Die Kunst, Geld zu machen

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Autor: Leopold Katscher
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Titel: Die Kunst, Geld zu machen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 50, 51, S. 818–819, 834–835
Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1883
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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2-teiliger Artikel
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Die Kunst, Geld zu machen.

Erschrick nicht, ehrlicher Leser, und freue Dich nicht, Falschmünzer in spe! Ich beabsichtige nicht zu lehren, auf welche Weise man es anstellen soll, um sich die auf die Nachahmung von Staatsgeldern und Banknoten gesetzte Kerkerstrafe zu verdienen. Ich will blos lehren, wie man „Geld macht“, das heißt zu Geld kommt oder vielmehr unter Umständen kommen kann. Sollte mich Jemand fragen: „Von wannen kommt dir diese Wissenschaft?“, so sei ihm gleich hier geantwortet: aus einem soeben bei Ward, Lock u. Comp. in London und New-York erschienenen Buche, das sich „The art of money-getting, or, Hints and helps to make a fortune“ (Die Kunst des Geldmachens, oder Winke und Weisungen, Vermögen zu erwerben) betitelt und den berühmten Schaubudenbesitzer, Riesen- und Zwerg-Aussteller, Menageriedirector, Raritätensammler und Primadonnen-Impresario P. T. Barnum zum Verfasser hat. Das große Aufsehen, das Barnum’s vor fünfzehn Jahren erschienene hochinteressante und unterhaltend belehrende Selbstbiographie erregte, und der fabelhafte Absatz, den dieselbe in allen civilisirten Ländern fand, machten uns auf diese neue Schrift dieses classischen Menschen im Voraus gespannt, und wir müssen bekennen, daß diese Lectüre der „Winke, wie man sich ein Vermögen erwirbt“, unsere Erwartungen nicht getäuscht hat.

Da Barnum es selber zu einem gewaltigen Reichthum gebracht hat, muß es schon an und für sich von Interesse sein, die Grundsätze kennen zu lernen, die ihn in seinem Geschäftsleben geleitet haben und die er nun aller Welt zur Beachtung empfiehlt. Dieselben sind ausgezeichnet; nur leiden sie – wie alle guten Grundsätze – an der Schattenseite, nicht immer durchführbar zu sein; nur in wenigen Fällen dürfte ihre genaue Befolgung Jemandem leicht fallen. Immerhin aber kann es nicht schaden, sich dieselben stets vor Augen zu halten.

Die erste und wichtigste Regel lautet: Sei sparsam. Hast du noch kein Vermögen, so spare, um dir eins zu erwerben; bist du aber schon bemittelt, so spare, um dir dein Vermögen zu erhalten. Geld zu erwerben ist nicht immer schwierig, sehr schwierig aber ist die Kunst, im Besitze des Errungenen zu bleiben. In beiden Fällen besteht die Hauptsache darin, daß man weniger ausgebe, als man einnimmt; nur so kann Reichthum erworben werden, es sei denn, es tritt ein Glücksfall – eine Erbschaft, ein Lotteriegewinn etc. – ein, und selbst in diesem Falle hört der Reichthum über kurz oder lang wieder auf, wenn man nicht entsprechend zu wirthschaften versteht.

Aber das Sparen allein genügt nicht. Man muß auch in der richtigen Art zu sparen wissen. Gar Mancher glaubt zu sparen, während er in Wirklichkeit nur einseitige Knickerei treibt oder selbst einfach gemein ist. Viele halten sich für „ökonomisch“, wenn sie ein Kerzenende sparen, die Käserinden essen, bei ungenügendem Lichte lesen oder der Waschfrau fünf Pfennig von der Rechnung abziehen. Solch einseitige Schmutzerei taugt nichts, am allerwenigsten, wenn solche Leute nach anderen Richtungen hin verschwenderisch sind. Manche Frau, die hier und da zehn Pfennig erspart, wo sie übrigens ganz gut hätte dreißig ersparen können, hält sich für so wunderbar ökonomisch, daß sie sich berechtigt glaubt, häufig zehn oder zwanzig Mark für Putzsachen auszugeben, wo vier oder fünf Mark genügt hätten. Es giebt Geschäftsleute, die aus Wirthschaftlichkeit jedes alte Couvert, jeden Briefbogen aufbewahren; sie ersparen dadurch jährlich fünfzehn oder zwanzig Mark, scheuen sich aber nicht, kostspielige Soiréen zu geben und eine Equipage zu halten. Ein so planlos „sparender“ Mensch kann es zu nichts bringen. Barnum erinnert an den Ausspruch des Londoner „Punch“, daß solche Leute dem Manne gleichen, der aus Sparsamkeit zum Mittagsbrod für seine ganze Familie einen Häring kaufte, dann aber eine vierspännige Kutsche miethete, um den Häring nach Hause zu bringen.

Die wahre Sparsamkeit besteht auch nicht darin, gute Waare umsonst oder halb geschenkt haben zu wollen und so den Erzeuger oder Verkäufer um seine Zeit und Arbeit zu bringen, sondern darin, die Ausgabe in vernünftiger Weise niedriger zu stellen, als die Einnahmen im äußersten Falle gestatten würden. Nöthigenfalls trage man einen Anzug etwas länger, schiebe den Ankauf neuer Handschuhe auf, richte ein altes Kleid möglichst anständig her, ehe man sich zu seiner Beseitigung entschließt, und nähre sich mit einfacher Kost. Ein Groschen hier, ein Thaler dort – Alles trägt Zinsen, und schließlich besitzt man ein Sümmchen. Es fällt Vielen sicherlich schwer, sich in ihren unnützen Ausgaben einzuschränken, nachdem sie sich die gedankenlose Befriedigung jeder Laune angewöhnt; wer es aber energisch versucht, wird bald großes Vergnügen darin finden, seine Ersparnisse anwachsen und sich in einen mäßigen, überlegenden Menschen verwandelt zu sehen. Barnum unterläßt nicht, die etwas ältliche Lehre zu ertheilen, daß man mit tausend Thalern Einkommen oft glücklicher sein und mehr Genüsse haben kann, als mit dem Zehn- und Zwanzigfachen, je nachdem man sich sein Geld eintheilt.

Es giebt Personen – und die Zahl dieser Parvenüs ist Legion – die, sobald sie zu viel Geld kommen, ihren Bedürfnißkreis absonderlich erweitern und Luxus zu treiben beginnen, sodaß sie ihren neugebackenen Reichthum bald loswerden. Sie fallen der Sucht, den „Schein zu wahren“ und es Anderen gleichzuthun, zum Opfer. Schon Franklin sagte: „Nicht unsere eigenen Augen, sondern die der Anderen ruiniren uns; wäre alle Welt außer mir blind, ich würde wenig nach eleganten Kleidern und feinen Möbeln fragen.“ Es ist jedenfalls viel vernünftiger, sich nach seinen Mitteln zu richten und es nicht der „Welt“ zuliebe zu unterlassen, für die Zukunft zu sorgen. Unser Gewährsmann führt gegen „Verschwendungssucht und falsche Sparsamkeit“ ein Mittel an, das er als vortrefflich empfiehlt, und wir sind von der Richtigkeit seiner Ansicht überzeugt: „Wer ein anständiges Einkommen hat und am Ende des Jahres dennoch keinen Ueberschuß erzielt, schreibe alle seine Ausgaben nieder, theile jede Woche ein Stück Papier in zwei Rubriken ein, betitele die eine ‚Nothwendiges‘, die andere ‚Ueberflüssiges‘ und vertheile die Ausgaben in diese zwei Rubriken. Er wird finden, daß die zweite weit umfangreicher ist als die erste.“

Nächst der Sparsamkeit ist die Gesundheit die wichtigste Vorbedingung des materiellen Erfolges. Nur wenige Leidende werden im Stande sein, sich ein Vermögen zu erwerben. Der Kranke ist gewöhnlich[WS 1] apathisch und energielos. Und wie Viele tragen selber die Schuld an ihrer schlechten Gesundheit! Sie verletzen die Gebote der Natur, Mode- und anderen Thorheiten zuliebe, gegen ihr besseres Wissen absichtlich. Es ist also von großem Nutzen, die Gesundheitslehre zu studiren und sich an ihre Vorschriften zu halten, denn ihre Uebertretung zieht immer die Bestrafung nach sich. Unter Anderem wendet sich der „König der Schausteller“ in bitteren Worten gegen den übermäßigen Genuß des Tabaks und gegen den häufigen Gebrauch von geistigen Getränken. „Zum Gelderwerb,“ sagt er in Bezug auf den letzteren, „gehört ein klarer Kopf. Man muß seine Pläne mit reiflicher Ueberlegung machen und alle Einzelnheiten einer Geschäftsangelegenheit genau prüfen. Man mag noch so intelligent sein, so kann man seinen Geschäften nicht erfolgreich vorstehen, wenn man sich durch geistige Getränke das Hirn verwirren und die Urtheilskraft trüben läßt. Wie manche günstige Gelegenheit geht unwiederbringlich verloren, während man mit einem Freund ein ‚geselliges Glas‘ schlürft! Wie manches thörichte Geschäft wird unter dem Einflusse des ‚Nervenstärkers‘ abgeschlossen! Wie manche gute Aussicht wird auf morgen und dadurch auf immer hinausgeschoben, weil das Weinglas den Leib träge macht und somit die im Geschäftsleben erforderliche Energie neutralisirt!“

Die dritte Hauptregel lautet: „Verfehle deinen Beruf nicht.“ Man wähle einen den eigenen Neigungen und der eigenen Beanlagung entsprechenden Beruf. Nicht selten begehen gedankenlose Eltern arge Irrthümer, wenn sie ihre Söhne für diesen oder jenen Stand bestimmen. Der Bäcker von Thurso, der sich als vorzüglicher Naturforscher entpuppte, der Genfer Bauernphilosoph, der amerikanische Grobschmied, der sich durch hervorragende Sprachkenntnisse auszeichnete, vielleicht auch unser Hans Sachs etc. sind Beispiele, die die Richtigkeit der Barnum’schen Mahnung darthun. Wer nicht die ihm von der Natur zugedachte Rolle spielt, kann keine großen Erfolge erzielen. Wie mancher schlechte Handwerker wäre ein guter Professor oder Arzt, und wie mancher Advocat oder Pfarrer würde besser zum Kaufmann oder Gewerbetreibenden passen!

Hat man einmal in dieser Hinsicht das Richtige getroffen, so wähle man den richtigen Ort. Geht man mit dem geeignetsten [819] Beruf an einen entweder ungeeigneten oder in derselben Beziehung bereits überfüllten Ort, so kann man keinen Erfolg erreichen. Ebenso wichtig ist es, daß man keine Schulden mache. Man borge weder, was man zum Essen, Trinken und Bekleiden braucht, noch auch Geld gegen Zinsen; sonst läuft man Gefahr, sich zeitlebens in Armut zu erhalten und die Selbstachtung zu verlieren. Unser Autor sagt: „Der Gläubiger, der zu Bette geht, erwacht des Morgens reicher, denn seine Zinsen sind über Nacht angewachsen, während der Schuldner im Schlafe ärmer wird, weil sich die Interessen gegen ihn anhäufen.“ Das unnütze Creditnehmen verleitet oft zu unnützen Ausgaben, die nicht gemacht würden, wenn man keinen Credit hätte.

Absolut nothwendig ist ferner die Ausdauer. Man darf sich nicht leicht abschrecken lassen. Befürchtungen können die im Kampfe um die Unabhängigkeit so nothwendige Energie lähmen. Oft ist die Ausdauer gleichbedeutend mit Selbstvertrauen. Wer dieses nicht hat, kann auf Erfolge nicht rechnen. Man darf nicht zu pessimistisch sein; man muß stets der Hoffnung Raum geben. Aber es ist auch verfehlt, übermäßig rosig zu sehen. Dieser Fehler läßt Viele zeitlebens auf keinen grünen Zweig kommen. Solche Leute halten jeden Plan im vornherein für gelungen und wenden sich daher jeden Augenblick einem andern Gegenstand zu; das ist in hohem Grade verderblich, denn sie sind dann in nichts tüchtig. Es ist am besten bei Einer Sache zu bleiben und derselben so lange obzuliegen, bis sie glückt oder bis man zur Ueberzeugung gelangt, daß es angezeigt wäre, sie aufzugeben. Wer seine Aufmerksamkeit ungetheilt auf einen Gegenstand lenkt, wird in demselben Uebung erlangen und gewisse Einzelheiten wahrnehmen, die ihm entgehen würden, wenn er seine Kräfte zersplitterte.

Mit der Ausdauer steht im Zusammenhang der Fleiß, die Energie. Man widme sich seinem Berufe mit Ernst und Feuer. Man lasse nichts ungeschehen, man verschiebe nichts auf später. Was überhaupt werth ist, gethan zu werden, soll voll und ganz geschehen. Es taugt nichts, immer zu warten, bis Einem die gebratenen Tauben in den Mund fliegen.

„Hilf dir erst selbst,“ sagt der Franzose, „dann wird Gott dir helfen“, oder das Glück oder wie man es sonst nach Belieben nennen mag, fügt Barnum hinzu. Eines Abends hörte Mohammed einen seiner Jünger sagen:

„Ich werde mein Kamel losbinden und es der Obhut Gottes anvertrauen.“

Der Prophet fiel ein:

„Nein, lieber binde es fest und dann vertraue es der Obhut der Vorsehung an.“

Der Streber nach Erfolg muß das Sprüchwort „Selbst ist der Mann“ ganz besonders beherzigen. Das Auge des Principals taugt für sein Geschäft oft mehr als die Hände eines Dutzend Angestellter. Zuweilen übersehen die besten Untergebenen wichtige Dinge, die dem Chef nie entgangen wären. Wer sein eigenes Geschäft nicht versteht, und sich daher ganz auf Andere verlassen muß, darf sich nicht wundern, wenn seine Hoffnungen unerfüllt bleiben. Niemand kann sich genügende Geschäftskenntnisse aneignen, ohne zur Sache Erfahrung und persönlichen Fleiß mitzubringen. Wer des Erfolges ganz sicher sein will, muß in seinem Berufe durchaus tüchtig sein. Ist man es, so kann man Andere anstellen; aber man sei in ihrer Wahl vorsichtig. Die besten Untergebenen sind nicht zu gut. Hat man einen brauchbaren, so trachte man, ihn so lange wie möglich zu behalten; das ist besser als das häufige Wechseln, denn er lernt täglich etwas zu und der Chef profitirt dadurch; dieses Jahr ist der Mann brauchbarer als im vorigen, und im nächsten wird er noch brauchbarer sein. Erweist er sich als treuer Diener, so erhöhe man ihm das Gehalt von Zeit zu Zeit, um ihn einerseits zu entlohnen, andererseits an sich zu fesseln. Eine solche Freigebigkeit pflegt Zinsen zu tragen. Am besten angewendet ist dieselbe, wenn der Untergebene außer seinem Eifer auch einen offenen Kopf hat.

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Autor: Leopold Katscher
Titel: Die Kunst, Geld zu machen
aus: Die Gartenlaube 1883, Heft 51, S. 834–835
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[834] Der Schaubudenkönig Barnum giebt Allen, die reich werden wollen, unter Anderem noch folgende Rathschläge: Es giebt junge Leute, die nach Zurücklegung ihrer Lehrzeit, statt sich durch eine längere Dienstzeit in ihrem Berufe zu vervollkommnen, auf der faulen Haut liegen und ihre Selbstständigmachung abwarten. „Ich will kein Sclave sein,“ rufen sie aus, „wozu habe ich mein Geschäft erlernt, wenn ich mich nicht etabliren soll?“ Fragt man nun einen solchen Jüngling, woher er denn eigentlich Capital zu nehmen gedenke, so antwortet er vielleicht: „Ich habe eine alte reiche Tante, die bald sterben wird; stirbt sie aber nicht, so hoffe ich einen menschenfreundlichen, reichen Herrn zu finden, der mir einige tausend Thaler leihen wird, um mir auf die Beine zu helfen.“

Wie thöricht ist es aber, sich von erborgtem Gelde Erfolge zu versprechen! Wenn man ein Anfänger ist, der den Werth des Geldes noch nicht aus Erfahrung kennt, so nutzt Einem das Erborgte wenig. Der Anfänger soll den Werth des Geldes dadurch kennen lernen, daß er es verdienen lernt; hat er es einmal so weit gebracht, so ist es schon eher angezeigt, ihm unter die Arme zu greifen. Man übe also Selbstverleugnung und Sparsamkeit, Geduld und Ausdauer und verdiene die ersten tausend Mark oder Gulden unter Kämpfen und Opfern – dann kann man mit fremdem Gelde umgehen. Barnum behauptet, daß neun Zehntel der Reichen der jetzigen und der vorigen Generation in Amerika ihre Laufbahn als arme Knaben begannen, aber mit Energie, Fleiß, Sparsinn und Beharrlichkeit ausgerüstet waren, langsam ihren Weg machten und mit selbsterworbenem Gelde arbeiteten. Dadurch brachten sie es zu etwas, ja, zu sehr viel: A. T. Stewart, ein armer irischer Junge, hatte in seiner letzten Lebensperiode ein Jahreseinkommen von anderthalb Millionen Dollars. J. J. Astor, ein armer Farmerknabe, hinterließ zwanzig Millionen Dollars. Stephan Girard, ein armer Schiffsjunge, erwarb ein Vermögen von neun Millionen Dollars. Cornelius Vanderbilt, der Vater des jetzigen „Eisenbahnkönigs“, begann seine Laufbahn als Ruderer und hinterließ neunzig Millionen Dollars.

Ja, ja, es hält schwer, Erfolge zu erzielen, wenn man Geld mit allzu großer Leichtigkeit erlangen kann. Schon aus diesem Grunde sollte Niemand eines Andern Wechsel unterschreiben, ohne sich genügende Sicherheit bieten zu lassen, abgesehen davon, daß man sich selbst dadurch leicht dem Ruin aussetzt. Diese außerordentlich beherzigenswerthe Lehre – deren Nichtbeachtung schon unsägliches Unheil angerichtet hat – illustrirt der Verfasser der „Kunst, Geld zu machen“ in vortrefflicher Weise durch das folgende Beispiel. Ein Mann, dessen Geschäft gedeiht und 20,000 Dollars werth ist, kommt zu dir und sagt: „Sie wissen, daß ich 20,000 Dollars im Vermögen habe und keinen Cent schuldig bin. Wenn ich augenblicklich 5000 Dollars in Baarem hätte, so könnte ich eine Partie Waare kaufen, die mir binnen zwei Monaten das Doppelte einbrächte. Wollen Sie meinen Wechsel giriren?“ Du weißt, daß der Mann wirklich ein Vermögen von 20,000 Dollars hat und daß du daher bei deiner Unterschrift für 5000 nichts riskirst; du thust ihm daher den erbetenen Gefallen, ohne Sicherstellung zu begehren. Nach kurzer Zeit zeigt er dir den eingelösten Wechsel und theilt dir mit, er habe aus dem Geschäfte wirklich den erwarteten Nutzen gezogen. Du freust dich, Gutes gethan zu haben, und leistest ihm das nächste Mal denselben Dienst, wobei du immer den Eindruck hast, es sei nicht nöthig, von einem so braven und pünktlichen Menschen Sicherstellung zu fordern. Aber gerade der Umstand, daß er so mühelos Geld zur Verfügung hat, ist für ihn ein Unglück. Er braucht nur einen Wechsel mit seiner und deiner Unterschrift in die Bank zu tragen, um ohne Umstände Casse zu erhalten. Das zieht üble Folgen nach sich. Eines Tages bekommt er Lust [835] auf eine außerhalb seines Geschäftskreises liegende Speculation, zu der eine zeitweilige Anlage von 10,000 Dollars erforderlich wäre, welche zweifellos wieder hereinkommen, ehe ein Wechsel fällig werden kann. Er legt dir den Wechsel auf 10,000 Dollars vor und du unterfertigst denselben fast mechanisch. Aber die Speculation wickelt sich nicht so rasch ab, wie dein Freund dachte; um die 10,000 Dollars einlösen zu können, müssen andere 10,000 escomptirt werden. Ehe der neue Wechsel fällig ist, hat die Speculation fehlgeschlagen und das ganze Geld ist verloren. Dein Freund aber schämt sich (oder hütet sich) dir zu sagen, er habe speculirt und sein halbes Vermögen eingebüßt. Er will sich durch eine andere Speculation schadlos halten und verliert wieder, da er von diesen Dingen nichts versteht. Der Speculationsteufel hat ihn gepackt, er macht neue Versuche und du giebst ihm in deiner Unschuld immer wieder neue Unterschrift, bis es sich schließlich herausstellt, daß er sein und dein Vermögen verspeculirt hat. Du sagst dann: „Es war sehr grausam von ihm, mich zu Grunde zu richten,“ allein du könntest ebenso gut sagen: „Ich habe ihn zu Grunde gerichtet.“ Hättest du ihm nämlich von vornherein gesagt: „Ich will Ihnen diesen Gefallen erweisen, allein ich girire niemals ohne genügende Sicherstellung,“ so hätte er nicht über sein eigenes Vermögen hinausgehen können und wäre nicht in Versuchung gerathen, vom Pfade seines Berufs abzuweichen. Man vermeide es daher, durch zu sorglose Hülfeleistung sich und Andere in Gefahr zu bringen. Die tägliche Erfahrung lehrt, daß diese Warnungen des Schaubudenkönigs nur allzu begründet sind.

Wer für seine Waare, seine Leistungen, seine Erzeugnisse einen guten Absatz finden will, muß vor Allem darauf sehen, daß er etwas Werthvolles, Brauchbares, Echtes oder Tüchtiges zu bieten habe; gelangt er zur Ueberzeugung, daß das Publicum nach erfolgten Versuchen mit dem Gegenwerthe des bei ihm ausgegebenen Geldes zufrieden sein werde, so thut er wohl, sein Geschäft etc. öffentlich bekannt zu machen; denn was nützt ihm die Güte seiner Gegenstände, wenn Niemand von seiner oder ihrer Existenz weiß? Man inserire daher in Zeitungen oder veröffentliche Placate: aber man annoncire nicht zu wenig, sondern so lange, bis der Zweck des Inserirens – die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken – erreicht ist; sonst ist’s schade um jeden Pfennig. Ein französischer Autor schrieb einmal:

„Der Zeitungsleser übersieht die erste Insertion; die zweite sieht er, ohne sie zu lesen; die dritte liest er; bei der vierten sieht er den Preis nach; bei der fünften macht er seine Frau aufmerksam; bei der sechsten beschließt er, zu kaufen; nach der siebenten kauft er.“

Schlechte, unechte Artikel zu annonciren, meint Barum, könne nicht von dauerndem Erfolge sein, da sich jeder Käufer nur einmal foppen lasse und dann ausbleibe; ich fürchte aber, daß „die Dummen nicht alle werden“ und daß mancher Schwindelartikel seinem Eigenthümer recht viel Geld einbringt, wenn er nur fleißig angezeigt wird. Je packender das Inserat, desto größer seine Wirksamkeit. Man bedarf übrigens nicht immer der Zeitungen oder der Anschlagzettel, um seine Firma bekannt zu machen; ein originelles Schaufenster, Wägelchen, Schild u. dergl. leistet oft dieselben Dienste. Ein verhältnißmäßig unbekannter Hutmacher erstand bei der ersten Versteigerung von Sitzen zu den Vorstellungen der Jenny Lind in Amerika das erste Billet um 225 Dollars, weil er wußte, daß dieser Streich für ihn Reclame machen werde; in der That verkaufte er schon in demselben Jahre um 10,000 Hüte mehr, als sonst. Natürlich hatten alle Zeitungen die Nachricht enthalten, daß der Hutmacher Genin den ersten Lind-Sitz so theuer bezahlt habe; daraufhin kauften Tausende aus Neugierde, den Mann zu sehen, bei ihm ein, und da sie fanden, daß er sie wirklich solid bediente, blieben sie seine ständigen Kunden.

Hätte aber Genin seine Kunden nicht solid bedient, so wären sie ihm weggeblieben. Die beste Politik ist, für möglichst wenig Geld möglichst gute Waare zu geben; der dann unfehlbar eintretende größere Absatz macht die Geringfügigkeit des Gewinns reichlich wett. Eine vortreffliche und kostenlose Capitalanlage ist die Höflichkeit und die Promptheit in der Bedienung. Ohne diese Eigenschaften werden die ausgedehntesten Waarenlager, die prächtigsten Firmentafeln und die packendsten Annoncen nichts nützen. Von ungeheurem Werthe ist ferner die Ehrlichkeit, die Rechtschaffenheit, sei es in Bezug auf Maß und Gewicht oder auf die Einhaltung von Zahlungsversprechungen oder in irgend einer andern Hinsicht. In diesem Punkte ereifert sich Barnum ganz besonders.

„Nichts,“ schreibt er, „ist schwieriger, als auf unehrlichem Wege Geld zu erwerben. Die Unredlichkeit kommt bald an den Tag, und dann bleibt dem Betreffenden fast jede Aussicht auf Erfolg im Leben benommen. Strenge Rechtschaffenheit ist die Grundlage jedes wie immer gearteten Erfolges“ etc.

Das uns als Leitfaden dienende Buch enthält noch manche andere, für Jung und Alt beherzigenswerthe Rathschläge, wie z. B.: man sei wohlthätig, man schwatze nicht aus der Schule etc., allein da dieselben nicht zum eigentlichen Gegenstande unserer Darlegungen gehören, übergehen wir sie und schließen mit dem aufrichtigen Wunsche, daß die Winke, die wir im Vorstehenden an der Hand des klugen Yankee-Autors gegeben, sich recht vielen unserer Leser von wirklichem Nutzen erweisen mögen.

      London. Leopold Katscher.     

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: gewöhntich