Die Räuber/3. Akt
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Schön wie Engel, voll Walhalla’s Wonne, |
Franz. Schon wieder hier, eigensinnige Schwärmerin? Du hast dich vom frohen Mahle hinweggestohlen, und den Gästen die Freude verdorben.
Amalia. Schade für diese unschuldige Freuden! das Todenlied mus noch in deinen Ohren murmeln, das deinem Vater zu Grabe hallte –
Franz. Willst du dann ewig klagen? Laß die Toden schlafen, und mache die Lebendigen glücklich! Ich komme –
Amalia. Und wann gehst du wieder?
Franz. O weh! kein so finsteres stolzes Gesicht! du betrübst mich, Amalia. Ich komme dir zu sagen –
Amalia. Ich mus wohl hören, Franz von Moor ist ja gnädiger Herr worden.
Franz. Ja recht, das wars, worüber ich dich vernehmen wollte – Maximilian ist schlafen gegangen in der Väter Gruft. Ich bin Herr. Aber ich möchte es vollends ganz seyn, Amalia – du weist, was du unserm Hause warst, du wardst gehalten wie Moors Tochter, selbst den Tod überlebte seine Liebe zu dir, das wirst du wol niemals vergessen? –
Amalia. Niemals, niemals. Wer das auch so leichtsinnig beym frohen Mahle hinwegzechen könnte!
[114] Franz. Die Liebe meines Vaters must du in seinen Söhnen belohnen, und Karl ist tod – staunst du? schwindelt dir? Ja wahrhaftig, der Gedanke ist auch so schmeichelnd erhaben, daß er selbst den Stolz eines Weibes betäubt. Franz tritt die Hofnungen der edelsten Fräuleins mit Füssen, Franz kommt und bietet einer armen ohne ihn hülflosen Waise sein Herz, seine Hand, und mit ihr all sein Gold an und all seine Schlösser und Wälder. – Franz, der Beneidete, der Gefürchtete erklärt sich freywillig für Amalia’s Sklaven –
Amalia. Warum spaltet der Bliz die ruchlose Zunge nicht, die das Frevelwort ausspricht! Du hast meinen Geliebten ermordet, und Amalia soll dich Gemahl nennen! du –
Franz. Nicht so ungestümm, allergnädigste Prinzessin! – Freylich krümmt Franz sich nicht wie ein girrender Seladon vor dir – freylich hat er nicht gelernt, gleich dem schmachtenden Schäfer Arkadiens, dem Echo der Grotten und Felsen seine Liebesklagen entgegen zu jammern – Franz spricht und wenn man nicht antwortet, so wird er – befehlen.
Amalia. Wurm du, befehlen? mir befehlen? – und wenn man den Befehl mit Hohnlachen zurückschickt?
Franz. Das wirst du nicht. Noch weis ich Mittel, die den Stolz eines einbildischen Starrkopfs [115] so hübsch niederbeugen können – Kloster und Mauren!
Amalia. Bravo! herrlich! und in Kloster und Mauren mit deinem Basilisken-Anblick auf ewig verschont, und Musse genug an Karln zu denken, zu hangen. Willkommen mit deinem Kloster! auf, auf mit deinen Mauren!
Franz. Haha! ist es das? – gib Acht! Izt hast du mich die Kunst gelehrt, wie ich dich quälen soll – diese ewige Grille von Karl soll dir mein Anblick gleich einer feuerhaarigen Furie aus dem Kopf geiseln, das Schrekbild Franz soll hinter dem Bild deines Lieblings im Hinterhalt lauren, gleich dem verzauberten Hund, der auf unterirrdischen Goldkästen liegt, – an den Haaren will ich dich in die Kapelle schleifen, den Degen in der Hand, dir den ehelichen Schwur aus der Seele pressen, dein jungfräuliches Bette mit Sturm ersteigen, und deine stolze Schaam mit noch gröserm Stolze besiegen.
Amalia giebt ihm eine Maulschnelle. Nimm erst das zur Aussteuer hin!
Franz aufgebracht. Ha! wie das zehnfach, um wieder zehnfach geahndet werden soll! – Nicht meine Gemahlin – die Ehre sollst du nicht haben – meine Maitresse sollst du werden, daß die ehrlichen Bauernweiber mit Fingern auf dich deuten, wenn du es wagst und über die Gaße gehst. [116] Knirsche nur mit den Zähnen – speye Feuer und Mord aus den Augen – mich ergözt der Grimm eines Weibes, macht dich nur schöner, begehrenswerther. Komm – dieses Sträuben wird meinen Triumf zieren und mir die Wollust in erzwungnen Umarmungen würzen – Komm mit in meine Kammer – ich glühe vor Sehnsucht – izt gleich sollst du mit mir gehn will sie fortreißen,
Amalia fällt ihm um den Hals. Verzeih mir Franz! wie er sie umarmen will, reißt sie ihm den Degen von der Seite und tritt hastig zurück. Siehst du Bösewicht was ich jezt aus dir machen kann? – Ich bin ein Weib aber ein rasendes Weib – wag es einmal mit unzüchtigem Griff meinen Leib zu betasten – dieser Stahl soll deine geile Brust mitten durchrennen, und der Geist meines Oheims wird mir die Hand dazu führen. Fleuch auf der Stelle! Sie jagt ihn davon.
Ah! wie mir wohl ist – Izt kann ich frey athmen – ich fühlte mich stark wie das Funkensprühende Roß, grimmig wie die Tygerinn dem siegbrüllenden Räuber ihrer Jungen nach – In ein Kloster sagt er – dank dir für diese glükliche Entdekung! – Izt hat die betrogene Liebe ihre Freystatt gefunden – das Kloster – das Kreuz [117] des Erlösers ist die Freystatt der betrognen Liebe. Sie will gehn.
Herrmann. Fräulein Amalia! Fräulein Amalia!
Amalia. Unglücklicher! Was störest du mich?
Herrmann. Dieser Zentner muß von meiner Seele eh er sie zur Hölle drückt wirft sich vor ihr nieder. Vergebung! Vergebung! Ich hab euch sehr beleidigt Fräulein Amalia.
Amalia. Steh auf! Geh! Ich will nichts wissen. Will fort.
Herrmann der sie zurückhält. Nein! Bleibt! Bey Gott! Bey dem ewigen Gott! Ihr sollt alles wissen!
Amalia. Keinen Laut weiter – Ich vergebe dir – Ziehe heim in Frieden.
Herrmann. So höret nur ein einziges Wort – es wird euch all eure Ruhe wiedergeben.
Amalia kommt zurück und blickt ihn verwundernd an. Wie Freund? – wer im Himmel und auf Erden kann mir meine Ruhe wiedergeben?
Herrmann. Das kann von meinen Lippen ein einiges Wort – höret mich an.
Amalia mit Mitleiden seien Hand ergreiffend. Guter Mensch – Kann ein Wort von deinen Lippen die Riegel der Ewigkeit aufreissen?
[118] Herrmann steht auf. Karl lebt noch!
Amalia schreiend. Unglücklicher!
Herrmann. Nicht anders – Nun noch ein Wort – euer Oheim –
Amalia gegen ihn herstürzend. Du lügst –
Herrmann. Euer Oheim –
Amalia. Karl lebt noch!
Herrmann. Und euer Oheim –
Amalia. Karl lebt noch?
Herrmann. Auch euer Oheim – Verratet mich nicht, eilt hinaus.
Amalia steht lang wie versteinert. Dann fährt sie wild auf, eilt ihm nach. Karl lebt noch!
Moor. Hier muß ich liegen bleiben wirft sich auf die Erde. Meine Glieder wie abgeschlagen. Meine Zunge trocken, wie eine Scherbe, Schweizer verliert sich unvermerkt. Ich wollt euch bitten mir eine Handvoll Wassers aus diesem Strome zu holen, aber ihr seid alle matt bis in den Tod.
Schwarz. Auch ist der Wein all in unsern Schläuchen.
[119] Moor. Seht doch, wie schön das Getraide steht! – Die Bäume brechen fast unter ihrem Seegen. – Der Weinstock voll Hoffnung.
Grimm. Es giebt ein fruchtbares Jahr.
Moor. Meinst du? – Und so würde doch Ein Schweiß in der Welt bezahlt. Einer? – – Aber es kann ja über Nacht ein Hagel fallen und alles zu Grund schlagen.
Schwarz. Das ist leicht möglich. Es kann alles zu Grund gehen, wenig Stunden vorm Schneiden.
Moor. Das sag ich ja. Es wird alles zu Grund gehn. Warum soll dem Menschen das gelingen was er von der Ameise hat, wenn ihm das fehlschlägt, was ihn den Göttern gleich macht? – oder ist hier die Mark seiner Bestimmung?
Schwarz. Ich kenne sie nicht.
Moor. Du hast gut gesagt und noch besser gethan wenn du sie nie zu kennen verlangtest! – Bruder – ich habe die Menschen gesehen, ihre Bienensorgen, und ihre Riesenprojekte – ihre Götterplane und ihre Mäusegeschäffte, das wunderseltsame Wettrennen nach Glückseligkeit; – dieser dem Schwung seines Rosses anvertraut – ein anderer der Nase seines Esels – ein dritter seinen eigenen Beinen; dieses bunte Lotto des Lebens, worein so mancher seine Unschuld, und – seinen Himmel sezt, einen Treffer zu haschen, und – Nullen sind der Auszug – am Ende war kein Treffer [120] darinn. Es ist ein Schauspiel, Bruder, das Tränen in deine Augen lockt, wenn es dein Zwerchfell zum Gelächter kizelt.
Schwarz. Wie herrlich die Sonne dort untergeht!
Moor in den Anblik verschwimmt. So stirbt ein Held! – Anbetenswürdig!
Grimm. Du scheinst tief gerührt.
Moor. Da ich noch ein Bube war – wars mein Lieblings-Gedanke wie sie zu leben, zu sterben wie sie – mit verbißnem Schmerz. Es war ein Bubengedanke!
Grimm. Das will ich hoffen.
Moor drückt den Hut übers Gesicht. Es war eine Zeit – Laßt mich allein, Kameraden.
Schwarz. Moor! Moor! Was zum Henker? – wie er seine Farbe verändert!
Grimm. Alle Teufel! was hat er? wird ihm übel?
Moor. Es war eine Zeit wo ich nicht schlafen konnte, wenn ich mein Nachtgebet vergessen hatte –
Grimm. Bist du wahnsinnig? Willst du dich von deinen Bübenjahren hofmeistern lassen?
Moor legt sein Haupt auf Grimms Brust. Bruder! Bruder!
Grimm. Wie? sey doch kein Kind – ich bitte dich –
Moor. Wär ichs – wär ichs wieder!
[121] Grimm. Pfui! Pfui!
Schwarz. Heitre dich auf. Sieh diese mahlerische Landschaft – den lieblichen Abend.
Moor. Ja Freunde, diese Welt ist so schön.
Schwarz. Nun! das war wohl gesprochen.
Moor. Diese Erde so herrlich.
Grimm. Recht – recht – so hör ichs gerne.
Moor zurückgesunken. Und ich so heßlich auf dieser schönen Welt – und ich ein Ungeheuer auf dieser herrlichen Erde.
Grimm. O weh! o weh!
Moor. Meine Unschuld! Meine Unschuld! – Seht! es ist alles hinausgegangen sich im friedlichen Stral des Frühlings zu sonnen – warum ich allein die Hölle saugen aus den Freuden des Himmels? – daß alles so glücklich ist, durch den Geist des Friedens alles so verschwistert! – die ganze Welt Eine Familie und ein Vater dort oben – Mein Vater nicht – Ich allein der Verstosene, ich allein ausgemustert aus den Reihen der Reinen – mir nicht der süße Name Kind – nimmer mir der Geliebten schmachtender Blick – nimmer nimmer des Busenfreundes Umarmung wild zurükfahrend. Umlagert von Mördern – von Nattern umzischt – angeschmidet an das Laster mit eisernen Banden – hinausschwindelnd ins Grab des Verderbens auf des Lasters schwankendem Rohr – mitten in den Blumen der glücklichen Welt ein heulender Abbadona!
[122] Schwarz zu den übrigen. Unbegreiflich! Ich hab ihn nie so gesehen.
Moor mit Wehmuth. Daß ich wiederkehren dürfte in meiner Mutterleib! daß ich ein Bettler gebohren werden dürfte! – Nein! ich wollte nicht mehr o Himmel – daß ich werden dürfte wie dieser Taglöhner einer! – O ich wollte mich abmüden, daß mir das Blut von den Schläfen rollte – mir die Wollust eines einzigen Mittagschlafs zu erkaufen – die Seligkeit einer einzigen Träne.
Grimm zu den andern. Nur Geduld! der Paroxismus ist schon im Fallen.
Moor. Es war eine Zeit wo sie mir so gern floßen – o ihr Tage des Friedens! Du Schloß meines Vaters – ihr grünen schwärmerischen Thäler! O all ihr Elisiums Scenen meiner Kindheit! – Werdet ihr nimmer zurückkehren – nimmer mit köstlichem Säuseln meinen brennenden Busen kühlen? – Traure mit mir Natur – Sie werden nimmer zurükkehren, nimmer mit köstlichen Säuseln meinen brennenden Busen kühlen. – Dahin! dahin! unwiederbringlich! –
Schweizer. Sauf zu Hauptmann – hier ist Wasser genug, und frisch wie Eis.
Schwarz. Du blutest ja – was hast du gemacht?
[123] Schweizer. Narr, einen Spaß der mich bald zwey Beine und einen Hals gekostet hätte. Wie ich so auf dem Sandhügel am Fluß hintrolle, glitsch, so rutscht der Plunder unter mir ab und ich zehn rheinländische Schuhe lang hinunter – da lag ich, und wie ich mir eben meine fünf Sinne wieder zurecht seze, treff ich dir das klarste Wasser im Kies. Genug dießmal für den Tanz dacht ich, dem Hauptmann wirds wol schmecken.
Moor giebt ihm den Hut zurük, und wischt ihm sein Gesicht ab. Sonst sieht man ja die Narben nicht die die böhmischen Reuter in deine Stirn gezeichnet haben – dein Wasser war gut Schweizer – diese Narben stehen dir schön.
Schweizer. Pah! hat noch Platz genug für ihrer dreysig.
Moor. Ja Kinder – es war ein heißer Nachmittag – und nur Einen Mann verloren – mein Roller starb einen schönen Tod. Man würde einen Marmor auf seine Gebeine sezen wenn er nicht mir gestorben wäre. Nehmet vorlieb mit diesem er wischt sich die Augen. Wie viel warens doch von den Feinden, die auf dem Platz blieben?
Schweizer. Hundert und sechzig Husaren – drey und neunzig Dragoner, gegen vierzig Jäger – dreyhundert in allem:
Moor. Dreyhundert für Einen! – Jeder von Euch hat Anspruch an diesen Scheitel! Er entblößt [124] sich das Haupt. Hier heb ich meinen Dolch auf! So wahr meine Seele lebt! Ich will euch niemals verlassen.
Schweizer. Schwöre nicht! du weißt nicht, ob du nicht noch glücklich werden, und bereuen wirst.
Moor. Bey den Gebeinen meines Roller! Ich will euch niemals verlassen.
Kosinsky vor sich. In dieser Revier herum, sagen sie, werd ich ihn antreffen – he holla! was sind das für Gesichter? – Solltens – wie wenns diese – sie sinds, sinds! – ich will sie anreden.
Schwarz. Gebt Acht! wer kommt da?
Kosinsky. Meine Herrn! verzeihen sie! Ich weis nicht, geh ich recht, oder unrecht?
Moor. Und wer müssen wir seyn, wenn Sie recht gehn?
Kosinsky. Männer!
Schweizer. Ob wir das auch gezeigt haben, Hauptmann?
Kosinsky. Männer such ich, die dem Tod ins Gesicht sehen, und die Gefahr wie eine zahme Schlange um sich spielen lassen, die Freyheit höher schätzen als Ehre und Leben, deren bloser Name, willkommen dem Armen und Unterdrückten, die Beherztesten feig und Tyrannen bleich macht.
Schweizer zum Hauptmann. Der Bursche gefällt [125] mir. – Höre, guter Freund! Du hast deine Leute gefunden.
Kosinsky. Das denk ich, und will hoffen, bald meine Brüder. – So könnt ihr mich dann zu meinem rechten Manne weisen, denn ich such, euren Hauptmann, den grossen Grafen von Moor.
Schweizer giebt ihm die Hand mit Wärme. Lieber Junge! wir duzen einander.
Moor näher kommend. Kennen Sie auch den Hauptmann?
Kosinsky. Du bists – in dieser Miene – wer sollte dich ansehen und einen andern suchen? starrt ihn lang an. Ich habe mir immer gewünscht, den Mann mit dem vernichtenden Blicke zu sehen, wie er sas auf den Ruinen von Karthago – izt wünsch ich es nicht mehr.
Schweizer. Blizbub!
Moor. Und was führt Sie zu mir?
Kosinsky. O Hauptmann! mein mehr als grausames Schicksal – ich habe Schiffbruch gelitten auf der ungestümmen See dieser Welt, die Hoffnungen meines Lebens hab ich müssen sehen in den Grund sinken, und blieb mir nichts übrig als die marternde Erinnerung ihres Verlustes, die mich wahnsinnig machen würde, wenn ich sie nicht durch anderwärtige Thätigkeit zu ersticken suchte.
Moor. Schon wieder ein Kläger wider die Gottheit! – Nur weiter.
[126] Kosinsky. Ich wurde Soldat. Das Unglück verfolgte mich auch da – ich machte eine Farth nach Ostindien mit, mein Schiff scheiterte an Klippen – nichts als fehlgeschlagene Plane! Ich höre endlich weit und breit erzählen von deinen Thaten, Mordbrennereyen, wie sie sie nannten, und bin hieher gereißt dreyssig Meilen weit, mit dem festen Entschluß unter dir zu dienen, wenn du meine Dienste annehmen willst – ich bitte dich, würdiger Hauptmann, schlage mirs nicht ab!
Schweizer mit einem Sprung. Heysa! Heysa! So ist ja unser Roller zehnhundertfach vergütet! Ein ganzer Mordbruder für unsere Bande!
Moor. Wie ist dein Nahme?
Kosinsky. Kosinsky.
Moor. Wie Kosinsky? weist du auch, daß du ein leichtsinniger Knabe bist, und über den grosen Schritt deines Lebens weggaukelst, wie ein unbesonnenes Mädgen – Hier wirst du nicht Bälle werfen oder Kegelkugeln schieben, wie du dir einbildest.
Kosinsky. Ich weis, was du sagen willst – ich bin vier und zwanzig Jahr alt, aber ich habe Degen blinken gesehen, und Kugeln um mich surren gehört.
Moor. So junger Herr? – und hast du dein Fechten nur darum gelernt, arme Reisende um einen Reichsthaler niederzustossen, oder Weiber hinterrücks [127] in den Bauch zu stechen? Geh, geh! du bist deiner Amme entlaufen, weil sie dir mit der Ruthe gedroht hat.
Schweizer. Was zum Henker, Hauptmann! was denkst du? willst du diesen Herkules fortschicken? Sieht er nicht gerade so drein, als wollt er den Marschall von Sachsen mit einem Rührlöffel über den Ganges jagen?
Moor. Weil dir deine Lappereyen misglücken, kommst du, und willst ein Schelm, ein Meuchelmörder werden? – Mord, Knabe, verstehst du das Wort auch? du magst ruhig schlafen gegangen seyn, wenn du Mohnköpfe abgeschlagen hast, aber einen Mord auf der Seele zu tragen. –
Kosinsky. Jeden Mord, den du mich begehen heist, will ich verantworten.
Moor. Was? bist du so klug? Willst du dich anmasen einen Mann mit Schmeicheleyen zu fangen? Woher weißt du, daß ich nicht böse Träume habe, oder auf dem Todbett nicht werde blaß werden? wie viel hast du schon gethan, wobey du an Verantwortung gedacht hast?
Kosinsky. Wahrlich! noch sehr wenig, aber doch diese Reise zu dir, edler Graf!
Moor. Hat dir dein Hofmeister die Geschichte des Robins in die Hände gespielt, – Mann sollte dergleichen unvorsichtige Kanaillen auf die Galeere schmiden – die deine kindische Phantasie erhitzte, [128] und dich mit der tollen Sucht zum grosen Manne ansteckte? Küzelt dich nach Namen und Ehre? willst du Unsterblichkeit mit Mordbrennereyen erkaufen? Merk dirs, ehrgeiziger Jüngling! Für Mordbrenner grünet kein Loorbeer! Auf Banditen-Siege ist kein Triumf gesezt – aber Fluch, Gefahr, Tod Schande – siehst du auch das Hochgericht dort auf dem Hügel?
Spiegelberg unwillig auf und abgehend. Ey wie dumm! wie abscheulich, wie unverzeihlich dumm! das ist die Manier nicht! Ich habs anderst gemacht.
Kosinsky. Was soll der fürchten, der den Tod nicht fürchtet?
Moor. Brav! Unvergleichlich! Du hast dich waker in den Schulen gehalten, du hast deinen Seneka meisterlich auswendig gelernt. – Aber lieber Freund, mit dergleichen Sentenzen wirst du die leidende Natur nicht beschwäzen, damit wirst du die Pfeile des Schmerzens nimmermehr stumpf machen. – Besinne dich recht, mein Sohn! Er nimmt seine Hand. Denk, ich rathe dir als ein Vater – lern erst die Tiefe des Abgrunds kennen, eh du hineinspringst! Wenn du noch in der Welt eine einzige Freude zu erhaschen weist – es könnten Augenblike kommen, wo du – aufwachst – und dann: – möcht es zu spät seyn. Du tritst hier gleichsam aus dem Kreise der Menschheit – entweder must du ein höherer Mensch seyn, oder du bist ein Teufel [129] – Noch einmal, mein Sohn! wenn dir noch ein Funken von Hofnung irgend anderswo glimmt, so verlaß diesen schröcklichen Bund, den nur Verzweiflung eingeht, wenn ihn nicht eine höhere Weisheit gestiftet hat – man kann sich täuschen – Glaube mir, man kann das für Stärke des Geistes halten, was doch am Ende Verzweiflung ist – Glaube mir, mir! und mache dich eilig hinweg.
Kosinsky. Nein! ich fliehe jetzt nicht mehr. Wenn dich meine Bitten nicht rühren, so höre die Geschichte meines Unglücks. – Du wirst mir dann selbst den Dolch in die Hände zwingen, du wirst – lagert euch hier auf dem Boden, und hört mir aufmerksam zu!
Moor. Ich will sie hören.
Kosinsky. Wisset also, ich bin ein böhmischer Edelmann, und wurde durch den frühen Tod meines Vaters Herr eines ansehnlichen Ritterguts. Die Gegend war paradisisch – denn sie enthielt einen Engel – ein Mädgen geschmückt mit allen Reizen der blühenden Jugend, und keusch wie das Licht des Himmels. Doch, wem sag ich das? Es schallt an euren Ohren vorüber – ihr habt niemals geliebt, seyd niemals geliebt worden –
Schweizer. Sachte, sachte! unser Hauptmann wird feuerroth.
Moor. Hör auf! ich wills ein andermal hören – morgen, nächstens, oder – wenn ich Blut gesehen habe.
[130] Kosinsky. Blut, Blut – höre nur weiter! Blut, sag ich dir, wird deine ganze Seele füllen. Sie war bürgerlicher Geburt, eine Deutsche – aber ihr Anblick schmelzte die Vorurtheile des Adels hinweg. Mit der schüchternsten Bescheidenheit nahm sie den Trauring von meiner Hand, und übermorgen sollte ich meine Amalia vor den Altar führen.
Moor. Steht schnell auf.
Kosinsky. Mitten im Taumel der auf mich wartenden Seligkeit, unter den Zurüstungen zur Vermählung – werd ich durch einen Expressen nach Hof citirt. Ich stellte mich. Man zeigte mir Briefe, die ich geschrieben haben sollte, voll verrätherischen Innhalts. Ich erröthete über der Bosheit – man nahm mir den Degen ab, warf mich ins Gefängniß, alle meine Sinnen waren hinweg.
Schweizer. Und unterdessen – nur weiter! ich rieche den Braten schon.
Kosinsky. Hier lag ich einen Monath lang, und wußte nicht, wie mir geschah. Mir bangte für meine Amalia, die meines Schicksals wegen jede Minute einen Tod würde zu leiden haben. Endlich erschien der erste Minister des Hofes, wünschte mir zur Entdeckung meiner Unschuld Glück, mit zuckersüssen Worten, ließt mir den Brief der Freyheit vor, gibt mir meinen Degen [131] wieder. Izt im Triumfe nach meinem Schloß, in die Arme meiner Amalia zu fliegen, – sie war verschwunden. In der Mitternacht sey sie weggebracht worden, wüßte niemand, wohin? und seit dem mit keinem Aug mehr gesehen. Hui! schoß mirs auf wie der Blitz, ich flieg nach der Stadt, sondire am Hof – alle Augen wurzelten auf mir, niemand wollte Bescheid geben – endlich entdek ich sie durch ein verborgenes Gitter im Pallast – sie warf mir ein Billetchen zu.
Schweizer. Hab ichs nicht gesagt?
Kosinsky. Hölle, Tod, und Teufel! da stands! man hatte ihr die Wahl gelassen, ob sie mich lieber sterben sehen, oder die Mätresse des Fürsten werden wollte. Im Kampf zwischen Ehre und Liebe entschied sie für das zweyte, und lachend ich war gerettet.
Schweizer. Was thatst du da?
Kosinsky. Da stand ich, wie von tausend Donnern getroffen! – Blut! war mein erster Gedanke, Blut! mein lezter. Schaum auf dem Munde renn ich nach Hauß, wähle mir einen dreyspizigen Degen, und damit in aller Jast in des Ministers Hauß, denn nur er – er nur war der höllische Kuppler gewesen. Man mus mich von der Gasse bemerkt haben, denn wie ich hinauftrete, waren alle Zimmer verschlossen. Ich suche, ich frage: Er sey zum Fürsten gefahren, war die [132] Antwort. Ich mache mich geradenwegs dahin, man wollte nichts von ihm wissen. Ich gehe zurück, sprenge die Thüren ein, find ihn, wollte eben – aber da sprangen fünf bis sechs Bediente aus dem Hinterhalt, und entwanden mir den Degen.
Schweizer stampft auf den Boden. Und er kriegte nichts, und du zogst leer ab?
Kosinsky. Ich wurde ergriffen, angeklagt, peinlich processirt. infam – merkts euch! – aus besonderer Gnade infam aus den Gränzen gejagt, meine Güter fielen als Präsent dem Minister zu, meine Amalia bleibt in den Klauen des Tygers, verseufzt und vertrauert ihr Leben, während daß meine Rache fasten, und sich unter das Joch des Despotismus krümmen muß.
Schweizer aufstehend, seinen Degen wezend. Das ist Wasser auf unsere Mühle, Hauptmann! Da gibts was anzuzünden!
Moor der bisher in heftigen Bewegungen hin und her gegangen, springt rasch auf, zu den Räubern. Ich muß sie sehen – auf! rafft zusammen – du bleibst, Kosinsky – pakt eilig zusammen!
Die Räuber. Wohin? was?
Moor. Wohin? wer fragt wohin? heftig zu Schweizern. Verräther, du willst mich zurückhalten? Aber bey der Hoffnung des Himmels! –
Schweizer. Verräther ich? – geh in die Hölle, ich folge dir!
[133] Moor fällt ihm um den Hals. Bruderherz! du folgst mir – sie weint, sie vertrauert ihr Leben. Auf! hurtig! alle! nach Franken! in acht Tagen müssen wir dort seyn.
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