Die Sachsen und die Thüringer

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Textdaten
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Autor: Brüder Grimm
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Titel: Die Sachsen und die Thüringer
Untertitel:
aus: Deutsche Sagen, Band 2, S. 65-67
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1818
Verlag: Nicolai
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Erscheinungsort: Berlin
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Originalherkunft:
Quelle: Commons,Google
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: [1]
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Bearbeitungsstand
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[65]
411.
Die Sachsen und die Thüringer.
Witechindus corb. gleich anfangs.

Vergl. Cod. pal. 361. fol. 2d.


Die Sachsen zogen aus und kamen mit ihren Schiffen an den Ort, der Hadolava heißt, da waren ihnen die Landeseinwohner, die Thüringer, zuwider und stritten heftig. Allein die Sachsen behaupteten den Hafen, und es wurde ein Bund geschlossen: die Sachsen sollten kaufen und verkaufen können, was sie beliebten, aber abstehen vom Menschenmord und Länderraub. Dieser Friede wurde nun auch viele Tage gehalten. Als aber den Sachsen Geld fehlte, dachten sie, das Bündniß wäre unnütz. Da geschah, daß einer ihrer Jünglinge aus den Schiffen ans Land trat, mit vielem Gold beladen, mit güldenen Ketten und güldenen Spangen. Ein Thüringer begegnete diesem und sprach: „was trägst du so viel Gold an deinem ausgehungerten Halse?“ – „Ich suche Käufer, antwortete der Sachse, und trage dies Gold bloß des Hungers halben, den ich leide; wie sollte ich mich an Gold vergnügen?“ Der Thüringer fragte: „was es gelten solle?“ hierauf sagte der andere: „mir liegt nichts daran, du sollst mir geben was du selber magst.“ Lächelnd erwiederte jener: „so will ich dir dafür deinen Rock mit Erde füllen;“ denn es lag an dem Ort gerade viel Erde angehäuft. Der Sachse hielt also seinen Rock auf, empfing die Erde und gab [66] das Gold hin; sie gingen von einander, ihres Handels beide froh. Die Thüringer lobten den ihrigen, daß er um so schlechten Preis so vieles Gold erlangt; der Sachse aber kam mit der Erde zu den Schiffen, und rief, da ihn etliche thöricht schalten, die Sachsen ihm zu folgen auf; bald würden sie seine Thorheit gut heißen. Wie sie ihm nun nachfolgten, nahm er Erde, streute sie fein dünne auf die Felder aus, und bedeckte einen großen Raum. Die Thüringer aber, welche das sahen, schickten Gesandte, und klagten über Friedensbruch. Die Sachsen ließen sagen: „den Bund haben wir jederzeit und heilig gehalten, das Land, das wir mit unserm Gold erworben, wollen wir ruhig behalten, oder es mit den Waffen vertheidigen.“ Hierauf verwünschten die Einwohner das Gold, und den sie kürzlich gepriesen hatten, hielten sie für ihres Unheiles Ursächer. Die Thüringer rennten nun zornig auf die Sachsen ein, die Sachsen aber behaupteten durch das Recht des Krieges das umliegende Land. Nachdem von beiden Theilen lange und heftig gestritten war, und die Thüringer unterlagen, so kamen sie überein: an einem bestimmten Ort, jedoch ohne Waffen, des neuen Friedens wegen zusammen zu gehen. Bei den Sachsen nun war es hergebrachte Sitte, große Messer zu tragen, wie die Angeln noch thun, und diese nahmen sie unter ihren Kleidern auch mit in die Versammlung. Als die Sachsen ihre Feinde so wehrlos, und ihre Fürsten alle gegenwärtig sahen, achteten sie die Gelegenheit für gut, um sich [67] des ganzen Landes zu bemächtigen, überfielen die Thüringer unversehens mit ihren Messern, und erlegten sie alle, daß auch nicht einer überblieb. Dadurch erlangten die Sachsen großen Ruf, und die benachbarten Völker huben sie zu fürchten an. Und verschiedene leiten den Namen von der That ab, weil solche Messer in ihrer Sprache Sachse hießen.