Zum Inhalt springen

Die Philosophie und die Frauen

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Philosophie und die Frauen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 44, S. 786–787
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[786] Die Philosophen und die Frauen. Wie viele Dichter von Frauenlob bis zur Gegenwart haben den Frauen Kränze gewunden! Wenn diese in den neuen Gedichtsammlungen und Blüthenkränzen blättern, so strahlt ihnen wie aus einem Spiegel ihr geschmeicheltes Bild entgegen. Schiller’s „Ehret die Frauen“ hat eine große Nachkommenschaft geistesverwandter Poesien aufzuweisen. Unter den Dichtern giebt es wenig Weiberfeinde ... ist doch die Muse selbst eine Frau. Und doch gab es einen Liebling der tragischen Muse, der aus seiner Weiberverachtung kein Hehl machte: das war Euripides, der selbst nicht glücklich verheirathet gewesen war. Er ist geradezu als ein auf den Kopf gestellter Frauenlob zu betrachten. In zahlreichen Sechsfüßlern seiner Trauerspiele läßt er die Frauen seinen Zorn und Ingrimm fühlen; so besonders in einer Rede des „Hippolytos“.

[787] Das ist einer der wenigen Poeten, die ihren Weiberhaß offen verkündeten; im Ganzen aber brauchen sich die Frauen über die Dichter nicht zu beklagen.

Anders steht’s mit den Philosophen und besonders mit den deutschen: sie sind in der That den Frauen nicht hold, soweit sie sich überhaupt mit ihnen beschäftigten, was bei Fichte, Schelling, Hegel und andern namhaften Denkern nicht der Fall war. Doch der Königsberger Philosoph Kant konnte es nicht unterlassen, gelegentlich seine Bemerkungen über das schöne Geschlecht anzubringen. Für die vorherrschenden Neigungen desselben erklärt er die Neigung zu herrschen und diejenige zum Vergnügen; es komme den Frauen wesentlich darauf an, ihren Nebenbuhlerinnen nicht nachzugeben, sondern sie alle womöglich durch ihre Reize und ihren Geschmack zu besiegen. Für die Koketterie, deren sich Frauen in der Ehe schuldig machen, hat Kant indeß eine merkwürdige Entschuldigung. „Eine junge Frau ist doch immer in Gefahr, Wittwe zu werden, und das macht, daß sie ihre Reize über alle den Glücksumständen nach ehefähige Männer ausbreitet, damit, wenn jener Fall sich ereignet, es ihr nicht an Bewerbern fehlen möge.“ Von den gelehrten Frauen sagt er, „sie brauchten ihre Bücher eben so wie ihre Uhr, nämlich sie zu tragen, damit gesehen werde, daß sie eine haben, ob sie zwar gemeiniglich stillsteht oder nicht nach der Sonne gestellt ist.“

Weit schlimmer fahren die Frauen aber bei unseren neuen Modephilosophen Arthur Schopenhauer und Eduard von Hartmann. Eine Blüthenlese aus den Aussprüchen des Ersteren über die Frauen würde sehr reichhaltig sein, aber im Ganzen ein abschreckendes Bild der Priesterinnen des häuslichen Herdes ergeben. „Die Weiber,“ sagt der Frankfurter Philosoph, „sehen immer nur das Nächste, kleben an der Gegenwart, nehmen den Schein der Dinge für die Sache und ziehen Kleinigkeiten den wichtigsten Angelegenheiten vor.“

An einer andern Stelle sagt Schopenhauer: „Mit den Mädchen hat es die Natur auf einen Knalleffekt abgesehen, indem sie dieselben auf einige Jahre mit überreichlicher Schönheit, Reiz und Fülle ausstattete auf Kosten ihrer ganzen übrigen Lebenszeit, damit sie während jener Jahre der Phantasie eines Mannes sich in dem Maße bemächtigen könnten, daß er hingerissen wird, die Sorge für sie zeitlebens ehrlich zu übernehmen.“ Dies Zugeständniß an die weibliche Schönheit nimmt er aber später wieder zurück; er leugnet, daß man das weibliche Geschlecht das schöne nennen könne, indem er seine körperliche Erscheinung mit den herabsetzendsten Beiwörtern schildert, und, ganz im Fahrwasser seines Meisters Kant sich bewegend, erklärt er, die Frauen hätten weder für Musik noch für Poesie und bildende Künste wahrhaftig Sinn und Empfänglichkeit, sondern es sei bloß Aefferei aus Gefallsucht, wenn sie das zur Schau trügen. Es liege in der Weiber Natur, Alles nur als Mittel anzusehen, den Mann zu gewinnen.

Einen anderen Trumpf spielt Eduard von Hartmann aus: ihm ist das weibliche Geschlecht das unrechtliche und ungerechte; alle seien geborene Defraudantinnen aus Passion, hätten zur Fälschung eine instinktive Neigung (ein Viertel der Dienstbücher weiblicher Dienstboten in Berlin enthielt plumpe Fälschungen); sie mogelten beim Spiel, und das mache den Reiz des Spiels für sie aus; sie urtheilten nie ohne Ansehen der Person; die Mütter hätten stets Lieblingskinder und Aschenbrödel.

So sitzt das weibliche Geschlecht auf dem Lästerstuhle, wenn die Philosophen das Wort haben, dagegen auf einem von Weihrauch umdampften Thronsessel, wenn das Wort den Dichtern gegönnt ist.

Daß hervorragende Denker sich in so einseitiger und verkehrter Weise über die Frauen äußerten, in deren Hochstellung in Wahrheit ein Zeichen fortgeschrittener Kultur und Bildung liegt: das läßt sich zum Theil aus ihren persönlichen Verhältnissen erklären. Kant war ein eingefleischter Hagestolz, der fast gar keinen Umgang mit Frauen hatte; auch Schopenhauer blieb Zeitlebens Junggeselle und sah Welt und Leben oft in düsterster feindseliger Beleuchtung. Eduard von Hartmann aber gefällt sich oft in der Aufstellung ungewöhnlicher und befremdender Aussprüche: sonst hätte er am wenigsten Grund zu solchen geringschätzigen Aeußerungen über die Frauen. Seine eigene jetzt verstorbene Frau hat unter dem Namen Taubert ein verherrlichendes Werk über ihn veröffentlicht, und eine andere Dame, Olga Plumacher, hat große Essays über seine Schriften und seine Schule in angesehenen Zeitschriften erscheinen lassen. Dabei ist doch gewiß keine Mogelei im Spiel. †