Die Rache (Lenau)
Die Rache.
Der dunklen Wolke letzte schwand
Hinab am glatten Meeresrand,
Um Schatten fernem Land zu schenken
Und mit Gewittern es zu tränken.
Und ruhig liegt der feinste Staub;
Die Sommerluft ist schwül und matt,
Und auf der Wasserfläche glatt
Mag sicher hin die Spinne schreiten,
Die Möwen taumeln träg und schlagen
Die schlaffe Luft mit Unbehagen.
Matrosen baden dort und singen,
Um Leben in die Luft zu bringen,
Er liebt des Windes frischen Hauch.
Auf seinen Fahrten lernt’ er hassen
Das stille Meer vom Wind verlassen.
Sie singen froh ein irisch Lied,
Wenn er die Fahrt mit Müh vollbracht,
Die Münze rollt, die Dirne lacht,
Die Fiedel … weh! ein banger Schrei!
Den Einen biß ein Hai entzwei.
Hat Schreck und Wuth das Herz durchzückt.
Doch hat er schnell sich aufgemannt,
Sein Schreck ist in der Wuth verbrannt,
Er springt ans Land und holt sein Messer
Die Andern starren vom Gestade
Ihm nach, und flehen Gott um Gnade.
Wo bist? komm an! – er taucht und dreht
Die Augen rings und schwimmt und späht
Da schießt das Unthier ihm entgegen,
Weit gähnt ihm zu der Rachenriß
Und fletscht nach ihm das Mordgebiß.
Doch denkt er nicht der eignen Sache,
Tief in des Meeres Einsamkeit
Und Dämmerung beginnt der Streit,
Wild, athemlos, still; wer bezwungen,
Wird stiller nicht, als er gerungen;
Das Auge nah dem Auge rückt.
Am Strande stehn die Andern harrend,
Bang nach dem Ausgang niederstarrend.
Wohl Manchen mahnt’s: o spring hinein,
Doch Schrecken hemmt die kühne That,
Und raunt ihm zu: es ist zu spat!
Da sehn sie roth das Meer sich färben,
Stets röther quillts. – Wer mußte sterben?
Doch am Gebiß vorüber knapp
Ist ihm der kühne Held geschwommen,
Und sucht bauchunter ihm zu kommen;
Er weicht und schießt und taucht hinab
Bohrt ein den Dolch bis an die Haft,
Und zieht den Schnitt mit Lust und Kraft.
Gestachelt von des Schmerzes Feuer,
Wälzt seinen Leib das Ungeheuer,
Dem Tapfern droht der offne Rachen,
Darin vor grimmigem Erbittern
Und Mordbegier die Zähne zittern;
Der Mann entglitt zum zweitenmal
Der Hai an ihm vorübersinkt,
Doch aus dem Schlund die Wuth noch blinkt;
Wie sterbend ihn das Auge mißt
Des Hais, der Seemann nie vergißt.
Erschöpft sein Leib zusammenbricht;
Das Hurrah jauchzt, das Siegsgeschrei:
Der starke Held bezwang den Hai! –
Da wirft sich der verwegne Fechter
Und schlägt ein helles Lustgelächter,
Daß er das Unthier überwand.