab. Eine verbesserte Auflage wäre aber auch nicht möglich gewesen. Wir fuhren unter Gewitter und Sturzregen nach dem Begräbnißplatze hinaus. Aber just als wir aus dem Wagen stiegen und der Sarg auf die Erde unter den buschigen Bäumen gestellt war, brach die Sonne im Westen mächtig hervor aus den Wolken und beleuchtete aufs Herrlichste die stille Scene, die noch fallenden Tropfen (es sah aus wie ein Goldregen), die hohen blätterreichen Bäume, und so strahlte sie die ganze Zeit fort, so lange die Rede eines der Aeltesten währte, die eben so trocken und prosaisch war, als der Sonnenschein warm und poetisch, und bis der Sarg in die Erde versenkt war. Seltsam genug soll bei Marys Begräbniß genau derselbe Auftritt stattgefunden haben, dieselbe Hinausfahrt beim Regen, dieselbe hübsche Sonnenbeleuchtung am Grabe. Ist so Etwas bloß Zufall? … Die beiden jungen Schwestern theilen dasselbe Grab unter demselben beschattenden Baum, wie sie dasselbe Leben, dieselben Freuden und Kümmernisse getheilt hatten; ihre Gesichter sind dem Sonnenaufgang zugekehrt, und die poetische Schwägerin kann über sie singen:

Laß sie Seit’ an Seite liegen
Und ganz heiter schlummern u. s. w.

Mrs. E. Townsend besitzt ein ausgezeichnetes poetisches Talent, besonders für die Ballade und Romanze. Einige ihrer kleinen Balladen gehören zum Allerhübschesten, was ich in diesem Genre gehört habe. Ihr Gatte ist ein angenehmer und gebildeter Mann und hat den starken Sinn für das allgemeine Beste, der den Americaner auszeichnet. Selbst ein vortrefflicher Zahnarzt und Mitglied eines zahnärztlichen Vereins, suchte er da nach besten Kräften auf liberale Maßregeln hinzuwirken, die allen Anfängern und Pfuschern im Geschäft freien Zutritt zu den Vorlesungen, den Instrumenten und Experimenten des Vereins verschaffen sollen, damit eine schlechtere und oberflächlichere Kunst durch den Einfluß und die freie Aneignung einer höheren berichtigt und gehoben werde. Mr. Townsend selbst gibt jede Woche einigen jungen Anfängern im Geschäft unentgeltliche Lectionen. „Levelling upwards,“ (Gleichmachung nach Oben) ist auch für ihn der leitende Grundsatz, und er hat über diese Grundidee des Vereins einen vortrefflichen Aufsatz geschrieben. Der Verein ist die natürlich aufwärts steigende Lebensbewegung der freien Staaten.

Den 21. Juli.

Es ist mir in diesen letzten Tagen in Philadelphia begegnet, daß ich mich — verliebt, ja wahrhaft verliebt und vernarrt habe in ein junges Mädchen, das just nicht außerordentlich schön, aber eine herrliche junge Weibernatur ist, an Körper und Seele reichbegabt, mit jenem Funken von inspirirtem Leben ausgestattet, der so bezaubernd und so unaussprechlich belebend ist; ein Mädchen, frisch wie der Morgenthau, und sie singt, wie ich nie Jemand singen gehört habe seit ihr, die schon lange aufgehört auf der Erde zu singen, jedoch nicht in meiner Seele. Aber es ist wahr, daß sie der Liebling Fanny Kembles gewesen ist und in ihr eine unvergleichliche Lehrerin der Declamation gehabt hat. Und dieses Mädchen, dieses herrliche Mädchen, dieses Mädchen der neuen Welt, das ich hier zum ersten Mal so gesehen habe, wie ich es geahnt, sie heißt … nein, ich will ihren Namen nicht schreiben, es ist mir, als ob ich ihn dadurch entweihte, und sie ist mir heilig. Ich kann weinen, wenn ich daran denke, daß ein solches Mädchen kein anderes Schicksal haben soll, als ganz gewöhnliche Mädchen. Ein solches junges Weib sollte Priesterin in einem heiligen Tempel werden und Orakel für die Welt verkünden. Mündlich mehr von ihr. Sie hat in meiner Phantasie eine Gestalt ins Leben gerufen, die mehr als fünfzehn Jahre lang darin gebunden gelegen.

Heute werde ich nach New-York abreisen. Es war diese Zeit über in Philadelphia so erdrückend heiß, daß ich nicht viel auszurichten vermochte. Heute, nach dem gestrigen Regen, ist es schön und frisch. NB. es war der erste ordentliche Regenguß, den ich seit fünf Monaten gesehen habe, und in dieser ganzen Zeit habe ich nicht einen einzigen ganz trüben Tag gesehen. Jetzt freue ich mich herzlich, bald die guten, vortrefflichen Freunde in Rosenhütte wiedersehen zu dürfen.



Rosenhütte, den 24. Juli.

Und da bin ich jetzt, so glücklich als möglich in so weiter Ferne von meinen Lieben, mit der geliebten rosenfarbigen Familie, die immer gleich gut, gleich couleur de rose ist, und alle Freunde aus New-York kommen und küssen mich, schütteln mir die Hand und sagen: „how do you do?“ Es sind lebhafte, herzliche, mit frischem Impuls begabte Menschen, diese Menschen der neuen Welt, das kann man nicht läugnen. Und Deine Briefe (unter Dutzend andern), die mich hier willkommen heißen! Aber ach, daß Du es so kalt und kühl haben mußt! Es ist doch garstig von der Frau Svea im Juli solches Wetter zu bringen. Aber jetzt, jetzt mußt Du doch Sonnenbad genug haben, auch in Schweden. Ich bereite mich zur Heimreise vor, aber der Athem vergeht mir, wenn ich an all die Geschäfte denke, die ich vorher noch zu besorgen habe. Ich mache mich jetzt auf den Weg nach Boston und von da nach den weißen Bergen, nach Maine, New-Hampshire und Vermont u. s. w. Ich reise morgen von Freunden und zu Freunden auf dem ganzen Weg. Vor den ersten Tagen des Septembers kann ich nicht fertig sein, America zu verlassen. Aber dann will ich reisen. Ach, ich darf kaum daran denken, so schwer fällt es mir. Aber wenn der Brigittensommer in Schweden kommt, dann werde auch ich zu meinen Theuren kommen. Mama bittet gewiß die h. Brigitta für mich, daß sie meine Heimfahrt über das große Weltmeer begünstigt.

Um Rosenhütte und ihren friedlichen Umkreis her sind seit meinem letzten Aufenthalt große Veränderungen vorgegangen. Gewiß über hundert Häuser sind rings herum in allen Richtungen entstanden und eine ordentliche Straße geht vor dem kleinen Park. Als ich zum ersten Mal nach Rosenhütte kam, lag sie auf dem Lande; jetzt liegt sie bald mitten in der Stadt. Nur gut, daß sie noch leeren Raum und Bäume genug um das Haus her hat, um sich den freien Athem zu erhalten.


  1. So dachte und so handelte auch ein älterer Farmer im Westen vor einiger Zeit bei einem Eisenbahnzug. Die Wagen waren gedrängt voll und der alte Herr stand auf, um einigen Frauenzimmern seinen Platz zu überlassen. Er wollte sich später nicht setzen, bevor er alle Frauenzimmer im Wagen mit Plätzen versehen sah. Da er ein großer stattlicher Mann war, so fiel sein Benehmen sehr in die Augen. „Sie sind ungemein artig gegen die Ladies, Sir,“ bemerkte ein Herr, indem er sich bequem streckte. „Sir,“ antwortete er, „meine Mutter war eine Lady!“ Und er blieb stehen, so lange noch ein Frauenzimmer Platz im Wagen suchte.
Vierzigster Brief Die Heimath in der neuen Welt. Dritter Band
von Fredrika Bremer
Zweiundvierzigster Brief
{{{ANMERKUNG}}}