Zum Inhalt springen

Die Magensonde

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Ed. Ott
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Magensonde
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 39, S. 656–658
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1889
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[656]

Die Magensonde.

Ein Kapitel für Magenkranke. Von Prof. Dr. Ed. Ott.

Bei einer Uebersicht über die Fortschritte, die in den verschiedenen Gebieten der Medizin und Chirurgie während der letzten Jahrzehnte gemacht wurden, finden wir die größten in denjenigen Disziplinen, bei denen die Naturwissenschaften und die hoch entwickelte Technik dienstbar gemacht wurden. Was jetzt die Kunst des Mechanikers an feineren Instrumenten und Apparaten leistet, übertrifft natürlich weit die Erzeugnisse der Zeit, in welcher Hammer und Ambos fast unumschränkt herrschten. Bücher mit sieben Siegeln waren früher für den untersuchenden Arzt Ohr und Kehlkopf; die Diagnosen glichen mehr Fabeln und philosophischen Problemen, ehe es gelang, diese tief gelegenen und dunklen Gänge und Höhlen zu beleuchten. Mit der Erfindung der Kehlkopf- etc. Spiegel ist es fast soweit gekommen, daß man nur noch glaubt und als erwiesen annimmt, was man sieht. Von dem Mikroskop als vollständigstem optischen Instrument will ich eigentlich schweigen; es ist zu bekannt. Aber mit Hilfe desselben gründete man unsere Kenntnisse in der Medizin auf die Befunde am Seciertische. So wichtig indeß auch für jeden Arzt die genaue Kenntniß der Aenderungen und Zerstörungen ist, welche jede einzelne Krankheit an den Organen des Körpers zur Folge hat, so genügt dies doch lange nicht, um erfolgreich am Krankenbett wirken zu können, denn der Seciertisch zeigt uns nur das Endergebniß in schweren oder unheilbaren Krankheitsfällen. Welche Funktionsstörung ein krankes Organ aufweist, das muß am Krankenbett studiert werden, und wenn anders die Krankheit als solche nicht heilbar ist, so muß doch soweit als möglich die Funktionsstörung ausgeglichen werden, wie es beispielsweise der Augenarzt thut, wenn er einen Kurzsichtigen vor sich hat. Die anatomische Veränderung des Auges der Kurzsichtigen kann der Arzt nicht heilen, aber er kann den Schaden durch ein zweckmäßiges Glas ausgleichen. Oft aber gelingt es auch dem Arzte, durch entsprechende Berücksichtigung der physiologischen Funktionsstörungen und nur durch diese, die Krankheit, zumal wenn sie noch nicht zu tief eingewurzelt ist, zu heilen.

Der Arzt begnügt sich darum heutzutage nicht mehr mit der Feststellung der sicht- und greifbaren Veränderungen der Organe, er muß in jedem Falle studieren, wie die Funktionen gestört sind. So begnügt sich z. B. ein guter Augenarzt nicht mit der bloß anatomischen Diagnose einer Krankheit der Netzhaut, des Glaskörpers, der Linse etc., sondern er prüft alle Schäden, die das Auge erhalten hat, weiter: er nimmt Sehproben vor, er prüft die brechenden Medien, den Farbensinn, das Gesichtsfeld und sieht so, was das Auge noch leisten kann. Danach richtet er sein Handeln.

Auch bei den Magenkrankheiten hat man sich lange zufrieden gegeben mit der Diagnose der äußerlich wahrnehmbaren Aenderungen am Organe, d. h. mit der rein pathologisch-anatomischen Diagnose. Man verfügte bloß über die rein äußerliche Untersuchung, man palpirte, klopfte an der Magengegend herum, etc., man examinirte über dieses und jenes: darauf stützte man seine Diagnose. Wie es im Innern des Magens hergehe, wie die normale Beschaffenheit des Magensaftes sei, welche Störungen ein krankhaft beschaffener Magensaft erzeugen könne, wußte man noch nicht und konnte man auch nicht wissen, da die Hauptsache zur Untersuchung, die Kenntniß des Magensaftes, fehlte. Der verstorbene berühmte Kliniker Frerichs in Berlin äußerte sich seiner Zeit dahin, daß die Störungen der Magensaftausscheidung leider ein noch völlig dunkles Gebiet der Forschung bilden. Es sei auch wenig Hoffnung vorhanden – so sprach sich damals Frerichs aus – daß es bald gelingen werde, diesen für die Lehre der Verdauungskrankheiten so wichtigen Gegenstand erledigt zu sehen, weil der Beschaffung des Materials beim Menschen unüberwindliche Hindernisse entgegenstehen.

Allein es ist anders gekommen. Die unüberwindlichen Hindernisse sind geschwunden. Professor Kußmaul war der erste, der die Magensonde zu Heilzwecken anwandte. Die Hoffnungen, die man darauf setzte, mußten aber mit der Zeit abblassen, weil man noch keinen genaueren Einblick in die Art der Verdauungsstörung bei den einzelnen Magenkrankheiten hatte. Der erste, der die Magensonde zu diagnostischen Zwecken anwandte und empfahl, war Professor Leube in Würzburg, dem auch verschiedene Untersuchungsmethoden ihre Entstehung verdanken. Allein es galt, eine einfache, jedem Arzt verständliche und zugängliche Untersuchungsmethode herauszuprobiren und festzustellen. Eine solche entdeckte Professor Riegel in Gießen, und mit Hilfe seiner Methode gelang es diesem Forscher, viele Irrthümer zu beseitigen und unsere Kenntnisse in Magenkrankheiten zu bereichern. Aus der Reihe der Männer, die sich außer den genannten Reformatoren auf dem Gebiete der Magenkrankheiten besonders eingehend damit beschäftigt haben, seien nur van der Velden, Ewald, Boas, Oser etc. genannt. Alle Namen aufzuzählen, würde hier zu weit führen.

Man könnte glauben, daß das Ideal einer Magenuntersuchung die Anwendung eines Spiegels wäre, mit dem man das ganze Organ bis in seine einzelnen Falten und Fältchen, bis in seine verborgensten Winkel und Winkelchen beleuchten könnte. Aber abgesehen davon, daß alle bis jetzt ausgeführten und mit elektrischem Lichte ausgestatteten Gastroskope (Magenschauer) viel zu wünschen übrig ließen, könnten wir mit ihnen bloß kleine Bilder bekommen, die keinen Schluß auf die Beschaffenheit der Schleimhaut im allgemeinen zulassen würden. Das würde nicht viel nützen. Wir bekämen ja keine Aufklärung über die Funktionsstörungen des Magens und des Magensaftes. Die Optik läßt uns hier im Stich. Wir können niemals, auch wenn wir die Oberfläche der Magenschleimhaut noch so genau betrachten – und nur diese läßt sich sehen – erkennen, wie die Drüsen sich verhalten, ob sie einen guten oder schlechten Magensaft absondern, u. dergl. mehr. Dazu bedürfen wir des Magenhebers, mittels dessen wir jederzeit uns über die Art der Magenthätigkeit unterrichten können, indem wir den Inhalt des Magens ausheben. Der Magenheber ist ein einfaches Instrument, das aus einer weichen, elastischen Nélatonschen Sonde, einem gläsernen Verbindungsstück und einem Kautschukrohr besteht, an dem ein Glastrichter mit Handgriff steckt. Magenpumpen giebt es verschiedene, lauter schöne und zweckmäßig zusammengesetzte Instrumente, allein in Anwendung kommen sie selten. Vor allem werden sie benutzt bei Vergiftungen, bei denen es darauf ankommt, den Magen rasch und vollständig bis auf den letzten Tropfen von seinem Inhalte zu befreien.

Der Magenheber, dessen Anwendung wir weiter unten noch genau kennen lernen werden, wirkt einfach nach dem Gesetz des zweiarmigen Hebers, dessen kürzerer Arm in den Magen eingeführt ist und dessen längerer aus dem Munde heraushängt. Es ist dabei keine Pumpe nöthig. Der Mageninhalt fließt von selbst ab, sobald die Flüssigkeit die Grenzscheide, das gläserne Verbindungstück, passirt hat. Immerhin klingt das alles dem Ohr des Laien nicht verlockend, und man begreift, daß ein Magenheber beim Publikum keine freundlichen Vorstellungen erweckt.

Wir sind auch weit entfernt davon, die Einführung der Sonde als ein für den Patienten angenehmes Experiment hinstellen zu wollen, möchten aber doch hervorheben, daß fast jeder Kranke sich mit einiger Selbstbeherrschung bald an dieselbe gewöhnt. In der Regel lernt er in verhältnißmäßig kurzer Zeit, die Sonde sich selbst einzuführen. Und wäre es auch nur die Erwägung, daß der durch diesen immerhin lästigen Vorgang erzielte Nutzen einer sicher gestellten Diagnose ein außerordentlich großer ist – schon diese Erwägung sollte den Patienten veranlassen, die kleine Unannehmlichkeit des Ausheberns ruhig mit in Kauf zu nehmen. Diejenigen Kranken, bei denen die Behandlung in täglichem Ausspülen und Reinigen des Magens besteht und welche die Sonde selbst einführen, erlangen überdies oft eine geradezu bewunderungswürdige Geschicklichkeit in der Ausführung der nöthigen Handgriffe. Es ist für den Arzt ein wahres Vergnügen, diese Leidenden den Magen mit großer Leichtigkeit und fast sportmäßig sich selbst ausspülen zu sehen; es ist eine Freude, zu beobachten, wie sie nachher einen ganz gesunden Appetit entwickeln, gut und ohne Schmerzen schlafen, sich wohler fühlen und an Körpergewicht meistens schon nach kurzer Zeit zunehmen. Deshalb kurz und bündig: „Bange machen gilt nicht!“ Ueberdies wird kein gewissenhafter Arzt eine Magenausheberung ohne zwingende Gründe vornehmen.

Veranschaulichen wir uns den Gang des ganzen Verfahrens an einem angenommenen Falle. Der Kranke kommt in das Sprechzimmer eines Magenarztes und stellt sich diesem als leidend vor; er bittet um seinen Rath. Damit beginnt das Verfahren. [657] Das Examen folgt, wie in den Sprechzimmern der anderen Aerzte. Der Kranke wird ebenso betastet, beklopft, behorcht etc. Erscheint nun dem Arzte die Untersuchung des Mageninhaltes nöthig, so eröffnet er dies dem Patienten und ersucht ihn, etwa am folgenden Tag zur Vornahme der natürlich ganz ungefährlichen Magenentleerung wiederzukommen, und zwar fünf bis sieben Stunden nach eingenommener Probemahlzeit. Diese muß nach Menge und Zusammensetzung richtig gewählt werden, wobei es sehr darauf ankommt, daß die gewohnte Essenszeit innegehalten wird, weil hier der Magen seine beste Verdauungskraft zu entfalten pflegt. – Die Probemahlzeit besteht nach Vorschrift des Arztes gewöhnlich aus einem Teller Fleischbrühsuppe, einem Beefsteak und einem sogenannten Tafelbrötchen, wozu je nachdem auch etwas Wasser mit oder ohne Wein genommen werden kann. Nach dieser Mahlzeit darf bis zum Aushebern nichts Festes und nichts Flüssiges, also kein Gläschen Wasser genossen werden. Nur so erhalten wir ein richtiges Bild vom Magensaft auf der Höhe der Verdauung. Wenn nun der Patient kommt, ermahnt ihn der Arzt, ruhig und tief zu athmen, und beginnt die, wie gesagt, ungefährliche Operation. Die Sonde, in warmem Wasser angefeuchtet, wird vom Arzt am unteren Ende wie eine Schreibfeder gefaßt, in den Mund, durch den Rachen und hinter dem Kehlkopf in die Tiefe geführt. Ist sie soweit gekommen, so gleitet sie fast von selbst in den Magen, wenn der Patient dem Gebot des Arztes, die eingeführte Sonde zu verschlucken, folgt. Wenn dies auch meistens, besonders anfangs, nicht ohne einige leichte Würgbewegungen geht, so hat dies nicht viel zu sagen. Ist die Sonde mit ihrem unteren Ende im Magengrunde, an der tiefsten Stelle des Magens, angekommen, wo hinreichend Flüssigkeit ist, so bittet der Arzt den Patienten, etwas zu pressen oder zu husten. Mit diesen Exercitien gelingt es meist, die im Magen vorhandene Flüssigkeit in die Höhe zu treiben und so den kürzeren Abschnitt des Hebers, beziehungsweise der Sonde zu füllen. Ist bei einem zweiarmigen Heber auch das den kürzeren und längeren Arm verbindende Mittelstück gefüllt, so durchströmt die Flüssigkeit von selbst den längeren Arm. Wie oft macht man genau dasselbe im Keller mit dem Weinheber! Die Magenflüssigkeit läuft von selbst aus dem Magen ab, wird in einem Gefäß aufgefangen und gesondert aufbewahrt zur weiteren chemischen Untersuchung. So viel über das Aushebern des Magens!

Was nun das Ausspülen desselben, das zu Heilzwecken geschieht, betrifft, so wird dieses folgendermaßen gemacht: man hält den Trichter hoch und gießt lauwarmes Wasser in denselben, wobei indessen zu beachten ist, daß man den Trichter nicht zu hoch hält; so verhütet man, daß das Wasser wie eine Dusche wirkt. Durch diese theilweise Anfüllung des Magens mit Wasser wird der Mageninhalt verdünnt und der Magen selbst gereinigt. Um ihn zu entleeren, genügt es, den Trichter, sobald das letzte Wasser in ihm zu verschwinden droht, einfach zu senken, und alsbald strömt der verdünnte Mageninhalt nach außen. Mit fast wunderbarer Schnelligkeit pflegt nun nach dem Aushebern und der Entfernung der Sonde den Leidenden ein man möchte sagen aufathmendes Wohlbefinden zu überkommen. Er ist ein neuer Mensch geworden. „Nicht wahr?“ fragt der Arzt, „Ihnen ist nicht übel? Sie empfinden keinen Schmerz? Aber Hunger haben Sie wohl, oder nicht?“

„Ja, Herr Doktor,“ pflegt der nicht mehr Gequälte zu sagen, „Schmerzen habe ich nicht, aber Hunger verspüre ich und möchte etwas essen, und zwar bald, warten kann ich nicht mehr lange.“

Zufriedener verläßt der Patient den Arzt und empfängt von diesem die ausdrückliche Bemerkung, daß eine Wiederholung der soeben vorgenommenen Entleerung unvermeidlich sei, denn nur – so erklärt der erfahrene Magenarzt – eine öftere chemische [658] Untersuchung des entnommenen Mageninhaltes könne eine sicher gültige Diagnose herbeiführen.

Mit der chemischen Untersuchung des Ausgeheberten beginnt nun für den Arzt die Hauptaufgabe. Das Ganze wird vervollständigt durch die Vornahme eines künstlichen Verdauungsversuches.

Zunächst ein Wort über die chemische Untersuchung.

Nachdem man den Mageninhalt filtrirt hat, versäumt man nicht, den auf dem Filtrum zurückbleibenden Speisebrei genau zu beaugenscheinigen. Schon daraus lassen sich wichtige Schlüsse ziehen; man sieht, wie der Magen verdaut, was der Magen erträgt, das heißt, was gelöst und verschwunden ist, und was er nicht erträgt, das heißt, was noch sichtbar und nicht verdaut ist. In mehreren sogenannten Reagensgläschen, wie sie in chemischen Laboratorien gebräuchlich sind, prüft man das Verhalten des Mageninhaltes gegen verschiedene Farbstoffe und sieht an den Veränderungen, die diese Farben erleiden, ob die normalen Bestandtheile im Magensaft vorhanden sind oder nicht, ob und welche fremden Bestandtheile, z. B. Milchsäure, Buttersäure und dergleichen, in größerer Menge gefunden werden. Der Vollständigkeit wegen sollte ich eigentlich dem Leser alles vorführen, ihm zeigen, wie dieser Farbstoff granatroth, jener hellblau etc. wird, allein ich glaube mich dieser Aufgabe entschlagen zu dürfen. Vieles und doch ungenügendes Wissen macht Kopfweh! Vor allem ist die Salzsäure die eigentliche Verdauungssäure, deren Anwesenheit und Gewichtsmenge zu bestimmen sind. Wo Salzsäure ist, fehlt das Verdauungsferment Pepsin nie. Der normale Salzsäuregehalt des Magensaftes beträgt 0,15 bis 0,2 Prozent. Es kommen aber nicht selten Vermehrungen der Salzsäuremengen vor bis 0,5 und 0,6 Prozent. Man glaubte früher viel häufiger an ein Fehlen oder eine Verminderung der Salzsäure. Dieser Irrthum führte zur Verordnung von Salzsäure, wodurch jedoch der Zustand des Kranken meistens verschlechtert wurde. Das genaue Studium der Störungen der Magenthätigkeit hat gelehrt, daß viel häufiger ein zu großer Reichthum von Salzsäure krankhafte Erscheinungen veranlaßt. Diese Säure zu geben, ist der Arzt eigentlich nur berechtigt, wenn durch falsche Gährungen und Zersetzungen im Magen organische Säuren (Essig-, Milch-, Buttersäure) erzeugt werden.

Nun folgt der künstliche Verdauungsversuch. Diesen wichtigen, letzten Theil seiner Arbeit verrichtet der Arzt, indem er die Löslichkeit von geronnenem Hühnereiweiß im Mageninhalt innerhalb eines geschlossenen, auf Blutwärme erhitzten Raumes prüft. Zu diesem Zweck setzt er zu einer kleinen Menge filtrirten Mageninhaltes eine Scheibe beim Sieden geronnenen Hühnereiweißes von bestimmter Größe und Dicke in ein Reagensglas und dieses selbst in einen in der Chemie viel gebrauchten sogenannten Brütofen. Ein solcher stellt sich dar als ein längliches, rechteckiges, aus Kupferblech gefertigtes Kästchen, das innen mit einem Gestell für die Reagensgläschen ausgestattet ist und auf dessen oberer Platte ein Thermometer und ein Thermostat in zweckentsprechender Weise befestigt sind. Letzteres Instrument dient dazu, ein zu starkes Zuströmen von Gas zu der unter dem Kasten brennenden Lampe zu verhindern und auf diese Weise die Temperatur im Brütofen gleichmäßig auf etwa + 37° C., das heißt auf Blutwärme, zu erhalten. Wenn der Magensaft auf diese Weise innerhalb einer gewissen Zeit bei etwa + 37° C. die Eiweißscheibchen auflöst, so haben wir das Recht, anzunehmen, daß der betreffende Magen, aus welchem der Saft stammt, gute Verdauungskraft besitzt. Bei einem zu großen Reichthum des Magensaftes an Salzsäure findet dagegen eine zu rasche Lösung oder Verdauung statt. Löst sich aber die Eiweißscheibe nicht, ist sie nach Stunden oder Tagen unverdaut, so haben wir das Recht, aus dieser mangelhaften Verdauung auf ein schweres Leiden, zunächst auf Krebs zu schließen, trotz aller begründeter und unbegründeter Erörterungen, denen dieses Thema schon unterworfen worden ist.

Die chemische Untersuchung des Mageninhaltes, an die sich die mit dem Mikroskop oft anschließen muß, vorzunehmen, ist also immer da angezeigt, wo man den Ursprung einer Verdauungsstörung nicht genau kennt und nicht weiß, wie sie die chemischen Vorgänge im Magen ändert. Würde das öfter geschehen, so würde die orakelhafte und schablonenmäßige Diagnose „chronischer Magenkatarrh“ viel seltener gestellt werden. Wie die Diagnose auf chemischem Weg gemacht wird, so sind auch chemische Rückschlüsse ausschlaggebend bei der Heilung und besonders bei der Diät. Der Arzt hat nicht nöthig, zu probiren und alle möglichen Speisezettel aufzustellen, er kennt die chemische Zusammensetzung des Magensaftes und weiß genau, wie der Magen verdaut, was ein solcher an Speise und Trank ertragen kann und verlangt.

So kann ein Kranker, wenn er den Gebrauch der Magensonde und dabei die richtige Auswahl und Bereitungsweise der Speisen wenigstens dem Gesichtspunkt nach gelernt hat, eine begonnene Kur zu Hause fortsetzen; er hat bloß nöthig, seinen Arzt durch zeitweilige Zusendung von Magensaftproben auf dem Laufenden zu erhalten, nach deren sachgemäßer Untersuchung der Arzt fast in mathematischer Weise sich von den Fortschritten der Besserung überzeugen kann. Den sichersten Anhaltspunkt für die Beurtheilung des Krankheitsstandes, ob Stillstand, ob Besserung oder Verschlimmerung vorliegt, geben die sicher zu berechnenden Salzsäuremengen des Mageninhalts.

Auf diese Weise kann natürlich nicht jede Magenkrankheit sicher erkannt und darauf hin zweckgemäß behandelt werden. Aber Linderung der Schmerzen und Beschwerden kann der Arzt gewähren auch in unheilbaren Leiden mit Hilfe dieser neuen Methode. Wohl ist sie noch der Vervollkommnung und feineren Ausbildung fähig und bedürftig, aber auch so, wie sie jetzt sich darbietet, ist sie der Beachtung werth. Manches Vorurtheil, das dagegen herrscht, wird schwinden, sobald man allgemein das Wesen und den Werth der ganzen Methode kennen gelernt hat. Hierzu beizutragen, das ist der Zweck der obigen Darlegungen.